Sommersemester 14, die erste Woche: Dienstag und Mittwoch

Italienisch A1.1

Cum tempore ist eine Erfindung der GöttInnen, die aber anscheinend nicht für die Volkshochschule zuständig sind. Da findet nämlich um 8 Uhr morgens (pünktlich!) mein Sprachkurs statt, den ich im 4. und 5. Semester in Kunstgeschichte belegen muss. Den hätte ich mir ersparen können, wenn ich mir im 1. Semester meine 25 Jahre alten Lateinkenntnisse hätte anerkennen lassen, aber ich motiviertes Mäuschen dachte mir damals(TM), ach, wenn die Uni mir schon einen Sprachkurs bezahlt, wäre ich ja doof, wenn ich das Angebot nicht annehmen würde. Ich verfluche das motivierte Mäuschen, als mein Wecker um 6 klingelt.

Normalerweise ist 6 irgendwie okay, wenn ich erst um 8.15 Uhr in der Uni sein muss. Ich lungere bis 6.15 im Bett rum und erinnere meinen Körper daran, dass er jetzt allmählich mal unter der mummelwarmen Decke rauskommmmm… nein, nicht wieder einschlafen, RAUS JETZT! Dann dusche ich entspannt, während der Deutschlandfunk mir was Spannendes erzählt. Während die Milch für den Cappuccino schäumt und der Espresso durchläuft, räume ich das Geschirr weg, das ich gestern abend abgewaschen habe, dann mache ich das Bett, und damit sind beide Münchner Zimmer aufgeräumt und tagesfein. Ich klappe den Rechner auf, genieße Cappuccino und einen frischen Saft, lese entspannt eine gute halbe Stunde im Netz, blogge, falls ein Eintrag von gestern in der Pipeline liegt, bis ich mich schließlich für die Außenwelt aufhübsche und um 8 losradele, um Punkt 8.10 an der Uni zu sein, wo um 8.15 die Kurse losgehen.

Aber: Volkshochschule am Gasteig und sine tempore. Das heißt, ich muss früher da sein und mein Weg ist 25 Minuten lang statt zehn. Mein entspanntes Lesen und Frühstücken wird etwas zackiger, denn ich habe es nicht über mich gebracht, den Wecker auf 5.30 zu stellen. Ich stehe nicht um FUCKING FÜNF UHR IRGENDWAS AUF! (Jetzt kann ich den Satz endlich bringen:) DAFÜR HAB ICH NICHT STUDIERT!

Um 7.15 schwinge ich mich auf mein Rad, denn ich habe keine Ahnung, wo genau im Gasteig die Räume der VHS sind und ich hasse es, unpünktlich zu kommen. Lieber eine Viertelstunde zu früh da sein und noch ein bisschen lesen als abgehetzt in irgendeinen Seminarraum zu stolpern.

Um die Zeit ist die Ludwigstraße radlerleer. Das hatte ich mir anders vorgestellt, bin aber sehr erfreut darüber. Ab Odeonsplatz treffe ich nicht auf die üblichen FußgängerInnen und Touris, sondern auf dutzende von Lieferfahrzeugen. Das Nachtlicht der Oper ist noch an, es ist kaum jemand unterwegs, und es radelt sich sehr entspannt in der kühlen Morgenluft. Früh aufzustehen ist vielleicht doch nicht so doof.

An der VHS angekommen, finde ich den Raum sofort, und er füllt sich mit gut 20 Menschlein. Es ist Italienisch geworden statt Französisch, was ich schon in der Schule hatte und danach noch mehrmals an der VHS auffrischen wollte, was aber eher nervig als erfolgreich war. Der Kopf quengelt seit einem Jahr, dass Französisch total sinnvoll für Kunstgeschichte ist und ich schon Grundkenntnisse habe und der Einstufungstest mich ja auch nicht in die totale AnfängerInnengruppe gesetzt hat und blablabla. Mein Bauch sagt: Italienisch singt sich toll und ich will das jetzt lernen. Basta! (Hey, ich kann schon ein Wort!)

Der Kurs war so, wie man sich einen Italienischkurs vorstellt: lebhaft und lustig. Unsere Lehrerin ist eine winzige Frau, aus der eine tiefgerauchte Whiskystimme kommt, sie schnackt die ganze Zeit vor sich hin, ich hänge verliebt an ihren Lippen und will nach Rom fahren.

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Der Hof Kaiser Ludwig des Bayern (1314–1347)

Um 9.30 sind wir durch mit „Mi chiamo Anke, e tu? Come ti chiami?“ Das Internet sagte mir heute morgen was von 80-prozentiger Regenwahrscheinlichkeit, aber in meinem Kopf heißt das: mit 20-prozentiger Wahrscheinlichkeit regnet es nicht. Dieses Mal hat mein Kopf verloren, es regnet und ich radele deutlich weniger entspannt als vor anderthalb Stunden zur Uni. Mein geliebtes Hoodie, das eigentlich für den durchschnittlichen Münchner Regen reicht (wir HamburgerInnen sagen „feuchte Luft“ zu sowas) liegt in der anderen Stadt, ich habe keine Kapuze und keine Mütze, kann jetzt aber prima durch zusammengebissene Zähne fluchen.

Im Historicum frühstücke ich einen Jogurt, trockne mein Jäckchen und mein Halstuch, das als Kopftuch dienen musste, setze mich dann in die schöne ruhige Bibliothek und lese The Goldfinch von Donna Tartt weiter. Ich bin halb durch und finde es bis jetzt großartig. Um 11 schlendere ich in den Seminarraum, wo weitere geschätzt 15 Menschen auf mich warten. Die Dozentin kommt etwas früher als 11.15 und verteilt Papier und Stifte, damit wir uns Namensschilder basteln. Das ist mir seit drei Semestern ein Rätsel, wie sich Dozierende unsere Namen merken. Ich kriege nicht mal die Vornamen hin, geschweige denn die Nachnamen, mit denen wir hier angesprochen werden. Daher kann ich das Namensschild gut nachvollziehen und finde es nebenbei nett, auch selbst zu wissen, wie die Umsitzenden heißen.

