Tagebuch Sonntag, 20. Januar 2019 – Damendrogen

Ich wollte noch was zur Mayonnaise nachreichen. Inzwischen mache ich die mindestens zweimal die Woche, mal mit mehr, selten mit weniger Erfolg. Wie ich gestern schon schrieb: ein einziges Mal hat es mich fiese vier Versuche gekostet, bis ich endlich ein Dressing zum Salat hatte. Die Methoden aus Salz. Fett. Säure. Hitze für geronnene oder einfach nicht fest werdende Majo konnte ich auch schon mehrfach erfolgreich testen.

Die erste gemeinerweise meist dann, wenn ich mich in Sicherheit wiege, brav tröpfchenweise Öl zum Eigelb gegeben habe, schön meinen Arm ausleiere, der mit dem Schneebesen arbeitet, irgendwann denke ich IMMER, ha, heute klappt’s, dann werde ich leichtsinnig und kippe zu viel Öl in die Schüssel und zack, habe ich wieder Eigelb und Fett. Es hilft dann aber wirklich, eine neue Schüssel zu nehmen, in die einen halben Teelöffel knallheißes Wasser aus dem Hahn zu geben, besinnungslos mit dem unabgewaschenen, alten Schneebesen weiterzurühren und nun statt Öl die miese Majo dazuzugeben. Bis man sich dann wieder zu sicher fühlt und zack ihr wisst schon. VIER VERSUCHE! KEINE SAUBERE GLASSCHÃœSSEL MEHR IM HAUS! ABER CAESAR DRESSING! Das wollen wir doch mal sehen, wer hier länger fluchen kann.

Die Methode beim Nichtemulgieren musste ich erst einmal anwenden. Wenn sich Eigelb und Öl nicht verbinden, ein paar Splitter Eis zur Flüssigkeit geben (eine Masse kann man das ja noch nicht nennen) und weitermachen. Für derartige Fälle ist es superpraktisch, wenn man den Gefrierschrank nicht streberhaft abgetaut hat – Eissplitter en masse!

Inzwischen weiß ich auch, was noch zum Gelingen beiträgt: eine richtig schwere Schüssel. Nosrat gibt im Buch immerhin den Tipp, ein nasses Handtuch zum Ring zu falten, um so eine Art rutschfesten Standring zu haben. Das klappt bei meinen normalen Schüsseln so halb gut; wenn ich richtig rühre, rutschen die Schüsseln trotzdem. Plastikschüsseln eh, die kann man gleich vergessen. Vorgestern nahm ich dann auf Verdacht mal die größte und schwerste Schüssel, die ich habe, quasi einen Glasbottich, in den geschätzt fünf Liter reingehen, was mir natürlich komplett überdimensioniert vorkam, um 150 ml Majo anzurühren. Aber die war super, weil sie einfach da blieb, wo ich sie hingestellt hatte und ich nicht immer mit der linken Hand, die den Messbecher mit dem Öl hält, gleichzeitig irgendwie die Schüssel stabilisieren musste, während die rechte rührt. Memo to me: kleine, arschschwere Schüssel kaufen.

Ach ja, natürlich habe ich zwischendurch auch nochmal versucht, die gute alte Pürierstabmethode anzuwenden (wie hier beschrieben). Das hat bei mir nur mit Eigelb nicht mehr geklappt, aber immerhin mit einem ganzen Ei. Dann schmeckt allerdings auch die Majo inzwischen für mich penetrant nach Ei(weiß), was ich nicht mehr mag. Selber die Geschmacksnerven zu fein kalibiert. Toll gemacht, Gröner.

Und nach diesen spannenden Einblicken in meine Küche zurück in die angeschlossenen Funkhäuser.

