Welcome to the Schnuckidome

Vor gerade mal vier Wochen schrieb ich launig, dass ich mir gerne mal die Allianz-Arena von innen angucken wollen würde, am idealsten natürlich bei einem Spiel von Bayern München, und bat my man for all things Bayern probek um einen Terminvorschlag.

Eigentlich hatte ich nicht wirklich mit einem gerechnet, aber ich stelle immer mehr fest, dass Fußballfans eine ganz besondere Sorte Menschen sind. Denn NATÃœRLICH hatte probek einen Vorschlag und zwar gleich einen ziemlich guten: Bundesliga sei ja schön und gut, aber Champions League wäre noch viel toller, und weil die Mannschaft die direkte Qualifikation für diesen Wettbewerb verpasst hatte, musste sie jetzt nachsitzen. Die Auslosung fand vor zwei Wochen oder so statt, und nicht mal eine Stunde später waren die lächerlich wenigen Tickets im Bayern-Ticketshop zu haben. Jedenfalls für Mitglieder. Was probek ist. Weswegen er sofort einen Privatfussicircle auf G+ einrichtete und mir dringend nahelegte, JETZT in die Allianz-Arena zu fahren. Denn, völlig richtig: Sonst gibt’s nur Bundesliga oder Gruppenphase, bei der die einzelnen Spiele noch nicht ganz die Brisanz haben, die ein KO-Spiel eben hat. Ich leistete halbgaren Widerstand („Ja, aber Zürich? Schnarch“), wurde charmant überzeugt („Immer noch besser als Kaiserslautern“) und bat um das beste Ticket, was noch da war. Das landete ein paar Tage später per DHL-Eilig-und-Wichtig-Sendung (kannte ich noch gar nicht) bei mir zuhause und wartete nun darauf, benutzt zu werden. Was ich vorgestern tat.

Da ich mich seit Kurzem offen zum FCB bekenne, wollte ich das natürlich auch per Kleidung kundtun. Flugs im FCB-Shop einen Schal und ein Shirt gekauft; ich konnte mich allerdings nicht entscheiden, womit ich nun ins Stadion wollte und packte beides ins Köfferchen. Der wiederauferstandene Sommer in München nahm mir diese Frage ab, denn bei 26 Grad fand ich ein Shirt deutlich sinnvoll als einen Schal.

Trotzdem fand ich es komisch, damit aus dem Hotel zu gehen. Das legte sich aber sehr schnell, als probek und ich in der U-Bahn in Richtung Arena saßen und an jeder Station gefühlte 50 Leute in ähnlichem Outfit zustiegen. Sehr sympathisch, das alles. Das Bild dort oben zeigt die Treppe an der Station Fröttmaning (gnihihi), die man hochklettert, dann kurz um eine Ecke biegt und schon den ersten Blick auf die Arena hat. Noch durch Gitterzaun und eher unbeeindruckend klein, aber immerhin. In den nächsten 15 Minuten machte ich ne Menge Witze über Scheinriesen und dass die Arena ja echt nicht so cool aussehe wie von der Autobahn aus gesehen, aber als ich direkt davorstand, nahm ich alles wieder zurück.

Das Ding ist: groß. Und ich finde schon die Imtech-Arena groß, und da gehen „nur“ gut 40.000 Leute rein. (Laut Frau Pleitegeiger, auf deren Trikot „Frau Petric“ steht, passen 57.000 Menschen ins ehemalige Volksparkstadion.) In die Allianz-Arena passen 66.000 Zuschauer_innen, und wenn man drin steht, merkt man ziemlich deutlich, wie groß das Stadion ist. Am schönsten fand ich den Blick vom Oberrang, bei dem man fast unter der Hallendecke ist, aber trotzdem das Gefühl hat, nicht richtig weit weg vom Rasen zu sitzen. (Das Foto täuscht total, aber es zeigt die Größe sehr gut.)

Mein Platz war allerdings ganz weit unten, knapp auf Höhe der Eckfahne, in der dritten Reihe. Also ziemlich auf Augenhöhe der Spieler, was mich das Spiel sehr anders erleben ließ als ich es vom Fernseher gewohnt bin. Aber vor dem Spiel kam zunächst der Glücklichmacher „Aufwärmen“. Die Jungs liefen halbwegs angestrengt und größtenteils ohne dusselige und ihre Optik total verschandelnde Schienbeinschoner durch die Gegend, schwitzten lässig ihre weiten Shirts durch, und Frau Gröner war wieder 13 und dachte verträumt an junge Wildpferde, die über taufeuchte Wiesen traben. Beim Frauen-WM-Spiel in Wolfsburg habe ich ähnlich nah am Spielfeld gesessen, aber ich kannte zugegebenermaßen kaum eine der Damen. Den Bayernjungs gucke ich seit Monaten möglichst regelmäßig bei ihrer Arbeit zu, und deshalb war das Promigucken galore, als Ribéry 15 Meter von mir weg zum Sprint ansetzte. Der Mann meines Herzens ließ sich leider nicht so oft auf den Flügeln blicken, aber er hätte daran auch nicht viel Freude gehabt.

