2018 revisited

(2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003.)

1. Der hirnrissigste Plan?

Den Nachlass eines Malers in die eigene Dissertation einzuplanen, ohne vorher mal die Erben zu fragen, ob die mich da reingucken lassen.

2. Die gefährlichste Unternehmung?

Für meine Handgelenke: Ikeamöbel ohne Akkuschrauber aufbauen.

3. Die teuerste Anschaffung?

Ich wäre froh, wenn es bei den sehr glücklich machenden Noise-Cancelling-Kopfhörern für 250 Euro geblieben wäre, aber nein, Frau Kaffeetante musste sich auch noch eine Espressomaschine für 1000 Euro kaufen. Die macht zwar auch sehr glücklich, aber hätte ich gewusst, dass ich drei Wochen nach ihrem Kauf eine neue Wohnung mit höherer Miete haben würde, hätte ich sie mir verkniffen.

4. Das leckerste Essen?

Im Juli war ich im dringend nötigen Spontanurlaub in Lindau im wunderbaren Villino, im November konnte mich dann Konstantin Filippou in Wien sehr erfreuen. Und jedes Caesar Dressing mit selbstgerührter Majo gehört auf diese Liste.

5. Das beeindruckendste Buch?

Comic: Shit is real von Aisha Franz. Runner-up: Ein Sommer am See von Mariko und Jillian Tamaki; darüber habe ich hier kurz geschrieben.

Sachbuch: Ganz vorne liegt Philipp Bloms Die zerrissenen Jahre, weil ich sehr viel davon mitgenommen habe und es dauernd im Blog zitieren kann. Direkt danach kommt Petra Terhoevens Die Rote Armee Fraktion: Eine Geschichte terroristischer Gewalt, die ich im Blog nicht besprochen, aber mit großem Gewinn gelesen habe. Und einen Ehrenplatz gibt’s für Salz, Fett, Säure, Hitze von Samin Nosrat, weil ich endlich wieder mit viel Lust und Vergnügen und Neugier und Tatendrang am Herd stehe.

Fiktion: Da gab es dieses Jahr einen klaren Sieger, weil es ein völlig neues Leseerlebnis war: der Ulysses von James Joyce. Über den Tweet des James Joyce Centre aus Dublin freue ich mich immer noch. Und über diesen einer Joyce-Doktorandin, der ich seitdem folge.

Deutlich bekannteres Leseerlebnis, aber Feuchtwanger geht ja immer: Exil hat mich fertiggemacht. Auch kein Spaß, aber wichtig: Menschen im Krieg von Andreas Latzko. Ich habe bestimmt auch zeitgenössische Fiktion gelesen, aber da war anscheinend nichts Überwältigendes dabei. Die Klassiker wissen schon, warum sie Klassiker sind.

6. Der ergreifendste Film?

Ich war nur einmal im Kino und habe Ex Libris gesehen und gemocht. Dafür war ich öfter im Theater, wo mir besonders Alles klappt und Philipp Lahm gefallen haben. Bonuspunkt für den Räuber Hotzenplotz in der Augsburger Puppenkiste!

7. Die beste CD? Der beste Download?

Ha, kurz vor Jahresende wirklich mal wieder eine CD gekauft bzw. sogar gleich zwei, und zwar von Bohuslav Martinů. Die waren dann wohl auch die besten.

Runtergeladen habe ich keine MP3-Sammlung, aber dafür versacke ich dank Amazons Prime Video, das ich als Studi für ein Jahr gratis bekommen habe, nicht mehr ausschließlich vor Netflix. Slow clap.

8. Das schönste Konzert?

Da kann ich mich nicht entscheiden. Die 100 Metronome im Januar waren toll, genau wie Sol Gabetta im März (daher die Begeisterung für Martinů) und die Nachtmusik der Moderne mit Helmut Lachenmann erst vor wenigen Wochen im Dezember. Hat alles meinen Horizont sehr erweitern können.

9. Die tollste Ausstellung?

Auch gut für den Horizont (und die Diss, falls ich jemals an ihr weiterarbeiten sollte): die Neuhängung der Kunst aus den 1930er Jahren in der Moritzburg in Halle. Sehr gefreut habe ich mich über Basquiat in der Schirn in Frankfurt, weil ich mir erst durch diese Retrospektive sein Schaffen und seine Bedeutung etwas klarer wurden, genau der gleiche Effekt wie vor ein paar Tagen bei Jörg Immendorff in München. Die Videoausstellung Generations – Künstlerinnen im Dialog im Haus der Kunst hat mir gezeigt, dass ich anscheinend doch mit Videos klarkomme, um die ich mich sonst gerne drücke. Und die Bruegel-Ausstellung in Wien war schlicht einmalig. Das werde ich so nie wieder sehen können.

10. Die meiste Zeit verbracht mit …?

Darüber zu staunen, dass dieses Werbeding, von dem ich quasi fünf Jahre Pause gemacht habe, nach kurzem Anlaufstottern wieder ziemlich gut läuft – und vor allem auch wieder richtig Spaß macht.

11. Die schönste Zeit verbracht mit …?

Die neue Wohnung schönzupuscheln, jedenfalls gefühlt. Das hat mich die Monate seit September doch mehr in Beschlag genommen als ich dachte. Aber jetzt ist alles wunderhübsch.

So ziemlich jede Zeit mit F. ist die schönste. Und die alleine auf dem Sofa mit dem Laptop oder in der Bibliothek mit den Büchern auch.

Ich habe mich außerdem darüber gefreut, dass meine Eltern mich mal hier unten besucht haben, und habe auch dabei viel gelernt.

12. Vorherrschendes Gefühl 2018?

Geht doch.

13. 2018 zum ersten Mal getan?

Im Burgtheater Wien gewesen. In Halle gewesen. F. die Wedemark gezeigt. Alleine in einem Sternerestaurant gegessen. Eine Wohnung mit einem benutzbaren Balkon besessen. Ein Special-Interest-Haushaltsgerät gekauft, das mehr gekostet hat als die meisten meiner Autos, siehe oben. Die Augsburger Puppenkiste besucht. Die Fuggerei besichtigt. In Hamburg an der Texterschmiede gelehrt. An einem Doktorandenseminar teilgenommen. Wildschwein gegessen. Eine Fußballdauerkarte besessen. Okay, immer noch keine mit meinem Namen drauf, aber im Gegensatz zur letzten Spielzeit, wo ich sie nur halb hatte, gehört sie mir gerade für die ganze Saison.

14. 2018 nach langer Zeit wieder getan?

Regelmäßig mit Werbung Geld verdient. Wieder im eigenen Bett geschlafen und nicht auf einem Bettsofa. Ein eigenes Arbeitszimmer gehabt; das ist wirklich lange her, dass ich schon mal eins hatte, ich glaube, so um die 20 Jahre. Im Sprengel-Museum und den Herrenhäuser Gärten in Hannover gewesen. Durch die wiedereröffnete Hamburger Kunsthalle gesprintet. In einem Planetarium gestaunt. Den (fast) kompletten Ring gesehen; beim Siegfried war ich leider krank.

Zählt Wahldienst nach einem Jahr? Zählt in Wien gewesen zu sein nach zweieinhalb Jahren? Ein Umzug nach drei? Wann ja, dann das auch.

15. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Alte Dämonen. Die AfD in allen Länderparlamenten. Die Absage der Grossberg-Erben.

16. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

So schnell renne ich nicht weg.

17. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Nicht wegzurennen.

18. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Ungefähr 800 Flughafentoblerones und geduldiges Lampenandübeln.

19. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Weil du da bist.“

Runner-up: „Brauchst du Hilfe beim Umzug?“

20. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Ich hol dich nicht vom Flughafen ab.“

21. 2018 war mit einem Wort …?

Gut.

What Anke Ate in 2018

(2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010)

Mein Foodcoaching war 2009, ich ruiniere mir hier also gerade selber einen schönen Jubiläumseintrag fürs nächste Jahr. Aber ich möchte einen einzigen Neujahrsvorsatz fassen, der sich in den letzten Wochen immer mehr manifestiert hat: Ich möchte Kochen ein weiteres Mal neu lernen.

2009 habe ich quasi essen neu gelernt: weg von dem kalorienreduzierten Fertigmüll, der nach nichts schmeckt, ran an den eigenen Herd, um überhaupt mal rauszufinden, was mir eigentlich schmeckt außer Schokolade. Ich betrachte diese Phase als äußerst erfolgreich, aber noch lange nicht abgeschlossen. Ich habe mich mit großer Begeisterung auf Kochbücher und Kochblogs gestürzt, habe versucht nachzukochen, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Daraus ist ein kleiner Grundstock an Rezepten geworden, die ich inzwischen selber hinbekomme, manche auch aus dem Handgelenk, bei anderen lese ich immer wieder nach – auch deswegen verblogge ich Rezepte. Das hier ist meine Sammlung an Dingen, die ich mag.

Mir fiel aber immer öfter auf, dass ich weiterhin nur nachkoche – im Sinne von: Ich befolge Rezepte, weiß aber gar nicht warum. Daher ist das jetzt mein erster Schritt vor dem zweiten, den ich schon gemacht habe: Ich möchte die Basics lernen. Das heißt zum Beispiel, mal zu lernen, wie man einen Fisch filetiert, um nicht wie gestern zum hundertsten Mal an der Fischtheke zu stehen und irgendein Filet zu kaufen, sondern einen ganzen Fisch, dessen Teile werde ich dann verwerten und aus dem Rest wird ein Fond gekocht. Das habe ich nämlich auch bis heute nicht gemacht, nicht mal aus Gemüse, was allen Kochblogs zufolge echt nicht so schwierig sein sollte.

Generell werde ich weiterhin wenig Fleisch und Fisch essen, ich möchte aber nicht ganz darauf verzichten. Und auf Milchprodukte schon gar nicht. Ich will aber selber schweren Herzens von meinem bequem zu erreichenden Metzger nebenan Abschied nehmen und zum Biometzger gehen, der mir vermutlich eher sagen kann, wo die hoffentlich glückliche Kuh gelebt hat und wo sie möglichst schonend geschlachtet wurde, bevor aus ihr mein Bratenstück wurde. Neulich lästerte ich über den Menschen, der mir eventuell die Zeitung klaut, dass, wer sich die Miete hier leisten kann, sich auch die FAZ kaufen könne. Das gilt auch für mich: Ich kann mir das teure Fleisch leisten. Und wenn es mir zu teuer ist, dann esse ich es eben nicht. Das ist der einzige Zwang, den ich mir beim Essen wieder auferlegen will. Allen anderen Zwängen und Vorschriften, was meine Ernährung angeht, habe ich 2009 abgesagt, und es hat mein Leben wie keine andere Entscheidung sehr zum Positiven verändert.

Und jetzt schmökere ich weiter in meinem neuen Kochbuch, aus dem ich mir gleich drei Dinge fürs Silvestermenü ausgesucht habe. Die Vorbereitungen gestern haben mir schon viel Freude gemacht, und ich weiß, dass ich mich mit der gleichen Freude immer wieder an den Herd stellen werde. Ich kann der Frau Lu gar nicht oft genug dafür danken, was sie alles in einer Woche im August 2009 in mir angestoßen hat.
























Was schön war, Freitag, 28. Dezember 2018 – Compact-Disc-Kauf

Die Besatzung des Fehlfarben-Podcasts plus eine Begleitperson war im Haus der Kunst verabredet, um sich pflichtschuldig die Retrospektive von Jörg Immendorff anzuschauen. Wir hatten nicht über die Ausstellung podcasten wollen, aber jetzt, nachdem wir sie gesehen haben, ärgerten wir uns doch ein bisschen darüber – da hätte man schön Gesprächsstoff gehabt. Komisch, dass sich Immendorff so nach Pflicht im Vorfeld angefühlt hatte – so fühlt sich die Ausstellung nämlich überhaupt nicht an. Sie ist zwar, logisch, wir haben ja keine 80 Räume zur Verfügung, ein arg konzentrierter Ritt durch sein Schaffen, aber zeigt, soweit ich das beurteilen kann, aus jeder Schaffensphase Werke, die eben diese Zeit gut verdeutlichen.

