Gerne wieder/Och jo/Eher nicht

Die ersten zwei Tage voller Arbeit in Berlin (und dann erstmal wieder ins Home Office). Zwei Nächte in einer Location, die ich mal nicht weiterempfehlen möchte – oder jedenfalls nicht für Naturspießer_innen wie mich. Zwei Futterkrippen, die ich dafür weiterempfehlen möchte.

Gerne wieder: das Milch und Zucker in der Oranienstraße in Kreuzberg. Nur einmal schnell zum Mittagessen dagewesen; dafür ging’s ziemlich flott, und ich fand die Auswahl an vegetarischen Gerichten sehr gut. Mein Salat mit fleischlosen Maultaschen war jedenfalls lecker: wenig Grünzeug, viel Tomate, Gurke, rote Bete, Sprossen, ne Scheibe Vollkornbrot drüber. Nichts Weltbewegendes, aber gut. Sitzgelegenheiten waren eher spärlich gesät, Musik ist mir sowieso immer zu laut, aber wenn selbst ich Rückenmemme zufrieden mit der Bank am Fenster war, sind alle anderen es wahrscheinlich auch.

Och jo: Die Nacht vor der Präsentation ist gleichbedeutend mit „Wir bestellen bei Bringdienst YX, schreib mir ne Mail, was du haben willst“. Mein derzeitiger Arbeitgeber und seine Drohnen haben bei Papa No bestellt. Die Kolleg_innen haben sich weiträumig mit gut aussehendem Sushi eingedeckt, und ich war mit dem frittierten Tofu mit Mandeln, chinesischen Pilzen und Zuckerschoten bringdienstglücklich. Heißt: Frisch schmeckt’s wahrscheinlich sehr gut, in der Pappschale nach der Autofahrt immerhin noch okay. Ãœber die „aus Sojafleisch geformte Entenbrust“ oder das „Lammfleischimitat“ konnte ich um 22 Uhr nur noch müde grinsen.

Eher nicht: meine Unterkunft. Die Kaltmamsell hatte mal über ihren Aufenthalt in den IMA-Lofts geschrieben, und da sie nur wenige Fußminuten von der Agentur weg sind, dachte ich: perfekt. War’s nicht ganz. Der wirklich schöne Gebäudekomplex – eine alte Fabrik – wurde in hohe Räume unterteilt, in denen sich nicht nur die Appartements befinden, sondern auch Werkstätten und ein Café, das zum Loft gehört.

Im Nachhinein lese ich auch bei der Kaltmamsell nicht unbedingt eine begeisterte Empfehlung, und ich gebe auch keine. Das liegt aber nur daran, dass ich zum Arbeiten in der Stadt war. Im Urlaub wäre ich sicherlich etwas entspannter gewesen. Der Check-In ist nur zwischen 14 und 20 Uhr möglich, was für einen arbeitenden Menschen extrem dämliche Zeiten sind – die Mittagspause ist schon rum und der Feierabendzeitpunkt leider nicht fest definiert. Netterweise durfte ich mal zwischendurch kurz weg, und ich dachte noch, das geht ja schnell, hallo sagen, unterschreiben, Tasche aufs Zimmer werfen und wieder in die Agentur gehen. Haha.

Die Rezeption ist ein winziger Tisch, der neben der Cafétheke steht, und der Typ, der den Kaffee macht, die Bestellungen der Gäste entgegennimmt, die an eben dieser Theke stehen, diese Bestellungen dann mündlich und in coolem Slackertempo der Küche vermittelt, nebenbei noch die Tische abräumt und kassiert, genau dieser Typ checkt dich auch ein. Auf Englisch, denn er spricht kein Deutsch. Wie anscheinend kaum jemand in dem Laden. Okay, ich kann auch Englisch, aber ich find’s trotzdem doof. (Hier kommt die Spießerin durch.) Zuerst war meine Reservierung nicht auffindbar. Dann immerhin unter einem Fantasienamen; wir haben gemeinsam meine E-Mails auf dem Firmenmacbook wiedergefunden, und der Herr ließ sich überzeugen, dass Frau Kroaunert in Wirklichkeit Frau Gröner heißt. Dann war mein Zimmer noch nicht fertig. “Would you mind waiting for a few minutes?” Die few minutes zogen sich ziemlich. Der Herr bot mir einen Kaffee an, den er umgehend wieder vergaß. Dann telefonierte er immerhin nochmals mit den Reinigungsleuten, wie lange das noch dauern würde, worauf er mit dann netterweise einfach ein anderes Loft gegeben hat. Bezahlen konnte ich leider nicht, denn das EC-Lesegerät ging nicht, das Kartenlesegerät auch nicht, und bar hatte ich es nicht da. “So you pay tomorrow.” Klar. Ich komm einfach nochmal während der Arbeitszeit rum, kein Thema.

