Finding Nemo

Finding Nemo
(Findet Nemo, USA 2003)

Originalstimmen: Albert Brooks, Ellen DeGeneres, Alexander Gould, Willem Dafoe, Allison Janney, Geoffrey Rush
Musik: Thomas Newman
Kamera: Sharon Calahan, Jeremy Lasky
Drehbuch: Bob Peterson, Andrew Stanton
Regie: Andrew Stanton

Um’s kurz zu machen: Ich verneige mich mal wieder in Ehrfurcht vor Pixar. Soweit ich weiß, ist es das einzige Studio, bei dessen Filmen ich mich jedesmal – jedesmal! – mitten im Film dabei erwische, mit offenem Mund auf die Leinwand zu glotzen wie eine Sechsjährige und ständig versucht bin, den Charakteren zuzurufen: „Nein, nicht da lang, Kasper! Da wartet das Krokodil!“ Sie kriegen mich jedesmal. Und dabei sind da auf der Leinwand doch nur PIXEL!

Finding Nemo handelt vom Clownfisch Marlin, dessen Sohn Nemo von einem Sporttaucher gefangen wird. Dieser landet in einem Aquarium in einer Zahnarztpraxis und versucht zu fliehen, während Marlin den ganzen Ozean nach ihm absucht und dabei eine Menge neuer Bekanntschaften macht: mit dem Fisch Dory zum Beispiel, der unter einer Störung des Kurzzeitgedächtnisses leidet, aber dafür lesen kann (“I can read? I CAN READ!”); er trifft eine Selbsthilfegruppe für Haie (“Fish are friends – not food!”), bekiffte Schildkröten, die auf einer Strömung in Richtung Australien surfen (“Grab a shell, dude!”) und noch viele weitere Charaktere, die sich im Meer halt rumtreiben. Jeder einzelne von ihnen verströmt diesen wundervollen Pixar-Charme, der aus einem animierten Fisch eben einen Vater macht, der sich um seinen Sohn sorgt und aus einem Seestern einen Experten für Wurzelbehandlungen.

Der Film fühlt sich weniger zwingend an als die Vorgänger Monsters, Inc, A Bug’s Life oder Toy Story. Die Geschichte hat zwar eigentlich eine klare Richtung, aber irgendwie weicht man ständig vom Weg ab. Das mag an den geteilten Schauplätzen liegen, zwischen denen wir ständig hin- und herspringen – Marlin im Ozean, Nemo im Aquarium –, aber ich denke, es sind eher die ganzen Mitspieler, mit denen sich die beiden „Hauptdarsteller“ das Wasser teilen. Alle fünf Minuten lernen wir jemand anders kennen, und so vergisst man beim Zuschauen manchmal komplett, dass man sich auf einer zielgerichteten Suche befindet, soviel gibt es zu sehen und zu entdecken. Der Film fühlt sich fast an wie ein Roadmovie, wo der Weg das Ziel ist. Und da Pixar zu Disney gehört, gibt’s auch ein bisschen Botschaft zwischen den ganzen Witzen: Marlin und Nemo lernen auf ihrer Reise, dass man Kindern mal die lange Leine gönnen sollte, aber auch, dass Väter manchmal recht haben.

Aber selbst die wenigen moralischen Einsprengsel stören kaum, denn man eigentlich gar keine Zeit, großartig über sie nachzudenken. Der Film hat ein hohes Tempo, wundervoll ausgefeilte Dialoge und die üblichen kleinen Gags, die jede Szene veredeln und wegen derer man den Blick gar nicht von der Leinwand wenden möchte, um bloß nichts zu verpassen. Fast überflüssig zu erwähnen, dass die Optik wie immer bei den Pixelschubsern atemberaubend ist. Selten sah der Meeresboden so verlockend, so feindselig, so leer, so überfüllt, so glitzernd blau und so unheimlich tiefschwarz aus wie in Finding Nemo.

Pixar hat es also mal wieder geschafft: Ich habe aus vollem Halse gelacht, als ein Seepferdchen zugibt, gegen Wasser allergisch zu sein, habe heimlich zwei oder drei Tränen verdrückt, als Dory Marlin gesteht, dass sie sich bei ihm zuhause fühle, habe atemlos meine Fingernägel in die Armlehne gedrückt, als ein riesiger Wal auftaucht, habe fast lauthals mitgejubelt, als Marlin Nemo endlich wieder in die Flossen schließen kann und habe sogar den einzigen Ekeldialog (“I love you, Daddy”) gut gelaunt hingenommen.

Das einzige, was ich an Finding Nemo auszusetzen habe, ist das Fehlen der Outtakes im Abspann, an die ich mich doch bei den anderen Pixar-Filmchen so gewöhnt habe. Dafür singt Robbie Williams Beyond the sea als Rausschmeißer, und neben sämtlichen Charakteren darf auch Mike aus Monsters, Inc ganz zum Schluss mit Taucherbrille durch den Abspann schwimmen. 9,9 von 10 Punkten. Mehr davon.

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