München, Hauptbahnhof, 1. März, ich warte auf die S8 zum Flughafen

– Eine junge blonde Frau mit einer Sparkassen-Tragetasche in der einen Hand. In der anderen hält sie eine dieser transparenten runden Boxen, in denen man Torten transportiert. Ihre ist eine herzförmige Torte, mit Schokolade übergossen, der obere Rand ist mit Silberperlen verziert, der äußere mit einem wahrscheinlich nicht essbaren Goldband.

– In die einfahrende S6 steigt ein junger Mann in Jeans, an den Füßen anscheinend neue, blitzblanke, fast leuchtende Adidas-Sneakers. In seiner Hand trägt er eine Tüte mit einem weiteren Adidas-Karton. Ich frage mich, ob in dem Karton seine bisherigen, alten Turnschuhe sind oder ein zweites Paar neue.

– Ein Mann hechtet die Treppe rechts neben mir nach oben zum Bahnsteig, auf dem ich stehe. Er kann den Bahnsteig jetzt sehen, bemerkt, dass seine Bahn noch nicht da ist und verlangsamt sofort seine Schritte. Er ist nicht außer Atem, als er oben ankommt und in Richtung Hinweistafel schaut, wann die Bahn denn kommt. Dann schaut er auf die Uhr. Dann bleibt er ganz nah an der Treppe stehen und wartet stoisch, als ob ihn irgendwas Fremdes in die Bewegungslosigkeit gezwungen hat, als ob er nicht anders kann als zu warten.

– Ein junges Pärchen geht an mir vorbei. Sie halten sich an der Hand, und er hat dafür seine schwarzen, dünnen Lederhandschuhe nicht ausgezogen.

– Eine Dame, keine Frau, eine Dame, blond, geradeaus, hochgewachsen, bestimmt, hat garantiert für alles einen Plan. Sie trägt einen schwarzen glänzenden Kunstpelzmantel, schwarze, perfekt dazu passende Stiefel, ein kleines, schwarzes Beret mit genau dem richtigen Knick und einen billig wirkenden, breiten, grünen Plastikgürtel.

– Ein Mann in den Dreißigern, komplett in braun gekleidet, weite lässige Hose, offene Jacke, die locker über den Hintern fällt, ein brauner Rucksack. Über seiner linken Schulter feste, braune Schuhe, an den Schnürsenkeln zusammengebunden. Er bewegt sich leicht, während er mit seinem Freund spricht, lächelt, steht da, als ob er genau da hingehört, breite Schultern, schmale Hüften, weiße Zähne, braune Locken, die Knie immer leicht eingeknickt, der Rücken gerade, die Hüfte ein bisschen nach vorne geschoben, ich kann kaum wegsehen, so unaufgeregt präsent steht er da. An seinem Bein lehnt ein neongelbes Snowboard.

– Eine schmale Frau, vielleicht 30, in einem dunklen, knielangen Mantel, ein dicker roter Schal, eine ebenso rote Samtmütze mit einem grünen Bommel daran. Auf ihrem Rücken trägt sie eine lange, schmale Tasche mit japanischen Schriftzeichen darauf, und ich wünsche mir, es wäre ein Kendo-Schwert.