Million Dollar Baby

Million Dollar Baby (USA 2004, 132 min)

Darsteller: Clint Eastwood, Hilary Swank, Morgan Freeman, Lucia Rijker, Brian F. O’Byrne, Margo Martindale, Jay Baruchel
Musik: Clint Eastwood
Kamera: Tom Stern
Drehbuch: Paul Haggis, nach Motiven aus Geschichten von F. X. Toole
Regie: Clint Eastwood

Trailer

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Ich mag am Kino die großen Wahrheiten, den Erfolg, den Sieg, aber auch das Scheitern und das Tragische. Einem Film dabei zuzusehen, wie er hinter Motiven und Bildern plötzlich den Blick auf das Große, Ganze freigibt, ist für mich unwiderstehlich und der Grund, warum ich Kino mag. Normalerweise ist Clint Eastwood ein Garant für derartiges Kino. Der zwingenden Sog von Mystic River, in dem es um Schuld, Sühne, Familie und Freundschaft ging. Die heillos romantische Liebesgeschichte aus The Bridges of Madison County, in dem ich einer verpassten Chance, ja einem verpassten Leben hinterhergeweint habe. Und natürlich der kompromisslose, gewalttätige und gleichzeitig seltsam zärtliche Unforgiven, um nur ein paar seiner Filme zu nennen. Ich mag die Art, wie Eastwood Regie führt, wie er sich auf seine Protagonisten konzentriert, schlicht ihre Geschichte erzählen will, ohne Schnörkel und hollywoodhafte Umwege. Kurz gesagt: Ich hatte mich auf Million Dollar Baby wirklich gefreut. Und war nach dem Kinobesucht wirklich mies gelaunt.

Million Dollar Baby handelt vom alten Boxtrainer Frankie (Eastwood), der zusammen mit seinem Freund Scrap (Morgan Freeman) ein heruntergekommenes Sportstudio betreibt, in dem sich hoffnungsvolle mit komplett talentfreien Boxern die Geräte teilen. Eines Tages spaziert Maggie (Hilary Swank) in das Studio und fängt an, einen Sandsack zu bearbeiten; sie will von Frankie trainiert werden, der nach einigem Zögern auch einwilligt.

Schon in den Anfangsszenen habe ich über die Ansammlung von Klischees gestöhnt: Dialoge der Marke “Some people say I’m pretty tough”– “Girlie, tough ain’t enough” waren zwar netterweise die Ausnahme, aber ansonsten war alles da: das Schild an der Wand mit der Deppenbotschaft “Winners are people who are willing to do what losers won’t”; der Südstaatenslang von Swank, die zu allem Ãœberfluss natürlich auch noch Kellnerin ist, dem bekanntermaßen trashigsten aller White Trash-Jobs in Filmen; der weise, gutmütige und schlitzohrige Sidekick, der uns aus dem Off wahnsinnig tiefgründige Boxweisheiten einflüstert. Ihn darf undankbarerweise Morgan Freeman geben, der wirklich Besseres verdient hätte auf seine alten Tage.

Und damit nicht genug: Natürlich hat auch jeder der drei Protagonisten eine Vergangenheit, die er oder sie mit sich herumträgt. Dagegen ist ja auch im Prinzip nichts einzuwenden, wenn diese Vergangenheit irgendetwas mit dem Film zu tun hat, wenn also die Vergangenheit das Handeln der Figuren in der Gegenwart so sehr bestimmt, dass man sich diesem Handeln nicht entziehen kann. Hier aber hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass man sich beim Drehbuchschreiben irgendwie nebenbei überlegt hätte, was denn passiert sein könnte, damit z.B. Frankie sich so rührend um Maggie kümmert, warum Frankie jeden Tag in die Kirche geht oder warum Frankie und Scrap seit 100 Jahren aufeinander hocken. Ah, ich hab’s, der eine war ein Boxer, der andere sein Trainer, dann schmeißen wir noch einen verlorenen Titelkampf und eine unheilbare Verletzung mit rein blablabla … und das Fiese ist: Man muss sich diese ganze, langweilige Vergangenheit auch noch erzählen lassen anstatt sie irgendwie unterschwellig vermittelt zu bekommen. Nein, Freeman setzt sich hin und quatscht. Ich habe selten so eine unelegante Motivandeutung gesehen. Denn mehr als eine Andeutung ist es nicht: Scrap hätte auch Tankwart sein können und Frankie sein Kunde; es hätte am Ausgang des Films nichts geändert. Die Motive, die hinter den Figuren stehen – der Verlust eines geliebten Menschen, die Schuld, die man mit sich herumträgt, die verpassten Gelegenheiten, denen man nachtrauert – waren hier nicht mehr als eine wohlig-deprimierte Tapete, aber kein zwingender Motor der Geschichte.

