Sugar Swirl Cookies oder wie ich sie nenne: HYPNOKEKSE

Das Rezept landete vor Kurzem in meiner Twitter-Timeline. Seit ich entdeckt habe, dass die lustigen Tasty-Videos auch auf Twitter rumwirbeln, gibt es für mich überhaupt keinen Grund mehr, auf Facebook zu gehen, wo ich bisher nur noch dafür dort rumlungerte. Für die Kekse hielt ich mich nicht an die genannten Zutaten, sondern an die üblichen für meine Mürbeteigkekse, aber dafür an das immer hilfreiche Zubereitungsvideo. Zumindest halbwegs.

Für ein Blech bzw. 16 bis 20 recht dicke Kekse, je nachdem, wie geschickt ihr ausrollt und platziert. Bei mir sind 17 rausgekommen.

250 g Mehl, Type 405, mit
125 g Kristallzucker und
1 EL Vanillezucker (optional) mischen, zu einem Berg auf der Arbeitsfläche formen. Eine Mulde in der Mitte eindrücken.

In diesen Berg
125 g kalte Butterstücke verteilen. In die Mulde
1 Ei aufschlagen.

Mit einem großen Messer alles schnell durchhacken und dann verkneten, möglichst mit kalten Händen. Der Teig sollte so wenig Wärme wie möglich mitkriegen, sonst wird er zu breiigem Matsch bzw. zu miesen Keksen. Den fertigen Teig in zwei gleiche Teile teilen. Ich konnte einen gleich weiterverarbeiten, aber wenn ihr das Gefühl habt, der Teig ist schon arg weich, werft einfach beide Teile in Klarsichtfolie eingeschlagen kurz in den Kühlschrank; fünf Minuten reichen. Ich legte, wie gesagt, nur einen eingewickelten Teigteil in den Kühlschrank, den ich schon grob zu einem dicken Rechteck geformt hatte.

Den ungeformten Teigteil auf Klarsichtfolie legen. Auf den Teig
Lebensmittelfarbe tropfen oder, falls fest, verteilen, Menge je nach Packungsanleitung. Bei mir war es rote Farbe, ein knapper Teelöffel, wie man auf dem miesen Winterlichtbild noch halbwegs erkennen kann. Den Teig, am besten mit Einweghandschuhen, nun kurz kneten, damit er überall Farbe annimmt. Wie ich bei diesem Arbeitsschritt gemerkt habe: Wenn man ihn nicht konsequent durchknetet, bleibt er marmoriert – das stelle ich mir ausgebacken auch ganz hübsch vor.

Den bunten Teig zu einem kleinen Rechteck formen, mit Backpapier belegen und zu einem großen Rechteck ausrollen. Den ungefärbten Teig aus dem Kühlschrank holen, auf der Klarsichtfolie lassen, mit Backpapier belegen und ebenfalls zu einem Rechteck ausrollen, möglichst so groß wie das bunte.

Die beiden Teigteile vom Backpapier befreien. Einen Teigteil auf den anderen legen, dabei die untere Klarsichtfolie dranlassen. Mit Hilfe dieser beide Teigteile zu einer Rolle formen. Wer mag, rollt die Rolle noch durch ein Backblech voller bunter
Zuckerstreusel. („Rollt die Rolle“ wird mein Kampfschrei, falls ich jemals eine Armee haben sollte.) Die bunte Rolle in Klarsichtfolie für eine Stunde im Kühlschrank parken.

Den Ofen auf 200 Grad Ober- und Unterhitze vorheizen.

Von der gekühlten Rolle mit einem scharfen Messer Kekse abschneiden. Ich habe mich bei der Dicke der Kekse – fast einen Zentimeter – auch an das Video gehalten, bei dem der Teig aber, soweit ich das beurteilen kann, eine weichere Konsistenz hatte; vielleicht kann man den nicht dünner schneiden. Ich behaupte, mein Rezept geht auch dünner. Dann reichen zehn Minuten Backzeit, bei den dickeren gestern habe ich sie 15 Minuten im Ofen gelassen.

Auf die Streusel werde ich nächstes Mal vermutlich verzichten, so schick fand ich sie dann doch nicht. Aber jetzt wo ich weiß, wie gut die rote Farbe das Backen übersteht, werde ich gnadenlos die blaue und die grüne antesten. ALL GLORY TO THE HYPNOTOAD!

Was schön war, Mittwoch, 28. November 2018 – Nett ist nicht die kleine Schwester von scheiße!

Der gestrige Tag war nämlich nett. So rundrum.

Zwei Minuten vor dem Wecker aufgewacht, was ich immer als perfekt empfinde: Ich bin rechtzeitig wach, aber von alleine und nicht, weil neben mir ein akustisches Feuerwerk losgeht. Der Milchschaum zum Kaffee war sehr gut, nicht perfekt, aber sehr gut. Ab 9 habe ich brav am Schreibtisch gesessen, vernünftig angezogen und nicht in Schlumpfklamotten, genau wie schon Dienstag, weil ich gerade wieder ganztägig gebucht bin. Sogar in Jeans und nicht in Leggings, weil ich auf den Postboten gewartet habe, der natürlich erst dann kommen wird, wenn ich wieder in Schlumpfklamotten auf dem Sofa liege.

Mittags hatte ich einen Kundentermin mit einer Dame, die nicht aus München kommt, aber für einen anderen Termin in der Stadt war und man könne sich doch mal kennenlernen (wir haben bisher nur per Mail oder Telefon kommuniziert). Ich schlug ein Café vor, aus Gründen wurde es ein anderes, nämlich das Café Glockenspiel direkt am Marienplatz, von dem man, wenn man Glück hat, einen totalen Panoramablick aufs Rathaus hat.

Zum Café fährt man in den fünften Stock und lässt sich platzieren, denn es ist immer voll. Unglaublicherweise bekamen wir ernsthaft einen Fensterplatz, zwar ganz in der Ecke, aber FENSTERPLATZ! Die Kundin setzte sich auf die Bank an der Wand und so hatte ich den Stuhl AM FENSTER! Das musste ich natürlich total professionell erstmal instagrammen, aber halt nur fix aus dem Handgelenk, daher sind die Bilder weder entzerrt noch irgendwie auf irgendwas fokussiert. Scheißegal, von oben auf was runtergucken! Supi. Ich musste mich eine Stunde lang irrwitzig zusammenreißen, um nicht ständig den Blick von den Unterlagen oder der Gesprächspartnerin abzuwenden, weil ich so gerne weiter aufs Rathaus geguckt hätte, das ich aus dieser Höhe halt sonst nie sehe. Man läuft dann ja doch eher unten rum und guckt um 11 Uhr ruckartig nach oben, wenn das Glockenspiel losgeht bzw. wenn einem die ganzen Reisegruppen plötzlich im Weg stehen. (Momentan steht einem der Weihnachtsmarkt im Weg.)


Das Meeting war nett, auch wenn ich mir etwas albern dabei vorkam, an einem engen Zweiertisch meinen Laptop aufzuklappen und in den Cafélärm hinein Ideen zu präsentieren. Immerhin waren ein paar gute Ideen dabei, und damit hatte ich gestern nachmittag überraschend frei, weil ich jetzt erstmal auf anständiges Feedback warten soll anstatt noch eine Runde auszudenken.

Diese überraschende Freizeit nutzte ich selbstverständlich dazu, auf dem Sofa zu sitzen und ins Internet zu gucken, wo die neue Folge Masterchef – The Professionals bereitlag. Ich erwähnte die Sendung mit ihrem Skills Test schon einmal, wo ausgezeichnete bzw. in dieser Staffel auch Michelin-besternte Köch*innen erstmal vorkochen, was sie von ihren unvorbereiteten Kandidat*innen dann nachgekocht haben wollen. Gestern gab’s zunächst Tortellini mit Sauce chasseur – oder wie ich inzwischen weiß: Jägersauce. Vor allem weiß ich jetzt, wie man die anständig kocht. Tomaten! Da sind Tomaten drin! Noch nie aus der Pilzpampe rausgeschmeckt, die man in Landgasthöfen gerne mal aus der Dose übers Schnitzel kriegt. Jedenfalls schaute ich fünf Minuten lang Marcus Wareing dabei zu, wie er entspannt Nudelteig ausrollte und Tortellini mit einem Wurstbrät füllte, Schalotten zerkleinerte, die Sauce abschmeckte und schließlich einen eher rustikalen, aber doch feinen Teller servierte. Das klingt komisch, ich weiß, aber es machte mir eine solche Freude, ein schlichtes Gericht scheinbar perfekt und ruhig zubereitet vor mir zu sehen, auch wenn ich es nicht riechen oder schmecken konnte. Es war schlicht schön, jemandem bei etwas zuzuschauen, was er anscheinend verdammt gut kann. Mir gefällt an dieser Staffel besonders, dass die Kandidat*innen keinen komplett ausgefallenen Kram nachbauen müssen, sondern Dinge, die ich auch selbst hinkriegen würde. Nie in der Schönheit und vermutlich erst recht nicht in der Tiefe des Geschmacks, aber das ist Alltagsküche, wenn auch gehobene. Ich fand das alles sehr schön. (Und danach lernte ich, was Austern Rockefeller sind, was eher keine Alltagsküche ist.)

Den Abend verbrachte ich in äußerst angenehmer Gesellschaft im Obacht, einem kleinen Lokal in meiner Nachbarschaft, das sich auch bewusst als Nachbarschaftskneipe etabliert hat. Kein Schnickschnack, simples, aber gutes Essen, natürlich das beste Bier der Stadt und dazu, für mich immer ein wichtiges Kriterium, bequeme Sitzgelegenheiten. Wie ich gestern zum ersten Mal bemerkte, hat der Laden noch einen Vorteil bzw. eine totale Nettigkeit, die bei mir Sympathiepunkte bis ganz weit oben bringt: Auf dem Damenklo stehen nicht nur Handcreme und Deo rum, sondern es liegen auch Tampons aus. Für lau. Weil der Laden halt nett ist.

