Was schön war, Freitag, 28. Oktober 2016 – Lesestöffchenchen

Morgens endlich die Leo-von-Welden-Arbeit in Netz gestellt, auf die ich zugegebenermaßen recht stolz bin. Dann drei Exemplare per Mail an die drei Archive verschickt, deren Bestände ich in der Arbeit verwendet habe. Jedenfalls habe ich die Benutzerordnungen so verstanden; das Bundesarchiv in Berlin sagt zum Beispiel: „Ich verpflichte mich, von jeder Veröffentlichung (Druck oder sonstige Vervielfältigung), für die Archivalien des Bundesarchivs benutzt worden sind, ein Belegstück sogleich nach Erscheinen unaufgefordert und kostenlos an das Bundesarchiv abzugeben.“ Den Benutzungsantrag habe ich digital bekommen, daher habe ich ihn noch. Den im Bayerischen Hauptstaatsarchiv habe ich vor Ort ausgefüllt, weswegen ich mich nicht an die genaue Formulierung erinnere, aber ich dachte, wird ähnlich sein, schickste einfach was hin.

Ich bekam sogar eine Antwort, bei der ich mir immer noch nicht sicher bin, ob ich gerade mild gedisst wurde.

Den Vormittag verbrachte ich in Büchern und Aufsätzen über Amnesty International und stellte erfreut fest, dass endlich, im neunten Semester, die Hirnzellen von alleine anfangen zu klicken, wenn ich Texte lese. Bei so ziemlich jedem Absatz ploppten im Hinterkopf Fragen oder Widerspruch auf, aus denen ich schon drei Referate basteln könnte. Läuft.

Um 14 Uhr saß ich dann wieder in der Uni für meinen Lektürekurs in Geschichte. Der findet lustigerweise nur zweimal statt – in der ersten Sitzung bekommen wir eine Bücherliste, die wir selbständig durcharbeiten, und am Ende des Semesters treffen wir uns zum Abschlussgespräch wieder, was dann unsere Prüfungsleistung ist.

Ich hatte die Wahl zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert, und da ich mich in Kunstgeschichte auf der Zielgerade anscheinend für die erste Hälfte des 20. entschieden habe, wählte ich den dementsprechenden Kurs auch im Nebenfach. Ich erwartete mindestens zehn Bücher: eins über WWI, eins über die Weimarer Republik, eins über die NS-Zeit, eins über die Teilung Deutschlands usw. Stattdessen bekamen wir fünf Überblickswerke genannt, von denen wir gerade mal zwei lesen müssen.

Da ihr sicher auch schon lange auf der Suche nach guten Überblickswerken seid, gebe ich die Tipps mal uneigennützig weiter.

Für den Anfang ein großer Historiker: Eric Hobsbawms Das Zeitalter der Extreme: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. Ist aber schon von 1998, daher hatte ich nicht so richtig Lust auf das Ding. Weiter.

Philipp Bloms Die zerrissenen Jahre: 1919 -1938 wurde uns als eher kulturgeschichtlich vorgestellt, was mich sofort aufhorchen ließ. Die Leseprobe überzeugte mich leider gar nicht, daher: auch nein.

In James J. Sheehans Kontinent der Gewalt: Europas langer Weg zum Frieden sei besonders die Nachkriegszeit gut beschrieben, und da ich genau darüber gerne was lesen wollte, wird mein erstes Buch dieses hier sein. (Leseprobe der englischen Ausgabe.)

Vermutlich auch deshalb auf der Liste, weil es beim Bezug über die Bundeszentrale für politische Bildung bezahlbarer als bei Amazon ist: Akira Iriyes Geschichte der Welt 1945 bis heute: Die globalisierte Welt. Sprach mich nicht an.

Stattdessen noch ein großer Name und das Buch, das ich als zweites lesen werde: Ian Kershaws Höllensturz: Europa 1914 bis 1949. Von dem Herrn wollte ich ja schon längst mal die Hitler-Biografie gelesen habe, aber ach. (Spätestens zur Masterarbeit.)

Ich habe mir beide Werke auf englisch anstatt auf deutsch bestellt, weil vor allem der Kershaw so deutlich günstiger war als die Übersetzung. Was wir beim Lesen im Hinterkopf behalten sollten: Wie wird Geschichte periodisiert, wie wird sie aufbereitet? Vertritt der Verfasser bestimmte Thesen, hat er eine Agenda? Und nicht zuletzt: Für wen werden solche Überblickswerke geschrieben außer für Lektürekursstudis? Gute Frage.

Einem lieben Menschen grobe Bratwurst und Semmelknödel mit Champignonsauce aus dunklem Bier vorgesetzt. Einem Marienkäfer einen Winterschlafplatz in der eigenen Küche angeboten. (Okay, ich wurde von ihm überrumpelt.)