Tagebuch Donnerstag, 7. März 2019 – Mein erstes LaTeX-Dokument

Den Vormittag verbrachte ich in der Stabi, wo ich mir einen Ausstellungskatalog ansah, der unglaublicherweise nicht im Zentralinstitut für Kunstgeschichte steht. Für meine Diss ist eine Ausstellung mit dem propagandistisch hervorragenden Titel „Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst“ wichtig, wo die Menschen in München 1936 bergeweise Autobahnbilder zu sehen bekamen. Die Ausstellung wanderte dann nach Berlin und Ende 1936 nach Breslau, und den Breslauer Katalog kannte ich noch nicht. In ihm fehlten schon einige Werke, denn das waren alles Verkaufsausstellungen, und so eine hübsche Ansicht einer Großbaustelle hängt man sich ja gerne übers Sofa. Im Breslauer Katalog fanden sich daher ein paar Käufernamen, was sehr praktisch für meine kleine Provenienzrecherche ist. Ich bin bei meinem Thema auf jeden Fitzel angewiesen, weil es außer ein paar Lexikonartikeln nichts Schriftliches über Herrn Protzen gibt. Ich bin gerade die erste, die sich länger mit ihm befasst. (Soweit ich weiß.)

Ich würde mir inzwischen ein derartiges Bild übrigens mit Kusshand übers Sofa hängen – vielleicht ist die systemkonforme NS-Kunst doch verführerischer als ich es demnächst auf 150 Seiten entschieden verneinen werde? Da die Pinakotheken aus Urheberrechtsgründen ihre eigenen Bilder nicht auf ihrer eigenen Website zeigen dürfen, verlinke ich mal auf ein Foto eines kommerziellen Anbieters – bei dem ich gerade eine Postkarte von Herrn Protzen erworben habe, von deren Motiv ich bisher noch nicht wusste, dass es als Postkarte erhältlich war. Danke, Google. (Jeder Fitzel!)

In der Mittagspause kaufte ich einen kleinen Eimer (den Satz lasse ich einfach so stehen, der ist super als geistiger Stopper), dann gab’s die neue Folge Masterchef UK und dazu ein Käsebrot.

Und dann setzte ich mich um 14 Uhr todesmutig an den eigenen Schreibtisch, installierte LaTeX, öffnete ein, zwei PDFe, die mir Newbie erklären sollten, wie ich überhaupt anfangen sollte – und dann fing ich an.

(Sie können sich diesen Blogeintrag ersparen und einfach meinen Thread von gestern auf Twitter nachlesen, da kann man mir quasi beim Livelernen zuschauen.)

Vor tausend Jahren hatte ich mal ein paar Tage in HTML und CSS investiert, daher schreckte mich die Oberfläche nicht so sehr ab. Ich erinnerte mich allerdings auch daran, wie schnell ich die Lust am Coden verloren hatte. Das überlasse ich bis heute eher Menschen, die wissen, was sie tun und die das vor allem tun wollen. Ich will bloß schreiben. Und genau deshalb wird die Diss in LaTeX getippt, weil mich Word bei einem derart langen Schriftstück vermutlich in den Wahnsinn treiben wird.

Mein Buch habe ich damals auch in Word geschrieben, aber das kam ohne große Fußnoten aus, ohne wissenschaftlichen Apparat wie einem Literaturverzeichnis und vor allem – ohne Abbildungen. Die haben mich bisher bei jeder Arbeit zum Schreien gebracht, weil Word irrwitzig unkomfortabel und unflexibel ist, wenn man Bilder einfügen will und womöglich noch was drunterschreiben möchte. Oder einen Tag später noch was. Bei der Masterarbeit habe ich ernsthaft teilweise lauter Einzelseiten angelegt, damit nicht immer alles umbrach, die einzeln als PDF abgespeichert und irgendwann alles zusammengefügt. Bei 30 Bildern war das okay, aber für die Diss werde ich weitaus mehr brauchen.

