Tagebuch, Mittwoch, 3. August 2016

An einem Job weitergearbeitet, den ich Dienstag überraschend auf den Tisch bekommen hatte, und mal wieder auf die harte Tour gelernt, dass Übersetzen länger dauert als einen Text selbst zu schreiben. Ich hatte mich in meinem Angebot um einen satten halben Tag verkalkuliert und muss nun warten, ob ich den bezahlt bekomme. Selber schuld.

Den Rest des Tages mit Schreibarbeit für die Geschichtshausarbeit verbracht. Die Einleitung steht jetzt seit über einer Woche und seit über einer Woche bastele ich an ihr rum – neben der Arbeit am Hauptteil, der langsam vor sich hinwächst. Mein Problem: Der Einstieg ist komplett unwissenschaftlich, passt aber hervorragend zum Thema. In meiner Arbeit geht es um private, bürgerliche Feste des 19. Jahrhunderts, in denen sich Normen und Rituale des Bürgertums widerspiegeln. Ich erwähnte in meinem Referat zum gleichen Thema schon Gunilla Budde, die das schöne Wort des „Weihnachtsdrehbuchs“* in einem ihrer Bücher schuf; damit meint sie die Abläufe, die Festtage gestalten. Wenn ihr mal an eure familiären Feiern denkt: Gibt es Weihnachten immer das gleiche zu essen? Wer zündet die Kerzen am Baum an und wann? Wann wir beschert? Geht man in die Kirche? Die Abläufe sind von Familie zu Familie verschieden, aber im Großen und Ganzen ähneln sich die Handlungsweisen und: Sie wiederholen sich jedes Jahr.

Dementsprechend begann ich meine Arbeit mit dem Gröner’schen Weihnachtsdrehbuch in fünf Sätzen – wie verläuft bei uns der Heilige Abend? –, um dann überzuleiten auf Budde und die Rituale, die sich in Festen zeigen; danach kommt der übliche Teil zur Festforschung (Forschungsstand) und der restliche Kram, der halt in eine Einleitung gehört (Fragestellung, Vorgehen usw.).

Ich mag die Einleitung, sie liest sich gut (meine Mindestanforderung an Texte) und ich finde sie themengerecht, aber sie fühlt sich halt so unwissenschaftlich an wie nichts Gutes. Mir fällt auch partout kein wissenschaftlicher Aufsatz ein, der ähnlich beginnt. Bücher ja, logisch kann ich mir in einer Monografie mehr erlauben, aber in einer Hausarbeit? Die ich dazu auch noch bei dem Dozenten abgeben muss, der die Stilbibel fürs Historicum mitgeschrieben hat – wie zitiere ich richtig, wie erstelle ich ein Referat usw. Ich ahne, dass ich den Einstieg noch umschreiben werde und bin darob etwas missgelaunt. Die nächstbeste Lösung wäre natürlich, Quellen zu suchen, die genau das beschreiben, also in die Tüte: Wie hat Fontane Weihnachten gefeiert oder irgendein bürgerliches Kind (derartige Quellen habe ich, klar). Es nervt mich nur, dass ich inhaltlich das Gleiche schreibe wie vorher – der einzige Unterschied ist nur, dass ich den neuen Text mit einer schönen Quellenangabe versehen kann, die dem Dozenten zeigt, dass ich weiß, wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert. Dass ich das auch so weiß und ich außerdem glaube, dass mein Weihnachten viel spannender ist als das von Fontane, ist dann bloß persönliche Eitelkeit.

Ich warf die Frage auch in die allwissende Twitterrunde, aber @canzonett hatte die einzig richtige Antwort: „Historische Anekdote – okay. Persönliche finde ich in wissenschaftlichen Texten mangels Belegbarkeit nicht angebracht. // … und wenn Du Dich wohl damit fühlen würdest, hättest Du’s schon längst gemacht und würdest uns nicht fragen …“

Abends Bratkartoffeln, weil die Avocado, die ich in meinen Lieblingssalat werfen wollte, doch schon brauner war als sie sich angefühlt hatte. Da habe ich einmal Bohnen im Haus und dann das. (Die Pinienkerne für den Salat hatte ich schon angeröstet, die mussten dann halt an die Kartoffeln.)


*Budde, Gunilla: Auf dem Weg ins Bürgerleben. Kindheit und Erziehung in deutschen und englischen Bürgerfamilien 1840–1914, Göttingen 1994, S. 86.