„Wir sind Kultur.
Über geistige Ernährung“

Wenn ihr mal zwanzig Minuten Zeit für ein sehr schönes Essay über Kunst, Kultur und Bildungsvermittlung hättet? Der folgende Ausschnitt stammt aus einer Rede, die Gert Heidenreich 2009 zur Feier „20 Jahre Kulturforum Starnberg“ gehalten hat. Immer noch aktuell und immer noch sehr spannend.

„Kultur macht das Leben nicht bequem, sondern unruhig. Schönheit ist ebenso beunruhigend wie das Grauen, sonst hätte Rilke nicht vor dem Delphischen Apoll erschrocken festgestellt: “Du musst dein Leben ändern!” Kultur verweist uns auf den prozessualen Charakter des Lebens und braucht zugleich Individuen, die dazu fähig sind, in ihr keinen ewigen Wert, sondern den Dialog zu entdecken, den wir beispielsweise in der Kunst durch Jahrhunderte, sogar Jahrtausende führen können: Wenn wir uns darauf einlassen, finden wir, dass ein Kunstwerk, ganz gleich wie fern uns seine Entstehung liegt, in einen gegenwärtigen Dialog mit uns tritt.

Wer sich auf solche Dialoge einlassen will, bedarf dazu einiger kultureller Voraussetzungen. Deshalb ist Kultur mit Bildung auf Gedeih und Verderb verschwistert. (…)

Bildung ist die Verwandlung geistiger Erfahrung in lebendiges Bewusstsein – Bewusstsein im Sinne von Vorbereitung auf das Leben und von Bestimmung des eigenen Selbst im komplexen Gefüge aller anderen, also bildlich gesprochen: den eigenen Ort in der Welt zu finden und zu verstehen. Genau das ist offenbar kein Ziel der Pädagogik mehr – die Inhalte, die dafür nötig wären, werden zurückgedrängt zugunsten anderer Curricula, deren unmittelbar nützliche Anwendbarkeit im Berufsleben hervorgehoben wird. Der trainierte Mensch, der dabei entsteht, hat als Idealbild der sogenannten Informationsgesellschaft den gebildeten Menschen abgelöst.

Eine Entwicklung, die ich nicht nur für falsch halte. Sie stellt eine Beschädigung der jungen Menschen dar. Warum?“

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