Denn ich war natürlich nicht alleine im Stadion. Um mich herum saß die Kettenrauchergilde München und quarzte, was das Zeug hielt. Und als ob das noch nicht genug war, fanden sie Herrn Gómez dann auch eher doof. Zugegebenermaßen wurde meine Hingabe an Schnucki auf eine harte Probe gestellt, als er ein ums andere Mal fette Chancen versemmelte, worauf um mich herum „Nichtskönner“-Rufe laut wurden, aber meine Zuneigung kann natürlich von ein paar blöden Bällen nicht erschüttert werden. Trotzdem ahne ich, warum sich die Jungs bei ihrer lächerlich kurzen Ehrenrunde nach dem (mit 2:0 etwas unsouverän gewonnenen) Spiel nur kurz an die Fans wandten, die sich hinter den beiden Toren befanden, uns an der langen Gerade aber schmählich ignorierten.

Ach ja, Fans. Die hübsch laute und auf 90 Minuten Gebrüll konditionierte Südkurve gönnte sich wirklich nur in der Halbzeit mal eine kleine Pause; ansonsten ertönten Schlachtengesänge in einer Tour (die mir blöderweise immer noch im Hirn kleben). Auch die Zürichfans, die auf den Oberrang verbannt wurden, sangen ziemlich konstant, weswegen die Geräuschkulisse angenehm hoch war. Nicht so fürchterlich laut wie in Wolfsburg, wo 30.000 hysterische Eventfans „unsere“ Mädels zum Sieg kreischen wollten, aber laut genug, um anständige Stimmung zu verbreiten. Ich glaube, es gab einen einzigen kurzen Augenblick, wo alle mal Luft holen mussten – und daraufhin war es im Stadion gespenstisch still. Wie gesagt, 66.000 Leute, aber für die Stimmung sorgen anscheinend wirklich nur die wenigen Schlachtenbummler. War mir nicht so klar. Aber sehr recht, weil ich so einfach Fußball gucken konnte und mich nicht auch noch um die akustische Untermalung kümmern musste. Bei den Toren habe ich natürlich mit allen anderen aus vollem Hals „SCHWEINSTEIGER!“ und „ROBBEN!” in Richtung Stadionsprecher gebrüllt, und ich hätte so gerne noch „GÓMEZ!” gebrüllt, aber nun ja. Beim nächsten Mal.

Die ungewohnte Perspektive war interessant und hat für mich das Spiel etwas kurzweiliger gemacht, als es anscheinend aus der Totale gewesen ist. Trotzdem würde ich beim nächsten Besuch gerne zehn Reihen weiter oben sitzen, um einen besseren Ãœberblick zu haben. Aber für das erste Mal Bayern angucken war’s toll. Ich war näher dran als ich gehofft hatte, und ich fand es sehr schön, die Jungs mal zu hören, die Ballgeräusche und die Anweisungen, die sie sich geben, auch wenn ich keine verstanden habe. Und ich fand es sehr beeindruckend, die körperliche Arbeit aus nächster Nähe zu sehen, wie schnell Lahm auf einmal werden konnte, wie hartnäckig Rafinha um den Ball kämpfte (den habe ich aber nur in der ersten Halbzeit sehen können), wie präsent Badstuber und vor allem Boateng auf dem Platz standen – und wie weit Neuer sich vom Tor weg wagte, wenn er nichts zu tun hatte. Er stand teilweise gut zehn Meter vor dem eigenen Strafraum, während der Züricher Torwart sich nie weiter als bis zum Elfmeterpunkt getraut hat.

Zu FCB-Spielen ist die Arena rot angeleuchtet, wenn 1860 München spielt, blau. Der Firmenschriftzug leuchtet eigentlich weiß, aber weil es ein Champions-League-Spiel war, für die die Allianz kein Sponsor ist, blieb er ausgeschaltet. Auch bei den Fantreffs im Stadion (vulgo: die Bier- und Breznbuden) waren die Sponsoren überklebt. probek und ich stießen nach dem Spiel noch mit BigEasyMUC im Hacker-Pschorr-Fantreff an, der eigentlich den Gästefans „gehört“ – die Bayern treffen sich im Paulaner-Fantreff –, aber eben weil er den Gästefans gehört, war er schön leer. Danach ging’s wieder zur U-Bahn, wo ich mich mit probeks Mitbringsel tröstete – ein Gómez-plus-Schweinsteiger-Poster aus dem FCB-Magazin.

Und auf dem iPhone habe ich Schnucki nochmal, weil er auch in einer neueren Ausgabe des Magazins drin war. Sieht zwar ein bisschen nach Bürgerkriegsopfer aus, hat aber die Haare schön.

He, Bayern: Das wäre nett, wenn ihr erstens die Champions League erreicht, zweitens die Vorrunde übersteht und mir drittens die Chance gebt, euch im Achtelfinale wieder anhimmeln zu dürfen. Herr probek, legen Sie doch bitte schon mal den Mitgliedsausweis für die nächste Kartenbuchung raus. (Beim nächsten Besuch nehme ich auch gerne wieder zwei bis vier von diesen Killer-White-Russians, die Sie mixen können. Vielen Dank im Voraus.)