Das Loft selbst war okay, gegen Ikea-Einrichtung hab ich nichts, alles sehr sauber, ein riesiges Bad, was im Winter wahrscheinlich nur schwer warmzukriegen ist, aber es war ja nicht Winter, leider fast überall roher Betonfußboden, was ich als sehr uneinladend empfinde, und wenn ich nicht so ziemlich direkt neben dem Fahrstuhl geschlafen hätte, wäre es auch sehr ruhig gewesen. Das Klo war so hoch, dass ich nur mit den Zehenspitzen auf den Fußboden kam, und ich habe mich zum wiederholten Male gefragt, wieso man gerade auf diesen Gulliverklos den Toilettenpapierhalter 30 Zentimeter über dem Fußboden anbringt. Die Dusche war eine von denen, die nirgends einrasten und einfach nur blöd nach unten abstrahlen, so dass man sich sehr verrenken muss beim Haarewaschen, aber das war mir dann inzwischen auch egal.

Die Küche war, wenn ich mich recht erinnere, nicht mit einem Herd ausgestattet, sondern nur mit einer Mikrowelle. Außerdem war nichts an Lebensmitteln da außer einem Pfefferstreuer; ich habe nicht ausprobiert, ob da was drin war. Bei der letzten Berlinbuchung habe ich auch teilweise in möblierten Appartements gewohnt, und da war immer wenigstens ein winziges Rüstzeug da: eine Packung Würfelzucker, Salz, Pfeffer, wenn ich richtig Glück hatte, ein Paar Teebeutel oder Instantkaffee. Hier: nix. Wenn ich mich wirklich hätte selbst versorgen wollen, hätte ich ungewürztes Mikrowellenfutter zu mir nehmen müssen – oder eben für eine Portion Spaghetti auch noch ein Pfund Salz kaufen müssen.

Das Auschecken war im Prinzip das Einchecken in Grün: Meine händisch ausgefüllte Bescheinigung war nicht mehr aufzufinden, ich habe also alles nochmal ausgefüllt, es gab keine vernünftige Rechnung, sondern nur eine Kopie einer Kopie der eben ausgefüllten Bescheinigung, auf der immerhin der Betrag zu lesen ist (und ich hoffe, dass das sowohl meiner Steuerberaterin als auch der Agentur genügt, die mir bitte mein Geld wiedergeben soll), und natürlich gingen die Kartenlesegeräte immer noch nicht, weswegen ich mir nebenan bei der Post gegen Gebühr Bargeld holen musste.

Das W-Lan funktionierte Montag abend sehr gut, Dienstag nacht klemmte die Leitung dann wieder so sehr, so dass ich immer auf den piepsenden Einwahlton meines guten, alten 14.000-Modems gelauscht habe. Und das Café, in dem ich eigentlich ab 8 Uhr hätte frühstücken wollen, war natürlich auch nicht geöffnet.

Die Qype- und TripAdvisor-Bewertungen (wenn Sie bitte mal selbst googeln wollen) klingen entweder genau wie ich oder genau wie das Gegenteil: alle super nett, alles toll, prima Szene, lecker Essen. Ich gebe zu, die Gerichte, die auf der Karte des Cafés standen, waren erstens fast alle vegetarisch oder sogar vegan und sahen auch sehr gut aus, aber ich konnte mich leider nicht von ihrer Qualität überzeugen. Obwohl ich sehr gerne das Vitalfrühstück mit Müsli und Obst ausprobiert hätte, bevor ich mich in den langen Tag gestürzt habe.

Zum Abschluss versöhnte mich die Konsumgesellschaft dann aber wieder: Am Hauptbahnhof, wo ich traditionell für den Kerl und mich die Sechserpackung Dunkin Donuts nach Hause schleppe, gibt es inzwischen sogar zwei Locations. Und eine davon ist direkt neben dem Starbucks, in dem ich ebenfalls traditionell meinen großen White Chocolate Mocca bestelle (ich weigere mich, „venti“ zu sagen). Wobei ich nach meiner einjährigen Abstinenz entsetzt festgestellt habe, dass mir der inzwischen viel zu süß und viel zu viel geworden ist.

Aber die Donuts schmecken immer noch.

Ja, hier geht’s gerade etwas fleischlos zu, wie Sie ja sicherlich schon an den Rezepten gemerkt haben. Ist weder Vorsatz noch Moralkeule, sondern schlicht eine Nachwirkung von Foers Eating Animals. Der Mistkerl.