Tagebuch Samstag, 23. Februar 2019 – Frisch gestrichen

Die Küche war trotz neuer Lampe weiterhin mein Sorgenkind. Wenn man zur Tür reinkommt, ist linkerhand die weiße Küchenzeile, die die gesamte Raumbreite einnimmt und an deren widersinniger Anordnung ich leider nichts machen kann. Beispiel: einzige wirklich große Arbeitsfläche – ganz rechts direkt am Fenster. Einzige Besteckschublade – ganz links direkt an der Tür, weswegen mein Besteck jetzt offen in einem Korb aufrecht an der Arbeitsfläche steht anstatt brav versteckt in der Schublade zu liegen, denn sonst werde ich beim Vorbereiten von jeder Mahlzeit wahnsinnig.

Klingt oben schon an, direkt gegenüber der Tür sind zwei Fenster, die rechte Wand ist bis auf die Heizung in der rechten Ecke leer und bisher steht an ihr nur mein großer Edelstahl-Kühlschrank. Einige Wochen stand hier noch ein schwarzes Kallax aufrecht, aber das liegt inzwischen waagerecht, was mir weitaus besser gefällt, auch wenn ich an einige Fächer jetzt nur noch mit Mühe rankomme; in denen liegen aber eh nur Teller, die ich nur benutze, wenn wirklich alle anderen dreckig sind (also nie) oder Küchengeräte, für die ich zu faul bin, auf die Leiter zu klettern, um sie vom Flurschrank zu holen, weil ich sie doch etwas häufiger nutze, die aber auch nicht rumstehen sollen (Mixer, Toaster). Vor dem Kallax steht der schwarze Esstisch mit Stühlen, daher die Mühe, an einige Fächer zu kommen.

An der Wand rechts neben der Tür steht meine Edelstahlablage mit schwarzen Schubladen, die ich auch schon in der alten Wohnung hatte, darüber ist ein schwarzes Regalbrett, auf dem Tee und Kaffee in grauen Boxen lagern.

Das Sorgenkind war vor allem die Kallaxwand. Sie wirkte immer undefiniert, Heizung und Kühlschrank waren zwar optische Grenzpfosten, aber die Mitte faserte irgendwie aus und das aufrechte Kallax verstärkte eher die Leere, weil ich plötzlich gefühlt drei Dinge an der Wand hatte, die den Blick auf sich zogen, die aber nirgends angedockt waren, alles stand einfach so rum. Ich dachte darüber nach, den Tisch weiter in den Raum zu ziehen, aber das machte alles noch mehr zu Inseln, dann dachte ich an viele Bilder an der Wand, ahnte aber, dass das ebenso unruhig sein würde und keinen Bezug zum Kallax herstellen würde. Auch ein einzelner großer Kunstdruck, den ich probehalber mal aufs Kallax stellte, war unbefriedigend, und schließlich war ich bei Farbe, um der Wand einen geschlossenen Eindruck zu geben.

Die Küche war weiß geblieben, auch weil alle anderen Räume außer Flur und Bad mit grau, dunkelgrau und blau sehr kräftigfarbig sind. Eigentlich wollte ich keine zwei Räume in der gleichen Farbe haben (ich höre meinen alten Kunstlehrer: „Weiß ist keine Farbe, es ist die Abwesenheit jeder Farbe.“) und dachte daher an: schwarz. Nur eine Wand. Nur die doofe Wand. In der Küche liegt graues Laminat von der Vormieterin, das ist nicht superhübsch, aber hübsch genug und immer noch besser als das 80er-Jahre-quietschblau, was darunter wäre. Küchenzeile ist wie gesagt weiß, Licht hab ich jetzt auch – wieso keine schwarze Wand?

Auf Instagram folge ich diversen Einrichtungsfuzzis und -fuzzinen, Farb- und Möbelfirmen, und so sah ich mir in den letzten Wochen sehr viele schwarze Wände an. Ich hätte lieber helle Möbel für einen Kontrast gehabt, aber das ist jetzt nicht drin, und irgendwie mag ich das ganze Schwarz in der Küche auch (findet sich sonst nirgends in der Wohnung). Ich traute mir auch durchaus zu, eine komplett dunkle Küche ohne Kontraste schick zu finden – bis mir auffiel, dass ich dann vermutlich noch drei Lampen andübeln müsste, denn das Licht jetzt reicht gerade gut aus. Bei einer so dunklen Wand sehr wahrscheinlich aber nicht mehr.

