Frau gegen Frau

Die Zeit erinnert an zwei Streitgespräche, die Alice Schwarzer im Fernsehen geführt hat: 1975 gegen Esther Vilar, die in ihrem Buch Der dressierte Mann die These vertrat, dass nicht Männer die Frauen ausbeuteten, sondern die Frauen die Männer, und 2001 gegen Verona Feldbusch, die überhaupt keine Thesen vertreten hat, sondern nur gut aussah. Der Artikel wurde leicht gekürzt aus dem Buch Je später der Abend … Ãœber Talkshows, Stars und uns von Klaudia Brunst übernommen, das demnächst erscheinen wird:

„1975 wurde noch geredet, 2001 ging es nur noch um Körpersprache“, vergleicht Schwarzer nachträglich die beiden Streitgespräche. Tatsächlich „argumentiert“ Verona Feldbusch häufig körpersprachlich. Sie zieht ausgerechnet in dem Moment lasziv die Jacke aus (und legt so ihr Dekolleté frei), als Alice Schwarzer auf Kerners Frage antworten muss, was die Feministin an dem Sexsymbol schätze. Wenn Schwarzer sich kurz an sie wendet und etwas herablassend sagt: „Entschuldigen Sie, wenn ich einen sexualwissenschaftlichen Diskurs führe“, haucht Feldbusch nur ein höfliches „Ohbittesehr“ und wechselt aufreizend gelangweilt ihre Beinstellung. Aber ist das alles wirklich so neu? Auch das Streitgespräch „Alice kontra Esther“, aus dem Alice Schwarzer als Gewinnerin hervorging, wurde von den Kritikern vor allem anhand der habituellen und nonverbalen Zeichen gedeutet. In den Rezensionen geht es ausführlich um die Optik (Vilar trägt die helle Hose, Schwarzer den dunklen Rock), um sanfte und aggressive Stimmlagen, um laszive und angriffslustige Körperhaltungen. Kurz: Nicht erst in der Auseinandersetzung mit Verona Feldbusch, sondern bereits 1975 trumpften nicht allein die vorgetragenen Argumente. Schon damals begründete Schwarzers „betroffen-aggressiver“ Auftritt ihr Image („blond, schmal, von scharfer, drängend nervöser Intelligenz“). Dass Schwarzers Disput mit Esther Vilar im Vergleich zur Begegnung „Schwarzer versus Feldbusch“ als so fundiert, aufrichtig und inhaltsvoll in Erinnerung blieb, ist letztlich nur dem historischen Kontext des Fernsehereignisses zu verdanken: 1975 ist die Auseinandersetzung mit dem Feminismus gerade erst debattenfähig geworden. 2001 ist sie nicht einmal mehr talkshowfähig.

9 Antworten:

  1. Hm. Und 2005 anscheinend auch unblogbar, wenn ich mir die ausbleibende Resonanz hier so angucke…

  2. witziges zitat von frau vilar, bin ix vor ein paar jahren mal drüber gestolpert: »für eine frau gibt es wichtigere dinge als einen orgasmus, zum beispiel den kauf von einem paar auberginefarbenen lackstiefelchen.«

  3. Ich nehm dann doch lieber den Orgasmus, danke der Nachfrage.

  4. Komisch, ich hatte in den Kommentaren eigentlich auch eine heftige (post-?)feministische Debatte erwartet…
    Spielt Feminismus (außer als böses Klischee) heute noch eine Rolle?
    Für mich (Jahrgang 79) eigentlich nicht. Für meine Mutter (Jahrgang 50) schon. Warum ist das so?
    Ruhen wir uns auf dem aus, was die Frauen der Generation(en) vorher erkämpft haben und belächeln Frauen wie Alice Schwarzer? Kommt mir manchmal ein bißchen so vor. Feminismus ist mittlerweile ein doch eher negativ behafteter Begriff, oder irre ich mich da? Fragen über Fragen…

  5. Hmm.
    Mit der Schwarzer ist das so eine Sache.
    Sie hat sicher vielleicht einiges an Aufmerksamkeit auf die richtigen Sachen gelenkt (=> Gleichberechtigung), und dass ist sehr gut und auch kein alter Hut, wenn ich mir die Haltung von Männern meiner Generation teilweise angucke.
    Andererseits ist Schwarzer so eine Art halbierter Dualismus; sie verzieht die Dinge ins Extreme, natürlich in _ihre_ Extreme, ihr fehlt der Gegenpol. Ihr Auftreten ist zu radikal, und ähnlich wie die Chauvinisten – das ist in der Tat ironisch – schiebt sie allen Frauen eine Art Rollenbild unter.