Kürbisgnocchi

Es ist Herbst, ich habe einen Kürbis, aber keine Lust auf die ewige Suppe. Nicht, dass mir die nicht schmeckt, ganz im Gegenteil, aber gestern wollte ich auf irgendwas rumkauen. Ich googelte nach Kürbisgnocchi und fand diverse Rezepte, die gerne zum Kürbisfleisch noch Kartoffeln oder Kartoffelpüreeflocken aus der Tüte haben wollten. Dieses in Internetjahren uralte Rezept (2011!) von Juliane wollte Polenta, was für mich sehr gut klang. Nachgebastelt und zum Selbernachbasteln empfohlen.

Für eine recht ordentliche oder zwei sparsame Portionen

300 g Hokkaido-Kürbis vorbereiten. Das heißt: Kürbis halbieren, Kerne und Fruchtfleisch mit einem Löffel rausschaben und in Spalten, dann in grobe Stücke schneiden und davon 300 Gramm abwiegen. Ich habe den Kürbis auch noch geschält; muss man bei Hokkaido nicht, hab ich trotzdem gemacht, weil ich mich an manche Schalenstücke in Suppen erinnerte, und da habe ich den Kürbis sogar noch püriert. Das wollte ich hier nicht machen, obwohl es im Originalrezept angegeben ist. Den Kürbis im auf 200 Grad vorgeheizten Ofen für 25 bis 30 Minuten backen. Er sollte weich sein, aber noch nicht matschig. Ich habe die Stücke dann mit meinem Kartoffelstampfer zu Mus verarbeitet, aber eben nicht zu recht flüssigem Püree.

Das Mus mit
etwas Muskatnuss und
ordentlich Salz würzen.
1,5 EL Polenta unterrühren, dann nach und nach
100 g Mehl, bei mir Type 550. Ich habe möglichst wenig gerührt, sondern immer nur so, bis ich kein Mehl mehr gesehen habe.

Alles zusammen ergibt einen nicht wirklich festen Teig, deswegen wollte ich ihn so wenig anrühren wie möglich. Kneten geht eh nicht. Den Teig für 30 Minuten im Kühlschrank parken, bis er halbwegs abgekühlt ist.

Danach halbieren und zu zwei Strängen mit circa einem guten Zentimeter Durchmesser ausrollen. Rollen heißt in diesem Fall: mit den Händen vorsichtig über die sehr gut bemehlte Arbeitsfläche schubsen, bis sich eine Rolle bildet. Wie gesagt: weicher Teig.

Aus der Rolle ein bis zwei Zentimeter breite Stücke abschneiden. Bei mir waren die Stücke größer, weswegen auf dem obigen Bild alles ein bisschen sehr rustikal aussieht. Wer mag, drückt die Stücke mit einer Gabel etwas platt, damit sie ein Muster bekommen. Sie über die Gabel zu rollen, habe ich nicht mal versucht. Weicher Teig. (Ich sage das nur so oft, weil bei so ziemlich allen ergoogelten Rezepten immer irgendwer in den Kommentaren von dieser Tatsache total überrascht ist.)

Die Gnocchi in kochendem Salzwasser garen, bis sie an die Oberfläche treiben. Das dauert knappe fünf Minuten.

Ich habe sie danach noch kurz in Butter angebraten. In der Butter waren schon ein paar Pinienkerne, und als ich die Gnocchi herausgehoben habe, durfte noch ein bisschen Spinat in ihr zerfallen. Pfeffer und Parmesan drüber und servieren.

Was schön war, Montag, 26. November 2018 – Wohnung adventsfein machen

Den Vormittag verbrachte ich mal wieder und hoffentlich vorerst das letzte Mal bei Ikea, um jetzt doch noch ein paar Lampen zu erstehen. F. hatte mir angeboten, am kommenden Samstag den Handwerker zu spielen, wenn er Arbeitsmaterial hätte, und wenn ich darum herumkomme, mit meinem Wackelfüßchen auf einer Leiter zu stehen und freihändig Löcher in Decken bohren zu müssen, besorge ich Arbeitsmaterial, bis die Schwarte kracht. Jetzt liegen hier also noch vier Lampen, die an vier Decken müssen.

Außerdem steht hier jetzt eine Art Adventskranz in der Küche: Ikea hatte schlichte weiße Kerzen, die von 1 bis 4 nummeriert waren. Die stellte ich gestern auf einen meiner goldenen Dekoteller und legte noch ein paar Tannenbaumkugeln drumherum, fertig war der kostengünstige Wohnungsschmuck.

Eigentlich war meine Tasche mit den vier Lampen und den verfickten 15 üppig verpackten und null platzsparenden Leuchtmitteln schon arg voll und schwer, aber an den Kerzen konnte ich nicht vorbeigehen (dafür an allen anderen!). Außerdem hatte ich mir einen Lichtervorhang aus Sternen auf den Einkaufszettel gepackt, den ich immerhin im Rucksack verstauen konnte. Etwas in der Art hatte ich schon einmal, und ich mag das Licht von den Dingern sehr gern.

Voll bepackt gondelte ich mit Bus, S- und U-Bahn wieder nach Hause bzw. kaufte am Hauptbahnhof auch noch mein Lieblingsbrot. Und zwei Vanillekrapfen als Belohnung fürs Schleppen.

Zuhause angekommen war ich sehr motiviert, noch weiteren Kram zu erledigen, den ich seit Wochen vor mir herschob und ging daher, nachdem ich die Einkäufe in der Wohnung verstaut hatte, in den Keller. Dort schnappte ich mir die Reste der weißen und blauen Farbe, um damit die letzte Ecke im Arbeitszimmer zu streichen. Dort hatte ich nämlich um die weiße Heizung herum bewusst einen deutlich sichtbaren Abstand gelassen und sogar eine halbwegs ordentliche Kante produziert. Mir ging dieser weiße Raum aber doch immer mehr auf den Zeiger, je länger ich auf ihn schaute, und so strich ich gestern eine weitere Kante mit weiß vor, die knapp hinter der Heizung liegt, ließ es trocknen und strich dann mit blau den bisherigen Weißraum farbig. Jetzt sieht es fast so aus, als würde der Heizkörper auf blau sitzen und das gefällt mir sehr gut.

Anschließend bastelte ich mir aus Kabelbindern Haken, die ich an meine Gardinenstange über dem Balkonfenster anbrachte, woran ich dann den Sternenvorhang befestigte. Mein Schreibtischmainzelmännchen Det (Brillenträger-Crush) und ich finden das bisher sehr gemütlich.

Mittendrin sagte mir eine Kundin einen weiteren Job zu, was mich sehr freute, denn das fühlte sich an, als ob ich die gestrigen Ausgaben gleich wieder drin hatte.

Den Abend verbrachte ich vor der ersten Folge einer arte-Serie, in der Prominente ihre Lieblingsmuseen bzw. ein paar Werke darin vorstellen. Ich freute mich über ein Wiedersehen mit dem Prado, meinem Lieblingsmuseum, aber so richtig überzeugt hat mich die Serie nicht. Vielleicht ist es die Nervigkeit des tätowierten Kunsthistoriker-Moderators (fangen nach den Köchen jetzt auch noch wir mit dem großflächigen Kram an?) oder sein sinnloses Agieren an ebenso sinnlosen Steampunk-Monitoren, vielleicht auch die Tatsache, dass wieder die Werke gezeigt wurden, die eh jeder im Prado kennt. Ich habe durchaus noch etwas lernen können und alleine für das Wiedersehen mit den Goyas war es meine Zeit wert, aber die Darbietungsform war nicht so meine. Vielleicht schaut ihr einfach selbst.

Was schön war, Sonntag, 25. November 2018 – Sofatag

Gestern habe ich nichts gemacht. Also nichts im Sinne von: Ich habe genau das gemacht, was ich machen wollte. Morgens die erste Kanne Tee gekocht, vom Bett aufs Sofa gewechselt, Feuchtwanger gelesen, ein, zwei Serienfolgen geguckt, weiter gelesen, noch eine Serienfolge, irgendwann zum standesgemäßen Mittagsschlaf weggenickt (vermutlich bei einer Serienfolge), nächste Kanne Tee gekocht, zwischendurch ein paar Brote mit wahlweise Aprikosenkonfitüre oder Käse gegessen, gelesen, geguckt, Candy Crush gespielt, abends die Küche wieder auf Vordermann gebracht (aka Krümel wegwischen und abwaschen), am späten Abend kam F. vorbei und es gab noch ein Bierchen zum Gespräch am Küchentisch. Gemeinsam eingeschlafen.

Hervorragender Tag.

This User-Friendly Menstrual Cup Is What Happens When Design Is Inclusive

Generell eine schlaue Idee: auf Menschen hören, die nicht dem Standardaussehen entsprechen und die Standardfähigkeiten haben.

„The whole thing started with Jane Adame cursing to herself in the bathroom. “It has a very unglamorous origin,” said Adame. “Just standing in the bathroom swearing and injuring myself.”

Adame was trying to remove a menstrual cup—a small reusable cup to catch blood—and it wasn’t going well. A menstrual cup sits inside the vaginal canal, and if it’s properly sized it should snugly hug the wall of the vagina. But that means in order to get the cup out, users have to be able to get their hand up into their vagina, deftly pinch the cup, and slowly pull it out, all without spilling the contents. Adame has Ehlers-Danlos syndrome, a connective-tissue disorder that often makes people’s joints unstable. When trying to take out the used cup requires a fair amount of both wrist flexibility and hand strength, Adame risks dislocating her joints. Not exactly something you ever want, but especially when you’re trying to remove a container of blood from your body without spilling.

Here at Design Bias, a lot of what I do is tell you about how badly things are designed. For this installment of the column, I’d like to show what’s possible when previously excluded voices are included in the design process. Because that’s exactly what Adame, and the cup she invented, represent.“

(via @hanhaiwen)

Jeden Tag eine gute Tat.

