Was schön war, Freitag, 24. August 2018 – Wuseln und Zen

Der Umzug wirft seine Schatten voraus. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, jeweils eine Wand in Schlaf- und Arbeitszimmer in der neuen Wohnung zu tapezieren, ich glaube, die Einrichtungsblogs nennen es „Signature Wall“, wenn eine Wand etwas hervorsticht. Dafür hatte ich auch schon Tapete ausgesucht, die nur leider irrwitzig teuer ist. Und mit irrwitzig meine ich irrwitzig. Aber so hübsch! Also jedenfalls die zwei, die ich haben will, ist klar. Ich verrate nicht welche, aber die Firma wäre die hier. Netterweise hat sie in München einen Showroom, den ich Freitagvormittag gut gelaunt betrat. Ich besorgte mir Muster, Farbvorschläge für die anderen Wände, fand alles toll, rechnete dann aber erstmals aus, was mich diese zwei Wände kosten würden, und nachdem ich schon im Schlafzimmer bei knapp 500 Euro war, dachte ich, ach nein, so Farbe an der Wand ist ja auch hübsch. Seufz.

Danach begab ich mich wieder in bezahlbare Gegenden und ließ mich mit S-Bahn und Bus zu Ikea chauffieren. Dort guckte ich nach Lampen, denn die in meiner jetzigen Wohnung reichen logischerweise nicht für fünf Räume, die ich unten bestücken muss, daher suchte ich nach Inspirationen. Ich wurde überraschend schnell fündig, gleich im ersten Raum des Ausstellungsparcours und konnte dann den restlichen Kilometer (behauptet die Health-App, die aber meiner Meinung nach arg großzügig Meter zählt) im Möbelhaus vergleichen. Ein weiteres Möbelstück, das ich kaufen muss, weil ich nun keine schöne Abstellkammer mehr habe, die mir als Kleiderschrank diente, wurde begutachtet und für hübsch befunden. Was ich als Garderobe nutzen werde, weiß ich noch nicht, auch die war bisher die Abstellkammer. Bleibt Baustelle. Ich verkniff mir außerdem jegliche Spontankäufe von Servietten und Kerzen (hat man ja nie genug, braucht man dauernd), weil ich wusste: Alles was ich jetzt kaufe, muss ich in vier Wochen schleppen. Ich ahne seit Freitag auch, dass ich jetzt ein paar Wochen lang meinen Vorratsschrank leerkochen werde.

Mit diesem Gedanken gönnte mir einen Besuch im Restaurant, wo ich vermutlich vor drei Jahren oder so das letzte Mal war. Die Schlange bei der Essensausgabe war quasi keine, aber dafür staute sich alles an zwei Kassen. Die Thekenkräfte verteilten Warmhaltehauben an die Wartenden, damit nicht alles kalt werden würde, was ich sehr aufmerksam fand. Trotzdem war ich etwas verstimmt: Der Kartoffelbrei zu den Köttbullar kommt nicht mehr per Kelle auf den Teller, sondern mit einer Art überdimensioniertem Portionierer, so dass man einen rundlichen Hügel vor sich hat, der irgendwie nach Ostblock-Kantine aussieht. Und die Preiselbeeren gibt’s aus einem Spender hinter den Kassen, so dass man mit einer traurigen gelbbraunen, halbfertigen Portion an der Kasse steht. Außerdem kam mir der Sitzbereich deutlich funktionaler und damit ungemütlicher vor als noch vor ein paar Jahren, aber das kann Einbildung gewesen sein. Und geschmeckt hat’s auch nur so halb. Hatten die Köttbullar nicht mal wenigstens die Andeutung von einer Konsistenz? Das war jetzt alles sehr astronautennahrungig.

Den Nachmittag am Schreibtisch verbracht und nebenbei Jamie Olivers Pizzateig hergestellt; das Rezepte-Wiki macht daraus vier Pizzen, Jamie acht. Ich halte mich an Jamies Mengen und mache meist Teig für zwei Pizzen, von dem ich die Hälfte einfriere. Wie immer klickte ich vor dem Teiganrühren Spotify an, denn ich stelle mir keinen Timer zum Kneten, sondern knete einfach drei Lieder lang, das passt immer irgendwie. Zum Gehen kam der Teig in eine leicht geölte Schüssel, Handtuch drauf, wieder Schreibtisch. Und nach einer Stunde sah das dann so aus:

Als ich das Handtuch von der Schüssel nahm, musste ich folgenden Satz denken (und twittern und instagrammen): Hefeteig ist mein Zen-Garten. Ich schrieb schon öfter darüber, wie sehr ich das Gefühl von Hefeteig unter den Finger mag, die Elastizität, diese seltsame Kühle, obwohl man ihn handwarm kriegt, die Oberflächenspannung, die Glätte, die Zartheit, obwohl man so robust mit ihm umgeht beim Kneten. Ein Wunderwerk, jedesmal. Und dann der Moment, bei dem man sich den aufgegangenen Teig anschaut. Ich kriege ihn selten so makellos hin wie hier, obwohl ich mir immer Mühe gebe, wenn ich die Teigkugel forme und den Ansatz schön nach unten in die Schüssel lege, damit die Oberfläche möglichst glatt aussieht, wenn ich die Abdeckung wegnehme. Aber der hier war wirklich mal hervorragend und es war ernsthaft so ein kleiner andächtiger Moment, als ich auf den Teig schaute und nur dachte, wie wunderschön er aussieht.

Und geschmeckt hat er auch. Ha! Nehmt das, olle Fleischklopse! (Wenn man ein mieses Essen mit einem hervorragenden ausgleicht, hat das auch keine Kalorien, glaube ich.)