Forever young

Dieser Eintrag bei Herrn Scholz hat mich zurück in meine tiefste Pubertät katapultiert.

Die erste Band, an die ich mein unschuldiges Herz verloren habe, waren The Teens. Ich erinnere mich, dass ihre Musik auf unseren Kracherpartys (ohne Jungs, aber mit Mama nebenan) immer der Knaller war. Ihre Kassetten waren meine erste Quelle für englische Vokabeln, auch wenn es ein Jahr gedauert hat, bis ich kapiert hatte, was „gonna“ bedeutet. Und ich war hemmungslos verknallt: in Robbie, den schnuckeligen Sänger. Als er die Band verließ (er war sozusagen der Ur-Robbie), habe ich brennend heiße Tränen vergossen, am Strand von Büsum, wo wir gerade im Urlaub waren. Während meine Schwester sich mit einem Ganzkörper-Sonnenbrand in den Mittelpunkt drängen musste, war ich mit meinem Kummer ganz alleine. Ich blickte auf die plätschernde Nordsee und wusste, die Welt wird nie wieder gut.

Aber es gab ja noch andere Schnuffis in der Band. Zweiter Favorit war – natürlich – der Basser. Alex. Eher der Schüchterne, wie die Basser halt so sind, eher im Hintergrund, aber mit diesem beseelten Blick, der mein Jungmädchenherz hoffen ließ – darauf, dass mein Leben vielleicht doch wieder einen Sinn bekäme.

The Teens waren relativ schnell wieder von der Bühne der Popmusik verschwunden, nachdem Robbie weg und der Rest aus der Pubertät raus war. Aber meine Geschichte mit ihnen war noch nicht zu Ende.

Ungefähr 15 Jahre später erzählte mir meine Freundin Uta, dass ihre Bekannte Charlie Besuch bekäme – irgendein Musiker aus Berlin, den sie werweißwo kennengelernt hatte. Ob ich Lust hätte, zum gemeinsamen Frühstück vorbeizukommen. Ich hatte und kam. Und wer saß am Tisch und plauderte fröhlich mit den Anwesenden? Alex. DER Alex.

Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich die Labernase vor dem Herrn bin. Es gibt kaum ein Thema, zu dem ich nicht wenigstens ein paar Allgemeinplätze beitragen kann, um in der Konversation zu bleiben. Gib mir ein Stichwort, und ich monologisiere vor mich hin (so wie jetzt). Aber an dem Morgen war ich wieder 12. Ich hab zuerst meinen Mund nicht wieder zu- und dann nicht wieder aufgekriegt. Ich hab nur dagesessen wie ein Idiot und ihn angeglotzt. Der Rest der Truppe hat die ganze Zeit Witze gemacht und mir in die Rippen gehauen, aber ich hab’s echt nicht fertig gekriegt, auch nur „Hallo“ zu sagen. Das Idol meiner Jugend, einer der ersten Kerle, mit denen ich feuchte Träume hatte – und da sitzt der Typ einfach neben mir und redet wie ein ganz normaler Mensch. Ich hab’s einfach nicht fassen können.

Ein paar Wochen später war Alex wieder in der Gegend, und wir haben uns mit ein paar Leuten bei mir getroffen. Inzwischen hatte ich meine Sprache wiedergefunden und ihm ein wenig peinlich berührt die Story erzählt, was er grinsend zur Kenntnis genommen hat. Er hat mir geduldig dutzende von Geschichten über die Teens erzählt, wollte aber logischerweise lieber über Big Light reden, bei denen er inzwischen spielte. Das hat mich zwar nicht die Bohne interessiert, aber egal. Ich hab ihm andächtig zugehört und die ganze Zeit gedacht: Alex von den Teens redet mit mir. 12 eben.

An dem Abend bei mir haben wir unter anderem ein Kino-Quiz gespielt, was sein Autogramm erklärt, das er mir etwas unwillig auf meine alte Teens-Kassette gegeben hat, denn eine CD von Big Light hatte und habe ich bis heute nicht.

Ich habe ihn noch ein paar Mal gesehen, aber seit die Freundschaft zwischen Charlie und ihm in die Brüche gegangen ist, haben wir auch keinen Kontakt mehr. Dafür habe ich als Trophäe noch ein Buch im Schrank stehen, das er mir zum Geburtstag geschenkt hat: Wassermusik von T.C. Boyle. Erstens: guter Geschmack, der Mann, und zweitens: mit Widmung.

Und jetzt bin ich total sentimental drauf. Ich werde mal versuchen, einem Nik Kershaw- oder Duran Duran-Fanclub beizutreten.

Forever young.
Forever stupid.