Was schön war, Donnerstag, 28. April 2016

Uni. (Ach was.)

Im Seminar zur Kindheit und Jugend im 19. Jahrhundert besprachen wir zwei Texte, die wir zur Sitzung gelesen hatten und ergänzten sie in Gruppen um zwei weitere; einer war von einer Frau, einer von einem Mann geschrieben und wir konzentrierten uns in der jeweiligen Gruppe auf die geschlechtsspezifische Perspektive. Dann legten wir generelle Themen fest, unter denen man unser Seminarthema abhandeln könnte – Bildung der Kinder/Jugendlichen, Sozialisation, Sexualität, Religion etc. –, dann dachten wir über Quellen nach, die uns darüber Aufschluss geben könnten, und schließlich sprachen wir über Forschungsperspektiven, aus denen wir einen Blick aufs 19. Jahrhundert werfen könnten. Also neben dem üblichen Politik und Wirtschaft die Geschlechtergeschichte, die Sozialgeschichte, die Bildungsgeschichte oder, was mir neu war, was daran liegen könnte, dass es ein recht neues Fach ist: die Emotionsgeschichte. Die wäre für mich im Hinblick auf die private Festkultur vielleicht interessant, indem ich mich um gezeigte Zuneigung kümmere.

Apropos Gruppenarbeit: die scheint sich didaktisch völlig durchgesetzt zu haben. In allen Geschichtskursen in diesem Semester werden wir ständig zu Gruppen zusammengeworfen, um Texte für die gemeinsame Diskussion vorzubereiten. Das klappt ganz gut, auch weil die Dozierenden darauf achten, uns nicht 30 Minuten miteinder rummeinen zu lassen, sondern ein Auge auf die Uhr haben. Die anschließende Textarbeit kommt mir auch strukturierter vor, weil vieles eben schon intern, in der Gruppe, diskutiert und eventuell verworfen wurde. Aber vielleicht liegt das an der Kursgröße – je weniger wir sind, desto öfter stecken wir in Gruppen, vielleicht damit jede/r zu Wort kommt. In großen Kursen – ich erinnere mich an das Heimat-Seminar aus dem fünften Semester – haben wir höchstens einmal Gruppenarbeit gemacht, ansonsten wurde in großer Runde diskutiert, was aber nur ging, weil wir eine große Runde waren; da waren viele Stimmen zu hören, während im kleinen Kreis meist die gleichen zwei, drei Leute ständig sprechen. (Ich nehme mich da nicht aus.)

Generell hat mir die gestrige Sitzung gefallen, weil sie textliche Erkenntnisse auf einer höhere Ebene einordnen konnte und mir verschiedene Zugangsweisen zu Texten gezeigt hat. Das ist eh so ein Ding, was mich seit Jahren anfrisst: dass wir in Geschichte gefühlt deutlich strukturierter und forschungsorientierter arbeiten, während wir in Kunstgeschichte manchmal luftig in der Gegend rumplaudern. Eine hier nicht näher zu nennende Historikerin, die ich von Twitter kenne und neulich endlich mal persönlich kennenlernen durfte, erzählte von einem Kommilitonen, über dessen Auftauchen in den Kunstgeschichts-Nebenfachkursen sich die KuGis immer gefreut hätten, weil dann, halbwegs O-Ton, endlich mal wissenschaftlich gearbeitet würde. So geht mir das auch: So ziemlich alle wissenschaftlichen Grundlagen, mit denen ich arbeite, habe ich in Geschichte beigebracht bekommen und nicht in meinem Hauptfach. Wenn ich der LMU mal einen Wunschzettel für die Ersti-Propädeutika schreiben dürfte? (Wobei meine Propädeutika sehr gut waren – dass was fehlte, habe ich erst gemerkt, als ich anfing, Geschichte zu studieren.)

E-Mail.

Nach der Uni radelte ich nach Hause und setzte mich vor die Bücher, als mein Mailprogramm mir Post einer Kuratorin des Lenbachhauses anzeigte. Die Dame kenne ich schon; sie spendierte mir vor Jahren mal eine exklusive Führung durchs Haus, die ich sehr genossen habe. Dieses Mal hatte sie was zu Leo von Welden zu sagen, über den sie in meinem Blog gelesen hatte, und der anscheinend, ich zitiere die Mail, „nicht so richtig in [die] offizielle Erfolgsgeschichte der Moderne oder ihr Gegenteil reinpass[t], und gerade Maler mit religiösen Themen stellen da besondere Herausforderungen dar.“ Sie lud mich ein, bei ihr rumzukommen, um mir die Bilder in der Sammlung des Hauses anzugucken (nur auf Karteikarte, nicht im Depot, das ist zeitlich nicht möglich, aber wurst), und ich darf ihr danach beim Kaffee ein Loch in den Bauch fragen. Da radele ich dann heute hin und freue mich schon sehr.

Donnerstag scheint der Tag für gute Mails zu sein: Letzte Woche kam auch so ein Kracher, aber über den darf ich noch nicht bloggen. Hat auch was mit Kunst zu tun, und auch über den freue ich mich wie doof.

Gerade mal nachgeguckt: Die Einladung zur Kiefer-Ausstellung in der Albertina kam an einem Mittwoch. Das ist fast Donnerstag! Keep it coming, Museumpeople! Make Thursday Great Again!

Zuhause.

Nach Uni und Schreibtisch gönnte ich mir abends ein bisschen Lesezeit mit Franzens Purity, den ich eigentlich nur noch hasslese, aber ich bin fast durch, und jetzt will ich wissen, wie der Scheiß ausgeht. Ich saß also so in meiner Sofaecke, nachdem ich von meinen drei Stehlampen zwei ausgeschaltet hatte, um mein Hirn auf baldige Schlafenszeit einzustimmen; eine kleine Lampe leuchtete aus noch ihrer Ecke, die Sofalampe beschien mein Buch, ich blickte auf und sah: den heimeligen Lichtschein, der mein Bücherregal beschien. Ich sah die Papierlampe, die ich so mag, die Bücher, die ich so mag, Erinnerungen an Menschen, die ich mag, meine Lieblingsvasen auf dem Couchtisch, ich guckte weiter um mich rum und sah Luise in ihrem Goldrahmen, das Geschirr meiner Großeltern im Regal, und alles war ruhig und stimmig, und ganz unwillkürlich musste ich lächeln und tief und zufrieden aufseufzen. Die übliche Semesteranfangshysterie hat sich gelegt, bei der ich immer denke, ich weiß nix, sie ist in die übliche neugierige Phase gewechselt, bei der ich denke, ich weiß jetzt schon ein bisschen und wenn ich hier und da noch rumbohre, weil ich ganz viel. Ich hatte in den letzten Tagen wieder gute Kurse, ich habe gute Texte gefunden und gelesen, ich habe die Zeit dafür, zu lernen und zu lernen und zu lernen, und abends habe ich Zeit, mit einem Buch auf dem Sofa zu sitzen und um mich rumzugucken.

Mir geht es gut. Und ich habe gute Menschen um mich herum und wohne in einer guten Stadt. Das war schön, das mal wieder zu merken.