„Leider verhält es sich mit dem Anfang einer Lüge unserer Geliebten wie mit den Anfängen unserer eigenen Liebe oder dem Anfang einer Berufung. Sie entstehen, sie wachsen, doch entgehen sie unserer Aufmerksamkeit. Will man sich erinnern, auf welche Weise man angefangen hat, eine Frau zu lieben, so liebt man sie bereits; von den vorangehenden Träumereien sagte man nicht: Das ist der Auftakt einer Liebe, Vorsicht; so rückten sie dann vor, überraschend und fast unbemerkt. Abgesehen von verhältnismäßig seltenen Fällen habe ich hier der bequemeren Darstellung wegen häufig eine lügenhafte Äußerung Albertines ihrer ersten Behauptung (über die gleiche Sache) gegenübergestellt. Diese erste Behauptung hatte sich, da ich ja nicht in der Zukunft lesen und bereits wissen konnte, welche entgegengesetzte Äußerung eines Tages ihr Pendant bilden werde, unbemerkt eingeschlichen, und ich hatte sie zwar mit eigenen Ohren angehört, doch ohne daß ich sie aus dem Zusammenhang der Reden Albertines herausgehalten hätte. Später, nachdem die Lüge an den Tag gekommen oder ich nachgerade von ärgsten Zweifeln heimgesucht war, hätte ich mich gern erinnert, aber vergebens; mein Gedächtnis war nicht rechtzeitig gewarnt worden und hatte es für überflüssig gehalten, eine Kopie aufzubewahren.“

Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 5: Die Gefangene, Suhrkamp 3645, 2000, Seite 214/215, Ãœbersetzung von Eva Rechel-Mertens.

„Il en est malheureusement des commencements d’un mensonge de notre maîtresse comme des commencements de notre propre amour, ou d’une vocation. Ils se forment, se conglomèrent, ils passent, inaperçus de notre propre attention. Quand on veut se rappeler de quelle façon on a commencé d’aimer une femme, on aime déjà ; les rêveries d’avant, on ne se disait pas : c’est le prélude d’un amour, faisons attention ; et elles avançaient par surprise, à peine remarquées de nous. De même, sauf des cas relativement assez rares, ce n’est guère que pour la commodité du récit que j’ai souvent opposé ici un dire mensonger d’Albertine à son assertion première sur le même sujet. Cette assertion première, souvent, ne lisant pas dans l’avenir et ne devinant pas quelle affirmation contradictoire lui ferait pendant, elle s’était glissée inaperçue, entendue certes de mes oreilles, mais sans que je l’isolasse de la continuité des paroles d’Albertine. Plus tard, devant le mensonge parlant, ou pris d’un doute anxieux, j’aurais voulu me rappeler ; c’était en vain ; ma mémoire n’avait pas été prévenue à temps ; elle avait cru inutile de garder copie.“

Marcel Proust, À la recherche du temps perdu 5: La Prisonnière, Quelle)