Tagebuch, Dienstag, 21. November – Adventskalender

Adventskalender gekauft. Traurig gewesen.

Ich fühle mich derzeit wie mit Mitte 20, wo gefühlt alle Freunde und Freundinnen einen Plan hatten und wussten, wo es langgehen soll die nächsten 10 bis 40 Jahre. Die ersten Babys kündigten sich an, die ersten verlobten sich oder heirateten, alle hatten eine schicke Ausbildung oder ein gutes Studium und alle wussten, was sie wollten. Ich wusste das nicht. Ich fand immerhin mit Mitte 20 heraus, dass ich keine Kinder haben wollte, aber meinen Beruf fand ich erst mit Anfang 30. Und plötzlich ist es 20 Jahre später und ich bin wieder da, wo ich schon mal war. (Immerhin erfolgreich kinderlos, puh.)

Mir ist eigentlich erst durch den Adventskalender klar geworden, dass schon wieder ein Jahr rum ist, und ich habe keine Ahnung, wann es bitte vergangen sein soll, es hat doch gerade erst angefangen und ich formuliere noch mein Master-Thema. Aber dann wird mir klar, nee, das Master-Thema ist schon durch, da hat dir jemand eine hübsche Urkunde überreicht und du bist jetzt Doktorandin. Ich weiß aber nicht so recht, was ich noch bin.

Seit über einem Jahr überlege ich, wie ich diese Website umgestalten möchte, damit potenzielle Arbeitgeber wissen, wer ich bin und wen sie da buchen. Genau diese Art Einträge sollen sie bitte nicht als erstes von mir lesen, wenn sie meinen Namen googeln, aber jetzt gerade ist mir das auch egal. Positioniere ich mich als frisch gebackene und total motivierte Kunsthistorikerin? Weise ich auf meine Erfahrungen als Werbetexterin hin, durch die auch meine wissenschaftlichen Texte lesbar werden? Betone ich, wie lange ich schon ein Blog schreibe und dass mich Leute seit 15 Jahren lesen? Erwähne ich mein Buch? Wer oder was bin ich eigentlich?

Ich habe die Entwürfe bereits mehrfach umgeschmissen, und ich ahne, dass das einen simplen Grund hat: Ich weiß gerade selbst nicht, wer oder was ich bin. Ich wusele auf verschiedenen Baustellen herum, aber keine fühlt sich zwingend an. Und dann macht einem ein Adventskalender klar, dass halt schon wieder ein Jahr rum ist und man wieder älter geworden ist, sich aber im Prinzip wieder fühlt wie ein Teenager, der auch nicht weiß, wo er aufhört und wo die Welt beginnt.