Was schön war, Sonntag, 29. Mai 2016 – Fremde Menschen

Am Dienstag erreichte mich eine Mail von Stepanini, die mich zu einem Essen am Sonntag einlud. Ich hatte von ihren Supper Clubs mit ihrer Mitköchin schon gehört, mich aber nie angemeldet, weil ich eine Schisserin bei zu vielen fremden Menschen bin. Dieses Essen sollte aber anders ein. Die Gastgeberin hatte selbst eingeladen: „lauter tolle Frauen allen Alters, die wir so kennen, halb-kennen, spannend finden.“ Und weil ich auch nach über drei Jahren in München nur Menschen kenne, die ich über den ehemaligen Mitbewohner kennengelernt habe sowie die Kaltmamsell und weil es mir seit Tagen scheiße geht, dachte ich mir, so, Schnecki, du verlässt jetzt mal deine Komfortzone, denn es kann nur besser werden und deswegen sagst da jetzt zu.

Am Sonntagnachmittag verfluchte ich mich natürlich selbst, denn ich hätte so schön weiter schlecht gelaunt und/oder traurig in Schlumpfklamotten in meiner eigenen Suppe rumliegen können, aber nein, ich zog mein Lieblingsshirt aus dem Schrank, nahm meine Lieblingsohrringe aus dem Gläschen über dem Waschbecken, zog mir geringelte Socken und bequeme Sneakers an (keine Jungs anwesend = keine hohen Absätze) und setzte mich in die U-Bahn. Die Idee, lieber doch nicht mit dem Fahrrad zu fahren, um möglichst unverschwitzt anzukommen, wusste ich am Ende des Abends sehr zu schätzen, als es in Strömen regnete.

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Ich war natürlich fürchterlich nervös, aber das legte sich nach wenigen Sekunden, als die Gastgeberin sich offensichtlich sehr freute, mich zu sehen (was auf Gegenseitigkeit beruhte – ich mag Stepaninis Instagramstream genauso gerne wie ihr Blog und war sehr neugierig auf die Wohnung, deren Details ich ja schon kannte. Internet, ey). Ich begrüßte die schon anwesenden Damen, man plauderte, mir wurde Prosecco mit Erdbeermus und Rosmarinzweiglein in die Hand gedrückt, und dann stand eine Dame neben mir, die als Foodbloggerin vorgestellt wurde. „Ich heiße Julia.“ Ich so innerlich: Ich kenne nur eine Julia mit Foodblog, nämlich Chestnut & Sage, bei dem ich die Bilder so schön kinfolkig finde, was mir immer viel zu anstrengend ist, was ich aber stets bewundere, weil es so diszipliniert aussieht. „Und dein Blog?“ „Chestnut & Sage.“ Ich so: Internet, ey, und zack, hatte ich eine Sitznachbarin, mit der ich stundenlang plaudern konnte.

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Neben uns saß eine Steuerberaterin, auf meiner anderen Seite eine Fotografin, noch eine Ecke weiter eine Buchbloggerin, deren Brotberuf ich nicht mitbekommen habe, aber der ist ja auch egal, wenn man sich stattdessen über Bücher und London unterhalten kann; mir gegenüber gab sich eine Dame als Kunsthistorikerin zu erkennen, woraufhin ich anfing, peinlich rumzufiepsen und mich zum Affen zu machen, was sie gut abbog, indem sie erzählte, dass sie als Redenschreiberin arbeitete und nebenbei Gemüse auf einer kleinen Parzelle zog. Ihre Nachbarin war übrigens auch Kunsthistorikerin, arbeitet auch als eine und zog auch Gemüse, woraufhin erstmal Handyfotos mit besonders schönen Salatköpfen rumgezeigt wurden, wovon ich eventuell am Mittwoch einen in den Händen halten werde, denn die Redenschreiberin und ich haben uns mal flugs zum Lunch verabredet.

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Ich plauderte nach links und rechts und gegenüber, genoss das Essen, die sehr entspannte Stimmung zwischen zwölf Frauen, die sich meist noch nicht kannten, gönnte mir nach dem Espresso die erste Zigarette des Jahres auf dem Balkon und musste Stepanini irgendwann ein bisschen weinselig sagen, dass mir dieser Abend so unglaublich gut tat. Ich hadere gerade mit so vielem, mit viel zu vielem, und einfach mal an einer wunderschönen Tafel zu sitzen, herrliches Essen und guten Wein vorgesetzt zu bekommen, schlaue und freundliche Menschen kennenzulernen und den Kopf mal auszumachen, außer für neue Kontakte – das war genau das Richtige. Damit hatte ich nicht gerechnet und es war ein großes Geschenk.

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Und schmackhaft war’s auch, und mit Julia kann man ganz hervorragend über die Kochblogszene lästern.