Patenkind-Content (mal wieder)

(Pic by Robert Grischek)

Emilia ist jetzt zehn Monate alt. Sie kann noch nicht Mama sagen und noch nicht Papa und erst recht nicht Lieblingspatentante Anke, obwohl ich mich sehr bemühe, ihr diesen wohlklingenden Begriff nahezubringen. Der Kerl vermutet deshalb, Emilia sei ein bisschen langsam und hat ihr den Spitznamen Stulle verpasst, der bei den Eltern nicht ganz so gerne gehört wird. Angeblich sei das im Berliner Raum eine Beleidigung („Eh, guck mal, der Depp da, voll stulle, der Typ“). Ich kann das nicht beurteilen, aber Emilia hört sowohl auf ihren Taufnamen als auch auf Stulle. Anscheinend mag sie den Namen. Vielleicht mag sie den aber nur, weil man das Ding, das sich hinter dem Namen verbirgt, in den Mund stecken kann. Emilia ist zurzeit ganz groß darin, sich alles in den Mund zu stecken, was reinpasst. Gerne auch mal die eigenen Füße. Füße sind sowieso toll. Beim Osterfrühstück hat sie minutenlang an den Füßen vom Kerl rumgespielt, obwohl die nur in Socken steckten, während meine in total tolle bunte Sneakers verpackt waren. Die waren aber nicht so angesagt. Dann hat Emilia entdeckt, dass der Kerl nicht ganz frisch rasiert war (vulgo: Acht-Tage-Bart), worauf erstmal alle anderen Menschen im Raum abgemeldet waren, weil der Bart so klasse war. Seitdem heißt der Kerl bei den Kindseltern nur noch Der Bart. Das nur nebenbei, weil ich ja gerne dafür angekackt werde, dass ich meinen Liebsten so schnöde Der Kerl nenne. Der Bart sage ich jetzt auch ab und zu, was dazu führt, dass der Kerl sich immer dann rasiert, um mich zu ärgern, weil ich auch so gerne an seiner Gesichtsbehaarung rumspiele.

Aber zurück zum Patenkind: Nachdem Emilia durch pädagogisch wertvolles Spielzeug geschickt vom Bart abgelenkt wurde – „Und jetzt den kleinen gelben Becher in den großen roten stecken … nein, nicht den roten in den gelben … nee, das klappt wirklich nicht … du kannst das doch … das ist der Vorführeffekt … komm, wir spielen was anderes“ –, konnten wir gemütlich frühstücken. Danach habe ich das Kind auf den Schoß bekommen und durfte ewig in Emilias wahnsinnigwuscheligweichen Haaren rumpusten und ihre Babyhaut beneiden küssen und ihre kleinen Finger angucken, die ganz schön kratzige Fingernägel haben, und dann hab ich sie einfach machen lassen, was sie wollte, was aber nicht so gut ankam, weil sich Emilia natürlich Ostereierstanniolverpackungen in den Mund stecken wollte und Servietten und Parmaschinken und Kuchengabeln. Ich habe lautstark eine antiautoritäre Erziehung vertreten, wurde aber überstimmt und durfte stattdessen versuchen, Emilia für das Wort Nein zu begeistern. Die Kindsmutter berichtete, dass dieses Wort erstmals an der Zimmerpalme geübt wurde, deren Blätter man sich auch ganz prima in den Mund stecken kann, wenn man denn unbedingt will.

Ansonsten hat Emilia weiterhin die coolsten Klamotten, die ich je an Babys gesehen habe, ist längst aus meinen tollen Nikes rausgewachsen und kann schon stehen, sich aber noch nicht wieder hinsetzen, was dazu führt, dass Mama den ganzen Tag hinter ihr steht, weil sie sich klasse am Tisch hochzieht und dann nicht weiß, wie sie wieder runterkommt. Außerdem kriegt sie locker die abgerundeten Ecken der Kindersicherung von den spitzen Tischkanten ab und findet das Sperrgitter vom Wohnzimmer zur Küche total doof. Ich ebenfalls, denn ich kann da genausowenig drüberklettern. Zum nächsten Frühstück setze ich mich solidarisch mit ihr vor das Gitter und nöle und beklage den eingeschränkten Zugang zum Kühlschrank, wo der Parmaschinken liegt und vielleicht noch ein paar Ostereier.