Tagebuch Samstag, 24. November 2018 – Fuppesfrust

Morgens bei F. konnten wir nicht so lange rumlungern, wie zumindest ich es gerne gehabt hätte, weil der Herr einen Termin hatte. Also ging ich einkaufen, dann erst nach Hause, kochte Tee und las auf dem Sofa vor mich hin, bevor ich mich in den Zwiebellook fürs Stadion zwängte. Unter Shirt und Pulli kam das Thermooberteil, in dem ich walke, denn das speichert Wärme ganz ausgezeichnet, unter die Jeans kamen die Thermotights, bei denen „tight“ wirklich „tight“ meint. Falls ich jemals wieder eine lange Flugreise machen werde, gehen die bestimmt auch als Kompressionsstrumpf durch. Sind aber trotzdem top bequem. (Ich verlinke mal wieder Nike, die gute Sportbekleidung auch für dicke Menschen anbieten und dafür auch etwas kräftigere Damen als Models engagiert haben.)

Gestern fuhr ich ausnahmsweise ohne F. nach Augsburg ins Stadion, hatte also keinen Gesprächspartner für die 40-minütige Zugfahrt. In meine dicke Winterjacke passt zwar ein Taschenbuch in die Innentasche, ich lese aber nun mal gerade den dicken Feuchtwanger und hatte keine Lust auf alle meine eBooks, die ich auf dem Handy mit mir rumtrage. Also stopfte ich mir 800 Seiten große Literatur in die Seitentasche und in die andere meinen eingerollten FCA-Schal. Der bleibt bis Augsburg in der Jacke, seit ihn mir in München mal ein schlecht gelaunter Blauer wegreißen wollte. Ich war netterweise in breitschultriger Begleitung und habe daher meinen Schal noch. Aber ganz ehrlich: Wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich ihn locker hergegeben. Wenn dem Idioten dabei einer abgeht, ein Stück Textil zu klauen, dann bitte. Meine Verachtung für sein armseliges Leben ist ihm sicher, und ich kaufe mir einfach einen neuen Schal. (Fußballrituale können so erzdämlich sein.)

Auf der Fahrt selber saß ich dann quasi inkognito hinter einigen Herren, die sich teilweise als Eintracht-Frankfurt-Fans zu erkennen gaben (oder an ihren schwarzweißen Schals erkennbar waren), teilweise als Bayernfans, die die Karten fürs Spiel #FCASGE gewonnen hatten. Der Frankfurtfan meinte, sie hätten Augsburg in zehn Spielen nie schlagen können; wenn nicht heute, mit dieser Mannschaft, wann dann? Die Bayernfans beglückwünschten ihn bzw. seine Mannschaft nochmal zum Pokal, und alle waren nett zueinander. Ich kannte die Statistik der letzten zehn Spiele gar nicht und war von Augsburg beeindruckt.

Leider nicht sehr lange.


(Hinter meiner Hand oben links im Bild geht gerade die Sonne hinter dem Stadion unter. Ich habe die mal nicht weggeschnitten, damit ich mich selber daran erinnere, dass ich im Winter keine Sonnenbrille im Stadion brauche, weil die Sonne pünktlich zum Anpfiff nicht mehr blendet.)

Der Kids Club drehte vor dem Spiel seine übliche Ehrenrunde, wie immer auch mit Kindern der Gastmannschaft, was netterweise stets dazu führt, dass die sonst unerbittlich pfeifenden Gegnerfans mal drei Minuten Ruhe geben und kleinen Kindern winken, wie der Rest des Stadions auch. Ich mag das sehr.

Dann gab’s allerdings kaum noch was, was ich mochte. Der FCA kassierte nach 51 Sekunden das erste Gegentor, nach 46 Minuten das zweite, an das dritte kann ich mich nicht erinnern, und bis auf die zwei Minuten nach dem 1:3 in der 91. Minute hatte ich auch nie das Gefühl, dass Augsburg Herr auf dem eigenen Platz war. In der ersten Halbzeit ließ ich mich ab und zu zum Pöbeln hinreißen, weil ich so stinkig war, in der zweiten saß ich nur ergeben in unser Schicksal rum und wartete, bis endlich der Abpfiff kam. Nach dem 0:3 dachte ich ganz kurz darüber nach, schon zu gehen und einen früheren Zug zu nehmen, aber das macht man ja bekanntlich nicht. (Fußballrituale können so erzdämlich sein.) So sah ich immerhin noch ein Tor vom FCA, wollte aber nach dem Spiel wirklich dringend nach Hause. Das war extrem anstrengend beim Zugucken, weil der Mannschaft quasi alles fehlte, was sie beim Spiel gegen zum Beispiel Dortmund noch so aufregend gemacht hatte. Gefühlt kam ein Pass von zehn an, alle wollten es wieder irre kompliziert machen, und wenn es jemals eine Vereinsgeschichte geben sollte, müsste ihr Titel „JETZT LASST DOCH MAL DIE SCHEISS QUERPÄSSE!“ lauten. Die Statistik weist Augsburg leider als Kloppertruppe aus, aber nicht mal diese *hust* Stärke konnten sie gestern aus*hust*spielen, weil Frankfurt cleverer foulte und der Schiedsrichter für mein Gefühl irre viel durchgehen ließ (aber für beide Mannschaften – auch nur gefühlt).

Immerhin war ich schnell bei und in der Tram und schaffte es noch zum frühen Zug um 18.08 Uhr anstatt auf den um 18.42 warten zu müssen. Der Zug war leider ein kurzer und dementsprechend voll, aber netterweise bot mir ein FCA-Fan seinen Sitzplatz an. Sehe ich schwanger aus? Hat Dicksein ungeahnte Vorteile? Oder war der Kerl einfach nur nett? Egal, ich saß. Die ältere Dame neben mir meinte weise: „Wenn die Fans so leise in den Zug kommen, ahnt man immer schon, wie das Spiel war. Verloren?“ Ich berichtete und grinste innerlich darüber, dass die Dame anscheinend die Horde grölender Eintrachtfans zwei Wagen hinter uns nicht gehört hatte. Vor denen hatte ich auf dem Bahnsteig ein bisschen Angst gehabt. Ich mag größere Männergruppen generell nicht, noch weniger mag ich sie bei Fußballspielen (sorry, Jungs) und am allerwenigsten, wenn sie auch noch Bier intus haben. Ich verstehe nicht, dass beim FCA nicht nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt wird. Klar tanken alle vorher schon, aber das wäre immerhin eine kleine Möglichkeit, Dinge etwas besser im Griff zu haben.

Neben mir im Zweiersitz hatte es sich ein Frankfurtfan mit seinem kleinen Sohn bequem gemacht, der den umstehenden FCA-Fans begeistert erzählte, dass er vier sei und heute zum ersten Mal im Stadion und wie toll alles gewesen wäre und so weiter und so fort. Die FCAler klönten gemütlich mit, und so fand dann doch eine kleine Fanverbrüderung statt und ich konnte einfach nicht mehr stinkig sein.

Das wurde ich dann in der U-Bahn vom Bahnhof nach Hause, als ernsthaft wieder jemand über den FCA-Schal lästerte, den ich vergessen hatte, wieder in die Tasche zu stecken. Irgendein Trottel textete erst mich und dann seine immerhin komplett unbeeindruckte Freundin voll, dass ich mich wohl verfahren hätte, Augsburg würde hier nicht spielen, was für eine Scheißstadt und er hätte mal einem FCA-Fan in München den Schal geklaut und yadayadayada und dann ging ich einfach weg, weil ich gerade wieder gute Laune gehabt hatte. Vollpfosten. Kein Wunder, dass so viele Leute Fußballfans scheiße finden. Ich finde uns manchmal auch scheiße.

Was schön war, Freitag, 23. November 2018 – Ungeplantes

Ich ließ mich um 7 vom Wecker wecken, um bloß nicht zu spät zu einem Termin zu kommen, anstatt wie in den letzten Tagen luxuriös einfach irgendwann zwischen 7 und 8 von alleine aufzuwachen. Der morgendliche Flat White war in Teilen hervorragend (Espressobohnen aus dem Wiener Caffé Couture) und in Teilen scheiße (Milch blieb auch nach liebevollstem Schäumen Milch und ließ sich nicht mal zu Fluff überreden). Ich korrigierte den am Abend vorformulierten Blogeintrag und war sehr damit zufrieden. Dann packte ich Exil von Feuchtwanger in meinen Rucksack, in dem ich gestern früh auf Seite 530 von 850 war. Ich bin jetzt in der Ecke des Buchs angekommen, bei der ich sehr deutlich ahne, dass, wenn ich jetzt aufhöre zu lesen, niemandem mehr noch Schlimmeres passiert als bisher passiert ist. Das ist wie mit der West Side Story – wenn ich 20 Minuten vor Schluss aufhöre zu schauen, muss niemand sterben und alles geht gut aus. Logisch.

Diese innere Milchmädchenrechnung erinnert mich immer an meinen Gesangsunterricht. Wenn ich wieder vor Rührung über Liedmelodie oder -text heulend am Notenständer stand und sich meinen Lehrerin freute, dass ich einen so tollen, unmittelbaren Zugang zu meinen Emotionen hätte und ich innerlich nur „FUCK THAT SHIT, ICH KOMME NIE DURCH CHRISTINA AGUILERAS BEAUTIFUL“ wimmerte.

Exil eingepackt und zur U-Bahn gegangen, weil ich zu einem Termin wollte. Schon an meiner Haltestelle zog ich das Buch wieder aus dem Rucksack, las drei Stationen, wartete an der nächsten Haltestelle, las, fuhr drei Stationen, las noch ein bisschen, weil ich zu früh war, und packte das Buch wieder ein, um die letzte Strecke zu Fuß zu gehen. Als ich dann vier Minuten vor der vereinbarten Zeit ankam, stellten meine Gesprächspartnerin und ich fest, dass wir uns verschiedene Uhrzeiten aufgeschrieben hatten. Ich bot an, noch einen Kaffee trinken zu gehen und in einer Stunde wiederzukommen, was gerne angenommen wurde.

So bummelte ich durchs Lehel, wo ich eigentlich nie bin außer wenn ich mir in der Versicherungskammer Ausstellungen anschauen möchte. Ich schlenderte über den St.-Anna-Platz – und blieb grinsend stehen, weil ich an einer Hauswand eine Gedenktafel entdeckte, ausgerechnet für Lion Feuchtwanger, der in einem dort stehenden Haus seine Kindheit verlebt hatte. Das fühlte sich seltsam an, aber auch sehr schön.

