Re: Ãœbers Bloggen

Stefan Niggemeier schreibt in der FAS und – natürlich – in seinem Blog, warum er gerne bloggt. Einiges davon unterschreibe ich sofort, anderes hat mich zum Nachdenken gebracht. Zum Beispiel dieser Abschnitt:

„Außerdem gehört zum Selbstverständnis vieler Blogger das Postulat, nicht für die Leser zu schreiben, sondern für sich selbst. Wer scheinbar auf möglichst große Quote bloggt, gilt als zutiefst verdächtig. Das machen die Massenmedien ja schon zur Genüge: alles der Pflicht unterordnen, möglichst viele Menschen zu erreichen.“

Ich habe eine Zeitlang durchaus eher für die Leser als für mich gebloggt*. Oder anders: zu wissen, dass jeden Tag ne Menge Leute darauf warten, dass was Neues auf meiner Site steht, hat mich des Öfteren abends noch nach Links oder Geschichten wühlen lassen, die ich irgendwie verwursten konnte. Ich habe von Anfang an, seit Juli 2002, jeden Tag etwas geschrieben, und irgendwann hatte sich dieses Jeden-Tag-posten verselbständigt. Plötzlich musste ich jeden Tag schreiben. Und es hat ziemlich lange gedauert, bis ich mich a) davon befreit hatte und b) kein schlechtes Gewissen mehr hatte, weil ich einen oder zwei oder zehn Tage nichts geschrieben habe.

Das hängt damit zusammen, dass das Faszinosum Weblog für mich keins mehr ist. Ich will mit meiner Seite niemand mehr erreichen, ich will damit nicht reich, berühmt und Superstar werden. Ich weiß nicht, ob ich das mal wollte (bestimmt); ich weiß ja nicht mal nicht mehr, warum ich mit dem Kram überhaupt angefangen habe. Wahrscheinlich, weil es ging. Hunde – Eier, Rockstars – Supermodels, ihr wisst schon.

Bloggen ist für mich inzwischen wieder zum simplen Schreiben geworden. Natürlich ist es am Anfang klasse, wenn die Leserzahlen nach oben gehen und wenn auf einmal Leute mit dir „reden“, weil du Dinge nicht mehr in dein Tagebuch schreibst, sondern ins Internet. Stefan hat es folgendermaßen ausgedrückt:

„Links sind eine Währung in der Welt der Blogs, aber der eigentliche Lohn ist Aufmerksamkeit. Die lässt sich messen, anhand von Leserzahlen, Seitenabrufen und Verlinkungen. Aber so fixiert viele auf diese Hitparaden sind (ich auch) – das zutiefst befriedigende am Bloggen ist nicht eine wachsende Zahl, sondern die Kommunikation an sich. Der eine Kommentar von jemandem, der genau verstanden hat, was ich sagen wollte, und meine Sätze durch eine Pointe krönt. Der Fremde, der zum Stammgast wird, zum Dauer-Kommentierer, zum Freund. Auch der Gegner, an dem ich mich immer wieder reiben kann.

Mein Blog kann ein ständiger Abgleich meiner Realitätswahrnehmung mit der anderer sein: Wer bin ich? Wie sehen die anderen mich? Worüber lachen sie? Was lässt sie kalt, was verstehen sie falsch? Die Konversationen, die entstehen, sind immer wieder Experimente in sozialer Interaktion: Welcher Kommentar lässt eine Debatte entgleiten? Wo formieren sich viele Blogs mit gemeinsamem Ziel? Wann macht die Größe einer solchen Welle aus der Masse einen Mob? Und wann eine schlaue, mächtige Bewegung?“

Ich hatte durchaus das Vergnügen, Kommentatoren zu haben, die mich verstanden haben, die bessere Pointen als ich hatten und an denen ich meine Realität überprüfen konnte. Ich hatte aber auch den Mob bzw. den Möchtegernmob, an dem ich mich reiben konnte und der mich nervigerweise dazu gezwungen hat, dauernd über ihn nachzudenken: „Ignorieren? Gegenkommentieren? Löschen? Erstmal nen Kaffee trinken gehen?“ Und irgendwann ist mir dieses Zwiegespräch mehr und mehr auf die Nerven gegangen anstatt dass es mich befruchtet hätte. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die Konversation wichtiger geworden war als der eigentliche Blogeintrag – und genau an dem Punkt ist mir die Freude am Bloggen vergangen. Das mag persönliche Eitelkeit sein, aber wenn ich mit Leuten reden will, dann chatte ich. Wenn ich schreiben will, dann schreibe ich.

Auch aus diesem Grund sind die Kommentare immer noch aus: weil ich lieber schreibe als zu kommunizieren. Auch aus diesem Grund kommentiere ich deutlich weniger als früher, und ich lese längst nicht mehr so viele Blogs. Weil ich nur noch von wenigen wissen möchte, was sie denken, während ich es von den vielen, vielen anderen da draußen nicht mehr wissen will. Deswegen geht mir auch die Kommentarmöglichkeit in den „alten Medien“ auf den Keks wie bei der Onlineausgabe der FAZ oder der SZ. Ich bin ganz zufrieden damit, einfach nur mal EINE Stimme zu hören. Ich muss nicht für jeden Sachverhalt 50 haben.

Aber das ist nur meine Meinung. Ihr dürft gerne eine andere haben. Mein derzeitiges Blogcredo lautet dementsprechend: Macht doch, was ihr wollt – ich mach ja auch, was ich will. Denn einem Satz von Stefan kann ich absolut zustimmen:

„Das trifft natürlich nicht auf alle Blogger zu, so wie ungefähr nichts auf alle Blogger zutrifft.“

* Aus diesen Überlegungen heraus habe ich endlich mal meine FAQ geändert.