Wenn Deppen einziehen

Der Kerl lässt ausrichten, dass dieses Wochenende ein gutes Wochenende für den Kampf „Männlichkeit gegen Dekoscheiß“ war.

Aber von vorn. Freitags kriegt der kleine Blumenladen in Agenturnähe neue Ware. Dieser kleine Blumenladen zeichnet sich dadurch aus, dass er kein üppiges Angebot an allen Blumen dieser Welt hat, nein, dieser kleine Blumenladen ist eher DDR-Metro für Pflanzen. Heißt: Es gibt einen Tag nur z.B. Lilien und Chrysanthemen und auch nur in vorgezählter Stückzahl. Dafür sind die Stengel aber unglaublich günstig, weswegen sich wie in der Zone Schlangen von Menschen vor dem kleinen Blumenladen bilden, die wie ich zehn wunderschöne weiße Lilien für lausige 3,90 abholen wollen. Die Bedienung ist McDonald’s-mäßig effizient; kein Smalltalk, kein Nix, du sagst „Ich hätte gerne die Lilien“, und schon hast du ein vorher abgepacktes Bündel vor dir und reichst das Geld rüber.

Ich mag den kleinen Blumenladen. Meine Vasen sind allerdings selten auf zehn Lilien auf einmal eingerichtet, weil ich doch eher der Einzel- oder Pärchenblumenkäufer bin (eben Lilien oder Calla) oder mal richtig Geld für einen gebundenen Strauß raushaue oder ein kleines Bündchen bunte Tulpen mitnehme, das keine großen Vasen braucht. Daher verteile ich die zehn Lilien denn auch gerne auf fünf Vasen und stelle sie überall auf. Diesmal habe ich aber nach ganzen hinten in das Vasenfach gegriffen und meine zwei ältesten Ikeavasen erwischt; zwei schlichte, dünnwandige Glaszylinder, die ich seit mindestens 15 Jahren von Wohnung zu Wohnung schleppe. Einer davon stand am Samstag auf der Wohnzimmerfensterbank, der zweite im Bad neben der Badewanne, beide mit jeweils fünf ausladenden Lilien bestückt.

Nun wohnen wir zwei Hübschen hier zwar schon ein paar Wochen, aber irgendein Kleinscheiß bleibt ja immer liegen, und daher war auch am Wochenende wieder „Wohnung wohnlich machen“ angesagt. Im Wohnzimmer mussten Gardinen aufgehängt werden. Ich hatte mich für lange, dunkelbraune Vorhänge entschieden, der Kerl hatte bereits vor Tagen brav Löcher gebohrt und Haken reingedübelt, und nun stand ich auf der gefühlt fünf Meter hohen Leiter, der Kerl reichte mir die Gardinenstange mit den gefühlt zehn Meter langen Gardinen an – und ich schwenkte den ganzen Batzen so dumpfbackig in der Gegend rum, dass ich die Lilienvase erwischte, die dämlicherweise noch auf der Fensterbank stand. Ich bin der Meinung, dass der Kerl sie absichtlich hat stehenlassen, weil er um meine motorischen Fähigkeiten wusste. Das war jetzt allerdings egal, denn ich wurde angewiesen, erstmal auf der Leiter zu bleiben, während der Kerl erstens die Scherben wegräumte und zweitens den Holzfußboden von zwei Litern Wasser befreite. Ich behaupte, er hat dabei gegrinst.

Der gestrige Sonntag war dann mein Truckertag. Ich hatte mir einen kleinen LKW geliehen, um einen Schrank, einen Esstisch und vier Stühle meiner Großeltern von meinen Eltern abzuholen. Die hatte ich bereits in meiner Hannöverschen Wohnung stehen (die zehnmal so groß war wie alles, was ich mir bisher in Hamburg geleistet habe, grrr) und wollte sie nun endlich in unserem Esszimmer aufstellen. Ich also schön den King of the Road gemacht, stilecht mit Countrymusik per CD (achy-breaky heart, baby) im Vito, wo man ungefähr zwei Meter über der Fahrbahn sitzt, in die Nähe von Hannover gefahren, mit Papa den zerlegten Schrank, Tisch, Stühle, noch ein bisschen Geschirr von Omi und noch ein paar weiße Tischdecken eingepackt und wieder nach Hamburg gefahren, mit dem Kerl den Kram erstmal in den Hausflur geladen und dann auf Anweisung von meinem allerliebsten Liebling den Wagen zurückgebracht, während er schon anfing, den schweren Scheiß in den zweiten Stock zu schleppen. Als ich zurückkam, waren nur noch die Tischplatte und eine Schranktür unten, der Kerl total durchgeschwitzt und zu keiner vernünftigen verbalen Aussage mehr fähig.