Der Kurs ist eine Übung, von denen ich im Nebenfach Geschichte vier im Grundstudium belegen muss. Zwei hatte ich schon im letzten Semester (die „Journale der Aufklärungszeit“ und „Geschichte und Journalismus“), zwei habe ich in diesem: einmal den Ludwig und dann am Donnerstag „Mediengeschichte des 19. Jahrhunderts“. Da ich mein Grundstudium in zwei statt in drei Semestern und das Hauptstudium in einem statt in zwei Semestern runterrocke, habe ich im Nebenfach mehr zu tun als im Hauptfach. Passt schon.

Die Namensschilder haben noch einen Sinn: Die Dozentin ruft uns dauernd auf, anstatt darauf zu warten, bis sich eine oder einer von uns regt. Das mag ich persönlich sehr gerne, denn ich habe inzwischen dieses ewige Schweigen des Plenums zu hassen gelernt. Meistens weiß man dann doch irgendwas, und wenn nicht, ist man inzwischen erwachsen genug, um das zuzugeben. Wir haben im Vorfeld zum Kurs einen Lexikonartikel über Ludwig den Bayern zugemailt bekommen, den wir jetzt noch mal aufgrund der Fragen der Dozentin durchforsten. Dabei müssen wir das Wissen abrufen, das wir bis jetzt über das Mittelalter haben – und wo ich bis dahin dachte, pffft, ich hatte eine einzige Vorlesung und weiß nix, merke ich schnell, dass da doch eine Menge hängengeblieben ist. Ich weiß noch, wie die deutschen Könige gewählt werden, ich kann mit dem Begriff der Wittelsbacher und der Habsburger noch was anfangen, und ich kann halbwegs einordnen, wie erfolgreich Ludwig als Herrscher war, weil ich schon andere kennengelernt habe. Mein Kopf klickt lustig vor sich hin, und ich ahne, dass ich an der Uni meist debil vor mich hingrinse. Wir lesen eine mittelhochdeutsche Quelle, sprechen über Zeugnisse aus der Zeit, und dann werden die ersten Aufgaben verteilt. Überraschenderweise will die Dozentin keine Referate von uns haben, sondern gibt lieber wöchentlich kleine Aufgaben auf, die wir alle das ganze Semester lang, meist in Gruppen, bearbeiten müssen. Ich habe Hausaufgaben! Ich bin sehr gerührt und werde Freitag in der Bibliothek danach suchen, wie eine Urkunde aus dem Frühmittelalter aussieht im Vergleich zu einer aus dem Hoch- und Spätmittelalter, damit meine Kommilitonin und ich der Gruppe übernächste Woche ein Arbeitsblatt dazu präsentieren können.

Klöster als Kulturzentren des frühen Mittelalters

Das ist mein Mittelalter-Basiskurs; mein Schnuffi „Geschlecht im Zeitalter der Extreme“, in dem ich die Suffragetten-Hausarbeit schrieb (die schon zitiert wurde, wie schön!), war mein Basiskurs für die Neuzeit. Im Nebenfach müssen wir aus den drei großen Epochen Antike, Mittelalter und Neuzeit zwei belegen, die jeweils aus einer Vorlesung und einem Basiskurs bestehen. Die Vorlesungen hatte ich bereits beide im Wintersemester, das heißt, um meine ganzen Module fürs Grundstudium zu bestehen, fehlt mir nur noch der Basiskurs Mittelalter – aber der fängt erst nächste Woche an. Exzellenzuni, my love.

Spaces of Experience

Das ist jetzt ein bisschen albern, aber: Meine Dozentin in diesem Kurs liest mein Blog. Die Dame ist nämlich die schon mal erwähnte Kuratorin aus dem Lenbachhaus, die mich (und Herrn Probek) direkt nach der Neueröffnung dort rumgeführt hat, als kleines Dankeschön für eben dieses Blog. Daher bin ich jetzt total befangen, über diesen Kurs zu schreiben. Und noch ein Problem: Ich habe es während des Kurses vermieden, sie direkt anzusprechen, weil ich mich garantiert zwischen dem offiziellen Sie und dem durch Führung und Kaffeetrinken erworbenen Du verhaspelt hätte.

Aber immerhin für euch die Kurzfassung: Es geht in diesem Seminar um unterschiedliche Präsentationen von Kunst. Wir rennen die nächsten Wochen durch verschiedene Münchner Museen, lassen uns von den dortigen KuratorInnen was erzählen – und müssen auch hier kein Referat halten, wo-hoo! Stattdessen protokollieren wir mit. Als es um die Verteilung der Protokolle ging, war mein erster Wunsch das Haus der Kunst, weil mich die Geschichte des Hauses sehr interessiert und natürlich auch, weil da gerade die Matthew-Barney-Ausstellung läuft, an der man derzeit überhaupt nicht vorbeikommt. Ich ahnte aber, dass ich mit diesem Wunsch nicht alleine war und da ich es vermeiden wollte, irgendeinen späten Zeitpunkt im Semester abzukriegen, an dem ich schon hysterisch für die Klausuren lerne, meldete ich mich gleich beim zweiten Museum, dem Bayerischen Nationalmuseum. Das wollte dann auch erwartungsgemäß niemand haben (sehr traditionelle Hängung), während sich beim Haus der Kunst mindestens fünf Leute meldeten. Alles richtig gemacht.