    Ach, und was die Entwicklung angeht; es gibt, wie ich schon sagte, immer noch das Problem, dass die Gleichberechtigung (Emanzipation ist genau wie Feminismus ein Kampfbegriff für mich, so dass ich ihn ungern verwende) in den Köpfen (selbst der Frauen!) nicht angekommen ist.
    Andererseits aber sind imo zwei Veränderungen auszumachen:
    1. die Moralachse der Gesellschaft ist deutlich gekippt. Waren es in der Moderne noch die Frauen, die mit dem “Bösen” behaftet waren (vgl. Goethe, Christentum, etc.), so sind es jetzt die Männer (vlg. mediale Präsenz von Männernbildern). Ob das eine Folge der Emanzipation oder/und auch eine Folge der sonstigen gesellschaftlichen Veränderungen ist, will ich gar nicht beurteilen.
    2. Vielfach existieren das alte und das neue Frauenbild noch nebeneinander, was evtl. zu Ungerechtigkeiten führt, die Männer natürlich in ihrer Wahrnehmung vergrößern wollen, usw.

  6. Ich weiß gar nicht, ob es ein altes und ein neues Frauenbild gibt, genausowenig wie ein altes oder neues Männerbild. Ich denke, im Moment darf jeder alles: Karrierefrau sein genau wie Mutter, Hausmann genau wie Manager. Jeder Mensch soll irgendwie alles in sich vereinen, harte wie weiche Seiten, tough und verletztlich. Ich habe das Gefühl, dass unsere Generation soviele Möglichkeiten hat, dass sie gar nicht mehr weiß, was sie eigentlich will und dass deswegen immer noch die alten Konflikte auftreten. Die „alten“ Grenzen sind verschoben, aber keiner weiß so genau, wohin eigentlich.

  7. Hmm, das glaube ich nicht. Viele Männer haben manchmal in der Tat das Gefühl, dass Frauen einerseits die Möglichkeiten der Gleichberechtigung nutzen, andererseits aber die klassisch (biologisch?) weiblichen Methoden nicht verschmähen. Das klingt jetzt sehr klischeehaft, aber das ist ein Beispiel für die beiden Rollenbilder, die da kollidieren.
    Im Gegensatz dazu würde ich zumindest für männliche Jugendliche konstatieren, dass die es im Moment ein ganzes Stück schwerer haben; wir haben auf der einen Seite den schon angesprochenen Konflikt zwischen dem patriarchaischen und dem anti-patriarchaischen Rollenbild, also wieder zwei kollidierende Rollen, nur dass diese sich jetzt gegenseitig ausschließen, gleichzeitig die rollentechnische Überlegenheit von Frauen in diesem Alter. Die Zahlen sprechen für sich; während die Zahl der Selbstmorde und Magersüchtigen für Mädchen abnimmt, steigt sie gleichzeitig afaik rasant für Jungen.
    Das wirkt nach bis ins Erwachsenenalter, und die Folgen sind noch gar nicht abzusehen.

    Es ist ja nicht nur so, dass Rollenbilder Grenzen sind, an denen unsere Individualität ihre Schranken findet. Vielmehr findet unsere Individualität in ihnen auch den Halt, den sie gerade während der Pubertät (aber natürlich auch noch wesentlich später) braucht. Deshalb würde ich deinen Kommentar zu dieser Generation nur bedingt unterschreiben; natürlich sind viele Möglichkeiten gegeben, das ist aber zu kurz gegriffen. Faktisch entsteht eine Person erst als sample vieler Imitationen. Und deshalb suchen sich junge Leute möglichst Rollenbilder. Je widersprüchlicher oder offener diese sind, desto größer werden die Risiken, und dass ist jetzt keineswegs antiliberal gemeint, sondern lediglich eine Feststellung.

  8. Hausmänner und Männer in Teilzeitjobs werden bestenfalls von starken Frauen für voll genommen, alles andere ist leider ein Medienmythos. Weder Männer noch Frauen können heute alles. Was die männlichen Jugendlichen angeht, so sind die längst zu einem ungeahnt primitiven Machismo zurückgekehrt, der ihnen auf MTV und Viva von Zuhältern vorgerappt wird.

  9. In dem Alter, wo diese “Zuhälter” noch ernst genommen werden (vom, zugegeben kleinen, denkenden Teil der Bevölkerung) würde ich das sogar als Selbstverteidigung gelten lassen.