Ich fand es spannend, seine politischen Werke im Kontext zu sehen – also nicht nur ein Werk, sondern mehrere, die seine Position zeigen. Überhaupt fand ich es schön, einen Künstler mit einer Position zu sehen, einem selbstgestellten politischen Auftrag, halt mehr als hübsche Wanddekoration. Und wie er sich immer und immer wieder an der deutschen Geschichte, an der deutschen Teilung, an sich selbst als Deutscher als Teil dieser Geschichte abarbeitet. F. konnte sich im Vergleich wieder herrlich über Meese aufregen, der unserer Meinung nur so tut, als hätte er eine Position. Gut, dass wir über den auch nicht podcasten, das würde drei Stunden dauern und Florian und ich kämen nie zu Wort.

Immendorffs Spätwerk kannte ich noch nicht, ich hatte irgendwann in den 1970er und 1980er Jahren im Kopf mit ihm aufgehört, daher fand ich die Räume besonders spannend. Hier waren auch noch mehr Bezüge zur Kunstgeschichte zu sehen, von denen ich leider kaum welche entziffern konnte. Das tat ich dann im Museumsshop, wo ein Großteil seines Gesamtwerks schon als Buch verlegt und mit anständigen Informationen versehen war. Ich habe aber sonst sehr gerne nach Referenzen, auch auf eigenen Werke, gesucht und sie gefunden. Ich glaube, da werde ich nochmal reingehen. Solltet ihr auch, läuft noch bis zum 27. Januar.

(Ohne Titel, 2006.)

Bei strahlendem Sonnenschein spazierten F. und ich dann in Richtung Falkenturmstraße, wo ich ein kleines Geschäft für klassische Musik aufsuchen wollte. Ich erwähnte schon diverse Male, dass ich Bohuslav Martinů seit Monaten hinterherhöre, aber immer nur das, was bei Spotify rumliegt. Jetzt wollte ich mich dem Mann aber doch mal systematisch nähern. Dafür brauchte ich CDs, und die wollte ich nicht bei Amazon bestellen, sondern im Fachhandel erwerben, wo mir vielleicht jemand mit Ahnung eine Aufnahme empfehlen konnte. Das tat dann gestern der Besitzers eines winzigen und vollgestopften Lädchens namens Zauberflöte. Zunächst beglückwünschte er mich dazu, Martinů für mich entdeckt zu haben, „den sollten viel mehr Menschen kennen.“ Ich geb euch das mal weiter, vielleicht ein Neujahrsvorsatz?

Ich bat um eine Aufnahme seiner Sinfonien und bekam eine CD empfohlen, die bei Amazon so halbhalb besprochen worden war. Ich kann das noch überhaupt nicht beurteilen, aber die eine Rezension konnte gut zusammenfassen, was mich an Martinů so fasziniert: „the sense of gentle wonder or rapture“. Genauso hört sich seine Musik an! Sie lässt mich staunen und zerrt gleichzeitig süß-schmerzend an meinem kleinen, leicht zu beeindruckenen Herzen. Ich mag es, dass sich seine Melodien immer so anhören, als wollten sie irgendwo hin – und wenn sie dann ankommen, gerne mit breiten Dur-Akkorden, die nicht aufhören möchten, fühlt es sich so an, als hätte auch ich irgendein Ziel erreicht, das perfekte Soufflé gebacken, einen Marathonlauf absolviert, den Weltfrieden gerettet, obwohl ich ja nur stumm rumsitze und mir vermutlich mal wieder der Mund offensteht.

Dann erzählte mir der Inhaber noch von Martinůs Opern – die wollte ich mir aber lieber noch aufheben – und seinen Streichquartetten, da hätte er gerade eine Aufnahme eines tschechischen Quartetts da, dann schwärmte er davon, ich hatte im Kopf eh schon das Geld gezückt, das tat ich dann auch mit den Händen und ging mit zwei CDs nach Hause. Ich weiß nicht, wann ich die letzte CD gekauft habe, muss schon Jahre her sein, seit ich nur noch streame und vor allem meine Anlage in Kisten verpackt bei meinen Eltern steht.

Der Laden gibt auch einen Newsletter heraus, den man sich ausgedruckt mitnehmen konnte, da werde ich mich dringend auf den Mail-Verteiler setzen lassen. Gestern schmökerte ich durch den Ausdruck und hätte am liebsten gleich noch mehr altmodische Silberscheiben gekauft, so schön lasen sich die ganzen Empfehlungen. Ehrlich gesagt hatte der Laden schon in dem Moment gewonnen, als ich eintrat, denn der Lohengrin lief und zwar nicht in Zimmerlautstärke, sondern äußerst wahrnehmbar. Herrlich.

Danach ließ ich mich von Öffis zu einigen weiteren Läden chauffieren, um Einzelteile für mein Silvestermenü einzukaufen, das ich F. vorsetze. Ich kann deswegen nicht in Details gehen, der Gast liest mit.

Wir verbrachten den Abend gemeinsam und spielten die Kunst-Ausgabe von Anno Domini fast durch, wobei das hier meine Lieblingskarte war:

Das Lösungsjahr ist übrigens „um 980“.

Was schön war, Donnerstag, 27. Dezember 2018 – Zwillinge

Das tapfere Vorhaben war: endlich mal wieder gründlich putzen, worauf ich vor den Feiertagen überhaupt keine Lust gehabt hatte. Einkaufen gehen. Frisches Brot holen. So wichtige Dinge halt. Geworden ist es dann: immerhin Wäsche gewaschen. Ansonsten habe ich den Tag auf dem Sofa verbracht, gelesen, Serien geschaut, zwischendurch Pfannkuchen gemacht und viel Tee getrunken. Nachmittags kam F. vorbei und brachte Früchtekuchen seiner Mutter mit, der mit vielen Walnüssen aus dem eigenen Garten mehr wie fruchtiger Nusskuchen schmeckte, also gut. Auch dazu noch eine Kanne Tee. Außerdem bekam ich noch ein Weihnachtsgeschenk:

Mein Van-Gogh-Bär hat seinen lange verschollenen, zweieiigen Zwillingsbruder, den Bruegel-Bär aus Wien, wieder in seine kurzen Ärmchen schließen können! It’s a Christmas miracle!

Und weil ich keine Lust gehabt hatte, vor die Tür zu gehen, aß ich abends Salami und Käse einfach ohne Brot.

German Post-War Modern

Ein Tumblr mit alten Bildern: „Im Fokus steht die Architektur der Nachkriegsmoderne in Deutschland, seinen Nachbarländern und der Welt.“ Mein geliebter Sep Ruf ist natürlich auch dabei. Ich war mir peinlicherweise nicht sicher, ob das Gebäude der Bayerischen Vereinsbank überhaupt noch steht; beim Googeln stieß ich auf diese Seite, die – leider recht kurz – über abgerissene oder sanierte Gebäude Buch führt. Jetzt weiß ich: Gebäude steht noch.

(via Musermeku)

35 years ago, Isaac Asimov was asked by the Star to predict the world of 2019. Here is what he wrote

Das ist teilweise erstaunlich hellsichtig, was Asimov da schrieb, und teilweise macht es sehr traurig. Er konzentriert sich auf die seiner Meinung nach drei wichtigsten Themen: Erstens den Atomkrieg, von dem er 1983 schlicht hoffte, dass er nicht stattfinden würde, weil das in diesem Jahr nicht so sicher schien, Menschen in meinem Alter werden sich erinnern. Zweitens die vermehrte Nutzung von Computern (ziemlich recht gehabt) und Robotern (nicht ganz so recht gehabt):

„The immediate effect of intensifying computerization will be, of course, to change utterly our work habits. This has happened before.

Before the Industrial Revolution, the vast majority of humanity was engaged in agriculture and indirectly allied professions. After industrialization, the shift from the farm to the factory was rapid and painful. With computerization the new shift from the factory to something new will be still more rapid and in consequence, still more painful.

It is not that computerization is going to mean fewer jobs as a whole, for technological advance has always, in the past, created more jobs than it has destroyed, and there is no reason to think that won’t be true now, too.

However, the jobs created are not identical with the jobs that have been destroyed, and in similar cases in the past the change has never been so radical.“

Drittens die Nutzung des Weltraums, die 2019 leider noch lange nicht so weit ist wie er sich das ausmalte:

„By 2019, we will be back on the moon in force. There will be on it not Americans only, but an international force of some size; and not to collect moon rocks only, but to establish a mining station that will process moon soil and take it to places in space where it can be smelted into metals, ceramics. glass and concrete — construction materials for the large structures that will be put in orbit about the Earth.

One such structure which very conceivably, might be completed by 2019 would be the prototype of a solar power station, outfitted to collect solar energy, convert it to microwaves and beam it to Earth.

It would be the first of a girdle of such devices fitted about Earth’s equatorial plane. It would the beginning of the time when a major part of Earth’s energy will come from the sun under conditions that will make it not the property of any one nation, but of the globe generally.“

Und dann glaubte der Mann noch an die menschliche Vernunft, was seinen Lebensraum angeht. Haha. Netter Versuch.

„The consequences of human irresponsibility in terms of waste and pollution will become more apparent and unbearable with time and again, attempts to deal with this will become more strenuous. It is to be hoped that by 2019, advances in technology will place tools in our hands that will help accelerate the process whereby the deterioration of the environment will be reversed. […]

In short, there will be increasing co-operation among nations and among groups within nations, not out of any sudden growth of idealism or decency but out of a cold-blooded realization that anything less than that will mean destruction for all.

By 2019, then, it may well be that the nations will be getting along well enough to allow the planet to live under the faint semblance of a world government by co-operation, even though no one may admit its existence.“

(via @elfengleich)

Was schön war, Montag, 24. bis Mittwoch, 26. Dezember 2018 – Weihnachten (ach was)

Den Sonntag, 23. Dezember, mit dem grauenhaften Spiel in Augsburg und der Niederlage in der letzten Minute lasse ich einfach mal weg. Immerhin gab’s abends noch Geschenkeaustausch zwischen F. und mir. Very happy!

Montag am späten Vormittag in der S-Bahn zum Flughafen gesessen. Lufthansa war günstiger als die Deutsche Bahn, daher gönnte ich mir den zweiten innerdeutschen Flug in diesem Jahr. Der erste war im Januar gewesen, und mit dieser CO2-Bilanz kann ich als autofreier Mensch leben.

In der S-Bahn glotzte ich möglichst unauffällig die zwei Herren an, die mir gegenüber saßen. Beide schienen asiatische Wurzeln zu haben, kannten sich nicht, saßen nur zufällig nebeneinander, aber ich mochte an beiden so viele kleine Details, dass ich hoffentlich nicht zu aufdringlich geschaut habe. Der eine Herr hatte schon leicht ergraute Haare, eine runde Brille mit sehr dicken Bügeln, was sehr gut zusammenpasste. Unter seiner schwarzen Hose zeichneten sich kräftige Oberschenkel ab, die deutlich nach Muskeln und nicht nach Fett aussahen (nicht, dass letzteres nicht auch völlig okay gewesen wäre). Vielleicht ist er ein leidenschaftlicher Fußballspieler. Der zweite Herr trug einen hellbraunen Wollmantel über schmalen schwarzen Hosen und einem schwarzen Pullover; seine halblangen Haare fielen ihm dauernd in die Stirn, was ich gut beobachten konnte, weil er meist die Augen geschlossen hatte, als er seinem Handy per In-Ears lauschte.

Ich vermisste an mir mal wieder die Fähigkeit, schlichte Klamotten so zu kombinieren, dass sie effektvoll aussahen und nicht nur langweilig – oder generell die Fähigkeit, Kleidung für mich auszusuchen, die etwas über mich aussagt anstatt dass sie einfach nur halbwegs passt. Dafür muss ich als dicker Mensch ja schon dankbar sein, weswegen ich mir mehr gar nicht zutraue. An den meisten Tagen im Jahr ist mir Kleidung egal, weil ich für sie einfach kein Händchen habe, an manchen finde ich es schade, dass eben das so ist. Aber so wichtig, dass ich mir dabei Hilfe holen möchte, ist es dann auch wieder nicht.

