#12von12 im August 2016

Die anderen 12von12er gibt’s wie immer bei Caro.

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Um kurz vor 6 aufgewacht (ZU FRÜH!). Nach 20 Minuten rumliegen und warten, dass ich wieder müde werde, aus dem Bett gekrabbelt und aus F.s Dachfenstern über die Maxvorstadt geguckt. Foto gemacht, wieder ins Bett gegangen und weiter dem Regen auf den schrägen Fenstern und der Tram zugehört, zwei Geräusche, die ich in meiner Wohnung nicht habe. Rumgedöst.

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Um kurz nach 8 dann doch aufgestanden. Erstmal den Brief mit den zwei ausgedruckten Versionen der Geschichtshausarbeit über Kindheit im 19. Jahrhundert eingeworfen, was ich vorgestern abend natürlich vergessen hatte. Der Dozent bekommt zusätzlich noch eine digitale Version, die dann durch die Plagiatssoftware gejagt wird. Das möchte aber jede*r Dozent*in anders haben – digital ja, ausgedruckt nicht immer, wenn doch, wieviele Exemplare –, deswegen ist das auch eine der beliebtesten Fragen am Ende der Vorlesungszeit: Wie hätten Sie’s denn gern?

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Auf dem Weg ein neues Pokémon gefangen, das ich wenige Stunden später schon einsetzen konnte. Die einzige Arena, die mir etwas bedeutet, auch wenn sie mir noch nie gehört hat, sind – natürlich – die Propyläen am Königsplatz. Diese Arena ist immer blau, wenn ich vorbeikomme – aber gestern nicht. Ich war auf dem Weg zum Zentralinstitut für Kunstgeschichte und stellte entsetzt fest, dass meine liebsten Klötze in hässlichem Gelb erstrahlten. Ich habe noch keinen einzigen Kampf gewonnen, vermutlich weil ich total memmige Pokémon habe und auch nicht wirklich weiß, was ich überhaupt tue, aber ich forderte den Gelbling zum Kampf, schickte hektisch meine tollsten fünf Pokémon in den Ring, konnte auch ein paar Treffer landen – verlor aber wie immer und schlich geknickt von dannen. Als ich ein paar Stunden später wieder zurückkam, war die Arena aber wieder blau. Mein Team rockt!

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Aber noch war ich nicht am Königsplatz, sondern in meiner Küche, wo ich erstmal die Fruchtfliegenfalle leerte aka ein Schnapsglas von meinem Opa mit Balsamico-Essig, Vanillezucker, Wasser und Spülmittel. Die Viecher sind dieses Jahr hartnäckiger als sonst; im letzten Jahr war ich die Nervensägen nach zwei, drei Tagen los, dieses Jahr lungern sie schon eine Woche in meiner Küche rum und wollen einfach nicht sterben. Ich habe aber noch genug Essig, und weil ich zwar eine Massenmörderin, aber eine nette bin, gönne ich den Fliegen meinen guten Vanillezucker, wo simpler Rohrzucker vermutlich auch reichen würde.

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Normalerweise frühstücke ich nur Cappuccino (oder Flat White, je nachdem wieviel gute Laune mein Milchschaumbereiter hat) und Saft, aber da ich schon so lange wach war, hatte ich Hunger. Es gab mein liebstes Weizenbrot von der Hofpfisterei mit Frischkäse und schwarzem Johannisbeergelee.

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So, jetzt aber. Mit der U-Bahn bis zum Königsplatz gefahren, mich digital verkloppen lassen, immerhin noch einer Touristin sagen können, welches von den beiden schicken Gebäuden die Glyptothek ist und dann ab ins ZI. Ich las über die Neue Sachlichkeit, da vor allem die Menschendarstellung, dann blätterte ich in einem französischen Katalog über Daumier und Gavarni, merkte aber recht schnell, dass ich mich nicht so recht konzentrieren konnte, bibliografierte noch pflichtschuldig etwas, entschied mich nach gut zwei Stunden aber, das Ganze für heute zu lassen. Das macht mein Kopf gerne mit mir, wenn ein großes Projekt durch ist, dass er dann auf Durchzug und Doof schaltet, und da ich Donnerstag nicht nur ein, sondern gleich zwei Brocken vom Schreibtisch räumen konnte, hätte mir das auch klar sein müssen. Da aber Montag hier in Bayern Feiertag ist und alle meine geliebten Bibliotheken geschlossen sind, wollte ich noch ein bisschen was wegarbeiten. Hat immerhin so halb geklappt.

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Direkt von der U-Bahn-Station Königsplatz kommt man in den Kunstbau des Lenbachhauses, wo gerade Favoriten III: Neue Kunst aus München läuft. Ich als KuGiStudi komme umsonst ins Lenbachhaus (dankeschön!) und dachte mir, wenn ich schon nix lesen kann, kann ich wenigstens was gucken.

Ich mochte die 3-Kanal-Videoprojektion „Radiation Room“ von Babylonia Constantinides sehr gerne, die sich irrlichternd mit der Atomkraft auseinandersetzt, bedeutungsschwere Sätze mit kompletten Nullnummern mischt, die einen in Sicherheit wiegen, bevor der nächste Satz wieder weh tut. Manchmal kamen fast nebenbei solche Schönheiten wie „Nur der Notausgang leuchtet, der Apokalypse zum Trotz“, die mich sofort den Stift zücken ließen, den ich als brave Studi natürlich immer dabei habe. Zunächst dachte ich, uh, Atomkraft, schnarch, ist das Thema nicht durch, aber dann fiel mir Fukushima ein und wie wenig wir diese Energie hinterfragen, obwohl sie eventuell doch eine blöde Idee ist.