Gestern war Ruhetag: Ich habe Tee getrunken und alles gelesen, was um mich rum lag, die Rest-FAZ von Freitag (da musste mir F. ja den ganzen Tag was erzählen, da war der Wirtschaftsteil, den ich neuerdings auch brav lese, mal egal) und die Samstags-FAZ und den ersten Comic aus dem letzten Ausleihhaul aus der Münchner Stadtbücherei: Der Fall E. P. Jacobs von Rodolphe und Alloing. Der Band ist eine Biografie, wobei ich das Wort sehr vorsichtig nutze, von E. P. Jacobs, einem belgischen Comiczeichner, der zeitweilig mit Hergé zusammen an Tim & Struppi gearbeitet hat. Das alleine reicht aber noch nicht, um sein Leben spannend zu finden: Er war außerdem jahrelang als Bariton an der Oper in Lille angestellt. Der Comic ist leider alles andere als spannend, über die Frauenfiguren möchte ich auch nicht reden (vor allem nicht die Dialoge, mit denen sie zu tun haben), aber ich hatte von Herrn Jacobs noch nie gehört und bin froh, jetzt etwas über ihn zu wissen. Außerdem mochte ich den Zeichenstil, denn er orientiert sich brav an der Ligne claire, die ich von, natürlich, Tim & Struppi kenne und liebe.

In der Wikipedia rührte mich dieser eine Satz: „Seinem ehemaligen Mitarbeiter Jacobs hat Hergé auf dem Titelblatt von „Die Zigarren des Pharaos“ ein Denkmal gesetzt: als Mumie E.P. Jacobini.“ Ich meine, Rodolphe und Alloing haben sich im Gegenzug auch des Öfteren vor Hergé verbeugt; die einzige Anspielung, bei der ich mir sicher bin, ist die erste Arie, die der junge Jacobs im Theater seiner Heimatstadt hört, in das sein Vater ihn hineinschmuggelt: Es ist ausgerechnet die Juwelenarie aus Gounods Faust, die bei Tim & Struppi von „der Castafiore“ ausgiebig und in jedem Band, in dem sie auftaucht, geschmettert wird. Im Gegensatz zu Kapitän Haddock ist der junge Edgar Felix Pierre aber hocherfreut, als in seinem Panel der Text „Aaah! Je ris de me voir, si belle“ auftaucht. Ich habe Tim & Struppi nur auf Deutsch gelesen, aber die Zeile „Haaa, welch Glück, mich zu seh’n, so schön“ erkenne ich vermutlich überall wieder.

Was gibt’s Neues?

Diesen Text aus der FAZ wollte ich euch seit Tagen ans Herz legen und jetzt ist er online. Der Kunsthistoriker Peter Geimer schreibt über einen der Großen unseres Fachs, Willibald Sauerländer, der 2018 verstarb. Es geht zunächst um die Veränderungen im Stil kunsthistorischer Publikationen – weg von der „pathetischen Erbauungsliteratur“ – und schließt mit der Erweiterung des Fachs Kunstgeschichte zu den Bildwissenschaften. Wobei diese Erweiterung immer noch diskutiert und auch nicht von allen geschätzt wird. Ich hadere auch noch und muss immer an einen Satz denken, den einer unserer Dozenten (vermutlich scherzhaft) gesagt hat: „Ich bin Kunsthistoriker; alles, was nach 1980 kommt, interessiert mich noch nicht.“

„Zur Frage der „Bildwissenschaft“ hatte Sauerländer sich zwei Jahre zuvor im Rahmen der Münchner Vorlesungsreihe „Iconic turn“ in einem seiner vielleicht erstaunlichsten Vorträge geäußert. Der Titel lautete: „Iconic turn? – Eine Bitte um Ikonoklasmus“. Der Achtundachtzigjährige stieg gleich auf der Höhe der Debatte ein, die damals um eine genuine „Bildwissenschaft“ geführt wurde.

