Tagebuch Donnerstag, 20. Dezember 2018 – Überraschungspost

Den Vormittag über das Internet leergelesen, zum Beispiel den folgenden Text aus The Nation, via der gestrigen Kulturrundschau „Efeu“ des Perlentaucher.

The Struggle to Resolve

Das Brooklyn Museum zeigt die Ausstellung „Soul of a Nation: Art in the Age of Black Power“ mit Werken von fast ausschließlich schwarzen Künstler*innen. Der Essay in The Nation beginnt mit einem Klassiker der Kunstgeschichte, dem Aufsatz von Linda Nochlin von 1971, in dem sie fragte: Why have there been no great woman artists? Sie beschreibt die diskriminierenden Umstände, die Frauen daran gehindert haben, ähnlich viel und gut zu produzieren wie Männer, denen zum Beispiel der Zugang zu Akademien offenstand oder die Möglichkeit, vor nackten Modellen zu zeichnen, was für Weibsbilder natürlich mal gar nicht ging.

Der Essay leitet über auf einen offenen Brief des afro-amerikanischen Künstlers Benny Andrews, der diesen Umstand auf schwarze Künstler*innen bezogen wenige Monate später ähnlich klar und wissend formulierte, Hervorhebung von mir:

„What I think most of us know and are hesitant to admit is the fact that in the graphic arts, painting and sculpture, the discrimination against Black people has proven to have pretty much guaranteed that we have not really created anything in a way that makes any of us truly creative. I do not know of anyone Black that as a painter or sculptor is truly creative like say Andy Warhol, Stella, Eakins, [de] Kooning or anyone that we can identify.“

Genau dieser Umstand wird gerne ignoriert: dass Diskriminierung, wenn sie so flächendeckend betrieben wird wie die gegen Frauen, andere Hautfarben als weiß, Behinderungen etc., garantiert, dass diesen Menschen keine gleiche Teilhabe zukommen kann, so sehr sie sich auch anstrengen. Ausnahmen gibt es immer, klar, aber bis wirkliche Gleichberechtigung herrscht – falls das überhaupt jemals zugelassen werden wird –, wird die Kunstwelt weiter weiße Männer bevorzugen, weil sie sichtbarer sind und mehr produieren konnten (sehr vereinfacht formuliert). Ich finde es wichtig, darauf immer wieder hinzuweisen. Auch weil die Vorbildfunktion so wichtig ist – wir brauchen weibliche, queere, nicht-weiße, behinderte Künstler*innen, damit andere in der gleichen Position Vorbilder haben. Hervorhebung von mir:

„Andrews was painfully aware that there were structural impediments not only to the proper recognition of his achievement but to that achievement as such. […] But he also understood that such creativity has never simply been the product of what Nochlin mocked as “an atemporal and mysterious power somehow embedded in the person of the Great Artist.” It is sometimes nurtured, sometimes stymied, always channeled by history and social conditions. And it cannot exist without the unrelenting efforts of a multitude of practitioners producing what Andrews calls “just good and everyday art work.” Artists are made by other artists — by the effects they have on each other, whether through emulation, rivalry, or antagonism—so that the collective mass of respectable efforts enables a few to reach the stars.“

Während ich so das Internet leerlas, klingelte es an der Tür, mehrfach, wie die Post das gerne macht, um darauf hinzuweisen, ja, ich will wirklich zu dir und nicht nur Prospekte ins Treppenhaus werfen. Ich öffnete, bekam ein Paket, das ich nicht bestellt hatte, und durfte mich dann sehr freuen:

Das vertwitterte ich auch sofort: dass ich erst vorgestern darüber gebloggt hatte, dass Spirou in Berlin von Flix in München fast überall ausgeliehen war (da, wo es vorhanden gewesen wäre, war mir der Weg zu weit) und dass ich deshalb andere Comics ausgeliehen hatte. Anscheinend hat das jemand gelesen und sofort auf den Bestellbutton bei Amazon geklickt. Das Paket war leider anonym, deswegen kann ich mich hier nur bei Unbekannt bedanken, aber das mit immer noch vor Freude leuchtenden Öhrchen.

Natürlich begann ich sofort zu lesen – und vertwitterte auch das (der Tweet oben ist der Anfang eines Threads).

Mit dem Sandmännchen kriegt man mich ja immer. Ich erkannte außerdem Lolek und Bolek, den kleinen Maulwurf natürlich und dann dachte ich nicht richtig nach und twitterte was von Schnatterinchen. Das ist aber gar nicht zu sehen, sondern Herr Fuchs und Frau Elster.

Aber Schnatterinchen taucht dann doch noch auf – zusammen mit dem Leipziger Messemännchen, wie ich erfuhr. Den Herren kannte ich vorher noch nicht. Im Panel links daneben sehen wir den kleinen Mirco Watzke aus Mawils Kinderland – das Bild hat, glaube ich, jeder vertwittert, der Spirou schon gelesen hatte.

Über dieses Bild musste ich eher auf der Meta-Ebene lachen. („Und Fritze Hitler hieß er ja wohl nich.“)

Eine Plenzdorf-Referenz?

Nach einer guten Stunde war ich mit dem Band durch. Ich vertwitterte nicht alle Anspielungen oder Sätze/Bilder, die mir besonders gefielen, dann wäre ich aus dem Posten gar nicht mehr rausgekommen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, und beim zweiten Durchlesen werde ich noch mehr Kleinkram dechiffrieren, da bin ich mir sicher. Nochmal vielen Dank für das Geschenk, von wem auch immer es kam. Ich habe mich sehr gefreut.

Abends in charmanter Gesellschaft im Irmi Tatar gegessen und, wie ich heute morgen merke, das gewisse eine Helle zuviel getrunken. Einziger Kritikpunkt am sonst guten Essen: Warum das Eigelb „halbgegart“ sein sollte (bei mir war’s fast durch) und nicht flüssig, damit man es schön unters Fleisch ziehen kann, habe ich nicht verstanden. Auf jeden Fall ein sehr netter Laden, den ich vorher noch nicht kannte.