Ein pünktlicher Flug nach Hannover. Der Kapitän ließ den Kindern an Bord ausrichten, dass das Christkind erst abends käme, wenn es dunkel ist, was niedersächsische Kinder vermutlich eher verwirrt hat, denn bei uns bringt der Weihnachtsmann den Krempel und nicht das Christkind. Schwesterchen und Schwager holten mich und mein bewusst sparsam gepacktes Köfferchen ab, wir tranken bei ihnen noch zwei Kannen grünen Tee, bevor sie mich zu meinen Eltern fuhren. Dort gab es die ersten Kekse von gefühlt zwei Kilo, die ich in den letzten Tagen zu mir genommen habe, und alles war gut.

Mein pragmatischer Papa hatte den Baum geschmückt, der ein Ast einer riesigen Weißtanne war, die im Niemandsland zwischen unserem und dem Nachbarsgrundstück wächst, weswegen sich die Gröners und die Nachbarn den teilen.

Um 18 Uhr ging’s in die Kirche, wo mich der glockenhelle Sopran meiner Schwester überraschte, die sonst immer eine Oktave tiefer bei den Liedern mitbrummt.

Für ein Tomatensüppchen, das ich am Mittwoch zum Mittagessen kochen sollte, hatte meine Mutter Gin besorgt. Gin? Wir haben doch nie Gin im Haus! Und dann natürlich kein Tonic Water. Und auf dem Dorf keine Tanke, bei der man eben mal vorbeikann. Großstadtvermissung! Aber wozu habe ich das Internet? Gefragt, was ich aus Gin und nix mixen kann und viele gute Tipps gekommen. Es ist dann die Kreation Gin, Ananassaft (siehe einen Absatz weiter unten), Triple Sec und Mineralwasser geworden, und aus Verbundenheit zu meinen ostpreußischen Vorfahren habe ich den Drink „The Schlubberche“ getauft. Ostpreußen, Ananas, das drängt sich ja geradezu auf.

Keiner hatte Lust auf ein großes Festmahl gehabt, ich auch nicht, also hatte der kochbegeisterte Schwager Toast Hawaii vorbereitet – natürlich nicht einfach nur Kochschinken und Gouda, sondern drei verschiedene Schinkenarten plus drei verschiedene Käsesorten. Ich hatte nachmittags schon den Tipp für Estragonsenf weitergegeben, und so fand sich auf einigen Toasts auch ein bisschen Senf. Bitte mal merken: Wacholderschinken mit Gruyère! Der Knaller! Zugegebenermaßen ohne Ananas noch besser.

Als Nachtisch gab’s den traditionellen Nachtisch, mit dem meine Schwester und ich großgeworden sind: Milchreis auf Schälchen verteilt, in zwei Schälchen am Tisch verstecken sich jeweils eine Haselnuss und eine Mandel, und wer eine von beiden findet, bekommt ein kleines Geschenk. In diesem Jahr waren Mama und Papa die glücklichen Gewinner. Neulich las ich irgendwo, dass man als Erwachsene bitte aufhören sollte, die Eltern mit derartigen Kosenamen zu bezeichnen, das mache man doch nur als Kind. Sehe ich ganz anders. Meine Mutter bleibt immer meine Mama, außer wenn es im Blogeintrag zuviele Wortwiederholungen gibt, und ich werde auch als fast 50-Jährige nicht anfangen, zu meinem Papa „Vater, gibt’s du mir bitte mal die Butter?“ zu sagen.

Nach dem Essen brachte ich das Gespräch unvorsichtigerweise auf meine Diss und die Malerei zur Reichsautobahn, woraufhin Mama einfiel, dass es in der Wedemark auch noch Reste von Brücken gibt, aus denen nie eine Straße geworden war, was dazu führte, dass die ganze Familie um Landkarten der Umgebung rumsaß, man Artikel aus Lokalblättchen vorlas und ich ein Spontanreferat über die künstlerische Begleitung des Propagandaprojekts in Form von Gemälden, Romanen und Filmen sowie die regional unterschiedlichen Bauweisen von Brücken und Raststätten hielt.

Kurze Bescherung, wir schenken uns seit Jahren nichts bzw. immer das gleiche. Dieses Mal hatte ich immerhin eine kleine Überraschung dabei, denn F. hatte mir Pralinen aus einem Kaffeehaus in Augsburg mitgegeben, in dem wir im Oktober alle gemeinsam gewesen waren, worüber sich alle sehr freuten. Mir hatte er vorher schon eine kleine Auswahl an Nougats mitgebracht, und seitdem ich die genossen habe, will ich den Onlineshop leerkaufen. So gut!

Danach standesgemäßes stundenlanges Doppelkopfspielen mit Sektbegleitung. Ich habe haushoch verloren.

Am Dienstag literweise gemeinsamer Tee mit den Eltern, ewig den Vögeln vor dem Küchenfenster zugeguckt, die sich in ihrem Bad vergnügten oder die Meisenknödel leerfutterten. Rumgelungert, angenehme Gespräche geführt, dem im 15-Minuten-Abstand folgenden Dialog meiner Eltern zugehört – „Legst du bitte noch was aufs Feuer?“ „Hab ich grad.“ –, Nachmittagsschläfchen gemacht im alten Kinderzimmer, mich über meine eigene Wohnung gefreut, abends zum Schwesterchen spaziert und dort Salat, Wildschweinbraten und natürlich Welfenspeise vorgesetzt bekommen. Wildschwein war der Wunsch meiner Mama, ich wollte das noch nie essen und weiß jetzt auch, dass einmal reicht. Aber die Preiselbeeren waren super.

Standesgemäßes stundenlanges Doppelkopfspielen mit Sektbegleitung. Ich war bis zum letzten Spiel Vorletzte, aber dann hat Papa mich noch überholt.

Mittwoch die alten Bilder im Bettkasten durchgewühlt, weil ich wusste, dass da das alte Foto meiner Oma gerahmt lag. Das hatte ich in Hannover in meiner Wohnung in der Küche hängen gehabt, beim Umzug nach Hamburg kam es dann wieder zu meinen Eltern und da lag es jetzt 20 Jahre. Gestern wickelte ich es dick in die FAZ ein, die ich aus München hergeschleppt hatte (ich wusste gar nicht, dass am 24. noch eine Zeitung kommt), verstaute es zwischen zwei Lagen Klamotten im Koffer, darauf kamen acht Kilo Kekse und Süßigkeiten und noch vier Süßweingläser, ca. Jahrhundertwende, die meine Mutter loswerden wollte. Ich hatte noch keine Süßweingläser, ich nahm die mal fürsorglich unter meine Fittiche. Danke FAZ, danke Klamotten, alles heile in München angekommen.

Das Bild ist von 1935. Ja, wir können über Motiv und Bildauffassung reden. Für mich ist es zuerst ein Foto meiner Oma und dann erst ein kunsthistorisches Zeugnis seiner Zeit. Aber ja, wir können über Motiv und Bildauffassung reden.

Dann wühlte ich mich durch Mamas Rezeptbox, in der sich Zeitungsausschnitte aus 40 Jahren wiederfinden mit Rezepten, die sie nie gekocht hat. Aber auch selbstgetippte oder beschriftete Karteikarten. Ich ärgere mich seit Jahren, dass ich die Rezepte von Omi nicht mehr erfragen kann, also bat ich um alles, was vielleicht noch da war. Ich fand immerhin den Biskuitteig und die Buttercreme, woraus ich Omis Frankfurter Kranz nachbauen kann. Und diese Karte mit ihrer Handschrift, von Mama mit halbwegs korrekten Mengen- und Zeitangaben ergänzt, denn Omi kochte eben aus dem Handgelenk. Auf Instagram haben andere Anmerkungen ihrer Großmütter angelegt.

Ich habe keine Ahnung, was eine Trappertorte ist und Google weiß es auch nicht. Ich werde das einfach mal backen.

Pünktlicher Flug nach Hause. Wie auch auf dem Hinflug war der bewusst gebuchte Platz in der letzten Reihe eine gute Wahl, denn ich hatte beide Male zwei freie Sitze neben mir. Auf dem Weg nach Hannover war ich noch mit Philipp Bloms Der taumelnde Kontinent: Europa 1900–1914 beschäftigt, seinem Vorgängerwerk zu Die zerrissenen Jahre: 1918–1938; letzteres habe ich im Blog schon mehrfach empfohlen und es wird euch auch im Jahresrückblick wieder begegnen. Der Kontinent eher nicht, das war noch nicht so schön geschlossen wie der Nachfolger. Es war mir zuviel Klein-Klein, jedes Kapitel franste völlig aus, auch wenn Blom es auf der jeweils letzten Seite wieder zusammenfasste, aber ich habe mir weitaus weniger gemerkt oder merken wollen als bei Jahre. Trotzdem gern gelesen.

Auf dem Rückflug las ich bereits mein Weihnachtsgeschenk an mich und an F.: Stefan Zweigs Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, das 1942 posthum erschienen ist. Aus diesem Buch hatten wir bei der Diskussion im Burgtheater im November einen kleinen Ausschnitt gehört, und seitdem wollte ich es lesen. Schon das Vorwort beschreibt in wenigen Sätzen sehr deutlich, worum es geht:

„Ich bin aufgewachsen in Wien, der zweitausendjährigen übernationalen Metropole, und habe sie wie ein Verbrecher verlassen müssen, ehe sie degradiert wurde zu einer deutschen Provinzstadt. Mein literarisches Werk ist in der Sprache, in der ich es geschrieben, zu Asche gebrannt worden, in eben demselben Lande, wo meine Bücher Millionen von Lesern sich zu Freunden gemacht. So gehöre ich nirgends mehr hin, überall Fremder und bestenfalls Gast; auch die eigentliche Heimat, die mein Herz sich erwählt, Europa, ist mir verloren, seit es sich zum zweitenmal selbstmörderisch zerfleischt im Bruderkrieg.“

(Hoch die Republik!)

Ich las also, bis ich mein Getränk und meinen Snack hatte, dann stöpselte ich die geliebten Noise-Cancelling-Kopfhörer ein (totale Empfehlung – und gerade über 100 Euro günstiger als im Februar, als ich sie gekauft habe, na danke auch) und hörte Klassik, was mit normalen Kopfhörern im Flugzeug nie möglich gewesen war, zu laut alles.

Seit ich im März Sol Gabetta ein Cellokonzert von Bohuslav Martinů habe spielen hören, habe ich den Mann dauernd auf den Ohren. Den Namen kannte ich vorher nicht, aber er ist seit Monaten die Go-to-Playlist, wenn ich Klassik hören will. So auch gestern. Ich guckte dem dramatischen Sonnenuntergang zu, den ich niemals vernünftig fotografieren könnte. Kurz vor München ging das Flugzeug dann in eine satte Kurve, und genau in dem Moment, in dem die Tragfläche wieder parallel zum Horizont stand, erklang ein majestätischer Dur-Akkord im zweiten Satz und das war wieder einer dieser Momente, wo man total pathetisch denkt, wie großartig doch alles sein kann. (War’s halt.)

In der S-Bahn gab’s dieses Mal nichts zu gucken, aber dafür auf Instagram. Ich liebe solche Clashes. Die untere Welle ist bekanntlich die von Hokusai.

Ich hörte Spotify, weil ich wieder Internet hatte, und freute mich auf zuhause. Dort packte ich meinen Koffer aus, brauchte gefühlt 20 Minuten, um das ganze Zuckerzeug wegzuräumen, freute mich über Omas Bild und stellte es erstmal auf den Fußboden im Flur, wo es bald neben Leo von Welden hängen wird. Dann kochte ich mir Tee in Omis Teekanne, dachte über Familie nach und wie nett die letzten Tage waren und wie froh ich bin, dass unser Verhältnis inzwischen gut ist und nicht nur irgendwie auszuhalten, wickelte mich in meine Kuscheldecke, vermisste F., las, trank Tee, klickte im Internet rum und war’s zufrieden.

„In jener Zeit erließ Kaiser Augustus den Befehl an alle Bewohner seines Weltreichs, sich in Steuerlisten eintragen zu lassen. Es war das erste Mal, dass solch eine Erhebung durchgeführt wurde; damals war Quirinius Gouverneur von Syrien. So ging jeder in die Stadt, aus der er stammte, um sich dort eintragen zu lassen.