(Beim Googeln für diesen Blogeintrag die Wikipedia-Liste für Gedenktafeln in München gefunden.)

Foto gemacht, halbwegs entzerrt – die Tafel hängt recht weit oben –, instagramt, wie sich das halt gehört, dann in ein Café gesetzt, um einen sehr guten Milchkaffee zu genießen und, natürlich, Feuchtwanger zu lesen.

Mit warmem Kaffeebauch und äußerst entspannt ging ich dann wieder zum Termin, der ebenfalls sehr entspannt verlief.

Den Nachmittag verbrachte ich damit, innerlich die DHL-Hotline anzuschreien, Dinge zu kündigen und andere in Angriff zu nehmen. Und dann las ich weiter Exil und fand meine schlimmsten Ahnungen bestätigt, bis es endlich Abend war und ich F. mal wieder zu Gesicht bekam. Wusste schon gar nicht mehr, wie der Mann aussieht.

Zwei Gin Tonics, gemeinsam eingeschlafen.

Was irgendwie schön war, auch wenn das Thema fies ist, Donnerstag, 22. November 2018 – Rumlesen und rumgucken

Nach den ein, zwei langen Wien-Einträgen hatte ich keine Lust mehr auf den dritten, der ebenfalls so lang geworden wäre, weswegen euch leider die schöne, zweistündige Diskussion im Burgtheater entgangen ist, falls ihr vorletzte Woche nicht schon meinem Link auf Twitter gefolgt seid. Die Veranstaltung „Aufbruch in die Zukunft. 1918 und heute – Matinee zum Ende des Ersten Weltkriegs und zur Ausrufung der Republik“ wurde nämlich live auf Ö1 übertragen und ließ sich auch eine Woche lang nachhören. Jetzt ist der Link leider tot.

Ich fand es sehr spannend, das Ende des Weltkriegs aus österreichischer Perspektive besprochen zu hören. Zum einen musste ich danach erstmal Daten googeln, weil ständig vom 26. Oktober als Feiertag gesprochen wurde und ich schlicht nicht wusste, was da passiert war. (Jetzt weiß ich’s.) Peinlicherweise wusste ich nicht, dass auch Österreich von den Alliierten besetzt war, genau wie Deutschland. Überhaupt weiß ich viel zu wenig über unser Nachbarland, weswegen ich das Buch von Philipp Blom ja so spannend fand. Ich weiß, ich verlinke neuerdings dauernd zu meinem Blogeintrag zum Buch, aber das lohnt sich wirklich; hier halt der Absatz über Österreich bzw. das letzte eingerückte Zitat, in dem beschrieben wird, wie aus dem Riesenreich Österreich-Ungarn das kleine Ding wird, was es heute noch ist und was es vorher nie war. Während der Veranstaltung fiel die Bemerkung, dass für die 1918 ausgerufene Republik 22 Dynastien auf ihre Kronen verzichteten. Das ist doch mal schöner Partysmalltalk.

Zum anderen habe ich von dieser Veranstaltung außer dem gesprochenen Ohrwurm „Hoch die Republik“ noch die Würdigung der unglücklicherweise so bezeichneten Zwischenkriegszeit mitgenommen. So geht es mir selbst auch, vor allem im Hinblick auf meine Diss: Für mich sind die 20er Jahre nur ein Zwischenspiel oder eine böse Ouvertüre zum noch böseren Stück. Ich vergesse selbst gerne, wie unglaublich revolutionär (im wahrsten Sinne des Wortes) diese Zeit gewesen ist und welche Umwälzungen in sehr kurzer Zeit passierten. Errungenschaften wie die erste Republik (Volksgewalt statt Monarchie, kein Gott mehr in der Verfassung), die erste Demokratie auf deutschem Boden, das Frauenwahlrecht etc. werden auch in meinen inneren Zeitläuften verdrängt von Inflation, Wirtschaftskrise und drohendem Nationalsozialismus. Gleichzeitig ist mir bewusst, warum die 20er auch die Goldenen Zwanziger genannt werden: neue Musik, Film als Massenmedium, Bauhaus-Architektur, mehr Freizügigkeit, der Bubikopf (um mal ein Beispiel der neuen Mode zu nennen). Ich fand es spannend, diese Zeit gewürdigt zu sehen und versuche mich seitdem selbst immer wieder daran zu erinnern.

Die Diskussion drehte sich dann auch um die heutige Zeit; es wurde gefragt, warum nicht wieder der 12. November gefeiert werde, an dem 1918 die erste Republik Österreich ausgerufen wurde. Es wurde mehr Verfassungspatriotismus gefordert, mehr Stolz auf demokratische Errungenschaften und mehr Ächtung von Antidemokraten, von denen Österreich leider auch genug hat (der Seitenhieb auf die AfD blieb nicht aus). Es wurde auch betont, dass manche Dinge schlicht nicht verhandelbar seien (Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Kunstfreiheit, Individualrechte, die Versorgung Schwächerer), weswegen es auch nichts bringe, mit Rechten zu reden, die genau diese Dinge verhandeln wollten. Großer Applaus, auch von mir.

Neben der Diskussion gab es Ausschnitte aus Texten, die von Schauspieler*innen des Burgtheaters gelesen wurden. Einen der Herren sahen wir abends übrigens in der spannenden Inszenierung von Glaube Liebe Hoffnung von Ödön von Horváth wieder, und seitdem wir Karten für dieses Stück hatten, erzählte mir F. von einem dreiminütigen Ausschnitt aus einem alten Programm von Josef Hader, der in Paris den Ast trifft, der 1938 Horváth erschlagen hatte.

Einige der Texte las ich gestern in der Stabi nach. Besonders beeindruckt hatte mich K. u. K. Geflüster von Andrzej Stasiuk, eine Rede, die der Verfasser am Burgtheater 2008 (?) gehalten hatte und die in Lettre abgedruckt ist (leider online nicht vollständig). Das Magazin gibt es seltsamerweise auch in Unibibliotheken nicht online, weswegen ich gestern mit dem dicken Jahresband im Lesesaal saß. Der Erzähler besucht an Allerheiligen einen Friedhof, auf dem Gefallene des Ersten Weltkriegs liegen, die miteinander sprechen. Ich hatte mir von der Lesung den Begriff der „mineralischen Knochen“ gemerkt, die der Regen zerfrisst, genau wie „die Reste von Metall, die Schnallen, die Knöpfe mit den Regimentsnummern, die Plomben in den Zähnen, die Nägel in den Stiefeln. Wenn sie in Stiefeln bestattet wurden. Da bin ich nicht sicher.“

„„Wer spricht?“

„Der Gemeine Jussuf Kusturic, 4. Bosnisch-Herzegowinisches Infanterieregiment, Friedhof in Przyslup. Sammelgrab, das erste links vom Eingang.“

„Wann bist du gefallen?“

„Am 2. Mai in der Früh’. Am ersten Tag der Schlacht von Gorlice. Ich stieg aus dem Graben und war tot. Ich war aus der Gegend von Mostar. Ich bin hierhergekommen, um zu sterben.“

„Aber du hast vier Monate länger gelebt.“

„Ja. Aber im Mai zu sterben, das tut weh. Ich weiß nicht einmal, was es war. Ich war einfach plötzlich tot. Die Buchen trieben kleine grüne Blätter. Ich lag auf dem Rücken, bis schließlich alles still wurde und erlosch. Im Winter hört man hier keine Geräusche. Dann rufe ich mir in Erinnerung, wie Mostar im Dezember duftete, wie Travnik duftete und Sarajevo. Sie dufteten nach Eichenrauch.“

„Mein Dorf roch nach Kiefern- und Birkenrauch. Der Frost kam im Oktober, tausend Werst östlich von Moskau. Doch der Zar hat’s befohlen, deshalb kam ich hierher, um von einem Mannlicher Kaliber 8 zu sterben.“

„Und unser Kaiser ließ uns rote Feze tragen, darin gingen wir zum Angriff. Wir trugen rote Feze und waren durch die Bäume meilenweit zu erkennen, denn der Kaiser wollte in seinem Reich kaiserliche Türken haben, deshalb liefen wir mit diesem Rot auf den Köpfen herum wie die Hähne, wir brachen aus Mostar, Tuzla und Sarajevo auf, um auf den Hängen von Magura zu fallen. Wir trugen hellblaue Uniformen, und man sah sofort, wer sich in die Hosen geschissen hatte.“

„Süß und ehrenvoll ist es, sich für den Kaiser in die Hosen zu scheißen.“

„Wer spricht denn da?

„Schütze Mendel Brod. 4. Feldschützenbataillon. Friedhof in Magura. Grab 51. Auch am 2. Mai, so wie der muslimische Kollege. Vermutlich ein Schrapnell.“

„Woher?“

„Bircza bei Przemysl.“

„Garnison?“

„Braunau am Inn.“

„Mach keine Witze.“

(Andrzej Stasiuk (Olaf Kühl, Übers.): „K. u. K. Geflüster“, in: Lettre International 88 (2010), S. 94–97, hier S. 94.)

Ich hatte mir außerdem das Buch Menschen im Krieg (1918) von Andreas Latzko herauslegen lassen, das in der Stabi nur in alter deutscher Schrift zu finden war; ein Exemplar stammt von der Ordensburg Sonthofen, was mich etwas erstaunte, denn der kurze Ausschnitt, den wir hörten, beschrieb die Heimkehr eines kriegsversehrten Soldaten. Ich las die Geschichte gestern zuende und möchte nun das ganze Buch lesen, worauf ich gestern im Lesesaal aber keine Lust hatte.

Ausgeliehen habe ich mir den Sammelband Hungern – Hamstern – Heimkehren: Erinnerungen an die Jahre 1918 bis 1921 (Inhaltsverzeichnis), aus dem wir einen kleinen Ausschnitt von Lotte Pirker gehört hatten.

