He, Bologna, listen up

Herr Buddenbohm lässt sich von Sohn I erklären, was Kunst ist. Die Definition werde ich versuchen, in einer Hausarbeit unterzubringen.

„Sohn I findet Kunst spannend. Mit fünf Jahren weiß man schon genug darüber, um Kategorien von Kunst im Alltag zu erkennen. Ich habe mit ihm und seinen Freunden über Kunst gesprochen, das war sehr erhellend. Es gibt, nach diesem Expertengremium jedenfalls, drei Kategorien von Kunst, die verblüffend klar definiert sind: Kunst, Dings und Deko.“

Frau Paradise studiert ebenfalls wieder nach längerer Pause und vergleicht. In diesen Sätzen habe ich mich sehr wiedergefunden:

„Nicht daß ich denke, ich wäre soviel schlauer als die anderen Studenten (dann hätte ich ja schon längst fertig sein müssen mit meinem Studium), eines bin ich sicherlich: Dankbarer. Das mag jetzt pathetisch klingen, aber den meisten ist wohl wirklich nicht bewußt, was für eine Riesenchance ihr Studium für sie bedeutet, wieviel Zeit einem praktisch geschenkt wird, zum Lernen und Finden und ja, auch Suchen.“

Der „geschenkten Zeit“ muss ich allerdings kurz widersprechen. Den Aspekt habe ich in meinem Vergleich vergessen: dass neben mir 20-Jährige sitzen, die schon im ersten Semester darüber nachdenken, ob sie nach dem Bachelor noch einen Master dranhängen, denn der Bachelor zähle ja gar nicht als „richtiges“ Studium. Ob sie jemals einen Job bekämen, wenn sie durch die anstehenden Klausuren fielen. Ob sie noch eine dritte, vierte, fünfte Sprache lernen müssten. Ob ihre Praktikumswahl ihre Berufschancen beeinflusse. Und welche Kurse sie am sinnvollsten miteinander kombinieren könnten.

Und dabei blutet mir immer das Herz: dass sie von Anfang an darauf gedrillt werden, möglichst schnell produktiv zu denken. Anstatt sich die Zeit nehmen zu können, sich mal umzugucken. Sich als Kunstgeschichtsstudi zur Abwechslung in Theologie- oder Philosophievorlesungen zu setzen. Oder im eigenen Fach in Kurse zu gehen, für die man keinen Schein (bzw. ECTS-Punkte) erwerben will, sondern weil einen das Thema interessiert.

Ich kann sie allerdings alle verstehen, denn ich persönlich bin überrascht davon, wie straff getaktet das Bachelorstudium ist, wie wenig Wahlmöglichkeiten man hat und wie irrsinnig viel Wissen jede Woche über uns ausgekippt wird – und wir müssen es doof auswendig lernen. In meinen Kursen schreibe ich gerade mal eine Hausarbeit sowie ein wissenschaftliches Protokoll, in denen ich selbständig denken darf – ansonsten warten drei Klausuren auf mich, in denen ich größtenteils per Multiple Choice geprüft werde, ob ich mir auch ja gemerkt habe, wann St. Michael in Hildesheim gebaut wurde oder wann Mozart den Figaro komponierte.

Das kenne ich aus dem Magisterstudium ganz anders. Ja, das hat länger gedauert. Ja, man konnte da sehr viel rumschlumpfen. Aber ja, verdammt, man konnte davon auch sehr viel mitnehmen. Das Bachelorstudium ist für mich die kapitalistische Variante von Wissenserwerb – es kommt eher auf den Erwerb als auf das Wissen an. Und das bedauere ich persönlich an jedem Unitag sehr. Ich als Luxusstudentin, die das aus Spaß an der Freud macht, ziehe natürlich trotzdem noch viel aus jeder Stunde, aber ich ahne, dass das für die Erststudierenden mit viel weniger Freude und stattdessen mit viel mehr Leistungsdruck verbunden ist. Daher kann ich jede/n verstehen, der oder die sich die Rosinen rauspickt, die am wenigsten Arbeit machen, denn hey, die machen immer noch genug Arbeit. Mir erscheint das Bachelorstudium als eine sehr blöde Verschlimmbesserung des Systems Universität, aber vielleicht trauere ich auch nur dem langsameren Tempo des Magisters hinterher. Ich frage mich allerdings aus meiner Warte der älteren Dame, die schon einiges an Kollegen und Kolleginnen in verschiedenen Jobs mitgekriegt hat, ob ich wirklich mit hektisch fertiggewordenen Karrierestudis arbeiten möchte oder eher mit Menschen, die die Zeit hatten, sich selbst und ihre Fähigkeiten und Vorlieben entdecken zu können. Die sind nämlich im alltäglichen Umgang weitaus entspannter. Und wissen meistens auch mehr, aber das mag mein persönliches Vorurteil sein.