Während der schatzigste Schatz von allen sich ausruhte bzw. versuchte, wieder ohne Geräusche Luft zu kriegen, machte ich mich daran, den Schrank zusammenzubauen. Das braune Ding hat zwei Weltkriege überlebt, ist dementsprechend ein bisschen verzogen und kommt ohne eine einzige Schraube aus. Alles steckt nur ineinander. Beim Aufbau musste der liebste Kerl von allen daher ein bisschen helfen, denn der Schrank besteht nur aus Fußteil, Kopfteil (beide schön schwer und unhandlich, zwei Seitenteilen (die ich tragen kann, ho-hee) und diversen wackeligen Rückwandteilen. Aber das wirklich Spannende ist das Innenleben. Sowohl mein Großvater als auch mein Papa haben irgendwelche wilden Gestelle fabriziert, mit denen der Schrank ausgekleidet wird, bevor die Querbretter reingelegt (oder eher reingewürgt) werden. Mein Papa hat alle Bretter brav nummeriert und mir einen tollen Zettel mitgegeben, auf dem seiner Meinung nach exakt stand, wie man die Bretter in der richtigen Reihenfolge reinlegt – denn wenn die Reihenfolge nicht stimmt, kriegt man gar kein Brett rein. Ich ahnte schon sowas und hatte Papa deswegen vor dem Abholen gebeten, den Schrank bloß nicht auseinanderzunehmen, sondern das mit mir zusammen zu machen, damit ich sein irres System verstehe. Papa war aber der Meinung, sein System wäre idiotensicher (I beg to differ) und hatte daher schon alles auseinandergenommen, als ich ankam. Nun stand ich in unserem Esszimmer, balancierte ein Brett mit der Aufschrift „2 rechts hinten“ und eins mit der Aufschrift „5 links vorne“ und las auf einem Zettel Anweisungen wie „1 links hinten hochkant, dann 2 vorne rechts“ … woraufhin ich beschloss, alles zu ignorieren und die Gröner’sche Methode des verzweifelten trial and error anzuwenden.

Ich habe knapp zwei Stunden mit den alten Holzbrettern zugebracht, war danach entsprechend durchgeschwitzt, musste mir die üblichen (und leider berechtigten) Kommentare meines doofen Mitbewohners über meine mangelnde räumliche Vorstellungskraft anhören und beschloss daher nach Fertigstellung des nervigsten, aber schönsten Schranks der Welt, ein ausgiebiges Schaumbad zu nehmen. Dafür muss man natürlich Vorbereitungen treffen: Wasser einlassen, den passenden Lush-Brocken finden (gestern habe ich mich für Sunny Side entschieden, das nach Zitrone duftet), Weißwein neben der Wanne positionieren, den richtigen Radiosender finden, Kerzen anschleppen und entzünden, die Badprodukte, die sonst im Regal stehen und nun dringend gebraucht werden, in Wannennähe packen (Peeling und Maske) – und dann kann’s theoretisch losgehen.

Theoretisch steige ich auch weniger schwungvoll in die Wanne, aber gestern waren meine damenhaften Bewegungen nach stundenlangem Autofahren, Schleppen, Basteln und Pflegeprodukte-Koordinieren anscheinend auf Quasimodo-Niveau gesunken; jedenfalls habe ich es problemlos geschafft, auch die zweite Lilienvase – die neben der Wanne, wir erinnern uns – umzuwerfen, und zwar so geschickt, dass sich die Scherben und die Blumen gar malerisch mit meinem herrlich duftenden Schaumberg vermischten. Woraufhin ich also fluchend unter Wasser nach Scherben gesucht, dann das Wasser abgelassen und dann die Lilien in der Spüle zwischengelagert habe.

Der Kerl hat vorgeschlagen, die Lilien nun auf dem Küchenfensterbrett zu lagern, am besten in nur einer Vase, denn der Weg von der Küche in die Speisekammer führt sehr nahe an diesem Fensterbrett vorbei. Vielleicht könne ich noch eine Vase kaputtspacken, dann wäre das Dekoaufkommen in dieser Wohnung allmählich auf Jungsniveau.

Ich bin manchmal so müde. ICH WOLLTE DOCH NUR BILLIGE BLUMEN.