Mein Nachhauseweg führte mich am Bayerischen Hauptstaatsarchiv vorbei, wo ich ein Plakat für die Ausstellung Getroffen. Gerettet. Gezeichnet – Sanitätswesen im Ersten Weltkrieg sah, die thematisch natürlich hervorragend passte, weswegen ich gleich hineinging. Das könnt ihr auch noch bis zum 30. November tun, und ich empfehle das sehr. Ist nur ein Raum plus ein Vorraum. In dem steht als zentrales Ausstellungsstück ein durchschossener Stahlhelm, was äußerst plakativ klarmacht, worum es geht.

Ich fand es bemerkenswert, wieviele originale Stücke aus der Zeit ausgestellt waren: Verbandsmaterial, medizinisches Werkzeug, wobei mich ein dreistöckiger Koffer mit Operationsbesteck sehr beeindruckte; ein Morphium-Spritzbesteck, dessen Leihgeber „Privatbesitz“ mich auch kurz stutzen ließ – die meisten Stücke kamen aus militärhistorischen oder medizinischen Sammlungen. Wie im verlinkten Flyer zu sehen ist, ging es auch um die Nachkriegszeit und wie mit Versehrten umgegangen wurde. Ich lernte, dass die Deutschen als erste Giftgas einsetzten, dass es Gasmasken für Pferde gab und Hunde zur Rettung von Verwundeten genutzt wurden. Es gab Prothesen zu sehen und zerschossene Knochen, was alles nicht wirklich Spaß macht, aber ich fand es sehr eindringlich, ohne sensationsheischend zu sein.

Und seit den Fotos weiß ich auch, dass die Soldaten in ihren Stiefeln bestattet wurden.

Tagebuch Mittwoch, 21. November 2018 – Uni-Umfrage

Viel Orgazeug erledigt, mich über Kleinkram sinnlos geärgert, mich darüber geärgert, dass ich mich ärgere, versucht, das Ganze mit einem Spaziergang zu verscheuchen und mit diesem außerdem das Nette mit dem Nützlichen zu verbinden. Das sah dann so aus:

Im Briefkasten lag eine Art Mahnung – oder eher: eine weitere Aufforderung – der LMU, mich doch bitte echt jetzt mal an ihrer Absolvent*innenumfrage zu beteiligen. Den Brief hatte ich schon einmal im Oktober bekommen, mich aber entschieden, nicht an der Onlinebefragung teilzunehmen. Ich twitterte:

„Die LMU bittet mich zum wiederholten Mal, an den „Bayerischen Absolventenstudien“ teilzunehmen, um den weiteren Lebensweg von Mastern zu verfolgen. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Antworten helfen werden. („Hab nen Job, hatte ich vorher schon, Studium war lustig, danke.“)“

Woraufhin die, Zitat von ihrer Homepage, „hochschuldidaktische Trainerin und Beraterin“ Cornelia Kenneweg eine sehr schlaue Antwort hatte, die mich sofort den Log-In-Code eintippen ließ:

„Das ist keine unwichtige Information, um dazu beizutragen, das Bild von Studium als Lebensphase zwischen Abi und Beruf aufzuweichen.“

Die Umfrage war dann doch etwas komplizierter als gedacht, denn dass ich Dinge wie Organisationsvermögen oder Kreativität im Studium vielleicht hätte lernen sollen, erfuhr ich erst dadurch. Was auch abgefragt wurde: Ob ich mündliches Präsentieren oder eine gute schriftliche Ausdrucksform gelernt hätte? Und da muss ich doch Kritik anbringen: Wenn ich das hätte lernen sollen, hätte das vielleicht mal jemand erwähnen müssen.

Das mag natürlich an meiner ausgezeichneten Schreibe liegen *hust*, dass ich meine Hausarbeiten immer mit einem Lob für sie zurückbekommen habe, aber wenn ich diese Schreibe nicht vorher schon gelernt hätte, hätte ich sie im Studium vermutlich nicht großartig verbessern können. In unseren Einführungsseminaren hatten wir dem kunsthistorischen Stoff genug zu tun und der Einweisung in unsere Hilfsmittel wie Bibliotheken, Zeitschriftenregale oder Datenbanken. Wie man ein hübsches Referat formuliert, eine Powerpoint-Seite ansprechend gestaltet oder eine Hausarbeit schreibt, wurde nicht groß erläutert. Einige Dozentinnen gaben immerhin eine Art Struktur für Referat und Hausarbeit vor, was für viele hoffentlich eine Hilfe war; ich fand es sehr sinnvoll, auch wenn ich es nicht mehr gebraucht habe nach den ersten beiden Versuchen. Aber wenn ich mir genau diese beiden Semesterarbeiten durchlese, sehe ich heute ganz genau, was fehlt – was ich aber erst erfahren habe, als ich sie von der Dozentin wieder zurückbekam.

Es kann natürlich sein, dass man diese Fähigkeiten heute in der Schule beigebracht bekommt, das kann ich nicht beurteilen. Als ich in den 80ern Abi gemacht habe, hatte noch niemand einen Laptop und musste sich mit PPT-Effekten abmühen (oder sie um Gottes Willen verhindern, Munch-Emoji). Ich habe mich aber trotzdem des Öfteren gewundert, dass ausgerechnet Kunstgeschichtsstudentinnen, denen ich ein gewisses Interesse an der Optik einer Sache unterstelle, Bilder in Thumbnailgröße in ihren Slides hatten oder gelbe Schrift auf pinkfarbenem Grund. Immerhin da wurde so ziemlich von allen Dozentinnen räuspernd angemerkt, dass man das noch optimieren könnte und auch wie.

Am Schluss der Umfrage gab es die Möglichkeit, persönliche Anmerkungen anzubringen, was ich natürlich tat (ich lebe für persönliche Anmerkungen, ich schreibe die seit 16 Jahren ins Internet). Wortwörtlich weiß ich es nicht mehr, aber sinngemäß schrieb ich, dass ich mich sehr darüber gefreut habe, in meinem irre hohen Alter (über 40) noch ein reguläres Studium beginnen zu können anstatt im Seniorenstudium zu landen, dessen Abschluss kein Äquivalent zum BA oder MA darstellt, wenn ich das richtig verstanden habe.

Eben beim Googeln zu diesem Thema entdeckte ich, dass man in Bayern nur mit Abitur seniorenstudieren kann. Andere Bundesländer sind da gnädiger, denn:

„Heutige Seniorenstudenten sind zu einer Zeit groß geworden, in der es nur sehr wenigen Menschen vergönnt war, das Abitur abzulegen und ein Studium aufzunehmen. Der Besuch eines Gymnasiums war einer – wie auch immer definierten – Elite vorbehalten, während dem überwiegenden Teil der Gesellschaft eine wissenschaftliche Bildung verwehrt blieb. Im Jahre 1950 etwa besaßen nur etwa 5 % der deutschen Bevölkerung eine Hochschulzugangsberechtigung, selbst 1960 durften nur 7 % des Jahrgangs ein Studium beginnen. Kein Wunder also, dass viele Senioren kein Abitur haben und sich deshalb fragen, ob sie überhaupt studieren dürften.“

(Quelle)

Ich meine mich daran zu erinnern, dass man an der LMU bis ungefähr Mitte 50 ein reguläres Studium aufnehmen kann, aber diese Info habe ich mir vor sechs Jahren ergoogelt, als sie für mich wichtig war und ich finde sie gerade nicht mehr wieder. Wenn ihr also noch mal in die Hörsäle wollt – was ich total empfehlen kann –, dann müsstet ihr bitte selbst nachschauen, was für eure Uni gilt. Und dann dürft ihr fünf Jahre danach eine lustige Umfrage ausfüllen, die als Goodie neben 4 Wochen digitaler Süddeutscher Zeitung auch Anti-Stress-Seminare verlost.

Tagebuch Dienstag, 20. November 2018 – Bürotag und Reality TV

Das hatte ich mir schon länger vorgenommen: das eigene Portfolio mal wieder überarbeiten und an ein paar Agenturen bzw. Menschen schicken, mit denen ich gerne wieder zusammenarbeiten möchte. So saß ich am Schreibtisch, schob PDFs und JPGS hin und her, mailte, rief Agenturen an, um die passende Ansprechpartnerin herauszufinden (klappte nicht immer), wühlte meine Xing-Kontakte durch, bekam zwischendurch das Okay, um eine Rechnung zu stellen, von einer anderen Stelle eine Entschuldigung, weil eine andere Rechnung noch nicht bezahlt wurde, nachmittags gab’s noch ein Briefing, und dann war der Tag schon rum.

Mittags: Pasta mit Walnusspesto und Radicchio, bei mir leider total unfotogen, aber äußerst wohlschmeckend. Auf das Rezept hatte ich gestern schon verlinkt, das mache ich gerne nochmal.

Abends: Nutellabrot und Spekulatius. Immer auf die ausgewogene Ernährung achten.

Auf Netflix lockte mich die kanadische Serie Consumed in das Kaninchenloch des Binge Watchings. Dabei rufen Familien, die in ihrem eigenen Zeug ersticken, eine sogenannte Aufräumexpertin und ihren Handwerker zu Hilfe. Sie müssen ihr gesamtes Haus einpacken – oder noch besser: dabei schon Dinge wegwerfen – und leben dann ein paar Wochen mit extrem wenigen Dingen, um, wie die Serie immer schön rumraunt, sich den wahren Problemen zu widmen, die vom angehäuften Kram überdeckt werden. Endlich streitet man sich nicht mehr darum, wie unordentlich es mal wieder ist oder dass man nicht mehr in die Garage kommt, weil dort alles vollsteht, sondern um Eheprobleme. Interessanter Ansatz, aber selbst ich als absolute Psycho-Laiin würde vermuten: Diese Diskussionsergebnisse sind nur temporär, weil das nur geborgte Zeit im Vakuum eines leeren Hauses ist.

