Was schön war, Dienstag, 7. November 2017 – Lesen

Morgens fuhr ich mein aus unerfindlichen Gründen quietschendes Fahrrad zum Schrauber, der ihm das Quietschen austreiben soll. Dabei wurde ich von einem Autofahrer angemault, gefälligst den Radweg zu benutzen – ironischerweise fast direkt an einem Warnschild, das dort seit gefühlt zwei Jahren steht: „Radwegschäden.“ Der Radweg ist auch nicht mit einem der blauen Schilder bezeichnet, das heißt, es besteht eh keine Benutzungspflicht. Vielleicht könnte man im theoretischen Unterricht für den Führerschein die Neulinge darauf hinweisen, dass Radler*innen sehr oft völlig regelkonform auf der Straße fahren dürfen.

Bisher war ich eine Verfechterin von Radstreifen, also nur durch eine Linie abgetrennte Wege auf der Straße. Da die aber gerne zugeparkt werden, würde ich mich inzwischen über mit Pollern abgetrennte Wege freuen. Sieht scheiße aus, scheint aber nicht anders zu gehen.

(Ach, was reg ich mich auf.)

Nach tränenreichem Abschied vom Fahrrad – hey, ich sehe es jetzt 24 Stunden lang nicht – kletterte ich in Tram (TRAMFAHREN!) und Bus, um wieder nach Hause zu kommen, wobei ich noch ein paar Besorgungen erledigte. Unter anderem frischen Koriander, nur um dann zuhause festzustellen, dass die Avocado natürlich vergammelt war, zu der ich die Kräuter werfen wollte. Mistviecher.

In den irrwitzig kurzen Strecken, die man in München zurücklegt (München = Dorf), komme ich meist nicht mehr zum konzentrierten Lesen, aber immerhin, während ich an Haltestellen rumstehe. Gestern begann ich mein neues Buch Empire of Cotton, das ich bereits vor Monaten mal auf Deutsch aus der Stabi entliehen hatte. Die Übersetzung kam mir aber irre schnarchig vor, weswegen ich jetzt einen neuen Versuch starte und das englische Original lese. Mit derart plastischen Einleitungen kriegt man mich ja sofort:

„Today, cotton ist so ubiquitous that it is hard to see it for what it is: one of mankind’s greatest achievements. As you read this sentence, chances are you are wearing something woven from cotton. And it is just als likely that you have never plucked a cotton boll from its stem, seen a wispy strand of raw cotton fiber, or heard the deafening noise of a spinning mule and a power loom. Cotton is as familiar as it is unknown. We take its perpetual presence for granted. We wear it close to our skin. We sleep under it. We swaddle our newborns in it. Cotton is in the banknotes we use, the coffee filters that help us awaken in den morning, the vegetable oil we use for cooking, the soap we wash with, and the gunpowder that fights our wars (indeed, Alfred Nobel won a British patent for his invention of „guncotton“). Cotton is even a component of the book you hold in your hands. […]

Take a moment and imagine, if you can, a world without cotton. You wake up in the morning on a bed covered in fur or straw. You dress in woolens or, depending on the climate and your wealth, in linens or even silks. Because it is hard to wash your clothes, and because they are expensive or, if you make your own, labor-intensive, you change them irregularly. They smell and scratch. They are largely monochromatic, since, unlike cottons, wool and other natural fibers do not take colors very well. And you are surrounded by sheep: it would take approximately 7 billion sheep to produce a quantity of wool equivalent to the world’s current cotton crop. Those 7 billion sheep would need 700 million hectares of land for grazing, about 1.6 times the surface area of today’s European Union.“

(Sven Beckert: Empire of Cotton. A New History of Global Capitalism, London 2015, S. xii/xiii.)

Einer meiner Geschichtsdozenten, auf dessen Buchtipps ich immer viel gegeben habe, hatte uns das Werk als eine hervorragende Darstellung des 19. Jahrhunderts empfohlen. Ich musste auch an dieses Buch denken, als ich folgende Stelle in The Underground Railroad las, in der die Sklavin Cora, die bisher auf einer Baumwollplantage arbeiten musste, nach ihrer Flucht ihr erstes Kleidungsstück aus diesem Rohstoff trägt:

„Sam went upstairs and returned with clothes and a small barrel of water. “You need to wash up,” he said. “I intend that in the kindest way.” He sat on the stairs to give them privacy. Caesar bid Cora to wash up first, and joined Sam. […] Cora started with her face. She was dirty, she smelled, and when she wrung the cloth, dark water spilled out. The new clothes were not stiff negro cloth but a cotton so supple it made her body feel clean, as if she had actually scrubbed with soap. The dress was simple, light blue with plain lines, like nothing she had worn before. Cotton went in one way, came out another.“

(Colson Whitehead: The Underground Railroad, London 2017, S. 109.)

Zum Frühstück hätte ich gerne meine Zeitung gelesen, aber die war mal wieder nicht im Briefkasten. In der letzten Woche klickte ich auf der FAZ-Seite bereits an zwei Tagen auf die Schaltfläche „Zustellreklamation“, nach der ein Drop-Down-Menü folgt, bei dem man angeben kann, ob die Zeitung gar nicht oder verspätet kam oder sonst irgendwas. Gestern bei meiner dritten Reklamation folgte nach dem ersten Klick stattdessen die Aufforderung, sich telefonisch mit dem Aboservice in Verbindung zu setzen, gerne auch mit Rückrufservice. Quatsch, die paar Cent habe ich noch. Angerufen, brav ein Telefonmenü mit Sprachanweisungenn durchgespielt und sofort eine Mitarbeiterin drangehabt. Die Dame hörte sich meine winzige Beschwerde an und schenkte mir dann die drei verspäteten Ausgaben. Dankeschön!

Die Bundesliga hat alle Spiele bis Ende Februar terminiert. Das ist mir in dieser Saison noch wichtiger als sonst, weil mein Mit-Dauerkarteninhaber seine Stadionbesuche nach seinem beruflichen Terminkalender ausrichtet und ich daher von ihm Vorschläge bekomme, wann ich die Karte haben könne. Gestern sah ich, dass das FCA-Auswärtsspiel in Leipzig an einem Freitagabend war, woraufhin ich F. per DM fragte, ob man daraus vielleicht ein nettes Leipzigwochenende machen könne.

Gleich vier Wagner-Karten, um genau zu sein. Der Herr möchte sich mal RICHTIG Wagner geben, um meine Faszination zu verstehen. Ich bin sehr gespannt auf seine Reaktion. (Vermutlich redet er danach nicht mehr mit mir.)

Abends noch ein paar Folgen Outlander geguckt, wobei ich nicht weiß, ob ich die zweite Staffel auch noch sehen will. Die Story fesselt mich dann doch nicht genug, aber ich gucke mir irre gerne die Kostüme und vor allem die Landschaft der Highlands an. Wenn diese Serie nicht von Scotland Tourism mitfinanziert wurde, weiß ich auch nicht.