Meine individuelle Schwierigkeit bei der Diss mit ihrem irgendwie unangenehmen Thema: Ich sehe die Bilder, über die ich schreibe, nie in Katalogen. Mit Abbildungen von Kiefer und Lüpertz konnte ich mich totschmeißen, da konnte ich digital sogar aus diversen JPGs der Kunstdatenbanken das auswählen, was den fünf Katalogen vor mir in der Farbgebung am nächsten kommt bzw. von dort das beste einscannen, wenn ausnahmsweise keins bereits online vorhanden war. Systemkonforme Bilder aus der NS-Zeit hängen außer in der Pinakothek de Moderne in keinem deutschen Kunstmuseum und befinden sich daher auch so gut wie nie in Datenbanken. Ersteres ändert sich gerade, ich verweise nochmal auf die hervorragende Hängung in der Moritzburg in Halle. Oder man guckt sich die Bilder im Historischen Museum in Berlin oder dem GNM in Nürnberg an.

Aber Protzen hängt eben, außer wie gesagt netterweise mit zwei Bildern direkt vor meiner Haustür, nirgends. Deswegen war ich so glücklich über die Fotoalben in seinem Nachlass im Kunstarchiv Nürnberg, denn da ist fast sein komplettes malerisches Ouevre auf immerhin Schwarzweißfotos festgehalten. Die Alben habe ich komplett fotografiert und bin immer noch dabei, sie in halbwegs vernünftige Einzeldateien zu unterteilen, 350 von ungefähr 600 Werken habe ich schon.

Ein Kapitel in der Diss wird von der Autobahnmalerei handeln, denn ein solches Bild ist es, mit dem wir heute Protzen verbinden – was ein Teil meiner Forschungsfrage ist: wieso dieser Maler? Wieso dieses Bild? Um das Bild in einen Kontext einzuordnen, brauche ich alle seine Autobahnbilder (28 an der Zahl). Und deswegen sollte mein erstes LaTeX-Dokument ein Abbildungsverzeichnis aller Autobahnbilder von Protzen werden, damit ich sie endlich in einem Dokument vor der Nase habe und mich nicht dauernd durch meine JPGs klicken muss, wenn ich Maße oder Erstellungsdaten brauche.

Ich begann allerdings erst einmal mit einem simplen Textdokument und copypastete ein paar Absätze aus meinem fast fertiggestellten Diss-Exposé in die LaTeX-Eingabemaske. Ich arbeite nicht mit einer wilden Oberfläche wie TeXstudio, sondern bisher komplett händisch. Fühlt sich für mich okay an. Ich erlas und ergoogelte und erfragte mir erste Änderungsmöglichkeiten – eher neue deutsche Rechtschreibung und Trennung als amerikanische, Umlaute wären super, der Texteinzug in der ersten Zeile sollte beim Abbildungsverzeichnis weg, und wie kriege ich fetten Text auch noch kursiv? Letzteres habe ich noch nicht verstanden, aber ich werde mir das erarbeiten. Nicht vorsagen! Ich finde das selbst raus.

Und so propelte ich stundenlang an 28 Seiten herum, was eher daran lag, dass ich alle Bilder umbenennen musste und irgendwann leichtsinnig eine geschweifte Klammer zu viel im Dokument hatte, die ich 30 Minuten lang suchte, bis die Ausgabe wieder so aussah wie ich sie haben wollte. Ich ahne, dass es noch hübschere Möglichkeiten gibt, den Text nicht ganz so nah ans Bild dengeln zu lassen wie ich es jetzt eingestellt habe, und die Schrift gefällt mir auch noch nicht, aber für den ersten Tag war ich doch sehr beeindruckt davon, was alles ging und wie okay mein Dokument schon aussieht. Mein erstes LaTeX-Dokument! Ich bin ein bisschen stolz auf mich.

Was außerdem toll war: der Kaffee, den ich nebenbei trank und der jetzt auch gerade frisch aus der French Press neben mir steht. Er kommt von der Wasserburger Rösterei und schmeckt ausgezeichnet. Danke an die lockige Schenkerin!