Und auch Maggie kriegt ihre Hintergrundgeschichte, die sie uns ebenfalls größtenteils erzählt: von ihrem Daddy und ihrem todkranken Hund, der leider irgendwann von Daddy umgebracht wurde und davon, dass sie nur einen Traum hat: zu boxen. Warum sie da erst mit 31 draufkommt, ist mir nicht klar geworden, aber gut. Wahrscheinlich hätte es noch alberner ausgesehen, wenn der 75jährige Eastwood eine 17jährige trainiert hätte. Maggies restliche Familie lernen wir immerhin im Bild kennen und nicht nur als Monolog, aber leider sind sie noch üblerer Trailer Trash, als wir uns das vorher vorgestellt hatten bzw. Trailer Trash-Abziehbilder: die dicke Mama, die babyschleppende Schwester, der tätowierte Bruder … eklig. Warum Maggie immer noch versucht, sich die Liebe ihrer Mutter zu verdienen oder zu erkaufen, obwohl diese für sie offensichtlich nichts übrig hat, habe ich nicht verstanden. Und ehrlich gesagt, war es mir irgendwann auch ziemlich egal.

Million Dollar Baby hatte zudem noch eine arg bemühte Dramaturgie. Die wenigen Spannungsmomente, die der Film hatte, als Maggie ihre Karriere als Boxerin aufnimmt und ehrgeizig verfolgt, werden allesamt zunichte gemacht durch den letzten Akt, die große Wende, als das Unglück über unsere drei Figuren hereinbricht. Dieser Bogen, den die Geschichte hier schlägt, kommt so unvermittelt und endet ebenso unvermittelt, dass ich mich gefragt habe, ob ich mir gerade ernsthaft eine zweistündige Exposition für eine Fünf-Minuten-Pointe angeguckt habe. Im Nachhinein fühlt es sich jedenfalls so an: Um die ganze Tragweite der Tragik klarzumachen, musste man im Vorfeld eben eine Menge erklären. Oder etwa nicht? Ich habe gerade vor zwei Wochen einen Film gesehen, in dem ein ähnlicher Schicksalsschlag wie der aus Million Dollar Baby vorkam. Dieser Film hieß Das Meer in mir, und der brauchte eine Rückblende und zwei vergilbte Fotos, um mir eine Lebensgeschichte zu erzählen, keine zwei Stunden.

Ich frage mich, seit ich aus dem Kino gegangen bin, was das Großartige an Million Dollar Baby ist, warum er alle Preise gekriegt hat, die er kriegen konnte. Freeman war in vielen anderen Filmen besser, Swank hat den Oscar, glaube ich, nur bekommen, weil sie so oft blutig und zerschlagen aussah, und warum die Regie jetzt auszeichnungswürdig ist, weiß ich auch nicht. Sicherlich hatten einige Szenen einen gewissen Charme, zum Beispiel wenn Frankie und Scrap über Scraps löcherige Socken philosophieren. Sicherlich macht es Spaß, Maggie dabei zuzuschauen, wie sie besser und besser wird; eine Montage aus ihren Erstrunden-K.O.s ist wundervoll leichtfüßig (im wahrsten Sinne des Wortes) und entschuldigt die üblichen Trainingssituationen, die man aus hundert Boxfilmen kennt. Aber die wenigen angenehmen Momente und die wenigen tragischen im Schlussteil werden erdrückt durch die Banalität, die über allem wabert. Die klare Linie, die ich sonst an Eastwood mag, verkommt hier zu einem schlichten Bilderreigen; kaum eine Szene ist mir wirklich in Erinnerung geblieben, fast alles floss widerstandslos an mir vorbei. Auch die Konzentration auf die Figuren war mir hier zu simpel gestrickt, mir fehlte das Geheimnisvolle, das Überraschende, das gewisse Etwas, das aus Charakteren Menschen macht. Hier fühlten sich alle Charaktere wie Schablonen an und dummerweise wie Schablonen, die ich schon hundertmal gesehen habe.

