Was schön (und scheiße) war, Montag, 7. März 2016

(Edit 1: Wer sich mein sinnloses Rumjammern ersparen will, springt gleich zum Edit 2 da unten.)

Vogelnest-Hausarbeit abgebeben. Das war schön. Aber: nach einem legendären Kampf mit der ollen Zeichenzahlbegrenzung. Das war scheiße.

Ich darf im MA pro Hausarbeit 50.000 Zeichen raushauen, inklusive wissenschaftlichem Apparat, Fußnoten etc. Wenn ich an meiner Arbeit schreibe, kontrolliere ich nach jeder Schreibsitzung meine Zeichenzahl und habe brav im Hinterkopf, dass noch ordentlich Zeichen dazukommen, denn erst am Schluss, also am Tag, bevor ich abgebe, mache ich die Fußnoten hübsch.

Jedes Buch, jeder Aufsatz und was auch immer ich noch so zitiere (dieses Mal war eine DVD dabei, die ich gnadenlos ins Literaturverzeichnis gepackt habe, weil ich nicht wusste, wo sie sonst hin soll – Sonderpunkt „Benutzte Medien“? Nope), taucht einmal im Literaturverzeichnis am Schluss der Arbeit auf. Wenn alles fertig ist, der Text also steht, kopiere ich jeden einzelnen Titel und füge ihn bei der ersten Nennung in die betreffende Fußnote ein. Warum ich das erst am Schluss mache und so dauernd das Damoklesschwert des „Vielleicht hab ich nachher doch wieder zu viele Zeichen, weil der Word-Zeichenzählschlumpf mich hasst“ über mir schwebt? Weil ich im dritten Semester mal während des Schreibens schon die Fußnoten komplett ausgetextet hatte, bevor der Text richtig stand. Was natürlich dazu führte, dass ich während meiner 80 Korrekturphasen Absätze hin- und herschob und sich dadurch auch die Fußnoten verschoben. Plötzlich war die erste Nennung nicht mehr die erste und ich suchte wild durch die ganze Arbeit. Seitdem habe ich mir angewöhnt, immer nur die Kurznennung zu schreiben, also „Schmidt 2006, S. 90“ statt „Schmidt, Thomas: „Architektur für die Olympischen Spiele der Neuzeit“, in: Kat. Ausst. Architektur + Sport. Vom antiken Stadion zur modernen Arena, Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne, München 2006, Wolfratshausen 2006, S. 81–101, hier S. 90“, und erst am Ende der Textarbeit bei der ersten Nennung den vollständigen Titel. Denn jetzt weiß ich ja, wo die olle erste Nennung steht.

Beim Vogelnest habe ich sehr viel Literatur benutzt, die ich oft nur ein einziges Mal zitiere, viele chinesische Zeitungen, Architekturmagazine, Online-Artikel, die genau den einen Fakt hatten, den ich für mein Argument gebraucht habe. So lang war mein Literaturverzeichnis noch nie, und ich hoffe, das wird mir nicht als Zeichenschinden ausgelegt. Es gäbe nichts, was weiter von der Wahrheit weg wäre, verdammt.

Kurz vor Schluss zählte ich mal die Zeichen der Literaturliste – aha, 10.000 Zeichen (fuck!), das heißt also, wenn ich auf ingesamt 50.000 Zeichen kommen darf, darf mein Text nicht länger als 40.000 werden.

Hier hauen wir uns alle vor die Stirn, schütteln abschätzig den Kopf und fragen uns, wie so was Bräsiges wie die Gröner jemals einen Universitätsabschluss hingekriegt hat.

(Mit viel Alkohol und Tränen, aber lassen wir das.)

Also. Ich hätte natürlich nur 30.000 Zeichen schreiben dürfen plus die 10.000 im Literaturverzeichnis, die ja zum Schluss nochmal in die Fußnoten kommen.

Langer Blogeintrag, kurzer Sinn: Nach den letzten Korrekturen und dem Einfügen der Literatur klickte ich frohgemut auf „Zeichen zählen“ – und erblickte die widerliche Zahl von 65.000.

Den Montagvormittag habe ich unter sehr lautem Fluchen auf mich und meine Mathelehrer*innen damit verbracht, meine traumhaft ausgewogenene Arbeit um fette 15.000 Zeichen zu kürzen. Die politischen Implikationen vom Bauen in Dikaturen sind raus, die Überlegungen, ob das schon cultural appropriation ist, wenn sich ein westliches Architektenteam chinesischer Ikonografie bedient, viele schöne Stadionfakten zu London 1908 (erstes modernes Olympiastadion der Neuzeit), Stockholm 1912 (erstes mit Anklängen an einen nationalen Baustil), Berlin 1936 (nationalsozialistische Überwältigungsarchitektur – und die erste Fernsehübertragung) und München 1972 („Die Spiele im Grünen“) sind raus, viele Sätze über die Funktionen von Stadien in ihrer urbanen Umgebung, meine kunsthistorische Objektbeschreibung ist kürzer geworden, ach, es ist ein Jammertal.