Ich grübelte sinnlos hin und her, bis mir einfiel, dass ich noch Farbreste vom Grau aus der Bibliothek im Keller hatte. Und trotz der Farbgleichhheit dachte ich mir, egal, ich streiche die Wand jetzt erstmal grau, und wenn mir das noch zu hell ist, kann ich immer noch Schwarz drüberdengeln. (Ich weiß nie, wann Farben klein und wann groß geschrieben werden, dieser Absatz ist nach Gefühl getextet. Ja, dafür gehören mir die Ohren langgezogen, ich weiß. In jedem meiner Autokataloge wusste ich bei den Lackfarben, dass das Lektorat mal wieder den Rotstift leerkorrigieren würde.)

Lange Vorrede, kurzer Sinn: In 30 Minuten waren gestern der Kühlschrank, der überraschend leicht war, verschoben, das Edelstahlding leergeräumt und ebenfalls verschoben, Kallax und die Kaffeeboxen vom Regal ins Nachbarzimmer gezerrt, das Regal mit Zeitungspapier abgeklebt, genau wie die Heizung, und die Fläche rund um die Spüle weiträumig leergeräumt, weil ich da ja später Pinsel und Rolle ausspülen musste, wobei ich aus Erfahrung gerne rumspritze.

Ich holte alte Klamotten, Abdeckmatte, Farben und Arbeitsmittel aus dem Keller, saugte nochmal alles brav aus, klebte dann die Wand ab und strich mit Weiß vor. Das ließ ich ein Stündchen trocknen, strich dann die Kanten mit Grau nach und füllte die Fläche gleich zweimal mit der Farbe, bis der Eimer so gut wie leer war. Aus der Bibliothek wusste ich, dass diese Drecksfarbe am liebsten sieben Anstriche gehabt hätte, aber hier reichte es so gerade aus. Ich zog die Klebestreifen noch feucht ab und stellte begeistert fest, dass ich eine durchgängige Deckenkante produziert hatte. Also keine ganz gerade, ich bin immer noch ich, aber zwischen den einzelnen Klebestreifen waren keine Sprünge! Gestern im Blog noch darüber geschrieben, dass ich keine vernünftigen Kanten streichen kann, ha! Jetzt wo ich weiß, dass ich es kann, überlege ich natürlich, ob ich das in den anderen Zimmer auch noch machen sollte, aber dann müsste ich ja einen Blogeintrag ändern und das ist viel zu viel Arbeit.

Ich ließ die Wand trocknen, es war eh gerade Mittagsruhe, aber Punkt drei Uhr schob ich wieder alle Möbel da hin, wo sie hingehörten und hämmerte zwei Nägel in die Wand, um meine Alugrafie von Leo von Welden aufzuhängen sowie das Foto meiner Oma. Die beiden hingen bisher im Flur, da hängt jetzt etwas anderes. Ich weiß noch nicht, ob ich das so lasse oder die Bilder noch etwas tiefer müssten – ich hatte sie auf der Höhe des Kühlschranks gehängt, bewusst etwas höher als mein Gefühl mir sagte, weil auf dem Kallax immer viel unruhiger Kleinkram steht, meist drei Stapel aus Teller und Schüsseln. Ich ahne, dass ich die Bilder wieder etwas tiefer hängen werde, aber ich gucke mir das mal ein paar Tage an. Vielleicht kommen sie auch wieder in den Flur, denn die Küche nebele ich gerne mit Wasserdampf und fettigem Rauch ein und ich ahne, dass das beiden Werken vielleicht nicht ganz so gut gefällt.

Die Küche ist also immer noch Work in Progress, aber sie gefällt mir schon deutlich besser.

Im Flur hängt jetzt die Bedienungsanleitung der Schreibmaschine meiner Mutter, der Olivetti Praxis 48, auf der ich als gelangweiltes Kind in den Sommerferien das Zehn-Finger-Schreiben erlernt habe. Ich weiß nicht, ob das Exemplar meiner Mutter schon von 1964 war, ich tippe (haha) eher auf Ende 60er Jahre.