Was schön war, Donnerstag, 7. Juli 2016 – Klausurenschreiben

Mies geschlafen, trotzdem brav um kurz nach 6 aus dem Bettchen geschält, weil ich wusste, wie spannend das Rosenheim-Seminar werden würde, weil es immer spannend ist. Wurde es natürlich auch.

Danach hatte ich eine Stunde Pause, in der ich nochmal im Zeitraffer alle Texte des Kindheitsseminars überflog … also nicht wirklich, eigentlich blätterte ich nur noch mal sinnlos den kompletten schmalen Leitzordner durch, denn um 11 wartete meine einzige Klausur in diesem Semester. Ich schrieb bereits letzte Woche, dass ich nicht so recht wusste, was ich lernen sollte, weil ich das irritierende Gefühl hatte, alles zu wissen, was ich wissen müsste. Ich musste nicht wie in den Kunstgeschichtsvorlesungen dutzende von Bauwerken mit ihren Architekt*innen oder Kunstwerke mit den dazugehörigen Künstler*innen sowie Entstehungsdaten auswendig lernen, ich musste nicht wie in den Basiskursen nochmal die wichtigsten Journale und Datenbanken pauken, die man als Geschichtsstudi so kennen sollte, ich las einfach alle Texte nochmal, schrieb mir die Fakten, die ich dann doch vergessen hatte, auf Lernkärtchen, blätterte die mehrfach durch und sagte mir gestern, so, reicht.

Gestern war mir dann aber doch erstmals vor einer Klausur flau im Magen, weil ich schlicht nicht wusste, was der Dozent fragen würde. Er hatte angedeutet, dass er sehen möchte, dass wir Zusammenhänge erkennen, nicht, dass wir toll Zahlen und Daten auswendig lernen könnten (sehr sympathisch). Das brachte mich aber auch nicht weiter in meiner Vorbereitung. Ich versuchte mir selber Fragen zu stellen wie „Wie sieht ein typischer Tag eines großbürgerlichen Kindes im 19. Jahrhundert wohl aus im Gegensatz zu einem Kind aus der Arbeiterklasse?“, so dass ich mir selber was von Bildungschancen, Kinderarbeit, Spielzeug, Literatur, Beziehung zu den Eltern und Räumlichkeiten wie dem Kinderzimmer erzählen konnte. Aber mehr fiel mir nicht ein.

Das erste, was meine Nachbarin mir im Seminarraum sagte, als ich mich um kurz nach 11 setzte, war dann „Wie hast du gelernt? Ich wusste gar nicht genau, was ich lernen sollte“, was mich ziemlich erleichterte. Ich hörte den anderen Kursteilnehmer*innen kurz bei ihren Gesprächen zu – sie hatten sich bereits um 10 getroffen, um gemeinsam noch mal über ein paar Themen zu gehen, aber sowas macht mich bloß nervös –, legte meine Stifte bereit und wartete.

Ich mach’s mal kurz: Das war okay. Alles besser als 2,3 würde mich sehr freuen, weil ich inzwischen weiß, dass der Herr die Einser nicht so raushaut und ich mich seelisch mit der ersten 2 Komma irgendwas bei der Kursendnote in meinem Transcript of Records angefreundet habe (außer die Hausarbeit wird jetzt eine 1,0, wovon ich auch nicht so recht ausgehe). Ich werde hier keine Fragen ausplaudern, aber ich fand sie schön gestellt und man konnte sie gut beantworten. Ich habe allerdings auch bis eine Minute vor Abgabezeitpunkt geschrieben; ein so flüchtig korrigiertes Dokument habe ich noch nie abgegeben. Außerdem bin ich es schlicht nicht mehr gewohnt, so lange und vor allem für andere lesbar mit der Hand zu schreiben. Ich ahne, dass die letzte Seite eher nach Hieroglyphen aussieht. Sorry, Dozent!

Der Klassiker ist mir natürlich auch passiert: Es wurde auch nach Forschungspositionen gefragt, ich setzte schwungvoll den Stift an, denn das Buch, was ich nennen wollte, hatte ich nicht nur, wie üblich, quergelesen, sondern von vorne bis hinten und quasi jeden zweiten Satz im Referat zitiert … ich setzte also den Stift an … und setzte noch mal an … und stellte fassungslos fest, dass mir mein am häufigsten benutztes Buch partout nicht einfallen wollte. Die ganze verdammte Stunde lang brummelte es im Hinterkopf rum, ich hoffte auf eine Eingebung in letzter Minute, aber sie kam nicht. Normalerweise fallen mir Dinge, nach denen ich in Klausuren mein Hirn vergeblich durchwühle, in dem Moment ein, in dem ich die Hörsaaltür schließe, aber dieses Mal war das nicht so.

Eigentlich wollte ich nach der Klausur noch brav ins ZI fahren und weiter für Geld schreiben, aber ich war auf einmal so fürchterlich müde, dass ich nach Hause radelte. Ich brachte mein Fahrrad in den Keller, drückte auf den Fahrstuhlknopf, betrat den Fahrstuhl, die Tür schloss sich – und ich sagte laut zu mir: „Susan Baumert.“

Verdammte Axt.