Allerdings eins, das ich Idiotin mir selbst gebuddelt habe.

Deswegen werde ich in den nächsten zwei Semester alles anders machen. Nur in den nächsten zweien, denn in der Masterarbeit im vierten Semester zählt der wissenschaftliche Apparat nicht mehr mit. Die Prüfungsordnungsautor*innen hatten vermutlich richtig Bock darauf, sich diesen Quatsch auszudenken. (Alkohol und Tränen irgendwer?)

Für die nächsten Hausarbeiten werde ich am Anfang des Textes eine Fußnote einfügen, in die ich bräsig jeden blöden Titel werfe, den ich auch hinten im Literaturverzeichnis aufführe. Erfahrungsgemäß schmeiße ich Literatur sehr selten wieder aus, wenn sie einmal in der Arbeit drin ist, daher dürfte sich diese Fußnote kaum ändern, sondern nur immer länger werden. Wird super. Sieht im Layout bestimmt auch knorke aus. Wird mich beim Schreiben nie wahnsinnig machen.

Aber genug vom wunderschönen Vogelnest und dem STUMPF DER ARBEIT DARÜBER. Das Ding ist abgegeben und ich hab jetzt Semesterferien. Das ist schön. Und nächste Woche bin ich in Wien und sehe Anselm Kiefer und bin bereits zweimal verabredet und das wird auch schön.

*wirft die Gläser an die Wand*

Edit 2 mit Lerneffekt: Ich hätte diesen Eintrag schon nach Abgabe der Kiefer-Hausarbeit schreiben sollen.

Ein freundlicher Kollege wies mich auf unsere eigene Website hin, auf der steht, dass die vollständige Nennung beim ersten Vorkommen gar nicht explizit vorgeschrieben ist. Unsere Website habe ich natürlich im ersten Semester auswendig gelernt, um bloß nichts falsch zu machen. Uns wurde damals – ich bin mir nicht mehr sicher, ob bei den KuGis oder den Historiker*innen – nahegelegt, beim ersten Vorkommen den kompletten Titel zu nennen, weil es schlicht lesefreundlicher ist. Man sieht mit einem Blick: Ist das ein Buch, ist das ein Aufsatz, wenn letzteres, hat er drei oder 30 Seiten (was für die Aussagekraft nicht ganz unwichtig ist), von wem genau stammt die Quelle (Meiers gibt’s ja viele), ist das ein großes Tier im Fach, kennt man den oder die usw.

Sah ich alles genauso und seitdem habe ich brav den Gesamttitel beim ersten Vorkommen genannt, was auch nie ein Problem war, denn im BA zählten die Fußnotenzeichen nicht zur Gesamtzeichenzahl. Jetzt im MA schon, wie ich oben lang und jammerig ausführte. Natürlich habe ich seit zwei Jahren nicht mehr auf unsere Site geguckt, denn inzwischen wusste ich schließlich, wie man anständig zitiert und hatte deswegen – hier nochmal vor die Stirn schlagen – völlig vergessen, dass das keine notenrelevante Vorschrift ist, so zu zitieren, wie ich das mache, sondern eine Möglichkeit.

Da ich eine ungesunde Zuneigung zu meinen Hausarbeiten entwickele, je länger ich an ihnen rumbastele – gibt es das Stockholm-Syndrom für Wissenschaftler*innen und ihre Schriften? –, dachte ich die letzten zwei Stunden ernsthaft darüber nach, meine beiden Dozent*innen anzuschreiben und sie zu fragen, ob ich die Arbeiten noch mal abgeben darf – mit geänderten Fußnoten und einem dafür deutlich üppigeren Haupttext. Bevor ich das tat, fragte ich aber eine weitere Dozentin (nicht an der LMU) per DM, wie sie das fände, wenn sie so eine Mail bekäme. Sehr gelacht habe ich bei der Antwort „Du wärst die erste, die mir so eine Mail schreiben würde“, aber einsichtig genickt habe ich dann bei „Ist die Arbeit wirklich besser, die du jetzt nachreichen würdest?“ Und da bin ich mir selbst nicht mehr so sicher. Die lange Fassung klingt etwas weniger kurzatmig, sie führt etwas weiter aus, aber natürlich ist auch in der kurzen Fassung alles Wichtige drin, denn sonst hätte ich sie nicht abgegeben.

Und so nehme ich dieses Semester wieder mal eine neue Lernerfahrung mit. Und weiß nächstes Mal, dass ich keine lange Fußnote vor mir herschieben muss, wie ich es oben im Blogeintrag andachte, sondern einfach kurz angebunden „Schmidt 2006, S. 90“ schreibe und fertig. Auch wenn mein auf Lesefreundlichkeit getrimmtes Inneres weinen wird. Dafür wird mein tipp- und auskunftsfreudiges Inneres jubeln, weil es endlich Platz hat.