Lichter

Lichter
(D, 2003)

Darsteller: August Diehl, Herbert Knaup, Henry Hübchen, Maria Simon, Sebastian Urzendowsky, Devid Striesow, Ivan Shvedoff, Zbigniew Zamachowski
Musik: The Notwist
Kamera: Bogumil Godfrejow
Drehbuch: Hans-Christian Schmidt, Michael Gutmann
Regie: Hans-Christian Schmidt

Lichter spielt im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen; man kann von beiden Seiten das jeweils andere Land sehen. Das Land und seine Lichter, die vieles versprechen: Geld, Arbeit, Liebe, Zukunft. Lichter erzählt von Menschen an der Grenze und welche Lichter sie finden. Oder auch nicht.

Der neueste Film von Regisseur Hans-Christian Schmidt, dem wir so wunderbare Werke wie Crazy oder 23 verdanken, ist kein Film mit einem einzigen Handlungsstrang, den wir von Anfang bis Ende erzählt bekommen. Im Gegenteil: Wir werden in einzelne Epidosen geworfen, in denen sich unterschiedlichste Charaktere bewegen. Polnische Taxifahrer, ukrainische Flüchtlinge, deutsche Matratzenhändler, Fotografen, Dolmetscherinnen beim Grenzschutz, Zigarettenschmuggler, Geschäftsmänner. Jede Person ist in einer Episode zuhause, aber alle treffen sich irgendwann im Laufe des Films einmal oder sie befinden sich zufällig am gleichen Ort. Einen kurzen Augenblick ihres Lebens teilen sie miteinander, und wir sehen dabei zu – ein Schlaglich quasi, das kurz aufflackert und wieder verlöscht.

Der Film entwickelt einen sehr eigenwilligen Sog, dem man sich schwer entziehen kann. Plötzlich begegnen wir einem Menschen, erfahren durch wenige Sätze oder Gesten im Zeitraffer etwas über ihn, und da ist seine Geschichte auch schon zu Ende oder wir verlieren ihn aus den Augen – aber durch diese Unmittelbarkeit und Plötzlichkeit kommen uns die Figuren sehr nahe. Jede von ihnen erlebt in der kurzen Zeit, in der wir uns mit ihr beschäftigen, etwas nicht Alltägliches. Plötzlich bricht in ihren Trott etwas oder jemand Ungeplantes ein. Und so ratlos wie die Figuren sich mit dieser ungewohnten Situation auseinandersetzen, so folgen wir ihnen, schauen ihnen dabei zu und fragen uns so manches Mal, wie wir reagiert hätten. Hätten wir gestohlen, um unserer Tochter in Kommunionskleid zu kaufen? Hätten wir jemandem im Kofferraum über die Grenze geschmuggelt? Hätten wir alles aufgegeben, um im angeblich goldenen Westen nochmal von vorne anzufangen?

Lichter hat wunderbare Charaktere, die sehr ehrlich und bewegend von den polnischen, russischen und deutschen Akteuren verkörpert werden. Lichter leidet aber unter einem manchmal sehr gewollt wirkenden Drehbuch mit ebenso gewollten Dialogen. Manchmal hat man das Gefühl, dass einem Charakter etwas Unstimmiges oder zu Dramatisches passieren muss, nur damit der Film einen Punkt machen kann. Den Punkt, dass jeder für sein Glück Risiken eingehen muss, dass man Verantwortung für sein Handeln übernehmen muss – dass man manchmal aber auch einfach seinem Bauch folgen muss, selbst, wenn man damit vielleicht auf die Schnauze fällt. Und dass man dann eben einfach aufstehen und sich den Staub von den Kleidern klopfen und weitermachen muss. Das hätte ich allerdings auch kapiert, wenn der Film nicht ab und zu mit dem großen Zaunpfahl gewinkt hätte.

Ein weiteres Manko ist die teilweise sehr nervige Handkamera, die sicherlich Authentizität vermitteln soll, die aber einfach nicht nötig ist. Die Figuren sind so gut gezeichnet, dass ich nicht auch noch ein wackeliges Bild brauche, um zu verstehen, dass das hier gerade das wahre Leben sein soll und nicht Hollywood, wo alles ein Happy End hat.

Trotz dieser Mängel hat mir Lichter sehr gut gefallen, weil er mich nachdenklich gemacht hat; weil er mich sehr nah an ein paar Schicksale herangelassen hat, über die ich mir in meiner gemütlichen Hamburger Wohlstandswerberecke sonst keine Gedanken mache; und weil ich von den Schauspielern schlichtweg hingerissen war. Mein ganz persönliches Problem mit vielen deutschen Filmen ist, dass viele Dialoge mit soviel Schauspielschul-Inbrunst intoniert werden, dass ich immer das Gefühl habe, hier soll mir grad wahnsinnig viel mitgeteilt werden. Manchmal sind es aber eher die leisen Töne, die mir eine Botschaft viel eindringlicher nahebringen. Und genau das hat Lichter bzw. haben seine Akteure geschafft. Mir hat Lichter eine Geschichte erzählt, die eine Botschaft hat; eine Botschaft über Geld, Arbeit, Liebe, Zukunft. Dinge, die nicht selbstverständlich sind. Und genau daran werde ich manchmal gerne erinnert.