Ruft man sich die verschiedenen Verwendungsweisen und Konjunkturen dieses Begriffs in Erinnerung, seine Höhen und Tiefen, Protagonisten und Skeptiker, so ergibt sich ein äußerst vielschichtiges Bild. „Bildwissenschaft“ war weder eine institutionalisierte Disziplin noch bezeichnete der Begriff ein einheitliches methodisches Programm oder einen klar definierten Gegenstandsbereich. Insofern taugte „die Bildwissenschaft“ auch nicht sonderlich gut als Feindbild, obgleich man damals mitunter den Eindruck gewinnen konnte, dass dieses Label vornehmlich von denjenigen verwendet wurde, die etwas dagegen hatten, auch wenn sie auf Nachfrage nicht genau zu sagen wussten, was und warum.

Verschiedentlich war die Sorge laut geworden, dass eine Ausweitung des Gegenstandsbereichs der Kunstgeschichte angestammte Gebiete verdrängen könne. Hielt aber die Kunstgeschichte nicht schon damals ein enormes Themenspektrum aus – von Denkmalpflege bis Diskursanalyse, von Kennerschaft bis Kunstphilosophie? Überdies lässt sich das Profil einer Disziplin wohl kaum normativ regulieren – als Bestandskatalog sanktionierter Forschungsgegenstände. Die Metapher des Rahmens, der je nach methodischer Präferenz ausgeweitet oder aber im Status quo konserviert werden soll, ist ohnehin problematisch, denn sie suggeriert, der augenblickliche Zuschnitt eines Fachs sei allein durch seine historische Gewordenheit bereits legitimiert.

Sauerländers Ansatz war da ungleich radikaler. Nachdem er die Reflexion der Populärkultur in der englischen und amerikanischen Pop Art in Erinnerung gerufen hatte, leitete er zur televisuellen Bildproduktion der Gegenwart und ihrer „Ästhetisierung von Information durch die Live-Übertragung“ über. Zugleich führte er aus, dass die „Ästhetisierung durch die autonome Kunstgeschichte“ wichtige Funktionen der Bilder ausgeblendet hatte.

„Damit verabschiede ich mich bewusst von der Einengung des Begriffes Bild auf das konventionellerweise als Kunstwerk angesehene Bild.“ Sauerländer zitierte den amerikanischen Kunsthistoriker Keith Moxey, der 1995 in der Zeitschrift „October“ über eine Wissenschaft vom Bild nachgedacht hatte, die den Unterschied zwischen künstlerischen und nichtkünstlerischen Bildern gar nicht mehr voraussetzen würde. Da konnte Sauerländer – zu Recht – nicht einstimmen, schrieb aber doch: „Das ist nicht einfach anzunehmen oder abzulehnen, aber es ist zu diskutieren.““

Und dann wollte ich noch Zweig lesen und einen schlaueren Blogeintrag verfassen als einen über Mayonnaise, aber auf einmal tat alles weh, wo vorher nur der Rücken wehgetan hatte, und ich fand es nach stundenlangem Schmerzwegatmenversuchen schon spannend, wie doof mein Gehirn wird, wenn der Körper weh tut: Ich mache diesen Scheiß jetzt mit, seit ich 13 bin, und trotzdem vergesse ich immer wieder, was mit mir passiert, wenn ich blute und was ich dagegen machen kann. Aber sobald alles weh tut, weiß ich nichts mehr und liege nur noch gekrümmt rum und atme und warte darauf, dass es nicht mehr wehtut anstatt verdammt nochmal sofort die Drogen einzuwerfen, an die ich mich gestern dann irgendwann erinnerte.

Je älter ich werde, desto schmerzhafter wird die Scheiße und ich behaupte, das ist ein schlauer Mechanismus meines Körpers, damit ich den Kram auch nicht vermisse, wenn er endlich mal aufhört. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass das irgendeine vermissen könnte. Ich definiere meine Weiblichkeit jedenfalls nicht über die Fähigkeit, unabsichtig Bettlaken vollzubluten, ganz egal, welche Vorsichtsmaßnahmen ich dagegen ergreife.

Menno, jetzt haben wir so schön mit Kochen, Comics und Kunst angefangen und dann so ein Ende. Hier nochmal zum Aufheitern für alle mein Schreibtischschneemann.