Der Kracher kommt dann nach wenigen Wochen, wo die Familien ihr Zeug in einem Lagerhaus wiedersehen und die Ansage bekommen haben, sich von 75 Prozent von allem zu trennen. Das kriegen die meisten sogar hin, gerne mit den üblichen TV-tauglichen Sinnlosdiskussionen und Vorwürfen und vielen weinenden Kindern. Das wenige Zeug räumt die Sendung dann wieder ins etwas aufgehübschte Haus ein, wobei „aufgehübscht“ äußerst im Auge des Betrachters liegt; ich fand alle Wandfarben grauenhaft und bin sehr allergisch dagegen, dass kleine Jungs immer Abenteuer- und kleine Mädchen immer pinkfarbene Prinzessinnenzimmer kriegen, letztere gerne mit kleiner Küche drin (WTF?). Außerdem ist die Serie schon fünf Jahre alt, und damals fanden anscheindend alle lila toll. (Ich auch.)

Nach drei Monaten kommt das Fernsehteam nochmal vorbei und guckt, wie die Häuser jetzt aussehen und wie es den Familien geht. Bei den meisten kehrt, in einigen Zimmern oder Abstellkammern jedenfalls, der alte Alles-Aufheben-Instinkt wieder ein, andere haben die Kehrtwende anscheinend wirklich hingekriegt und leben nun in Wohnungen, bei denen man den Fußboden wieder sehen kann. Eine Familie hat sich getrennt, was sich aber schon während des Wegschmeißens angekündigt hatte. Und bei einer Kleinfamilie war ich etwas verstört, sowohl während des Aufräumens als auch nach drei Monaten. Das Ehepaar schien nichts lieber zu tun als einzukaufen, die Frau hortete Tupperware in Mengen, bei denen ich fast erschüttert vor dem Rechner saß. Während der Sendung kamen immer mehr Probleme zum Vorschein – die Mutter der Ehefrau dämmerte als Alzheimerpatientin vor sich hin, der Ehemann packte seine Einkäufe nicht mal aus, und statt der vereinbarten 75 Prozent von Zeug, das weggeschmissen werden sollte, waren es gerade mal 20. Nach den drei Monaten schaute das Team wieder vorbei: Das Zimmer der Tochter war makellos, sie hatte weiter ihre Ecke zum Malen und zum Geigeüben – aber der Rest des Hauses sah genauso aus wie vorher. Nicht verdreckt oder verstaubt wie bei anderen Beispielfamilien, sondern schlicht komplett überfüllt mit Zeug, das niemand braucht und von dem sich niemand trennen kann oder will und zu dem anscheinend jeden Tag neues kommt. Die Tupperwaresammlung füllt die Garage und die Garage der Schwiegereltern, aber die Ehefrau ist trotzdem gut gelaunt, weil sie jetzt wieder ins Fitnessstudio geht.

Ich weiß selbst nicht genau, warum ich das alles aufschreibe. Vielleicht weil es so einfach ist, von außen den Finger auf Probleme zu legen. Vielleicht auch, weil ich mal wieder wütend über Reality TV war, das Menschen, die offensichtlich ein paar tieferliegende Probleme haben als sich nicht zum Aufräumen aufraffen zu können, nach der Aufnahme wieder vergisst. Vielleicht auch, weil ich es gucke. Und weil ich mich unangenehm daran erinnert habe, selbst einmal nichts wegschmeißen zu können, bis eine Freundin mit ihrem VW-Bus und 40 Müllsäcken vorbeikam und mir geholfen hat, weil ich es alleine einfach nicht hingekriegt habe. Das ist jetzt 20 Jahre her und seitdem war meine Wohnung nie wieder unaufgeräumt. Es entwickelt sich manchmal irgendwo eine Ecke, in der Zeug liegt (gerne Bücher), aber so schlimm, dass ich schlicht nicht wusste, wo ich überhaupt anfangen sollte, ist es nie wieder geworden. Es hat mich erschreckt, dass die Tupperware-Frau anscheinend entweder nicht weiß, wo sie Hilfe findet oder glaubt, keine zu brauchen.

Dieser Eintrag hat keine Pointe.

Ich sollte mehr lesen.

In diesem Sinne: 100 Notable Books of 2018. Hübsch sortiert und animiert von der NYT. Gibt es etwas ähnliches für deutschsprachige Bücher?

Tagebuch Montag, 19. November 2018 – Lampenfrust

Morgens fügte ich noch die fehlenden Links zum Fehlfarben-Blogeintrag ein – bei mir und im offiziellen Blog –, die F. erst am späten Sonntagabend produzieren konnte. Florian übernimmt bei uns Aufnahme und Nachbereitung der Datei, F(elix) das Hochladen an relevante Stellen und ich schreibe den Blogeintrag, für den ich auf die Jungs warten muss, weil ich mir die komplette Aufnahme noch einmal anhöre für die Zeitmarkierungen (wann trinken wir welchen Wein, wann sprechen wir über welche Ausstellung). Das mache ich sehr gerne, aber Sonntag abend hatte ich keine Lust mehr aufs Internet und deswegen kam der Eintrag auch erst Montag früh anstatt Sonntag gegen 22 Uhr, wo eh niemand zuhört oder auf unsere Links auf Twitter reagiert.

Da vermutlich nicht viele von euch zuhören: Die Ausstellung Weltempfänger im Kunstbau des Lenbachhauses lege ich euch wirklich ans Herz, vor allem wegen Georgiana Houghton, die im viktorianischen England (!) abstrakt (!) gemalt hat. Sie hat ihre Werke dusseligerweise als Bilder angepriesen, die ihr Geister aus dem Jenseits in die Hände diktiert haben, und so werden sie heute auch noch ausgestellt (die Dame ist erst seit 2014, wenn ich mir das richtig gemerkt habe, der Kunstgeschichte ein Begriff). Ich stellte im Podcast die Vermutung an, dass dieser Umweg für sie vielleicht der einzige war, ihre Bilder überhaupt öffentlich zeigen zu können (was sie nur einmal auf eigene Kosten 1871 tat), denn, auch das erwähne ich: Wir waren noch nicht mal richtig im Impressionismus, und schon mit dem kam kaum jemand zurecht. Und da ist auf einmal eine Frau OMG EINE FRAU, die Formen malt, die man so nicht kennt.

Es ist ein bisschen schwierig, sich von dem Eso- und Geisterzeug freizumachen, aber meiner Meinung nach kann man die Bilder auch so würdigen. Die SZ beschreibt das ganz schön:

„Dass die Schau mit “Weltempfänger” betitelt ist, irritiert zunächst, geht es doch den Künstlerinnen darum, Botschaften aus einem Jenseits einzufangen. Der Begriff bildet andererseits durchaus den fast wissenschaftlichen Anspruch dieser Künstlerinnen ab, die nicht etwa auf der Reise ins Jenseits waren, sondern sich als Instrumente verstanden, um unsichtbare, aber durchaus reale Erscheinungen wahrzunehmen. Lange hat die Kunstgeschichte solche Werke als “Effekte” abgetan und sich mit der Diskussion, ob die Abstraktionen einer Hilma af Klint nun wirklich abstrakt gemeint waren, aufgehalten: Schließlich hätte man dann die Erfindung der Abstraktion einer Frau zuschreiben müssen.

Doch die Ausstellung blickt bereits zurück auf anderthalb Jahrzehnte der Debatte. Die Frage eines verbindlichen “Kanons” der Kunstgeschichte hat sich in den vergangenen Jahren ohnehin aufgelöst, in denen vor allem die zeitgenössische Kunst neugierig über die Peripherie ihrer eigenen Begrenzungen hinaus geschaut hat und in Folge viele bislang marginalisierte Werke international gewürdigt, aufgearbeitet und diskutiert werden.“

Mein erster Tagesordnungspunkt war: endlich mal zum Ikea nach Eching zu fahren, um die noch fehlenden drei bis fünf Lampen für meine Decken zu kaufen. Im Arbeitszimmer leuchtet bereits diese Viererschiene, wenn meine Schreibtischlampe nicht mehr reicht, und für Bad und Flur wollte ich nun Zweierschienen, für Schlafzimmer und Bibliothek auch, wenn noch welche da wären, sonst kommt da gar nichts hin, in den Zimmern stehen genug Steh- und Tischlampen rum. Bei meinem Stammikea in Brunnthal hatte man mir gesagt, die Zweierspots gebe es nur noch in Eching, und so machte ich mich gestern auf den beschwerlichen Weg. Beschwerlich, weil Eching quasi im Niemandsland liegt, jedenfalls wenn man sich den Plan für die Buslinie anschaut, die einen von der S-Bahn-Station in die Nähe des Möbelhauses bringen soll.

Ich vermisste für eine Sekunde ein Auto, stand so aber an der Bushaltestelle und las weiter Feuchtwangers Exil. Je länger das Buch dauert, desto anstrengender wird es, ich erwähnte es bereits, ich erwähne das auch weiterhin, denn das Buch ist fantastisch und ihr müsst das alle lesen.

Irgendwann war ich dann bei Ikea, wo ich, fast wie erwartet, feststellen musste, dass auch dort keine Zweiterspots mehr vorhanden waren. Ich hatte sie auch online schon seit Wochen nicht mehr gefunden, und nun stand ich vor Ort und ahnte, dass ich sie nirgends mehr finden würde. Das erzählte mir auch bedauernd eine Mitarbeiterin, und so kaufte ich eine Badematte, zwei Teller und zwei Packungen bunte Servietten und war frustriert. An der Kasse dann nicht mehr so, weil ich ausnahmsweise bei Ikea – BEI IKEA! – bar bezahlen konnte statt mit Karte, weil ich so wenig erstanden hatte.

Auf den Bus zur S-Bahn Eching hätte ich 40 Minuten warten müssen, aber der in die Gegenrichtung fuhr schon in zehn. Also nahm ich den und ließ mich zur S-Bahn Neufahrn chauffieren. Ich kam mir vor wie nach einer Weltumsegelung, als ich endlich wieder zuhause war und nun begann, im Internet nach weißen Deckenspots zu suchen, die möglichst unauffällig und nicht scheiße aussahen. Inzwischen weiß ich, dass es von Philips und von Prediger welche gibt, die fast genauso aussehen wie die von Ikea, aber natürlich das Vierfache kosten. Ich bewege das noch etwas in meinem Herzen und lebe weiterhin mit nackten Glühbirnen im Bad und im Flur.

