Oliver Twist

Ziemlich werkgetreue Verfilmung des Dickens-Klassikers. Diesmal hat sich Roman Polanski an Oliver Twist versucht, und er hat eine grausame, hartherzige und so gerade noch hoffnungsvolle Version zustande gebracht.

Der Waisenjunge Oliver Twist flieht vom Land nach London, wo er von einer Bande junger Taschendiebe aufgenommen wird. Kopf der Bande ist Fagin, der von Ben Kingsley fast gütig dargestellt wird – er lässt uns aber nie vergessen, dass Fagin die Jungs ausbeutet, ihnen ihr Diebesgut abnimmt und es für sich hortet, während seine Diebe mit – immerhin – Essen und einem Dach über dem Kopf abgespeist werden. Für Oliver ist dieses Leben im Vergleich zum Waisenhaus ein Paradies, aber bei seinem ersten Ausflug in die Straßen Londons landet er bei Mr. Brownlow, einem gutherzigen Buchhändler, der den Jungen bei sich aufnimmt. Die Taschendiebe befürchten, dass Oliver sie und ihr Versteck verrät und holen ihn zurück, womit eine Kette von Unglücken in Gang gesetzt wird.

Charles-Dickens-Verfilmungen reizen dazu, das harte Leben in London im 19. Jahrhundert zu verklären, in weiches Licht zu tauchen und aus den teilweise unglaublichen Schilderungen moralische Erzählungen zu machen, in denen am Ende alles gut geht. Auch hier findet Oliver zum Schluss sein Glück, aber vielen seiner Weggefährten geht es weit weniger gut. Die Brutalität, die zum Beispiel Fagins „Vorgesetzter“ Sykes seinen Untergebenen angedeihen lässt, passt überhaupt nicht in das übliche Schnuffelklima. Gerade diese Werktreue macht aber Oliver Twist zu etwas besonderem. Das London dieses Films ist selten pittoresk, sondern fast immer unheimlich und bedrängend; die wenigen guten Seelen im Film sind willkommene Leuchttürme inmitten einer Menschenmenge, die einfach zum Fürchten ist. Und so sehr ich mich bei anderen Dickens-Verfilmungen zurücklehnen und dem historischen Treiben zusehen konnte, so wenig habe ich Oliver Twist genossen (im Sinne von „achschön“). Dafür ist die Geschichte viel zu gemein und dafür sind die Bilder viel zu realistisch, als dass dieser Twist eine nett gemeinte Fabel sein könnte.