Tagebuch Montag, 21. Januar 2019 – Moana und Don Quijote

Gestern war ich ausnahmsweise sehr dankbar dafür, dass niemand was von mir wollte. Ich war schon um fünf Uhr wach, warum auch immer, habe dann den Himmel über München nach dem roten Mond abgesucht, ihn aber nicht gesehen. Gegen sechs bin ich wieder weggedöst und um acht dann aufgestanden. Vom Bett schleppte ich mich matschig zur Dusche und von da aus, nach einem Umweg über Küche, Teekochen, Honigbrot schmieren, aufs Sofa, wo ich dann fast den ganzen Tag blieb, immer mit der Wärmflasche auf dem nervenden Uterus.

Über einen Tweet war ich in den vergangenen Tagen auf dem Blog von Nicole gelandet, wegen dieses Artikels über die unsägliche Kolumne von Fleischhauer auf Spon mit dem total cleveren (aka Arschloch-)Titel „Nazis rein“, ja, ich weiß, nicht mal ignorieren, aber trotzdem:

„Nazis raus, bitte. Aus der Gesellschaft. Geächtet, raus aus Funktionen, aus Behörden, aus dem Betrieb, aus sozialen Netzwerken, aus der Uni, aus der Öffentlichkeit. Kein Fußbreit. Dass wir darüber überhaupt reden müssen. Dass jemand „Nazis rein“ schreiben kann, dass jemand das liest und sagt, ist okay, drucken wir so. Selbst wenn Fleischhauer die Headline nicht selbst geschrieben hätte, aber in dem Fall trau ich ihm das zu, ist ja elemtentarer Teil seiner These – ich meine, dass niemand ihn geohrfeigt hat, stattdessen? Dass niemand die Person geohrfeigt hat, die das durchgehen ließ?“

Dann las ich mich fest und stieß auf ihren Eintrag über Moana (Vaiana). Stimmt, den hatte ich auch noch nicht gesehen, danke, Netflix. Der war hübsch, und ich hatte sofort einen Ohrwurm, logisch.

Wo ich schon mal auf Netflix war, guckte ich gleich Grace & Frankie weiter, wo Martin Sheen in seiner Theatergruppe den Don Quijote singen will, wovon ich natürlich auch wieder einen Ohrwurm hatte.

Abends ging es mir dann endlich wieder besser, die Matschigkeit war weg, und ich setzte mich an den Schreibtisch, drehte den Moana-Soundtrack auf und sang mal wieder und davon, dass

„The people you love will change you
The things you have learned will guide you
And nothing on earth can silence
The quiet voice still inside you“

Dann sang ich vom unreachable star. Und dann holte ich meine alten Gesangsnoten wieder raus and sang what I did for love, of the Moon River, that I was losing my mind and that I should never give all the heart und das tat alles so, so gut.

Gestern retweetete @LauraReinkens einen Thread des australischen Sportjournalisten Nathan Patrick, dessen Eltern sich nicht für Fußball interessieren und gerade in der Nähe von Manchester in einem Zug saßen. Ich habe den Thread im Laufe des Tages ungefähr zwanzigmal gelesen und musste jedesmal wieder lachen, vor allem über die fassungslosen Großbuchstaben.

Das Lustige daran ist nicht, dass Nates Eltern einen Fußballer nicht erkennen, sondern dessen völlig entgeisterte Reaktion darauf (Hinweis: Es ist halt nicht irgendein Fußballer). Trotzdem kann ich die Eltern völlig verstehen: Ich würde vermutlich nicht mal alle Spieler vom FC Augsburg wiedererkennen. Und auch nicht alle des Weltmeisters aus Frankreich. Ganz zu schweigen von Footballstars aus den USA, die ich, wenn überhaupt, nur mit Helm kenne. Ich fand es schlicht erfrischend zu lesen, dass der Lebensinhalt einer Person einer anderen völlig egal ist. Und die Bezeichnung „adorable muppets“ übernehme ich ab sofort in meinen Sprachschatz.

Außerdem habe ich dem Sushikoch Nozomu Abe von Sushi Noz in New York sehr gerne bei der Arbeit zugeschaut.

Wer keine Lust mehr hat, sich der Welt nur durch die Augen von männlichen Künstlern zu nähern, hat jetzt mit DieKanon eine sehr gute Alternative. Sibylle Berg schreibt zur Einführung folgendes; den meiner Meinung nach wichtigsten Satz habe ich mal gefettet:

„Es ist menschlich, sich an dem zu orientieren, was vertraut scheint, nachvollziehbar, dass alle Kanons der letzten Jahrzehnte und die darin enthaltenen Namen aus Kunst und Wissenschaft vornehmlich das gleiche Geschlecht hatten wie die Verfasser der sorgsam erstellten Listen. Die Einordnung, also immer auch ein wenig Aneignung, der Welt durch Männer ist lobenswert, jedoch – überholt. Nach Hunderten von Jahren, nach Tausenden empfohlener Werke, Gedanken und Schriften können wir heute zu dem Schluss kommen, dass das Experiment, die Welt durch Zuhilfenahme von Ordnungssystemen die vornehmlich männliche Geistesgrössen auflisten, zu einem freundlicheren und erfreulicheren Ort zu machen, fehl schlug. Denn trotz dieser ohne jeden Zweifel trefflichen Werklisten ist es nicht so, dass der Mensch sich vehement weiterentwickelt hätte.

Darum ist es Zeit für eine neue Liste, die wir nach intensiven Studien der Lehrpläne und Feuilletons, in denen wir kaum einen der aufgeführten Namen gefunden haben, erstellt haben: Neue Namen mit Ideen und der Kompetenz, die vielleicht etwas zu einem freundlicheren Miteinander in der Welt beitragen können. Oder die auch einfach nur für mindestens die Hälfte der Bevölkerung etwas mehr Relevanz haben. Unser Kanon, um dieses weihevolle Wort zu verwenden, ist unvollständig und subjektiv, wie diese Auflistungen immer sind, aber es ist ein Anfang.“