Immerhin konnte mich mein Essen trösten, das ich, wie ich erst heute morgen beim Rüberkopieren vom iPhone feststellte, arg unscharf fotografierte.

Auf der langen Rückfahrt konnte ich nämlich schön über mein Essen nachdenken, und ich wusste, der Brokkoli musste weg, genau wie die Petersilienwurzeln. Mit letzteren wird bei Masterchef quasi dauernd gekocht, und meistens kommt Püree raus, aber auch gerne frittierte Chips, die man dekorativ auf alles legen kann. Eigentlich wollte ich dazu noch Hasselback-Kartoffeln machen, aber für den Brokkoli hatte ich mir schon die Zubereitung im Ofen ausgesucht und zwei Bleche im Ofen sind doof. Also machte ich Püree, was sowieso nach Gratin die tollste Zubereitungsart für Kartoffeln ist. Im Hinterkopf poppte noch ein Rezept herum, das ich vor wenigen Tagen bei Chestnut & Sage entdeckt hatte: Pasta mit Walnusspesto und Radicchio. Ich hatte nämlich auch noch einen Radicchio im Kühlschrank, und aus dem machte ich einfach mit einem winzigen Schuss Olivenöl eine Chiffonade. Der Brokkoli kam mit Öl und Zitronensaft in den Ofen, das Püree wurde mit Milch und Butter verfeinert, die dünn geschnittenen Petersilienwurzeln wurden einfach nur in Sonnenblumenöl frittiert und gesalzen und fertig war ein Festessen.

„Nach einer Weile fasste sich Riemann, lächelte verlegen, als wolle er seinen Ausbruch entschuldigen, und wurde wieder zum Staatsrat. Später begann er sachlich aufzuzählen, was alles er in Deutschland den Widerständen zum Trotz habe durchsetzen und wie viele verdiente Musiker er habe retten können. Doch Trautwein ließ nicht mit sich feilschen. Unerbittlich konstatierte er: ‚Vor der Musikgeschichte kommen Sie damit nicht durch. Es gibt keine unpolitische Musik. Wenn Sie heute als Musikdirektor des Dritten Reichs Musik machen, dann machen Sie schlechte Musik, und wenn sie noch so gut ist. Wer für gemeine Ohren Musik macht, macht gemeine Musik.‘“

Lion Feuchtwanger: Exil, Berlin 2012 (Erstausgabe 1940), S. 395.

Ersetze „Musik“ durch „Kunst“ und du hast ein Zitat, das du vorne auf deine Diss schreiben kannst.

Fehlfarben 18: Weltempfänger – Georgiana Houghton, Hilma af Klint und Emma Kunz; Magnum Manifesto

Zwei Ausstellungen, drei Meinungen – und heute mal kein Bild, weil wir es schlicht vergessen haben.

Podcast herunterladen (MP3-Direktlink, 69 MB, 86 min), abonnieren (RSS-Feed für den Podcatcher eurer Wahl), via iTunes anhören.

00.00:00. Begrüßung und Vorstellung.

00.01:40. Der erste Rotwein – wir trinken heute Lemberger.

00.04:00. Die erste Ausstellung: Weltempfänger – Georgiana Houghton, Hilma af Klint und Emma Kunz im Kunstbau des Lenbachhauses. Läuft noch bis zum 10. März 2019, und wir waren äußerst unterschiedlicher Meinung darüber. (Reingehen? Eher ja.)

00.34:45. Der zweite Wein.

00.52:45. Der dritte Wein.

00.55:45. Die zweite Ausstellung: Magnum Manifesto im Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern, eine Retrospektive zu 70 Jahren Magnum. Läuft noch bis zum 27. Januar 2019, und auch hier waren wir uns überhaupt nicht einig. (Reingehen? Eher nein.)

01.21:40. Wir lösen die Weine auf und fanden die Nummer 2 trotz des schlimmen Namens alle klar am besten:

Wein 1: Weingut Eberbach-Schäfer, Lemberger trocken „Triathlon“, 2016, 13,5%, bei Rindchens Weinkontor für 8,90 Euro.

Wein 2: Felsengartenkellerei Besigheim, Fas(s)zination Lemberger QbA, o. J., 14%, beim Winzer für 15,95 Euro.

Wein 3: Weingut Wachtstetter, Pfaffenhofen Felix Lemberger QbA trocken, 2016, 13%, über wirwinzer.de für 10,30 Euro.

Tagebuch Samstag, 17. November 2018 – Podcastaufnahme

Lange und fest geschlafen, nach acht Stunden sehr zufrieden aufgewacht. Überhaupt keine Lust auf Frühstück gehabt, nicht mal auf einen Kaffee, also ging ich nur mit ein bisschen Wasser im Magen in dieses Draußen da draußen.

Ich fuhr mit der U-Bahn zum Bahnhof, von dort ins Lehel, um zur zweiten Ausstellung zu kommen, die wir im Podcast besprechen wollten; die erste hatte ich am Donnerstag schon gesehen. Die hatte mir auch gut gefallen, durch diese stapfte ich arg missmutig und war nach nicht mal einer Stunde wieder draußen.

Nächster Tagesordnungspunkt: Wein kaufen. Der Podcastgastgeber oder die -gastgeberin nennen die Weinsorte oder Region oder was auch immer, wir anderen kaufen danach ein. Meine Bestellung war aber immer noch im Limbo zwischen Weingut und Packstation, niemand weiß, wo das Paket ist und ich hoffe, ich kriege wenigstens mein Geld wieder, wenn schon nicht den Wein. Ich brauchte also schnell noch ein Fläschchen zum Mitbringen. Ich hätte nun am Stachus in den Kaufhof oder am Bahnhof in den Karstadt gehen können, aber wenn ich Zeit habe, Tram zu fahren, fahre ich Tram. Also ließ ich mich in die Nähe des Nymphenburger Schlosses chauffieren und fuhr bewusst eine Station zu weit, um noch am Schloss vorbeigehen zu können. Also wenigstens über die Brücke über den kleinen Kanal, um das Schloss zu sehen. Auf mehr hatte ich dann doch keine Lust, das schöne Wetter trieb Tourist*innen und Münchner*innen in Horden zum Spaziergang.

Wein gekauft, Tram gefahren, U-Bahn gefahren. Beim Rumgefahrenwerden weiter Feuchtwangers Exil gelesen, das wirklich immer weniger Freude macht, weil man immer mehr mitbekommt, wie eng alles für die Protagonist*innen wird. Aber, ich wiederhole mich, diese Sprache! Wundervoll.

Zuhause eine Kanne Tee gekocht (derzeit immer noch Assam mit Milch und Zucker), Zeitung gelesen, Futurama geguckt, bei Futurama eingeschlafen. Dann langsam zum Podcast aufgerafft, noch ein bisschen was nachgegoogelt, die eigenen Notizen überflogen und in die U-Bahn zum Gastgeber gesetzt.

Dort wurden wir wie immer äußerst schmackhaft verköstigt, dann zog sich die Dame des Hauses zurück, während wir drei das Arbeitszimmer mit Weinflaschen und Notizbüchern vollballerten und knappe anderthalb Stunden sprachen. Wir hatten endlich mal wieder zwei Ausstellungen erwischt, über die wir uns nicht einig waren; manchmal sorgen wir uns, dass unsere Harmoniesauce keiner ertragen kann, weil wir immer alles toll finden. Gestern so gar nicht.

Nach dem Podcast wurden wie immer die Weinflaschen geleert, wir klönten noch bis nach Mitternacht. F. und ich fuhren zu mir und schliefen gemeinsam ein.

William Goldman ist gestorben. Ich habe von dem Mann mehrere Bücher übers Drehbuchschreiben und über die Hollywoodmaschinerie im Schrank, die ich euch alle ans Herz legen kann, weil sie sehr unterhaltsam geschrieben sind. Genau wie seine Drehbücher:

Aus dem Nachruf der NYT:

„Mr. Goldman was deeply disappointed with his experience writing “All the President’s Men,” based on the book by the Washington Post reporters Bob Woodward (played by Mr. Redford) and Carl Bernstein (Dustin Hoffman) about their role in exposing the Watergate scandal. It was a problematic project in which Mr. Goldman butted heads with Mr. Redford, who was the producer as well as the co-star, and who in later years played down Mr. Goldman’s participation.

Mr. Goldman’s screenplay — which included the famous line “Follow the money,” not found in the book — won him his second Academy Award, for best adapted screenplay. But he later wrote: “If you were to ask me, ‘What would you change if you had your movie life to live over?’ I’d tell you that I’d have written exactly the screenplays I’ve written. Only I wouldn’t have come near ‘All the President’s Men.’ ”

Mr. Goldman was also a sought-after script doctor, well known for his uncredited work. He was widely believed to have written the script for “Good Will Hunting,” the 1997 film that brought Matt Damon and Ben Affleck the Oscar for best original screenplay. He denied having a hand in it.“

Tagebuch Freitag, 16. November 2018 – Lesetag

Gestern war ein bisschen Urlaub-vom-Urlaub-Tag. Seit unserer Rückkehr hatte ich lauter Kleinkram zu erledigen, aber gestern war mal nichts. Niemand wollte was, ich wollte auch nichts, also las ich viel. Zum Beispiel den Newsletter von Austin Kleon, der mich auf einen alten Artikel (2014) von Rob Walker aufmerksam machte: How To Pay Attention: 20 Ways To Win The War Against Seeing.

Walker beschreibt eine Aufgabe, die er seinen Design-Student*innen stellte: Sie sollten in der Woche bis zur nächsten Sitzung üben, aufmerksam zu sein. Das war’s. Teil der Übung war zu sehen, wie genau nun Menschen versuchen, aufmerksam zu sein bzw. mit welchen Methoden sie Dinge fanden, die man normalerweise übersieht. Der Artikel fasst 20 Tipps zusammen, die ich alle spannend fand für einen neuen Blickwinkel für die eigene Umgebung oder als Ausgangspunkt für einen neuen Blogeintrag, ein Kunstprojekt, gegen die Langeweile auf dem Weg zur Arbeit usw.