Auch Josef machte sich auf den Weg. Er gehörte zum Haus und zur Nachkommenschaft Davids und begab sich deshalb von seinem Wohnort Nazaret in Galiläa hinauf nach Betlehem in Judäa, der Stadt Davids, um sich dort zusammen mit Maria, seiner Verlobten, eintragen zu lassen. Maria war schwanger. Während sie nun in Betlehem waren, kam für Maria die Zeit der Entbindung. Sie brachte ihr erstes Kind, einen Sohn, zur Welt, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe; denn sie hatten keinen Platz in der Unterkunft bekommen.

In der Umgebung von Betlehem waren Hirten, die mit ihrer Herde draußen auf dem Feld lebten. Als sie in jener Nacht bei ihren Tieren Wache hielten, stand auf einmal ein Engel des Herrn vor ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umgab sie mit ihrem Glanz. Sie erschraken sehr, aber der Engel sagte zu ihnen: „Ihr braucht euch nicht zu fürchten! Ich bringe euch eine gute Nachricht, über die im ganzen Volk große Freude herrschen wird. Heute ist euch in der Stadt Davids ein Retter geboren worden; es ist der Messias, der Herr. An folgendem Zeichen werdet ihr das Kind erkennen: Es ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Futterkrippe.“ Mit einem Mal waren bei dem Engel große Scharen des himmlischen Heeres; sie priesen Gott und riefen: „Ehre und Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Frieden auf der Erde für die Menschen, auf denen sein Wohlgefallen ruht.“

(Neue Genfer Übersetzung)

Ich wünsche euch allen ein friedliches, fröhliches, besinnliches, schönes, gesegnetes Weihnachtsfest. Danke fürs Lesen.

Tagebuch, Samstag, 22. Dezember 2018 – Ferienbeginn

Das fiel mir erst gestern auf, als der Tag schon fast rum war und ich mich fragte, was ich eigentlich den ganzen Tag gemacht hatte statt zu putzen und mich mal wieder um die Diss zu kümmern, jetzt wo gerade kein Job drängelt: Ich habe Ferien. Oder Urlaub, wie wir Erwachsenen sagen.

Seit dem Umzug im September war gefühlt dauernd irgendetwas, angefangen von Wohnungzeug bis zu Jobs und Dingen, die ich anderweitig beruflich erledigen musste. Die Diss liegt seit Monaten brach, muss wohl auch mal sein, aber ich hatte immer das Gefühl, das muss ich noch und das muss ich noch und das da hinten muss ich auch noch. Gestern nicht. Gestern musste ich gar nichts.

Seit den Anfängen als Textpraktikantin 1999 ist in mir verankert, dass zwischen den Jahren die Agentur dicht ist und ich deswegen nichts zu tun habe. Selbst zu Studienzeiten, wo Ende Januar die Klausuren auf mich warteten, war die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr meist die totale Nichtstunzeit. Und jetzt, wo der Heilige Abend auf einen Montag fällt, scheint auch das Wochenende vor Weihnachten schon in diese Zeit zu gehören. Ich habe nur gelesen und Tee getrunken, die Konferenz stumm mitlaufen lassen, die letzten zehn Minuten geguckt und mich über Düsseldorf aufgeregt, dann wieder gelesen, zwischendurch ein bisschen Ofengemüse gegessen, dann eine Folge House angefangen, dann kam F. vorbei, ich durfte netterweise die Folge zuende sehen, und dann ging’s schon ins Bett. Ich habe jetzt Ferien.

Life Begins at Baron

Das klingt wie ein Buch, das ich gerne lesen würde: Proust’s Duchess: How Three Celebrated Women Captured the Imagination of Fin-de-Siecle Paris von Caroline Weber. Aus der Rezension des Weekly Standard:

„The three women at the center of Weber’s study—the Mesdames Greffulhe, Straus, and Chevigné—all married badly. Élisabeth Greffulhe, easily the most beautiful of the three, married a brute, a wealthy, deeply philistine man thought to have had affairs with no fewer than 300 women while remaining jealous of his wife and who saw no breach in etiquette in bringing some of these mistresses to dine at his wife’s table. Geneviève Straus, Jewish, of Sephardic lineage, was born a Halévy; her father was a composer famous in his day; and after her first husband, Georges Bizet, the composer of Carmen, died at 36, she married a well-to-do bore, a Rothschild lawyer named Émile Straus. (Famous for her witticisms, when asked why she married the dullard Straus, she replied, “It was the only way I could get rid of him.”) Laure de Chevigné, born a Sade, of the Marquis de Sade Sades, was the least physically attractive of the three women, but hers was the most secure pedigree. Her husband, thought to be homosexual, was among those aristocrats in the retinue gathered around Henri d’Artois, putatively Henry V, last Bourbon pretender to the throne of France, then living in exile in Austria.

These three women operated in a society that Lord Lytton called “brilliantly superficial.” It was a society where, in Maupassant’s words, “laughter is never genuine,” one in which intelligence was not valued, striving was thought vulgar, and the only ignorance that counted was ignorance of dress, pronunciation, and the pecking order. This society in the middle of Paris, as Princesse Marthe Bibesco notes in her novel Égalité, “formed a world as distant from ordinary people on the streets as the moon is from the earth.”“

Sagen, was ist

Der Spiegel hat seine Titelgeschichte über sich selbst als kostenloses PDF veröffentlicht.

For the First Time in More Than 20 Years, Copyrighted Works Will Enter the Public Domain

Ab dem 1. Januar 2019 dürfen wir alle lustig unter anderem Robert Frosts vermutlich bekanntestes Gedicht remixen. Das hätten wir eigentlich schon vor 20 Jahren machen dürfen, aber dann kam Micky Maus.

„“Whose woods these are, I think I”—whoa! We can’t quote any more of Robert Frost’s “Stopping by Woods on a Snowy Evening,” because it is still under copyright as this magazine goes to press. But come January 1, 2019, we, you, and everyone in America will be able to quote it at length on any platform. […]

We can blame Mickey Mouse for the long wait. In 1998, Disney was one of the loudest in a choir of corporate voices advocating for longer copyright protections. At the time, all works published before January 1, 1978, were entitled to copyright protection for 75 years; all author’s works published on or after that date were under copyright for the lifetime of the creator, plus 50 years. Steamboat Willie, featuring Mickey Mouse’s first appearance on screen, in 1928, was set to enter the public domain in 2004. At the urging of Disney and others, Congress passed the Sonny Bono Copyright Term Extension Act, named for the late singer, songwriter and California representative, adding 20 years to the copyright term. Mickey would be protected until 2024—and no copyrighted work would enter the public domain again until 2019, creating a bizarre 20-year hiatus between the release of works from 1922 and those from 1923.

This hole in history was accidental, but it occurred at a remarkable moment. The novelist Willa Cather called 1922 the year “the world broke in two,” the start of a great literary, artistic and cultural upheaval. In 1922, Ulysses by James Joyce and T.S. Eliot’s “The Waste Land” were published, and the Harlem Renaissance blossomed with the arrival of Claude McKay’s poetry in Harlem Shadows. For two decades those works have been in the public domain, enabling artists, critics and others to burnish that notable year to a high gloss in our historical memory. In comparison, 1923 can feel dull.“

(via @dvg)

Und ich gucke seit Tagen Bao und freue mich über die Schönheit der dargestellten Speisen sowie darüber, wie verbindend Essen sein kann. (Wie kann ich auf Twitter eingebettete Filmchen selbst einbetten?)

Ein jahrelanges Dankeschön …

… an Rina, die mich mit Year of Wonder: Classical Music for Every Day von Clemency Burton-Hill überraschte. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich auf dieses Buch gekommen bin – vermutlich über irgendeinen weiterführenden Link, auf den ich durch die Klassik-Artikelreihe beim Krautreporter stieß. Von dort als komplett lesbares Weihnachtsgeschenk von mir für euch: „Welche Playlists, Podcasts und Webseiten mir helfen, mehr über Klassik zu lernen“. Wobei „lernen“ hier eher heißen sollte: Wo kann ich etwas geordneter an Klassik rangehen als bei Spotify.

Jetzt aber zum Buch, auf das ich mich sehr freue: Es gibt für jeden Tag im Jahr (auch für Schaltjahre, das habe ich sofort nachgeguckt) einen Hinweis auf ein Stück klassische Musik – einen Satz eines längeren Stücks, eine Arie oder ein Lied, nicht nur von Komponist*innen, die schon längst unter der Erde sind, sondern auch von lebenden. Die Einführung in das jeweilige Stück ist mal musikhistorisch, mal sehr persönlich, manchmal ist es auch schlicht Schwärmerei der Autorin, was ich völlig in Ordnung finde. Ihr Schreibstil ist nämlich manchmal alles andere als klassisch, zum Beispiel, wenn sie über Beethovens Streichquartett Nr. 13 schreibt, das sich auf der Golden Record der Voyager befindet: „I sure hope the aliens have a decent record player.“

Sie schreibt allerdings auch so, hier über die Toccata arpeggiata von Giovanni Girolamo Kapsberger:

„I’m a big believer that music is music.
This sounds blindingly obvious, but by this I mean that, just as all human beings are created from the same essential building blocks, so is every piece of music that has ever been or ever will yet be written.
This is worth pointing out because so often people feel that so-called “classical” music is something “other”; something they need to “know” something about before they can let themselves enjoy it. It’s not – it all comes from the same source. And when I chance upon a piece like this one, this hypnotic little charmer from the very earliest years of the seventeenth century, it makes me very happy, for in it I can hear so much of that will manifest in later centuries in all sorts of music. It’s like a little wink across the centuries from Kapsberger – a composer largely unknown outside of niche lute circles – that reminds me how intimately we are all connected, whether we realize it or not.“

Ich bin sehr gespannt darauf, jetzt ein ganzes Jahr lang quasi ein Adventskalendertürchen aufmachen zu können und jeden Tag ein Stück für mich vermutlich größtenteils neue Musik zu hören (zum Beispiel über die von Burton-Hill erstellte Spotify-Playlist). Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

Tagebuch Donnerstag, 20. Dezember 2018 – Überraschungspost

Den Vormittag über das Internet leergelesen, zum Beispiel den folgenden Text aus The Nation, via der gestrigen Kulturrundschau „Efeu“ des Perlentaucher.

The Struggle to Resolve

Das Brooklyn Museum zeigt die Ausstellung „Soul of a Nation: Art in the Age of Black Power“ mit Werken von fast ausschließlich schwarzen Künstler*innen. Der Essay in The Nation beginnt mit einem Klassiker der Kunstgeschichte, dem Aufsatz von Linda Nochlin von 1971, in dem sie fragte: Why have there been no great woman artists? Sie beschreibt die diskriminierenden Umstände, die Frauen daran gehindert haben, ähnlich viel und gut zu produzieren wie Männer, denen zum Beispiel der Zugang zu Akademien offenstand oder die Möglichkeit, vor nackten Modellen zu zeichnen, was für Weibsbilder natürlich mal gar nicht ging.