Hedwig Eberle zeigte Malerei; teilweise war ihr Untergrund aus einzelnen rechteckigen Blättern zusammengesetzt, was dem Gesamtbild einen suchenden, tastenden Eindruck verlieh, fast etwas Unfertiges. Wieso hängt das hier, da fehlt doch noch was? Ich mochte es, dass mich die Bilder irritierten.

Bei Philipp Guflers Werk dachte ich zunächst, das kann doch nicht neu sein, das sieht aus, als wäre es in den 1980er Jahren entstanden: Drei transparente Fahnen hängen leicht versetzt übereinander, teilweise beschriftet; sie standen für Leben, Kunst, AIDS. Der Rest des Werks bestand ebenfalls aus bunten, durchsichtigen Stoffbahnen, und auch hier mochte ich, dass ich zunächst dachte, altes Thema, weiter, aber mir dann klar wurde, wie aktuell es eben leider noch ist. Und mit Stoff als Material kriegt man mich eh immer.

Mein Liebling der Ausstellung war dann auch eher ein Material, nämlich das Werk von Carsten Nolte, bei dem ich erst durch das Begleitheft kapiert habe, dass die Plastikscheiben, die ich so mochte, alte Werbedisplays waren. Ich sah zehn, zwölf (keine Ahnung) rechteckige PVC-Bahnen, die in unterschiedlichen Formaten versetzt nebeneinander hingen. Mir gefiel die Farbigkeit, die von pissgelb zu honiggold reichte und mich sofort an Eva Hesse erinnerte. Ich mochte die klare Vergänglichkeit, die diesem Material immanent ist. Dass ich hier gleichzeitig der sinnlosen Geste einer leeren Werbetafel zuschaue, hat es dann noch besser gemacht.

Das eben erwähnte Begleitheft drückte mir einer der Aufseher in die Hand, als er mich ständig was aufschreiben sah. Das blättere ich aber erst zuhause durch, denn ich fand es sehr ent- und spannend, durch eine Ausstellung zu gehen, bei der nichts beschriftet war oder erklärt wurde. Gerade die Namen der Künstler*innen standen auf dem Fußboden an den Werken, und wenn ich nicht zum Schluss noch die Tafel in Richtung U-Bahn-Ausgang gesehen hätte, hätte ich nicht mal gewusst, wer davon Männlein und wer Weiblein war, denn die Vornamen waren abgekürzt. Auch das fand ich gut, denn ich weiß, dass ich mich trotz aller Mühe nie ganz davon freimachen kann, Dinge durch die Mädchen- oder Jungsbrille zu sehen.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 30. Oktober. Geht mal rein. Kann man schnell durchhuschen.

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Mit der U-Bahn nach Hause, noch ein Pokémon in der Station Josephsplatz gefangen, aber das hatte ich schon. An Rattfratzen und Taubsis gehe ich ja schon gelangweilt vorbei, außer sie strotzen vor Punkten.

Zuhause wartete ein Brief im Kasten auf mich: Die Tochter Leo von Weldens, mit dem ich mich jetzt noch in meiner zweiten Hausarbeit beschäftige, hatte blitzschnell auf meinen Brief von Mittwoch reagiert, in dem ich sie um Zugang zum Nachlass ihres Vaters gebeten hatte. Sie teilte mir mit, dass sie kein Internet habe, ich möge doch einfach anrufen. Gemacht, eine erfreute ältere Dame am Ohr gehabt, die mir eine ausführliche Beschreibung zu ihrem Haus lieferte, bevor ich „Google Maps“ sagen konnte. Ich habe dann nächsten Dienstag eine total offizielle kunsthistorische Verabredung und bin sehr aufgeregt.

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Rechnungen schreiben. Immer wieder schön.

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Und Lektoratskorrekturen prüfen. Wie ich beim eigenen Buch gelernt habe, wissen Lektor*innen immer besser, was man selbst meint, und so war das hier auch. Alles abgenickt.

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Abends gönnten F. und ich uns eine kleine, leichte bayerische Mahlzeit im Georgenhof. Als der Kellner mir den Teller brachte, auf dem ein schönes, buttrig-gewelltes Schnitzel lag, meinte er, das zweite käme gleich. Ich lachte und dachte, der Herr macht einen Scherz. Machte er nicht. Wann lerne ich endlich, dass Bayern sein Essen wirklich sehr ernst nimmt? F. durfte Reste essen, denn ich konnte nicht mehr. Also wenigstens 20 Minuten lang, bis wir noch eine Runde Creme Brûlée bestellten, die ich gestern auch als zwölftes Foto instagramte. Ich finde aber als Tagesabschluss ein Bild meines geliebten Siegestors viel schöner, an dem wir beim dringend nötigen Verdauungsspaziergang vorbeikamen.

F. rollt auch nicht mehr so fies mit den Augen, wenn ich „OH EIN NEUES POKÉMON!“ quietsche.

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