Was schön war, Sonntag/Montag, 17./18. Juni 2018 – „Das ist hier die Frage“

Wochenende ist immer schön, auch wenn manche Fußballspiele eher scheiße sind. Ich meinte so zu F. während #GERMEX, dass ich mich so sehr auf die Bundesliga freue: Selbst bei Augschburg, die echt keine Offensivkünstler sind, wäre mehr Zug zum Tor als bei DER MANNSCHAFT. Nebenbei: Ich ahne Böses, weil in den Werbekampagnen DIE MANNSCHAFT so irre hochgejazzt wird. Es erinnert mich fatal an die Niederlage der Frauen-Nationalmannschaft bei der Heim-WM 2011, als die Damen vorher hochgeschrieben wurden à la „Verlieren ist was für Männer“ und dann fies im Viertelfinale in Wolfsburg rausflogen (ich war im Stadion). Aber gut. Is ja nur Fuppes. Und DIE MANNSCHAFT ist mir egaler als ein Verein.

Ansonsten Sonntag Brot gebacken, Queer Eye geguckt und ein paar Seiten im Finnegans Wake gelesen. Dagegen ist Ulysses streberhafte, gut lesbare Mainstreamliteratur. Die Wake ist quasi nur noch Klang, nur noch Wortgebilde, die vermutlich irgendwas von mir wollen, aber ich habe keine Ahnung was. Oder, nee, Moment, ich behaupte, zwischendurch zu glauben, etwas zu verstehen, aber sicher bin ich mir nicht. Völlig egal, das ist ein lustiges Leseerlebnis.

Ich habe noch ein bisschen über Ulysses nachgedacht. Ich glaube, jeder Autor und jede Autorin möchte gelesen und verstanden werden. Beim Ulysses kommt davon aber nicht viel rüber. Dieses Buch ist eine einzige Absage an alle Lesegewohnheiten, die man sich über Jahrzehnte Buchgenuss angeeignet hat. Ich erwarte irgendwas in der Richtung Stoff- und Figurenentwicklung: also eine Exposition, einen Hauptteil, einen Höhepunkt, einen Ausklang. Schön wären Spannungskurven oder Brüche. Die Charaktere sollten irgendwie gekennzeichnet werden und sie sollten eine Geschichte erleben; die muss nicht minutiös ausgekleidet sein, aber so ein Anfang und ein Ende wären nett.

Der Ulysses hat davon fast nichts. Das Interessante ist aber: Wenn man das im Kopf klargekriegt hat, ist das alles total egal. Und ich glaube inzwischen, dass Joyce einfach mal gucken wollte, ob die Leser*innen so schlau sind wie er und was er uns so zumuten kann.

Von der Wake kann ich noch nicht mehr sagen als in den ersten Zeilen dieses Absatzes, aber ich glaube, hier hat Joyce schlicht aufgegeben, dem Leser oder der Leserin zu vermitteln, was so in seinem Kopf vorgeht – oder sich gedacht: Wer den Ulysses erarbeitet hat, kann sich auch noch mehr anstrengen. Beim Ulysses gibt es wenigstens ein wackeliges Gerüst (die Odyssee), es gibt erkennbare Figuren, die halbgar eingeführt werden, und der Rest brummelt sich halt so zusammen. Man kann diesem Buch folgen, auch wenn es deutlich mühsamer ist als bei allen anderen Büchern, die ich bisher las. (Infinite Jest ist ein Schüleraufsatz dagegen gewesen, und Proust total simpel. Laaaaang, aber simpel.) Ich ahne, dass die Wake mich nochmal herausfordern wird, weil sie nicht mal ein wackeliges Gerüst hat. Aber wer weiß, vielleicht schreibe ich in vier Wochen hier genau das Gegenteil. So wie die erste Seite klangen bis jetzt jedenfalls alle. Ich glaube, ich lese gerade irgendwas zwischen der Bibel und Game of Thrones, aber nicht mal dabei bin ich mir sicher.

Gestern alleine zuhause aufgewacht, weil ich die Woche im anständigen Arbeitsrhythmus beginnen wollte, so mit pünktlich aufstehen, nicht mehr ewig Rumkuscheln und spätestens um 9 am Schreibtisch sitzen, wie in der Agentur halt. Statt Arbeit für Geld erledige ich derzeit Arbeit zum Spaß, nämlich an meiner Dissertation. Deswegen musste gestern auch Fußball ausfallen.

Ich habe in den letzten Wochen sehr gemerkt, dass mir die universitären Deadlines fehlen. In jedem Semester kam irgendwann der Punkt, an dem ich meine dicke Stoffsammlung und die viel zu lange Bibliografie loslassen und ein Referat und/oder eine Hausarbeit bzw. Masterarbeit daraus schnitzen musste. Diesen Punkt habe ich jetzt nicht. Ich kann, wenn ich will, zehn Jahre vor mich hinpromovieren, denn ich mache das ja nur noch, weil mir sonst langweilig wird. Daher habe ich mir selbst den Zeitpunkt Ende Juni gesetzt, an dem mich mir selber ein mindestens 20-minütiges Referat halten werde. Ich werde dafür eine Powerpointpräsentation basteln und ein Handout schreiben, so als ob ein total gespanntes Seminar vor mir sitzt, das dringend meine bisherigen Ergebnisse hören möchte. Und damit ich mich nicht selbst davor drücke, weil doch was dazwischen kommt (wie Arbeit für Geld), habe ich meine geschätzte Korrekturleserin gefragt, ob sie mein Publikum sein will. F. kann den Kram nämlich schon mitsprechen, so oft, wie ich ihn damit belästige.

Die Korrekturleserin hat netterweise Ja gesagt, und deswegen saß ich gestern brav um 9 am Schreibtisch und las meine eigene Stoffsammlung durch, der ich seit November stetig was hinzugefügt habe. Dabei habe ich aber so oft meine Richtung geändert, dass ich jetzt erstmal ordnen musste, was ich überhaupt brauche. Eine halbgare Forschungsfrage ergab sich in den letzten Wochen, vor allem beim Besuch der Moritzburg in Halle, und die verfestigte sich in einigen Gesprächen immer mehr zu einer These. Gestern gegen 17 Uhr konnte ich dann erstmals nach acht Monaten Rumdenken von mir behaupten, meine Diss in einem Satz zusammenfassen zu können. Ich hoffe, der Satz trägt. Jedenfalls baue ich jetzt auf ihm das Referat und die bunte Präse auf, und dann werde ich merken, ob er wirklich was taugt. Im Moment bin ich sehr zuversichtlich.

Das hat sich sehr gut angefühlt. Vor allem, weil ich weiß, in wieviele Sackgassen ich bei Protzen gerannt bin und vermutlich auch weiterhin renne. Mit der jetzigen Ausrichtung müsste ich aber trotzdem das sagen können, was seit Monaten in meinem Kopf rumknetet und jetzt endlich zu einer Form geworden ist.