Der Essay leitet über auf einen offenen Brief des afro-amerikanischen Künstlers Benny Andrews, der diesen Umstand auf schwarze Künstler*innen bezogen wenige Monate später ähnlich klar und wissend formulierte, Hervorhebung von mir:

„What I think most of us know and are hesitant to admit is the fact that in the graphic arts, painting and sculpture, the discrimination against Black people has proven to have pretty much guaranteed that we have not really created anything in a way that makes any of us truly creative. I do not know of anyone Black that as a painter or sculptor is truly creative like say Andy Warhol, Stella, Eakins, [de] Kooning or anyone that we can identify.“

Genau dieser Umstand wird gerne ignoriert: dass Diskriminierung, wenn sie so flächendeckend betrieben wird wie die gegen Frauen, andere Hautfarben als weiß, Behinderungen etc., garantiert, dass diesen Menschen keine gleiche Teilhabe zukommen kann, so sehr sie sich auch anstrengen. Ausnahmen gibt es immer, klar, aber bis wirkliche Gleichberechtigung herrscht – falls das überhaupt jemals zugelassen werden wird –, wird die Kunstwelt weiter weiße Männer bevorzugen, weil sie sichtbarer sind und mehr produieren konnten (sehr vereinfacht formuliert). Ich finde es wichtig, darauf immer wieder hinzuweisen. Auch weil die Vorbildfunktion so wichtig ist – wir brauchen weibliche, queere, nicht-weiße, behinderte Künstler*innen, damit andere in der gleichen Position Vorbilder haben. Hervorhebung von mir:

„Andrews was painfully aware that there were structural impediments not only to the proper recognition of his achievement but to that achievement as such. […] But he also understood that such creativity has never simply been the product of what Nochlin mocked as “an atemporal and mysterious power somehow embedded in the person of the Great Artist.” It is sometimes nurtured, sometimes stymied, always channeled by history and social conditions. And it cannot exist without the unrelenting efforts of a multitude of practitioners producing what Andrews calls “just good and everyday art work.” Artists are made by other artists — by the effects they have on each other, whether through emulation, rivalry, or antagonism—so that the collective mass of respectable efforts enables a few to reach the stars.“

Während ich so das Internet leerlas, klingelte es an der Tür, mehrfach, wie die Post das gerne macht, um darauf hinzuweisen, ja, ich will wirklich zu dir und nicht nur Prospekte ins Treppenhaus werfen. Ich öffnete, bekam ein Paket, das ich nicht bestellt hatte, und durfte mich dann sehr freuen:

Das vertwitterte ich auch sofort: dass ich erst vorgestern darüber gebloggt hatte, dass Spirou in Berlin von Flix in München fast überall ausgeliehen war (da, wo es vorhanden gewesen wäre, war mir der Weg zu weit) und dass ich deshalb andere Comics ausgeliehen hatte. Anscheinend hat das jemand gelesen und sofort auf den Bestellbutton bei Amazon geklickt. Das Paket war leider anonym, deswegen kann ich mich hier nur bei Unbekannt bedanken, aber das mit immer noch vor Freude leuchtenden Öhrchen.

Natürlich begann ich sofort zu lesen – und vertwitterte auch das (der Tweet oben ist der Anfang eines Threads).

Mit dem Sandmännchen kriegt man mich ja immer. Ich erkannte außerdem Lolek und Bolek, den kleinen Maulwurf natürlich und dann dachte ich nicht richtig nach und twitterte was von Schnatterinchen. Das ist aber gar nicht zu sehen, sondern Herr Fuchs und Frau Elster.

Aber Schnatterinchen taucht dann doch noch auf – zusammen mit dem Leipziger Messemännchen, wie ich erfuhr. Den Herren kannte ich vorher noch nicht. Im Panel links daneben sehen wir den kleinen Mirco Watzke aus Mawils Kinderland – das Bild hat, glaube ich, jeder vertwittert, der Spirou schon gelesen hatte.

Über dieses Bild musste ich eher auf der Meta-Ebene lachen. („Und Fritze Hitler hieß er ja wohl nich.“)

Eine Plenzdorf-Referenz?

Nach einer guten Stunde war ich mit dem Band durch. Ich vertwitterte nicht alle Anspielungen oder Sätze/Bilder, die mir besonders gefielen, dann wäre ich aus dem Posten gar nicht mehr rausgekommen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, und beim zweiten Durchlesen werde ich noch mehr Kleinkram dechiffrieren, da bin ich mir sicher. Nochmal vielen Dank für das Geschenk, von wem auch immer es kam. Ich habe mich sehr gefreut.

Abends in charmanter Gesellschaft im Irmi Tatar gegessen und, wie ich heute morgen merke, das gewisse eine Helle zuviel getrunken. Einziger Kritikpunkt am sonst guten Essen: Warum das Eigelb „halbgegart“ sein sollte (bei mir war’s fast durch) und nicht flüssig, damit man es schön unters Fleisch ziehen kann, habe ich nicht verstanden. Auf jeden Fall ein sehr netter Laden, den ich vorher noch nicht kannte.

Tagebuch Mittwoch, 19. Dezember 2018 – Sinnieren über den „Spiegel“

Die Tücken des täglichen Bloggens, bei dem man immer das Datum vom gestrigen Tag angibt und das mich in den vergangenen Jahren gefühlt über tausendmal aus dem getippten „gestern“ – wenn ich einen Eintrag am Abend des betreffenden Tags vorschreibe – ein „vorgestern“ hat machen lassen, haben auch Vorteile: Ich habe erst gestern (gestern!) gemerkt, dass ich irgendwann im Dezember angefangen habe, das Datum des Blogeintrags, aber nicht das tagesaktuelle an meinem Adventskalender zu öffnen. Weswegen ich gestern (gestern!) zwei Türen leerfuttern konnte.

Den ganzen Tag vor Büchern oder Amazon Primes Videothek rumgehangen; ich bin im House-Rewatch in der sechsten Staffel angekommen. Hat sich gut gehalten, die Serie, ich stolpere aber, wie schon zur Erstausstrahlung, sehr über die vielen, höflich ausgedrückt, politisch unkorrekten Äußerungen der Hauptfigur, die mir damals schon als unangenehm aufstießen und die ich heute als schlicht arschig und betriebsblind empfinde.

Nach 100 Keksdekoriervideos in meiner Facebook-Timeline habe auch ich endlich das Rezept für Royal Icing ergoogelt (ein Eiweiß auf 250 Gramm Puderzucker), anstatt wie sonst üblich einfach aus Zitronensaft und Puderzucker nach Augenmaß Zuckerguss anzurühren. In den Videos kam es mir so vor, als ob die feine Umrisslinie arg schwierig werden würde, das Ausfüllen („flooding“) mit flüssigerem Guss aber babyeinfach.

Nun ja.

Weihnachten, die Freddy-Krüger-Edition.

Was mich den ganzen Tag im Hinterkopf beschäftigte, war die Story im Spiegel, der einen Journalisten entlassen musste, nachdem ein Kollege den Rest der Redaktion darauf aufmerksam gemacht hatte, dass viele Details an dessen Reportagen nicht stimmen bzw. einige vielleicht sogar komplett erfunden worden waren.

Der Redakteur Ullrich Fichtner berichtet in einer langen Reportage – äh, was? – über den Fall:

„An “Jaegers Grenze” wird [der später entlassene Claas] Relotius scheitern. Es ist der eine gefälschte Text zu viel, weil er diesmal einen Co-Autor hat, der seinen “Quatsch” nicht mitmacht, der Alarm schlägt und bald Fakten gegen die Fiktionen sammelt. Juan Moreno ist dieser Co-Autor, seit 2007 als Reporter für den SPIEGEL in aller Welt unterwegs. Im Streit mit und über Relotius riskiert Moreno seinen eigenen Job, zwischenzeitlich recherchiert er dem Kollegen, verzweifelt, auf eigene Kosten hinterher. Drei, vier Wochen lang geht Moreno durch die Hölle, weil Kolleginnen und Vorgesetzte in Hamburg seine Vorwürfe anfangs gar nicht glauben können. Relotius? Ein Fälscher? Der bescheidene Claas? Ausgerechnet?

Es wird im SPIEGEL noch Ende November, Anfang Dezember für möglich gehalten, dass Moreno in diesem Spiel der eigentliche Halunke ist und Relotius das Opfer einer üblen Verleumdung. Geschickt pariert Relotius alle Angriffe, alle gut recherchierten Beweise Morenos. Immer wieder findet er Mittel, Zweifel zu säen, Vorwürfe plausibel zu entkräften, die Wahrheit mit allen Mitteln zu seinen Gunsten zu verdrehen. Bis es irgendwann doch nicht mehr geht. Bis er endgültig nicht mehr schlafen kann, gejagt von der Angst vor Entdeckung. Relotius bricht ein, vergangene Woche, als ihn seine Vorgesetzte Özlem Gezer, Vizechefin des SPIEGEL-Gesellschaftsressorts, zur Rede stellt und ihm auf den Kopf zusagt, dass sie ihm nicht mehr glaubt. Am Donnerstag dann setzt er sich hin mit seinen Ressortleitern, mit einem Chefredakteur, und macht reinen Tisch, oder jedenfalls das, was er dafür hält.“

Das Stück ist sehr lesenswert, weil es recht genau berichtet, was passiert ist. Es macht mich aber trotzdem fassungslos, dass der Spiegel in genau dem gleichen Stil mit Relotius abrechnet, anders kann man das nicht nennen, der dazu geführt hat, dass letzterer munter fabulieren konnte. Das sah meine Timeline gestern ähnlich; die Kulturwissenschaftlerin Hanna Engelmeier schrieb:

„Ein wenig eigentümlich kommt mir vor, daß Fichtner hier diesen Fall als Anlaß nimmt, selbst eine “verdammt gute Geschichte” zu schreiben. Vielleicht hätte eine nüchterne Mitteilung mit den wichtigsten Details auch gereicht. Diese Dauerverwertung ist doch Kern des Problems.“

Der Spiegel hat, ganz internetkompatibel, auch noch eine kurze FAQ online gestellt, falls man sich die Reportage eben nicht durchlesen möchte.

Stefan Niggemeier, der selbst kurz beim Spiegel gearbeitet hat, nahm Fichtners Reportage auseinander. Leider nur hinter einer Paywall, aber schon die Einleitung ist lesenswert, weil sie verdeutlich, dass das Problem hausgemacht ist:

„Als ich für den „Spiegel“ gearbeitet habe, vor sechs, sieben Jahren, hatte das Gesellschaftsressort den Ruf, es im Zweifel nicht zu übertreiben mit der Wahrheitsliebe. Gemeint waren damit sicher keine Fälschungen und Erfindungen, aber Verdichtungen, Zuspitzungen, kreative Freiheiten. Die Unterstellung lautete: Das wichtigste Ziel sei es, die bestmögliche, dichteste, begeisterndste Geschichte zu erzählen, nicht unbedingt die genaueste.

Da war etwa ein Artikel über ein Stadion in Kabul, in dem Ende der neunziger Jahre die Taliban Menschen hinrichteten, und 2012 wieder Fußballspiele stattfanden. Ein Artikel, der den ganzen Wandel des Landes in einen einzigen Ort zu konzentrieren schien.

Die Geschichte hatte den kleinen Haken, dass es sich nicht um dasselbe Feld handelt. Der Ort der Hinrichtungen und der Ort des Fußballspiels sind nicht weit voneinander entfernt und gehören zum selben Komplex. Aber es ist nicht derselbe Platz.

Das wäre ein unwichtiges Detail, wenn der Text nicht genau dieses unwichtige Detail explizit zum zentralen Punkt der Geschichte gemacht hätte, der sie ganz besonders aufregend macht:

„Dasselbe Stadion, dasselbe Feld, gedacht für dasselbe Spiel. Damals Tod, heute unbändiges Leben.“

Blöd, wenn eine Leserin merkt, dass das nicht stimmt. Aber auch dank solcher Verdichtungen werden aus Reportagen im besten Fall Preisreportagen.“

Dazu passend der Tweet der Journalistin Andrea Diener (von ihrem anonymen Account (?), daher kein Link), die gestern auf das alte Zitat von Hans Magnus Enzensberger verwies, nach dem der Spiegel kein Nachrichtenmagazin sei, wie es im hauseigenen Untertitel heißt, sondern ein Story-Magazin:

„Während die Nachricht im allgemeinen für Unterhaltungszwecke ungeeignet und kein Genuß-, sondern ein Orientierungsmittel ist, stellt die Story ganz andere Bedingungen: Sie muß Anfang und Ende haben, sie bedarf einer Handlung und vor allem eines Helden.” Und: “Die Story ist eine degenerierte epische Form; sie fingiert Handlung, Zusammenhang ästhetische Kontinuität. Dementsprechend muss sich ihr Verfasser als Erzähler aufführen, als allgegenwärtiger Dämon, dem nichts verborgen bleibt und der jederzeit, wie nur ein Cervantes ins Herz des Don Quijote, ins Herz seiner Helden blicken kann.”

