Der arte-Lohengrin

Ein kleiner Nachschlag zum sonntäglichen Fernsehprogramm.

Wenn ich mir Twitter, Facebook, G+ und meine Mailbox so angucke, haben sich doch einige Menschen mal eine Oper angeschaut, die das sonst nicht so tun. Das hat natürlich nicht jeder und jedem gefallen, aber muss es ja auch nicht. Trotzdem hat mich jede winzige Begeisterung sehr gefreut, weil ich a) finde, dass wir überhaupt alle mehr Opern hören sollten und b) weil ich bei Wagner sehr missionarisch draufkomme.

Nur noch ein paar Bemerkungen zur Fernsehübertragung: Ich war latent von den Möglichkeiten des Mediums genervt. Große Teile der Übertragung kamen mir deutlich hektischer vor als ich es im Festspielhaus empfunden habe.

Das fing schon mit der Vogelperspektive an, die die Bühne von oben zeigte. Wer braucht das? Das mag ja altmodisch sein, im Theater alles nur von vorne zu sehen, aber das ist gleichzeitig das Tolle daran – dass man Bilder, Tableaus, so komponieren kann, dass sie von vorne wirken. Die einzige Aufnahme, bei der ich dachte, ach, lustig, war im dritten Akt, als ich sah, dass die Rückwand des Hochzeitszimmers von Lohengrin und Elsa genau die gleiche Krümmung aufwies wie die der drei Lichtkreise, die des Öfteren über der Bühne schwebten. Das war’s dann aber auch; alle anderen Schüsse von oben fand ich ziemlich überflüssig, vor allem den beim Applaus. Wenn der Vorhang zu ist, hat das seinen Grund. Ich will gar nicht dahinter gucken, aber genau das habe ich mit dem Shot von oben getan, der mir sehr unmittelbar die Unruhe hinter der Bühne zeigte, während ich im Saal ein paar Augenblicke der Einkehr für mich hatte.

Die kompakte Massivität der Chöre, die mir so gut aus dem Saal heraus gefallen hat, ging völlig unter, weil sich die Kamera gerne mal auf einzelne Mitglieder konzentrierte oder auch hier wieder die dusselige Perspektive von oben wählte. Gerade die Chöre, die ziemlich oft durch die Gegend wuselten bzw. mit ihren Rattenpfötchen und Riesenfüßen schon genug Bewegung erzeugten, brauchten keine Schnitte mehr, um es noch wuseliger aussehen zu lassen. Und es muss auch kein Close-up auf eine einzelne Ratte geben, wenn ich gerade alle sehen will – wie zum Beispiel bei der Szene mit den rosafarbenen Nagetierchen, bei der die Pulp-Fiction-Parodie dran war. Die habe ich, wenn überhaupt, nur aus den Augenwinkeln mitgekriegt. Ich hatte selten das Gefühl, mal in Ruhe alles auf mich wirken lassen zu können, so zerfahren und zerschnitten waren die Perspektiven.

Richtig blöd fand ich die Bebilderung eines der letzten Zwischenspiele. Regisseur Neuenfels konnte ja auch auf der Bühne die Finger nicht stillhalten und visualisierte fast jede Note, beim Vorspiel angefangen. Ein einziges hat er in Ruhe gelassen, und das hat sich dann arte vorgeknöpft. Wo wir bei Neuenfels wenigstens Ratten in Aktion sehen, die zum Rest der Handlung passen, haben wir hier eine Zeitrafferaufnahme des Bühnenaufbaus gesehen. Das ist genauso dämlich als wenn ich mitten im Herrn der Ringe ein Making-of der Schwerter zu sehen kriege. Ich befinde mich gerade mitten in einer dramatischen Handlung – da will ich wirklich nicht daran erinnert werden, dass das alles Sperrholz und Pappmaché ist.

Pluspunkte natürlich für die die Close-ups. Auch wenn die nicht unbedingt dann sein mussten, als Telramund ein Spuckefaden im Bart hing. Dafür konnte ich Herrn Vogt und Frau Dasch mal in Ruhe genießen (in „unserer“ Aufführung wurden Elsa und Telramund von anderen gesungen), die ich beide darstellerisch sehr gut fand. Das bekommt man im Saal ja eher selten so unmittelbar mit, ob jemand auch mimisch bei der Sache ist oder „nur“ stimmlich. Ich weiß nicht, ob das Zufall ist oder ob darauf heute mehr Wert gelegt wird, aber ich erinnere mich noch grinsend an einige Opernsänger aus meiner Jugend, die darstellerisch eher minderbemittelt waren, was emotionale Szenen immer so ein bisschen schmerzhaft gemacht hat.

Conclusio: Schön, dass es angeboten wurde, teilweise doof, wie es umgesetzt wurde. Nur weil ich im Fernsehen mehr machen kann, heißt das noch lange nicht, dass ich das auch muss.

Der schönste Tweet kam übrigens von Sven, der, wenn ich ihn richtig verstanden habe, sonst so mit Oper gar nichts am Hut hat:

„Tolle Oper. Wie das Leben. Jede Menge Drama zu guter Musik, aber man versteht eigentlich gar nix und dann kommt der Vorhang.“