Tagebuch, Dienstag, 24. April 2018 – Rückfahrt

Die seltsame Stimmung vom Montag abend bezahlte ich mit einer fast schlaflosen Nacht. Ich hatte den ganzen Abend im Sekundentakt gewechselt von „Ach, ist das schön, wieder bei euch zu sein“, „Ach fuck, ihr wohnt zu weit weg“, „Eigentlich will ich jetzt ganz dringend nach Hause“, „Eigentlich will ich jetzt bloß noch mehr trinken“, „Um Gottes Willen, will ich etwa mein altes Leben wiederhaben?“ und „Nee, das ist schon sehr gut so, hach schön alles aber IHR WOHNT WIRKLICH ZU WEIT WEG, IST DAS DA HINTEN HASELNUSSBRAND?“ Ich schlief nicht nur schlecht, weil alles ein bisschen viel war, sondern auch, weil ich brav zum … äh … Viertel Wein *hust* drei Liter Wasser getrunken hatte und deswegen gefühlt alle 20 Minuten auf dem Klo war. Ab 5 lag ich wach, um 6 stand ich auf, mein Zug fuhr um 9, und ich daddelte sinnlos eine Stunde im Hotelzimmer rum und dann noch eine halbe am Gleis.

Der Zug aus Lübeck hielt ausnahmsweise am Hannoverschen Messegelände, wo sich mein Waggon um ungefähr neun Zehntel leerte. Lauter Männer in gleichen Anzügen, manchmal nicht mal einen Laptop dabei, nix, nur sich und den Anzug und ab zum Bissnissmachen. Der Herr neben mir hatte immerhin eine Apple Watch und so beobachtete ich interessiert, dass man auch davon ein Bahnticket vom Schaffner ablesen lassen konnte. Ich kam mir mit meinem niedlichen Ausdruck wie der letzte Luddite vor und fragte mich zum wiederholten Male, wieso ich Flugtickets immer auf dem Handy habe und Zugtickets immer ausdrucke.

Der Rest der Fahrt war wie schon die Hinfahrt äußerst entspannt. Der Platz in der 1. Klasse neben mir blieb wieder frei, ich konnte mich ausbreiten, las weiter in Philipp Bloms Die zerrissenen Jahre: 1918 -1938, das ich halbdurch einfach schon mal dringend weiterempfehle, dann las ich ein weiteres Kapitel im Ulysses und musste wiederholt die Augen rollen bei den Beschreibungen der Damenwelt. Wenn es irgendeinen Grund gibt, warum ich die Bücher des literarischen Kanons (also den von weißen Kerlen aufgestellten) allmählich ignoriere, dann den, weil es so irrsinnig anstrengend ist, den male gaze, den ich schon in der Kunstgeschichte dauernd sehe, auch noch lesen zu müssen. Hier entspannt sich Bloom gerade, nachdem er sich befriedigt hat und schaut der hinkenden Frau nach, die sich von ihm dafür hat anschauen lassen:

„Mr Bloom watched her as she limped away. Poor girl! That’s why she’s left on the shelf and the others did a sprint. Thought something was wrong by the cut of her jib. Jilted beauty. A defect is ten times worse in a woman. But makes them polite. Glad I didn’t know it when she was on show. Hot little devil all The same. Wouldn’t mind. Curiosity like a nun or a negress or a girl with glasses. That squinty one is delicate. Near her monthlies, I expect, makes them feel ticklish. I have such a bad headache today. Where did I put the letter? Yes, all right. All kinds of crazy longings. Licking pennies. Girl in Tranquilla convent that nun told me liked to smell rock oil. Virgins go mad in the end I suppose. Sister? How many women in Dublin have it today? Martha, she. Something in the air. That’s the moon. But then why don’t all women menstruate at the same time with same moon, I mean? Depends on the time they were born, I suppose. Or all start scratch then get out of step. Sometimes Molly and Milly together. Anyhow I got the best of that. Damned glad I didn’t do it in the bath this morning over her silly I will punish you letter. Made up for that tramdriver this morning. That gouger M’Coy stopping me to say nothing. And his wife engagement in the country valise, voice like a pickaxe. Thankful for small mercies. Cheap too. Yours for the asking. Because they want it themselves. Their natural craving. Shoals of them every evening poured out of offices. Reserve better. Don’t want it they throw it at you. Catch em alive, O. Pity they can’t see themselves. A dream of wellfilled hose.“

(Kapitel 13, Zeilen 772–793, Gabler-Edition.)

EYEROLL!

Musik gehört, um ein paar Telefongesprächen auszuweichen.


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Wieder drei Mars mini angereicht bekommen. Mit einer Minute Verspätung nach knapp sechs Stunden in München angekommen. Respekt. Noch am Bahnhof Brezn gekauft. Selbst Nervensäge Söder kann mir die guten Dinge an Bayern nicht vermiesen.