Genau dieses Storytelling hat mich jahrelang fasziniert. Ich habe den Spiegel in den 80ern und Anfang der 90er Jahre regelmäßig, so ziemlich wöchentlich gelesen. Die Jahrgänge 1989/90 standen ewig in Pappschubern auf dem Dachboden meiner Eltern und durften nicht weggeschmissen werden wegen des historischen Inhalts. Inzwischen weiß ich erstens, dass ich das alles auch in einer Bibliothek nachlesen kann und zweitens, dass auch der Spiegel nur mit Wasser kocht. Als ich Anfang der 2000er Jahre für eine Story über die damals noch neuen Weblogs angefragt wurde, lehnte ich ab, weil ich keine Lust hatte, in genau dieser Erzählweise verwurstet zu werden. Ich unterstellte auch gleich eine gewisse Agenda („diese seltsamen Exhibitionisten im Interweb“) und lehnte mit dieser Unterstellung meine Teilnahme ab. Die damalige Autorin meinte zwar, das seien Vorurteile, aber die erschienene Geschichte hat mich sehr bestätigt. Wir sind hier alle irre und breiten das auch noch groß aus, alles ganz schlimm.

Es war für mich ein einschneidendes Erlebnis zu merken, dass auch der heilige Spiegel von Menschen geschrieben wird, die von ihren Themen manchmal keine Ahnung haben, aber immer eine Agenda. Wenn’s normal läuft, kommen dann Artikel dabei heraus, die sich auch so lesen, wenn’s schlecht läuft, sowas wie die Reportagen von Relotius – dessen Name mir bis gestern übrigens kein Begriff war, weil ich den Spiegel eben nicht mehr lese außer wenn mich Geschichten anspringen wie das Interview mit Okwui Enwezor. Seit einer unglaublich miesen, vorurteilsbelastenen Story über das Dicksein fasse ich auch die Zeit nicht mehr an, well done, dünne Menschen, die Dicke doof finden.

Generell hadere ich seit Jahren mit wöchentlichen Magazinen, die ich ebenso jahrelang genau deswegen gelesen habe: weil sie wöchentlich und damit mit etwas Abstand zum Geschehen erschienen und mir so die Möglichkeit einer Einordnung bieten konnten. Inzwischen bin ich mit einer aktuelleren Tageszeitung besser bedient, auch wenn die natürlich genauso eine Agenda hat; nicht umsonst lesen sich die FAZ und die taz zum gleichen Sachverhalt sehr unterschiedlich. Genau deswegen musste jetzt auch mein FAZ-Abo dran glauben – nach über einem Jahr konservativem Politikteil muss ich mein Hirn mal wieder mit Seife auswaschen und werde auf die Süddeutsche umschwenken, die ich nie durchlesen werde, weil sie viel zu dick ist.

Auf die Beschleunigung im Nachrichtenwesen wies vor Kurzem die sehr gute Doku zur New York Times hin, wo der Chefredakteur sinngemäß meinte: Wenn früher am Vormittag etwas passiert sei, wussten alle, dass man darüber morgen etwas in der Zeitung lesen wird. Heute klickt man sofort ins Internet und erwartet alle 20 Minuten ein Update.

Ich ahne, dass nicht nur die Spiegel-Kultur des Geschichtenerzählens, sondern auch unser Hunger nach immer neuen Geschichten dazu beigetragen hat, dass Dinge verkürzt oder verfälscht werden. Es ärgert mich, dass es Leser*innen sein müssen, die das aufklären, weil es ihnen halt auffällt. Eine der Storys von Relotius über eine Trump-wählende Kleinstadt in den USA widerlegten zwei Bewohner dieser Stadt selbst, angefangen beim Ortsschild am Eingang, das der Reporter schon falsch beschrieb, bis hin zu seltsamen Details, die niemand braucht:

„Perhaps the oddest fiction in a list of many is Relotius’ depiction of Bremseth as someone who “would like to marry soon…but he has not yet been in a serious relationship with a woman. He has also never been to the ocean.”

We can attest that Bremseth has indeed been to the ocean, by his account, “many times” and is currently happily involved in a multi-year, cohabitational relationship with a woman named Amber. In fact, here’s a picture of the two of them in front of, all things, an ocean.“

Stefan Niggemeier verlinkte heute morgen auf den Text „Die Verniedlichung der Welt“ von Claudius Seidl von 2010 über die hübschen Reportagen, die gerne Literatur wären, was auch ein Teil des Problems ist – Journalist*innen, die gerne etwas anderes wären. Auch in Werbeagenturen laufen viele Texter*innen rum, die glauben, dass in ihnen der große Roman des 21. Jahrhunderts schlummert, und ebenso viele Grafiker*innen, die meinen, sie seien Picasso. Vielleicht sollte einfach jede*r wieder seinen Job machen.

„”Eine schöne Geschichte”, so muss man sich das wohl vorstellen, sagt ein Juror zum anderen, wenn sie diese Reportage aus der “Zeit” preisen, über den Serienkiller und den Kommissar, dem der Killer all seine Verbrechen gesteht, die Reportage also, welche im Winter den sogenannten Reporterpreis gewann – und offenbar mag sich keiner eingestehen, dass eine Ästhetik, die alles erklären, begründen, einsortieren kann, eine Ästhetik, die also zugleich alles Unverstandene und Unversöhnte, alles Unerklärliche und Unsagbare ausschließt, eine Ästhetik, in der wirklich jedes Phänomen den Begriff findet, der wie ein Deckel darauf passt, dass so etwas die Ästhetik von bemalten Tellern und selbstgetöpfertem Regalschmuck ist.

So harmlos.

Toll geschrieben, denkt man sich, wenn man das Kanzlerinnenporträt aus dem “Spiegel” liest, das am Freitagabend für den Kisch-Preis nominiert war, und es liest sich ja sehr flüssig bis zu dem Moment, in dem es dem Leser auffällt, dass der Autor sich die Freiheit nimmt, in nahezu jeden Kopf, der im Weg herumsteht, hineinzukriechen und von dort drinnen zu berichten, wie es sich so denkt und fühlt in diesem Kopf. Das, ein äußerst populäres Verfahren in der Preisträger- und Nominiertenprosa der vergangenen fünf, sechs Jahre, sieht auf den ersten Blick so aus wie echte Literatur. Und ist noch nicht einmal seriöser Journalismus. Wenn schon die Schlagzeile “Regierung will Steuern senken” ungenau ist, weil wir Journalisten nicht wissen können, was die Regierung wirklich will; wir wissen nur, was sie sagt, dass sie wolle – dann ist die Behauptung, einer wisse, was ein anderer denke, ein Bluff und eine Hochstapelei. Und wenn es Literatur wäre, dann wäre es trivial. Richtige Literatur versagt es sich, die Gedanken sämtlicher Figuren zu lesen.

Und genau das ist das Problem mit den Preisträgerreportagen: Sie wollen Literatur sein, sie weigern sich aber, das Kleingedruckte zur Kenntnis zu nehmen. Keine Selbstreflexion, kein Bewusstsein davon, dass es jenseits der Sätze das Unsagbare geben könnte, jenseits der Psychologie das Unerklärte. Eine Geschichte hat einen Anfang, und am Schluss laufen alle Stränge des Erzählens wieder zusammen. Ein Abgrund heißt Abgrund, und wer hineinschaut, sieht, wie das Schicksal mit Playmobilfiguren spielt. So ein Preisträgertext geht mit dem Serienkiller zum Kaffeetrinken und mit der Kanzlerin zum Schwimmen im See, und Gedanken, die man lesen kann, tun keinem richtig weh.

Aber weh tun soll es auch nicht. Hauptsache, die Leser gucken betroffen. Oder wenigstens die Juroren von Reportagepreisen.“

Tagebuch Dienstag, 18. Dezember 2018 – Bake the pain away

Füchterlich geschlafen. Mehrfach aus einem unangenehmen Alptraum aufgewacht, der gefühlt sofort wieder einsetzte, als ich wieder eingeschlafen war.

Eigentlich wartete ich seit Montag auf eine Ansage, wie es mit einer Broschüre weitergehen soll, die noch in diesem Jahr gedruckt werden möchte, aber es kam nichts. So saß ich Dienstag morgen zwar brav pünktlich am Schreibtisch, hatte aber nichts zu tun, weswegen ich meinen alljährlichen Jahresrückblickseintrag überarbeitete. Der liegt spätestens ab Mai in meinen Entwürfen und wird das Jahr über ergänzt, ehe ich wieder alles vergesse.

Die Frage nach dem meiner Meinung nach besten Buch des Jahres habe ich vor einigen Jahren unterteilt in Fiktion, Sachbuch und Comic. Für die ersten beiden Kategorien stehen die Sieger schon fest, außer ich finde jetzt noch was völlig Irres, aber mir fiel zum wiederholten Mal unangenehm auf, dass ich in diesem Jahr keinen einzigen Comic gelesen hatte. Spirou in Berlin von Flix liegt zwar auf der Wunschliste, aber irgendwie wollte ich ihn noch nicht kaufen. Gestern fiel mir dann allerdings total schlau ein: Hey, du hast fünf Bibliotheksausweise in deinem Portemonnaie – vielleicht leihst du dir mal wieder was, du Hirn?

Spirou ist in den Zweigstellen der Münchner Stadtbibliothek so gut wie überall ausgeliehen (well done, Munich!), aber ich kannte das große Graphic-Novel-Regal in der Filiale am Gasteig ja, wo immer was steht, was ich noch nicht kenne. U-Bahn zum Bahnhof, Umstieg in die S-Bahn, zwei Rolltreppen rauf, Jacke an der Garderobe abgegeben – ich vergesse immer, ob man für die Schließfächer innen Geld braucht oder nicht, vermutlich, egal, man darf sogar Jacke und Rucksack mit reinnehmen, jedenfalls war das die letzten Male so. Das könnte sich aber geändert haben, denn anscheinend war ich recht lange nicht in der Stadtbibliothek, wie ich beim Ausleihvorgang feststellte, als ich angezeigt bekam, dass mein Benutzerausweis abgelaufen war. Schockschwerenot! Zum Serviceschalter gegangen, zehn Euro bezahlt (ich bekomme auch als Doktorandin noch Studierendenermäßigung, wie man mir freundlich mitteilte) und dann wieder mit dem Ausweis an die Selbstausleihterminals. Von denen bin ich immer wieder beeindruckt, weil sie totale Zauberei sind. Oder mit RFID-Chips arbeiten, was wahrscheinlicher ist. Man hält den Ausweis an den Bildschirm, und sobald man erkannt ist, verbucht das System selbständig alles, was auf dem Tisch vor dem Bildschirm rumliegt. Man muss es nicht mal an irgendwelche Lesegeräte halten, nur ablegen und wie durch Zauberhand (ich bleibe bei dieser Interpretation) erscheinen die Titel auf dem Screen, die man jetzt froh und glücklich nach Hause tragen und für vier Wochen behalten darf.

Ich las gestern schon Ein Sommer am See von Mariko und Jillian Tamaki (Tina Hohl, Übers.), der mir sehr gut gefiel. Ich mochte die Coming-of-age-Geschichte der zwei weiblichen Hauptdarstellerinnen, die im Alter ein paar Jahre auseinanderliegen und so schön den Sprung von der Kindlichkeit zur Teenagerin verdeutlichen, sowohl vom Tonfall als auch von den Zeichnungen her sehr. Auch die Übersetzung ist mir sehr positiv aufgefallen.

Der zweite Comic konnte mich überraschen, wobei ich mich fragte, warum er das konnte: Es geht um eine ältere Dame aus Israel, die nach über 60 Jahren wieder in ihr altes Heimatland Polen zurückreist, um ein Erbe anzutreten, das ihr wegen der NS-Zeit verwehrt geblieben war. Oder auch nicht, das erfährt man im Laufe der Story. Ich habe bisher nur über Reparationsforderungen an Deutschland nachgedacht, aber noch nie an die an andere Länder. Wieder was gelernt. Das Erbe wurde von Rutu Modon geschrieben und gezeichnet (Gundula Schiffer, Übers.), wobei mir die Story besser gefiel als ihre Bebilderung.

Und zack, gleich zwei Anwärter auf die Lücke im Fragebogen erlesen.

Auch nachmittags kam keine Arbeit auf den Tisch, weswegen ich eine Runde aka fünf Bleche Kekse buk. Das übliche Mürbeteigrezept, was immer funktioniert. Gestern anscheinend besonders gut, denn mir schmeckten die Plätzchen (Feingeist F. besteht auf dem Wort „Plätzchen“ für Kekse) auch ohne jede Deko aus Zuckerguss oder Schokolade, wie ich nach fünf dekorierten feststellte.

