„Fiktionale Glaubwürdigkeit“

Aus einem leider nicht online zu findenden Interview von Stefan Niggemeier mit Spin Doctor PR-Berater Klaus Kocks in der FAS, in dem es um Inszenierungen im Wahlkampf geht:

Das heißt, diese Inszenierungen sind auch dann wichtig, wenn scheinbar das Rennen gelaufen ist?

Ja, aus mehreren Gründen. Erstens begründen sie die Reputation der Betroffenen – das ist persönlich wichtig. Zweitens können sie in speziellen Situationen entscheidend sein. Schröder hat seine zweite Bundestagswahl gewonnen, weil dort ein bayerischer Provinzschauspieler und ein niedersächsischer Staatsschauspieler einander gegenüberstanden. Schröder gab zwei große Rollen: den Friedensfürst und den Retter vor der Sintflut, einmal Christophorus, einmal Moses. Wir sehen ihn ja auch immer noch im grünen Bundesgrenzschutzparka vor uns – zu einem Zeitpunkt, als Herr Stoiber, wie ich gehört habe, auf Norderney Urlaub gemacht hat und sich nach stundenlangen Überredungen durch Herrn Spreng entschlossen hat, nach Passau zu fliegen. Der hat gar nichts verstanden. Ein zweites Beispiel für die Rolleninszenierung: Als Schröder über weltpolitische Fragen, über Krieg und Frieden gesprochen hat, hat Stoiber die Arbeitslosenzahlen des Arbeitsamtes Freising referiert. Das ist die zweite Wahrnehmungsebene von Politik.

Und es lohnt sich auch in so aussichtslosen Situationen, daran zu arbeiten, weil Situationen eintreten können, die diese Ebene entscheidend werden lassen?

Um ein negatives Beispiel zu nennen: Der von manchen geschätzte Guido Westerwelle findet aus seiner Rolle des Kaspers nicht zurück. Der Mann hat sich durch ein Inszenierungskonzept ruiniert: weil er nicht wusste, was heterosexuelle Männer denken, wenn sie Wohnmobile am Straßenrand sehen. Die denken dann nicht an Graf Lambsdorff. Das ist fatal. Westerwelle versucht verzweifelt, in eine seriöse Rolle zurückzukommen, und alle fragen sich, welche Nummer er heute unter dem Schühchen hat.

7 Antworten:

  1. ham sie das alles abgetippt?
    was sie alles für ihre leserschaft tun! vielen dank.

  2. Ein Dank wäre nur nötig, wenn ich das komplette Interview abgetippt hätte :-) Das kann man übrigens hier für 1,50 € kaufen.

  3. Hm, wirft bei mir die Frage auf: Gibt es in dieser Republik Leute, die tatsächlich noch an Graf Lambsdorff denken???

  4. An was denken wir Männer denn nun, wenn wir ein Wohnmobil sehen? Holländer? Keine Ahnung.

    Guido Westerwelles Auftritt bei Big Brother ist unvergessen. Ein Paradebeispiel dafür, wie man sich für ein bisschen Promotion zum Kasper macht.

  5. Da ist was dran, an den Ansichten von PR-Kocks, das ist mit Sicherheit kein Huntzinger. Der Vergleich Staats-/Provinzschauspieler ist doch herrlich. Ich denke, den Hauptfehler machen die Parteien allerdings selber, weil sie vergessen, daß nicht nur Parteimitglieder wählen. Kohl hätte mit Sicherheit nicht 16 Jahre gesessen, wenn die SPD Schröder anstelle von Schöngeist Engholm oder dem schnellen Rudolf ins Rennen geschickt hätte …

  6. @ Deef. Haben Sie denn gar keine Phantasie? Ich denke dabei an was Schönes. Allerdings nicht, wenn ich mir vorstelle, daß der Guido da drin auf mich wartet!

  7. Die denken dann nicht an Graf Lambsdorff. Das ist fatal.

    Stimmt. Man sollte bei der FDP viel öfter an Bundeswirtschaftsminister Lambsdorffs Steuergeschenke an Flick und Bestechlichkeit denken.