Million Dollar Baby eignet sich nicht für die großen Kinogefühle, die ich so mag. Er ist zu geradeaus, zu wenig von seinem eigenen Material überzeugt. Er nutzt Klischees, ohne sie zu brechen oder zu ironisieren, sondern tut im Gegenteil so, als wären es keine Klischees, sondern tiefgründige Wahrheiten. Und vor allem spricht er die Motive, den ganzen Sinn des Films, einfach aus, anstatt ihn durch Metaphern oder eine gute Story zu verklausulieren. Nichts ist langweiliger, als eine Lösung auf einem Silbertablett serviert zu bekommen. Und bei Million Dollar Baby ist es nicht mal das. Da ist es bloß ein Schild neben einem heruntergekommenen Boxring.

10 Antworten:

  1. Freut mich, dass ich mal wieder einer Meinung bin.
    War sehr enttäuscht von M$B und wie Du sagtest nach den Glanzleistungen von Eastwood in den letzten Jahren. Das Ende, der Plottwist – für mich unteres Hollywood-Niveau: mich ärgert auch die Unglaubwürdigkeit des Sports, das hier sah nach Ultimate Fighting aus, aber nicht nach einem Boxkampf.
    Warum die Geschichte am Schluss dann in eine ganz andere Richtung geht habe ich auch nicht nachvollziehen können.
    Herr Eastwood, Sie können das besser!

  2. Jetzt verdirbst du mir das ganze schöne Filmerlebnis – aber die Fakten stimmen. Da ich zur Zeit so selten im Kino bin (Kind ganz klein) war das trotzdem prima und das bleibt so.

  3. oh mann was ist das denn jetzt für ein wahnsinns wendepunkt am schluß???
    erst ist der film so lalala aber der schluß muß ja ein hammer sein…

    swank kriegt ein farbiges baby vom freeman direkt im ring und eastwood dachte die ganze zeit es wäre von ihm selbst oder wird swanky in ihrem allerersten offiziellen kampf gleich tot oder ins koma geboxt oder WAS??

    Liebe Frau Groener nach der Kritik gehe ich da eh nicht rein. besten dank, dacht ja auch wunder was da geleistet wurde bei den vielen preisen aber- was issn jetzt??

  4. Vielleicht sehnte sich die amerikanische Jury nach der Klarheit der Rocky-Filme?

  5. Ich habe den Film gestern gesehen…und wuerde mir ihn heute wieder anschauen. Wenn Du natuerlich mit einer vorgefassten Erwartung den Film angeschaut hast, verstehe ich Deine Misslaunigkeit danach. Den “Blick auf das Grosse, Ganze” habe ich nicht vermisst. Die Tristesse, die Einsamkeit, die wichtige Notwendigkeit des dauernden Selbstschutzes, die Vergeblichkeit des Kampfes in einer Welt, die nur dem Sieger gehoert, sind sicher Themata vieler anderer Filme. Mich hat dies alles in diesem Film besonders beeindruckt.

  6. was soll das senn? der film ist echt gut. nur weil ihr alle den überhaupt nicht verstanden habt, gibt euch das noch lange nicht das recht so einen Müll zu schreiben!!!!!!!

  7. lieber anonym, kein recht zu kritik? wie kommst du denn auf dieses schmale brett? merkwuerdig, dein posting. na, egal …

    andererseits, anke, ich mochte m$b auch. sehr sogar. ok, ein klischee nach dem anderen. mein kopf sagt auch, das war alles etwas duenn. aber meinen bauch hat der film gepackt. er war stimmungsvoll, hatte kraft und, ja, er hat mich geruehrt. und das ist doch nicht das schlechteste.

  8. hallo.
    Welches Medikament spritzt Clint der guten Maggie? die sechsfache Dosis Insulin? Oder ein anderes?
    Ich wäre sehr dankbar für Hilfe…

  9. …er spritzt ihr adrenalin…………….

  10. gestern gesehen, frau gröner ist mit recht dabei: schlechte story, regie naja, casting geht so – kein wunder, daß wir uns 2 fl rotwein geben mußten, um bis zum ende zu schaffen