(Nein, ich will immer noch kein eigenes. Aber Stulle könnte ich den ganzen Tag knutschen. WERD ENDLICH ALT GENUG FÜRS KINDERKINO!)

10 Antworten:

  1. Habe ich schon erwähnt, daß meine Nichte auch Emilia heisst? Ist allerdings schon lauf- und bedingt redefähig, die Gute.

  2. Und es wird alles immer noch toller (und anstrengender). Wenn die Beine erstmal zum Laufen benutzt werden, nahezu jede Sekunde hinterhersein, um abgebrochene Zähne, aufgebissene Zunge und so zu vermeiden. Hier und da zu langsam gewesen. Und wünschen, das weiterhin alles so gut ausgeht.

  3. Der Bart … wie aus “Frau Rettich, die Czerny und ich” (natürlich Buch, nicht Film)?

  4. Ach, DAHER kenne ich den Namen. Und ich überleg seit Tagen. Ja, Buch, nein, nicht Film.

  5. Ich kann nur meinen Sohn “anbieten” s.o. Link
    Der hört nicht mehr auf zu reden und zu laufen …

  6. Ich kann weder Sohn, Tochter, noch Neffe oder Nichte anbieten, aber zu “der Bart”, “der Kerl” und “Stulle” fällt mir ein: “Die Alte…” sprach doch prompt ein Freund über seine Holde in Gegenwart dieser. Und es war klar, er meinte seine Frau. Wie sich später herausstellte, sind die zwei ein klasse Team, und in Franken ist das so recht üblich. Ob Bart, Kerl, Alter,… lockert doch die Stimmung und Komunikation auf. Daß betagtere Semester vielleicht nicht so gut damit umgehen können, sei mal dahingestellt.

    In Nordhessen ist “Stulle” ebenso als Brotschnitte bekannt: “Ich schmier’ dir ‘mal ‘ne Stulle mit Leberwurst.” u.ä…. Da kommen mir dann bei dem “nick name” Assoziationen wie “dumm wie ein Stück Brot” in den Sinn, und deswegen kommt bei mir “Stulle” (exklusive Leberwurst) auf die Negativ-Liste.

  7. Es muss in etwa vor 7 Jahren gewesen sein, als ich zu meiner Mutter sagte, du bist meine Lieblingsmutter. Junge, wie viele Mütter hast du denn. Eine, dich. Also … dann nenn’ mich nicht Lieblings!

    Grüß’ Dein Lieblingspatenkind, Du Lieblingspatentante ,)

  8. da haben wir’s doch: “wenn ich mal gross bin, werd ich ‘ne schnitte”.

    mein kleiner cousin ist, seitdem er komplizierte worte aussprechen kann, auf werbung konditioniert:
    onkel: mein sohn, mein einziger sohn, mein ganzer stolz.
    sohnemann: deine altersvorsorge…

  9. Liebe Anke,

    das mit dem Sprechen kommt noch früh genug.
    Das meiner Meinung nach mit Abstand beste Buch, um mit Kindern erste Worte zu üben ist: Eins Zwei Drei Tier von Nadia Budde, gibt´s in jedem gutsortierten Buchhandel.

    Ich habe mit dem Buch den größte Spaß überhaupt mit meiner Tochter gehabt. Ich bin mir sicher, Dir wird´s nicht anders gehen!

    Leider weiß ich nicht mehr, wer uns das Buch geschenkt hat, um mein Lob separat nochmal auszusprechen….

    Viele Grüße,
    pepperman

  10. Kinderkino wird noch so ungefähr 2,5 Jahre dauern. Vorher lohnt nicht, da die lieben Kleinen dann plötzlich mitten im Film die Lust am gucken verlieren.
    Aber dann ist es schön.
    Man kann endlich in all die schönen Kinderfilme gehen, ohne schief angesehen zu werden. :-)