Mit der zweiten Kanne Tee des Tages aufs Sofa gegangen und weitergelesen, dazu noch ofenwarme Kekse geknabbert.

Abends kam dann F. mit der rituellen Lieferung an heißgeräuchertem Lachs vorbei. Das essen wir seit drei Jahren in der Weihnachtszeit, weil F. einen super Lieferanten hat, der nicht massenhaft produziert, weswegen ich mich immer sehr freue, mitessen zu können. Der Lachs ist recht fest und gut, aber nicht übermäßig gewürzt, zerfällt beim Anschneiden und schmeckt mit Kartoffelgratin fast noch besser als ohne. Da ich gestern trotz einem Kilo verzehrten Keksen noch hungrig war, fiel mir das obligatorische Foto erst beim Essen ein. Dass ich einen dunkleren Teller hätte verwenden sollen, damit das Gelb und das Pink der Speisen besser rauskommt, erst beim Abwaschen.

Das Augsburg-Spiel lief nebenbei auf dem Laptop, aber wir konnten uns trotzdem standesgemäß über alles aufregen. Immerhin einen Punkt aus Berlin mitgenommen, der im Abstiegskampf nicht unwillkommen ist.

Und endlich mal ergoogelt, was überhaupt „heiß geräuchert“ bedeutet.

Gemeinsam eingeschlafen, durch äußerst unangenehme Regelschmerzen wieder wach geworden (also eine von uns beiden). Der Scheiß könnte auch allmählich mal vorbeisein. Je älter ich werde, desto schmerzhafter wird dieses dusselige Rumgeblute. Mit Wärmflasche auf dem Bauch wieder eingeschlafen.

Tagebuch Montag, 17. Dezember 2018 – Kann weg

Den Vormittag über Zeug erledigt (Brot kaufen, Geschenkpapier kaufen, Geschenke einpacken, Geschenke dekorativ unter den Weihnachtsbaum legen, auch wenn sie nicht für mich sind, sieht aber hübsch aus), über Mittag gearbeitet (und mich gefragt, wann in der Agentur, die mich anrief, wohl Mittagspause gemacht wird – anscheinend nicht um 13.30 Uhr), nachmittags dann versumpft. Traurig gewesen, aus Gründen und aus Nicht-Gründen, dann Schrott gegessen, obwohl ich weiß, dass ich dann noch trauriger werde, war gestern egal, erst abends wurde ich dann wütend auf mich, was meistens reicht, damit ich keinen Schrott mehr esse, aber da ging’s mir körperlich schon schlecht genug, also ab ins Bett, den Tag in die Tonne kloppen und sich sicher sein, dass mich heute Essen wieder glücklich machen wird, das anstrengende Ding, das.

Schön, dass ich im vergangenen Jahr nicht so viele solcher Tage hatte. Das zu merken, war dann doch okay.

Tagebuch Sonntag, 16. Dezember 2018 – Zirbelzauber

Wie gestern schon erwähnt, war ich nach dem kleinen Asthmaanfall körperlich etwas angeschlagen. Die Option 1 war nun, einfach den ganzen Tag auf dem Sofa zu verbringen – geht immer. Option 2 war frische Luft, eventuell etwas glühwein- und bratwurstduftschwer. Denn eigentlich wollten F. und ich noch dringend auf den Augschburger Christkindlesmarkt (ich muss jedesmal googeln, ob der sich wirklich so schreibt, Süddeutschland, ey). Der einzige Ausweichtermin wäre der nächste Sonntag, wo wir eh in der Stadt sind für das letzte Heimspiel des FCA in diesem Jahr, aber mit Fußballklamotten renne ich ungern durch die Gegend, und nach drei Glühwein müsste ich auch dauernd aufs Stadionklo – das übrigens immer hervorragend sauber ist, mir geht’s eher um das ewige Trepperauf, Trepperunter und das Anstehen wie auf allen Damenklos dieser Welt. In diesem Zusammenhang: Alle männlichen Wildpinkler, die ernsthaft in Sichtweite des Stadions noch mal eben in die Büsche gehen – was stimmt bei eurer Kinderstube nicht, ihr Deppen?

Jetzt rege ich mich schon wieder auf, dabei wollte ich doch schreiben, dass wir uns spontan gestern zu einem Besuch des Weihnachtsmarkts entschieden. Dieses Mal war ich für den Kauf des Bayerntickets zuständig, das sonst immer F. besorgt. Am Automaten sprach mich ein Tourist an, der zum Marienplatz wollte; wir diskutierten Ticketoptionen, ich wies ihm den Weg durch das Auswahlmenü am Automaten, dann hatte der Mann seinen Fahrausweis und wollte nun wissen, wie er zu S-Bahn käme – woraufhin ich ernsthaft passen musste, weil ich am Hauptbahnhof noch nie in die S-Bahn, sondern immer nur in die U-Bahn gestiegen bin. Natürlich habe ich den Bahnhof schon mal als Umstiegsstation für die S-Bahn benutzt, aber eben noch nie als Startpunkt. Daher konnte ich dem gut gelaunten Herrn nur die Anweisung „Follow the green S signs“ geben und ihn zum ersten Hinweisschild schicken. Ich bin mir sicher, der Mann findet das. Andererseits meinte er, er wäre gerade vom Flughafen mit der S-Bahn gekommen, die eigentlich bis zum Marienplatz fährt. Hm.

Die Zugfahrt nach Augschburg verlief ereignislos, wenn auch etwas weniger plauderig als sonst, denn mein Begleiter war hangry; er hatte noch nicht gefrühstückt und ein hungriger F. ist ein nöliger F. Deswegen ging der erste Gang dann auch schnurstracks zum Bosnastand. Was eine Bosna ist, habe ich erst hier im Süden gelernt und fühlte mich in Wien am Würstlstand total wissend. Mir reicht weiterhin eine Bratwurst, aber auf dem Christkindlesmarkt muss es eben eine Bosna sein. Hier auch noch mal ein geistiger Schlenker: Käsekrainer, geh sterben. Du bist eklig.

Mit einem deutlich besser gelaunten F. ging es dann zu Horscht an den Weinpunschstand. F. schwört auf diesen einen Stand, ich habe in Augsburg noch keinen anderen Glühwein getrunken, wobei Horscht auf der Website des Marktes seine Getränke auch als Bier- und Weinpunsch anpreist. Meine drug of choice ist dort der Zirbelzauber (das gelbe Gläschen), über dessen Namen ich immer lästern muss, bevor ich ihn dann genussvoll wegschlürfe. Die Augschburger und ihre Zirbelnuss sind für mich immer ein Quell großen Grinsens. Ich höre schon wieder F.: „DAS IST EINE ALTE RÖMISCHE DEKORATIONSFORM, DAS IST ANTIK! WAS HAT HANNOVER AUSSER DEM BLÖDEN PFERD DENN SO, NA, NA?“ – „WIR STELLEN DAS DING IMMERHIN NICHT ACHT METER HOCH AUFS RATHAUS!“

Ein weiteres Argument für den Besuch beim Horscht ist der unverstellte Blick aufs eben schon brüllend angesprochene Rathaus (mit der Zirbelnuss oben drauf). Man steht nicht mitten in den ganzen Buden und den vielen Leuten, sondern ein winziges bisschen abseits in der Steingasse, aber kann dafür über die ganzen Lichterketten weggucken und das Gebäude bestaunen. Das mache ich jedesmal, wenn ich da bin, denn ich komme einfach nicht darüber weg, wie irrwitzig viel Geld Augsburg in der Renaissance gehabt haben muss, um sich diesen Trumm in die Stadt zu stellen (*hust* Fugger *hust*). Das Gebäude war bis 1917, laut Wikipedia, das höchste Gebäude in Deutschland, und es ist auch heute noch, wo wir doofe Bürotürme gewöhnt sind, äußerst beeindruckend. Klar kenne ich genug mittelalterliche Rathäuser – hier bitte mal kurz die Geschichte dieses Bautyps nachlesen – und die sind auch schon nicht winzig, hallo Lübeck, aber keins steht so selbstbewusst, so frei und so aufsehenerregend präsent in der Gegend rum. Ich komme da nie drüber hinweg und staune jedesmal, wenn ich es wiedersehe, obwohl ich es nun wirklich schon oft gesehen habe. Hier der weinpunschselige Blick von Horschtens Büdchen, wo es nicht ganz so überwältigend aussieht, aber dafür habe ich die Alphornbläser im Bild gehabt. Die kenne ich von norddeutschen Weihnachtsmärkten ja auch nicht so unbedingt. Ein Gruß an alle dörflichen Posaunenchöre!

Gegen 18 Uhr waren wir wieder in München, beide irgendwie erledigter als gedacht, weswegen sich unsere Wege trennten und jeder für sich den Abend verbrachte. Ich besiegte mein Spiegelei-Trauma und zauberte mir ein wunderbar festes Eiweiß mit perfekt flüssigem Dotter, das ich sogar heile aus der Pfanne bekam und war sehr zufrieden mit dem Tag.

Tagebuch Samstag, 15. Dezember 2018 – Überstürzter Aufbruch

Früh aufgestanden (bzw. netterweise von alleine aufgewacht), um einen Kuchen zu backen, den ich nachmittags frisch zu einer Familienweihnachtsfeier schleppen wollte. Ich hatte mich im Vorfeld für den Nougat-Orangen-Gugelhupf entschieden, weil ich wusste, dass er sich schnell machen lässt und wunderbar schmeckt. Aus F.s WhatsApp-Gruppe wusste ich außerdem, was die anderen mitbrachten, daher passte er ganz gut.

Als er ausgekühlt war, legte ich zu dem in Alufolie eingewickelten Kuchen in der inzwischen gewaschenen Gugelhupfform (die einfachste Transportmöglichkeit) noch einen Servierteller sowie ein kleines Sieb und eine Schachtel Puderzucker. Ich nahm an, dass die Gastgeberin für 30 Leute froh sein würde, wenn man sie nicht um sowas bitten müsste, und so war’s auch. Eigentlich wollte ich auch noch meine Reibe und eine Orange mitnehmen, um zusätzlich zur Puderzuckerdeko noch Zesten auf den Kuchen zu reiben, aber die vergaß ich in der ersten Aufbruchshektik des Tages.

F. und ging stiegen in die U-Bahn, dann am Sendlinger Tor erstmal in die falsche, was uns an der Implerstraße auffiel, als die Ansage meinte, das hier wäre die letzte Umsteigemöglichkeit zur U3, in der wir uns wähnten. Wir waren aber in der U6 und konnte so noch umsteigen. Danke, Ansage. Mit dem neuen Jingle, der seit dem Fahrplanwechsel vor ein paar Tagen die Stationsansagen einleitet, hadere ich aber noch.

An der vereinbarten Haltestelle sammelte uns F.s Mutter im Auto ein und wir fuhren irgendwo in die Umgebung, ich weiß immer noch nicht, wo irgendwas in München ist. Das fiel mir neulich schon mal auf: Ich bin in München nie selbst und regelmäßig Auto gefahren; mit dem Fahrrad lege ich doch eher Kurzstrecken zurück, und sonst sitze ich in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das heißt, ich musste mir noch nie wirklich Ziele erfahren bzw. Strecken kennen, die über meinen kleinen Fahrradradius hinausgehen. Der weiteste Weg ging, glaube ich, mal zur Arena raus, das sind 12 Kilometer. In der Stadt länger Fahrrad zu fahren, ist leider auch in der selbsternannten Radlhauptstadt (hier lachen bitte alle Münsteraner*innen mal herzlich) nicht so richtig toll, angenehm und/oder sicher, weswegen ich dafür dann eben die Öffis nutze. Aber vielleicht nehme ich mir das mal für den nächsten Frühling vor: Rad in die S-Bahn, rausfahren und radelnd wieder in die Stadt rein, um sie ein bisschen besser kennenzulernen. (Oder ich sitze weiter auf dem Sofa und kenne nix, das ist auch super.)

