Tagebuch, Donnerstag, 11. Januar 2018 – Fragezeichen und Candy Crush

Wie nach dem doofen Schreibtag vorgestern zu erwarten war, folgte gestern auf ihn ein guter. Ich saß mit einer Kanne Earl Grey am Schreibtisch und tippte entspannt vor mich hin, immer mit der Nase in diversen Kundendokumenten oder der Website oder Google oder womit ich mir sonst Infos suche. Erstmals hatte ich auch in den Uni-Datenbanken nach Informationen gestöbert, was ich sehr lustig fand. Best of both worlds.

Abends eine Quiche gemacht, weil die grünen Bohnen wegmussten; die faule Variante mit fertigem Blätterteig allerdings, kein Mürbeteig. Danach kein Ulysses, weil ich schon bei der abendlichen Runde Candy Crush fast eingeschlafen wäre. Das schwere Buch wäre mir vermutlich auf die Nase gefallen beim Lesen, also Licht aus.

Nachmittags bekam ich einen seltsamen Anruf. (Keine Ahnung, ob die Anruferin hier mitliest, aber da muss sie jetzt durch.)

Wir sind in einem sozialen Netzwerk miteinander verbunden, ich kenne die Dame aber überhaupt nicht persönlich und sie mich vermutlich auch nicht. Sie arbeitet in der PR-Branche, was etwas anderes ist als Werbung. Ich selbst habe noch nie PR gemacht und will das auch nicht, daher weiß ich nicht, ob ihr Anliegen dort völlig normal ist – ich als Werbetante war ein bisschen verwirrt und irritiert.

Die Kurzfassung: Die Anruferin erkundigte sich, ob sie mich ihren Kontakten als Texterin weiterempfehlen sollte – gegen eine kleine Gebühr. Das hätte sich in ihrem Kolleg*innenkreis so eingebürgert, dass man sich gegenseitig weiterempfiehlt, aber eben gegen Geld. Wahrscheinlich habe ich im Telefonat sehr viele Geräusche à la „Hm? Was? Grmpf. Hä?“ von mir gegeben, weil ich noch nie auf die Idee gekommen bin, Geld dafür zu verlangen, dass ich jemanden weiterempfehle.

Vor dem Studium hatte ich immer wieder Anfragen, die ich ablehnen musste, weil ich ausgebucht war (ah, those were the days). Dann kam unweigerlich die Frage, ob ich jemanden empfehlen könnte, und ich hatte damals eine E-Mail als Vorlage griffbereit, die ich lustig copypastete. Darauf standen immer die selben fünf Namen von Texter*innen, die ich persönlich kannte und schätzte und mit denen ich vor allem schon mal zusammengearbeitet hatte. Ich empfahl nur Leute weiter, von denen ich wusste, dass sie a) nette Menschen sind und b) einen guten Job machen. Manchmal kam eine Mail zurück von den Leuten, die ich empfohlen hatte, in der sie sich für die Empfehlung bedankten, was mich immer freute. Und manchmal kamen Anfragen an mich, wo mich jemand empfohlen hatte, wofür ich mich dann bedankte. Für einen richtig großen Job bei einer Agentur, die mich noch nie gebucht hatte, orderte ich auch schon mal eine Flasche Schampus bei Amazon und schickte die an den Empfehlenden. Aber das war’s. Ich wollte nie Geld für eine Empfehlung und ich habe auch nie welches gegeben.

Daher war ich ehrlich verwirrt über diese seltsame Anfrage von einer Frau, die nicht viel von meiner Arbeit wusste und mich eben auch nicht persönlich kannte. Warum sollte die mich weiterempfehlen? Außer für Geld natürlich, aber das ist doch kompletter Quatsch. Das ist doch so, als ob ich Leuten Produkte empfehle, die ich selber nicht ausprobiert habe, nur weil ich Geld … oh wait.

Ich habe in meinem Werberleben bisher nur für Produkte Verkoofe gemacht, hinter denen ich moralisch stehen kann (mindestens halbwegs). Mit Alkohol habe ich kein Problem (dafür habe ich Werbung gemacht), mit Zigaretten schon eher (musste ich noch nie bewerben), mit Werbung, die sich speziell an Kinder richtet, hätte ich ein Problem (musste ich noch nicht), so langsam habe ich ein Problem mit Finanzdienstleistungen und auch der Automobilindustrie (zwei Dinge, die ich lang und breit beworben habe). Ich habe noch nie irgendein Springer-Produkt beworben, noch nie eine politische Partei und noch nie ein Frauenmagazin (oder wie ich die Dinger nenne: Anleitung zum Selbsthass). Ich habe schon vieles beworben, bei dem ich dachte, was soll der Scheiß, aber auch schon vieles, bei dem ich dachte, hätte ich gerne.

Das Schöne an der Arbeit in Agenturen ist, dass man sich hinter deren Namen verstecken kann. Mein Name steht unter keiner Kampagne, in keiner Broschüre, auf keinem Plakat. Aber wenn ich persönlich jemanden empfehle, also für ihn Werbung mache, dann ist das etwas ganz anderes. Dann bürge ich gefühlt persönlich für diesen Kollegen oder diese Kollegin. Und wenn dieser Kollege dann Mist baut, bleibt eventuell hängen, dass ich ihn empfohlen habe, was im Endeffekt heißt, dass ich Mist gebaut habe. Auch deswegen ist es mir schleierhaft, warum mich Menschen empfehlen wollen, die keine Ahnung davon haben, wie ich arbeite oder ob man es mit mir in einem Büro aushält. Geld, schon klar. Aber wegen einer luschigen Provision setze ich doch nicht meinen Namen aufs Spiel, der im Prinzip die einzige Visitenkarte ist, die in dieser Branche was taugt. Jeder von uns hat eine tolle Mappe, weil jeder von uns mit tollen Leuten zusammenarbeitet, das zeichnet mich nicht aus. Ich werde gebucht, weil andere mich als fähigen Menschen kennen und den Personaler*innen davon erzählen.

Jedenfalls glaube ich das. Oder möchte es weiterhin glauben. Ich werde weiterhin nur Schampus oder Mails verschicken und verdiene mein Geld lieber mit Texten als mit Empfehlen. Oder mit Bloggen: Ich habe meinen ersten Patreon-Förderer, yay! Dankeschön! (Eichhörnchen und so.)