Die Feier war schön, die Menschen freundlich – ich bin ja immer noch die neue Exotin, der man nette Fragen stellt –, alle Kuchen top, der Empfangssekt vom Feinsten, abends gab’s dann Schweinebraten mit perfekter Kruste (mein nächstes Ziel!) und einen wunderbaren Rotwein. Ich hatte allerdings schon den ganzen Nachmittag mit meiner laufenden Nase zu kämpfen. Natürlich hatte ich vorher gefragt, ob die Gastgeberin Haustiere hätte, was verneint wurde. So dachte ich, okay, dann hat halt wer anders Haustiere und dementsprechend Haare an den Klamotten, das lässt sich nicht vermeiden. Ich schneuzte also vor mich hin und achete auf meine Atmung, der es aber gut ging. Bis kurz nach dem Abendessen, als plötzlich eine Katze im Raum stand. Und dazu auch noch eine total hübsche, ganz schwarz, wohlgenährt und superelegant. Ich ließ sie einmal durch den Raum gehen, guckte, wie’s mir ging, erst ging’s gut, aber dann merkte ich doch, dass ich mal dringend zum Asthmaspray greifen sollte. Ich googelte kurz nach Verbindungen mit Öffis, da wäre sogar noch eine gewesen, die ich locker geschafft hätte, denn jetzt wollte ich doch sehr an die frische Luft, aber natürlich brach dann doch die halbe Familie auf, als ich meinte, ich würde jetzt schnellstmöglich loswollen bzw. -müssen. Ich zog mir kaum die Stiefel richtig an, weil ich im unteren Stockwerk, wo Jacken und Schuhe waren, ich aber den ganzen Nachmittag nicht hingemusst hatte, noch schlechter Luft bekam – da war die Katze nämlich schon länger unterwegs gewesen, die sonst eigentlich Freigänger ist. So stand ich extrem überstürzt mit offenen Stiefeln, aber viel frischer Luft in den Lungen, herrlich! vor der Haustür, während alle anderen sich länger verabschiedeten. Ich nahm nochmal Spray, und im Auto war ich dann völlig erschöpft. Die Atemnot war so überraschend gekommen und der Aufbruch dann, in meinem Fall, so hektisch, dass ich mich anscheinend total aufgeregt hatte, ohne es mitzubekommen. Ich schleppte mich dann von der U-Bahn nur noch nach Hause, warf die Klamotten in die Waschmaschine, duschte kurz und fiel sofort ins Bett.

Heute bin ich total matschig, aber nicht so angenehm matschig wie nach einem Sporttag oder einer gewollten Anstrengung, sondern einfach nur angeschlagen. Blöde hübsche Katze. Wegen dir ist mir der Nachtisch entgangen, der bestimmt auch super gewesen wäre!

PetitsMO

Das Musée d’Orsay hat eine neue zusätzliche Website erstellt, laut ihrem Tweet für Kinder. Oder für Menschen wie mich, die nicht so gut Französisch sprechen. Oder für Menschen, die sich Kunst mal auf eine sehr einfache und spielerische Weise nähern wollen. Bitte mal rüberklicken da, ist sehr schick gemacht.

Kulenkampffs Schuhe

Falls jemand von euch den ausgezeichneten Film im Sommer verpasst hat – er ist jetzt wieder in der Mediathek. Ich bloggte im August darüber.

(via meine halbe Timeline)

Tagebuch Freitag, 14. Dezember 2018 – Weihnachtsbaum gekauft

Pünktlich am Schreibtisch gesessen, aber eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass nichts mehr kommt. Falsch gedacht, um kurz vor 11 trudelte noch eine Textanfrage rein, an die ich mich gleich setzen konnte. Vorher hatte ich meinen Arbeitsplatz schon hochprofessionell in Weihnachtsstimmung versetzt.

Die kleinen Kugeln habe ich vor 100 Jahren mal bei Ikea gekauft und sie hingen nie an irgendeinem Baum. Aus nicht nachvollziehbarer emotionaler Verbundenheit und weil sie in der Weihnachtskiste quasi null Platz wegnehmen, habe ich sie nie weggeschmissen. Das kam mir endlich in diesem Jahr zugute: Die kleinen goldenen Kugeln lagen schon auf meinem Adventskranzteller, und jetzt durften auch die roten mal an die frische Luft.

Nachdem der kurze Textjob erledigt war, konnte ich mein Mittagspausenvorhaben erledigen: einen Weihnachtsbaum kaufen. Ich kaufe den seit Jahren beim gleichen Stand, weil der an der Nähe einer Bushaltestelle liegt; so kriege ich meinen Baum nach Hause, ohne ihn kilometerweit tragen zu müssen. Der bairisch plaudernde Herr erzählte mir bestimmt was total Wichtiges, aber ich verstand wie immer so gut wie nichts, außer dass der Baum aus Dänemark kam und das Plastiknetz dieses Jahr einen Euro kosten würde. Ist mir recht. Dann sägte er mit einer Playmobilkettensäge – die war so winzig, ich wusste nicht, dass es so kleine Kettensägen gibt! Die hätte vermutlich in meine Handtasche gepasst – noch einen Zentimeter vom Baumstamm ab, damit ich einen sauberen, glatten Stumpf hätte. Dankeschön.

Zuhause angekommen stellte ich den Baum in die Bibliothek und ließ ihm ein bisschen Zeit zum Eingewöhnen. Eigentlich schmücke ich meinen Baum immer erst einen Tag vor Heiligabend – bei uns zuhause wurde der erst am Heiligabend selbst geschmückt, früh morgens, wenn wir Kinder es eh nicht mehr im Bett ausgehalten haben –, aber in diesem Jahr hatte ich Lust auf mehr Zeit mit meinem Baum. Wie ich inzwischen weiß, ist das völlig okay, den geschmückten Baum in Bayern (Süddeutschland generell?) bis zum Dreikönigstag am 6. Januar rumstehen zu lassen. Das bringe ich bis heute nicht über mein norddeutsches Herz: Spätestens Silvester kommt er weg. Daher nehme ich mir die Tage, die mir eigentlich am Ende der Baumzeit zustehen, einfach jetzt.

Dieses Jahr ist er passend zur neuen Wohnung in blau und gold geschmückt. Ich hatte mir am Anfang meiner Münchner Zeit mal grüne Kugeln gekauft, die zu meiner damaligen Wohnung passten – die passen jetzt lustigerweise auch noch. Willkommen für die nächsten zwei Wochen in meinem Heim, blaugrüngoldenes Bäumchen.

Abends stellte ich mich wieder an den Herd, ich hatte ein bisschen Tiefkühlfisch auftauen lassen. Und so wie ich vor einigen Tagen vom Blockhouse Abschied genommen habe, weil mir die Steaks nicht mehr gut genug geschmeckt haben, um für sie Geld ausgeben zu wollen, tat ich das gestern von TK-Fisch. Obwohl ich ihn vernünftig gewürzt hatte, gefiel er mir weder in der Optik noch im Geschmach mehr so recht, und ich werde mich dann mal auf die Suche nach einem Fischhändler machen müssen.

Mit dem Rest des zu schnell fotografierten Tellers bei fiesem Küchenlicht war ich größtenteils zufrieden: In Zwiebeln in allen Formen könnte ich mich reinlegen und in Erbsen auch. Das Püree hätte ich allerdings gerne noch feiner gehabt; ich habe es schon durchs Sieb gestrichen, aber ich glaube, nächstes Mal nehme ich das ganz feine Sieb. Vielleicht kriege ich dann auch endlich mal diesen schönen Strich hin, den ich auf professionellen Tellern so gerne mag. Also: Püree auf den Teller, Esslöffelunterseite rein und nach unten ziehen. Dabei sollte es weniger stückig aussehen als bei mir und vor allem etwas gleichmäßiger, nicht so ein Klops oben und ein dünnes Ende unten. Ich übe das weiter.

Dafür war das Kartoffelgratin wie immer ein Traum, aber dabei kann man ja eigentlich auch nichts falsch machen. Dazu gab’s den restlichen Tempranillo vom Mittwoch.

Relativ früh im Bett gewesen, leider alleine, aber dann doch noch zwei Stunden gelesen. Ich mag so ruhige Tagesausklänge sehr.

Der beste Polo-Spieler der Welt reitet auf Klonen

Die Überschrift sagt alles. Ich war trotzdem erstaunt. Über Dolly, das rumstehende Schaf, denke ich gar nicht mehr nach, aber die Pferdeklone haben mich dann doch irgendwie unangenehm berührt.

„Adolfo Cambiaso wusste im Dezember 2006 sofort, dass etwas Schlimmes passiert war. Er hatte gespürt, wie das Bein des Pferdes unter ihm nachgegeben hatte. Er sprang aus dem Sattel und vergrub das Gesicht in den Händen. Dann sagte er: «Tut alles, um dieses Pferd zu retten.» Damals wusste er nicht, was «alles» bedeuten sollte. […]

«Ich hatte einen Geistesblitz, kurz bevor wir ihn einschläferten. Ich dachte: Vielleicht können wir ihn irgendwann klonen.» Er habe den Tierarzt aufgefordert, ein Stück der Haut des Hengstes abzuschneiden und einzufrieren. Später erzählte Cambiaso den Brüdern, den Eltern und seiner Frau, was er getan hatte. Und dass er vorhabe, den Hengst zu klonen. Sie raunten: «Adolfo, du spinnst.» […]

Das Pferd Cuartetera B02 ist inzwischen acht Jahre alt. Es steht im Stall von Cambiasos Ranch – Box an Box mit sieben anderen Klonen von Cuartetera. Alle haben ein dunkelbraunes Fell und haben eine Nummer von 1 bis 9. «Sie brauchen keinen eigenen Namen», sagt Cambiaso, «sie sind Cuartetera.»

Die Stuten sehen sich ähnlich, aber es gibt Unterschiede. So, wie es auch bei eineiigen Zwillingen Differenzen gibt. B02 hat einen weissen Fleck auf der Stirn, B06 in der Box daneben hat zwei. Die Stuten sind zwei von 120 Klonen, die auf der Ranch bisher zur Welt gekommen sind – viele wurden im Auftrag von Kunden geklont. Die Klone unterscheiden sich auch im Charakter.

Etwas weiter hinten im Stall steht B09, den Kopf zur Wand gedreht. Hühner wuseln um ihre Beine. «Sie ist die Beste, hat schon viele Preise gewonnen», sagt Cambiaso. Auf dem Spielfeld sei immer auf B09 Verlass, abseits davon sei sie ein nervöses Pferd – im Gegensatz zu den anderen Klonen. Um sie zu beruhigen, haben die Stallburschen Hühner zu ihr in die Box gesetzt. Seither sei sie ausgeglichener, sagt Cambiaso. Die Reihe der Cuertetera-Klone ist nicht komplett. Eine Stute fehlt. B08 ist vor zwei Jahren gestorben. Woran, ist unklar.“

(via @heinzkamke)

Trump Kicks Away Obama Traditions Even at the Dinner Table

Die Koch- und Essgewohnheiten im Weißen Haus faszinieren mich schon länger. 2009 las ich eine Art Biografie von Walter Scheib, der ab 1994 für die Clintons und anfänglich auch für die Bushs gekocht hatte. Danach verfolgte ich etwas missmutig Michelle Obamas „Let’s Move“-Kampagne, damit Kinder bloß nicht dick würden, mochte aber die Idee des Gemüsegartens auf dem Rasen des Weißen Hauses. Was aus ihm geworden ist, steht auch in diesem Artikel. Wobei ich die Headline latent doof finde, denn auch Bill Clinton war nicht unbedingt ein Gourmet. Muss man ja auch nicht sein als Politiker*in.

„His first meal as commander in chief was an overcooked steak with ketchup, which set off a minor freakout among food critics. Local restaurants waited in vain to serve a new president, who they soon discovered prefers burgers and the White House meatloaf at home.

Of the myriad Obama administration policies and practices that have been upturned by Mr. Trump, his approach to dining and nutrition is clearly not the most significant. But it has left a notable mark on the culture of the White House and the nation’s capital.

Gone are the days of local chefs parading through the East Wing, running cooking demonstrations on the South Lawn or making sweet potato agnolotti for a White House state dinner. A culinary diplomacy program at the State Department has been closed. Beyond the White House gates, Trump administration officials have increasingly found themselves in the cross hairs of liberal rage while dining out.“

Nützliche Katastrophen

Die Goldenen Zitronen haben ihr neues Video in der Hamburger Kunsthalle gedreht. Bei 1:04 ist mein geliebter Leibl kurz als Detail zu sehen.