Ein paar Tipps darunter bezogen sich auf Kunstbetrachtung. Der Slow Art Day (kannte ich auch noch nicht) findet jedes Jahr im April statt: Dabei trifft man sich in Museen, schaut sich fünf Werke für jeweils zehn Minuten an und spricht danach darüber. Es müssen anscheinend nicht die gleichen Werke sein, es geht, glaube ich, gar nicht darum zu vergleichen, wer jetzt was gesehen hat, sondern es geht darum, sich aufmerksam einem Werk zu widmen und wahrzunehmen, was man sieht, was man dabei vielleicht fühlt, welche Assoziationen man hat.

So ähnlich ist übrigens unser Podcast entstanden: Wir wollten alle den Cremaster-Cycle von Matthew Barney sehen, der 2014 netterweise umsonst an drei Abenden in der Hochschule für Film und Fernsehen gezeigt wurde. Nachdem alle fünf Filme durch waren, wollten wir natürlich dringend darüber sprechen, wobei wir spaßeshalber ein Smartphone mitlaufen ließen. Als wir uns unsere Diskussion – die alleine durch das offene Mikro etwas strukturierter und wohlformulierter ablief als die üblichen Klönabende – noch mal anhörten, fanden wir das gut genug, es auch anderen vorspielen zu wollen, und schon hatten wir einen Kulturpodcast. Aber auch ohne einen Podcast kann man sich mal im Museum verabreden und danach bewusst darüber reden. Wer das lieber alleine macht, kann sich nach fünf Werken ins Museumscafé setzen und aufschreiben, was er oder sie gesehen und gefühlt hat. (Zack, Blogeintrag fertig! Merke ich mir für Tage, an denen ich auf nichts Lust habe.)

Eine weitere Art des Kunstguckens ist das richtig lange Kunstgucken. Ich zitiere aus dem Artikel:

„Educator Jennifer L. Roberts has described an assignment she’s used in art history classes as making students regard a single work for “a painfully long time.” This seems to mean three hours, which does sound like a challenge (…). The task — “noting down his or her evolving observations as well as the questions and speculations that arise from those observations” — is meant to be the first step in a research process. But Roberts argues, persuasively, that it’s a highly useful step. Students resist, but eventually find that looking really slowly forces them to notice things they had initially missed. “What this exercise shows students,” Roberts writes, “is that just because you have looked at something doesn’t mean that you have seen it.”

Ich habe noch nie so lange vor einem Werk gesessen, aber es erschließt sich mir sofort, dass man immer mehr sieht, je länger man hinguckt. Das merke ich bei jedem Werk, über das ich bisher eine Hausarbeit geschrieben habe – man denkt immer, man hat es gesehen, aber es verändert sich bei jedem erneuten Draufschauen, eröffnet neue Perspektiven oder zwingt zu neuen Fragestellungen. Das merkte ich besonders bei meiner Masterarbeit, bei der sich meine ursprüngliche Forschungsfrage nicht mehr halten ließ, je länger ich auf Lüpertz guckte – aber gerade dieses Mehrfachschauen ließ mich dann andere Dinge fragen.

Was mich zur dritten Art des Sehens führt, die auch im Artikel beschrieben wird: mehrfach gucken. Walker verlinkt einen Artikel aus der New York Times, in dem der Autor Randy Kennedy beschreibt, dass er sich nun schon seit Jahren den selben Caravaggio im Met anschaut. Schon seinen Weg zum Bild fand ich lesenswert (vermutlich weil ich genau die gleichen Bilder mag oder nicht):

„Curators have long lamented how little time museum patrons spend in front of works; a 2001 study by the Met found the median viewing time to be only 17 seconds. And so I would love to say that I formed a conviction to make the Caravaggio my pilgrimage site in order to nobly embody the pre-Internet virtues of long looking, of allowing meaning to accrue over time. The truth is that my job as an art reporter takes me to the Met with great (and pleasing) regularity, and every time I make my way through the European galleries, I seem to end up passing the painting and stopping short in front of its pile of shadows.

Eventually I came to remember exactly where the painting was, and after an interview, before heading to the subway, I got into the habit of making a beeline for it, almost sheepishly, like somebody at a party snubbing all the guests except the one he really wants to talk to. I’d shoot painfully past Hans Memling, one of my favorites, past Bosch and past Bruegel’s stout harvesters, eternally eating their lunchtime porridge. I’d hang a left at van Dyck’s foppish blond duke, ignore Rubens altogether, and by the time I got to Guercino’s Samson and his gloriously torqued back, I’d know I was almost there.“

Der Bruegel hängt da übrigens immer noch, der ist leider gerade nicht in Wien bei seinen Kumpels vom Jahreszeiten-Zyklus, nur so nebenbei. Kennedy verweist auch auf das wunderbare Buch Alte Meister von Thomas Bernard, das ich euch ebenfalls empfehlen kann.

Ich begann den Artikel mit dem Hinweis auf Austin Kleons Newsletter. Daraus möchte ich noch schnell einen Eintrag vom Verfasser selbst zitieren: We are verbs, not nouns. Er beschreibt ein Interview mit Stephen Fry, in dem dieser die folgenden schlauen Sätze sagte:

„Oscar Wilde said that if you know what you want to be, then you inevitably become it – that is your punishment, but if you never know, then you can be anything. There is a truth to that. We are not nouns, we are verbs. I am not a thing – an actor, a writer – I am a person who does things – I write, I act – and I never know what I am going to do next. I think you can be imprisoned if you think of yourself as a noun.“

Das hat mich seltsam berührt, weil ich mich sofort über mein Schreiben definieren konnte, aber auch sofort wusste, wie oft sich dieses Schreiben geändert hat. Mir ist erst Mitte meiner Dreißiger aufgefallen, dass ich schon immer geschrieben habe. Ich habe als Kind bereits Tagebuch geführt, ohne es so zu nennen, ich habe halt immer irgendwo irgendwas hingeschrieben, bis ich mit 12 mein erstes Büchlein bekam, in das ich schrieb. Eine meiner deutlichsten Kindheitserinnerungen ist eine Szene, wie ich mit dem Fahrrad von Oma zurück nach Hause fahre und dabei über die Blumen am Weg nachdenke. Ich kann mich sehr genau daran erinnern, wie ich über sie nachdachte, weil ich wusste, dass ich genau diese Gedanken danach aufschreiben wollte – was ich auch tat.

Ich habe mir den Eintrag gerade durchgelesen, weil ich aus ihm zitieren wollte, aber den verschweige ich der Nachwelt besser. Ähem. Immerhin kommt direkt nach dem arg simplen Vergleich von schönen Blumen und schlichten Menschen noch eine knallharte Analyse zu Ingeborg Bachmanns Gedicht Herbstmanöver: „Es ist einfach irre!“

Mir ist beim Tagebuchlesen eben auch bewusst aufgefallen, dass ich recht früh damit begonnen habe, mir über Dinge klar zu werden, indem ich sie aufschreibe – so wie ich das heute noch mache. Ich erwähnte das im Blog vermutlich schon mal: Ich habe Schreiben nie als ein Talent oder sogar als eine Grundlage für einen Beruf gesehen, einfach weil ich es schon immer gemacht habe. Ich war also schon immer ein Verb – „schreibend“ statt „Schriftstellerin“, als was ich mich nie bezeichnet habe – , bevor ich eine Journalistin wurde, eine Bloggerin, eine Werbetexterin, eine Buchautorin, eine Kunsthistorikerin (wenigstens für zwei Kataloge).

Tagebuch Donnerstag, 15. November 2018 – Klassiker kochen

F. morgens zwei Stück Sachertorte in eine Tupperdose gepackt und sie ihm für den Nachhauseweg mitgegeben. Habe noch kein Geschmacksfeedback bekommen, gleich mal einfordern.

Die ersten zwei, drei Tassen Tee des Tages genossen und dabei gebloggt. Danach den restlichen Tee in meine Thermoskanne umgefüllt, damit er warm bleibt. Ich nutze kein Stövchen mehr; seit ich Tee nur noch aus Omis Teekanne mit ihren winziges Tässchen trinke, hat der gar keine Chance mehr, wirklich kalt zu werden, weil ich dauernd nachschenke. Gestern wollte ich aber mitten in der Kanne ins Museum, um eine Ausstellung für den neuen Fehlfarbenpod anzuschauen. Also wurde der Tee umgefüllt und als ich wieder nach Hause kam, konnte ich warm weitertrinken.

Die Ausstellung war übrigens toll. Ich bin etwas zweifelnd ob des Konzepts reingegangen, kam aber sehr gut gelaunt und begeistert wieder raus. Ein paar kleine Hühnchen habe ich zu rupfen, aber das erledige ich dann Samstag abend am Mikrofon. Und Sonntag könnt ihr dann hören, um welche Ausstellung es ging, yay, Teaser!

Abends gekocht, weil ich nachmittags eine neue Folge von Masterchef – The Professionals geguckt habe. Dort treten keine Laienköche gegeneinander an, sondern Profis, also Köche, die wirklich im Beruf stehen. Allerdings nicht unbedingt in der Sterneküche, sondern eher so das Format Gastropub. Bevor die Jungs und wenigen Mädels ihre eigenen Kreationen kochen dürfen, kommt immer der sogenannte Skills Test, erdacht entweder von Marcus Wareing oder Monica Galetti, die als Juroren in der Show arbeiten. Dort müssen die Kandidat*innen meist etwas aus der klassischen Küche zubereiten – also gerne Dinge, die man vermutlich in der Ausbildung mal gelernt hat, aber dann doch seltener macht, weswegen der Skills Test ziemlich fies ist beim Zugucken, wenn man Profis an Standards scheitern sieht. Was aber für uns Hobbyköche halt auch ganz hübsch ist.

Gestern wurde eine Beurre Blanc verlangt, die mir sogar ein Begriff war, die ich aber noch nie selbst zubereitet hatte. Genau das versuchte ich dann abends, und mir wurde wieder klar, wie hilfreich die vielgescholtenen Kochshows dann doch manchmal sein können. Die Kritik geht ja gerne „Die Leute gucken das nur, die kochen gar nicht selbst und essen auch weiter Schrott“, wozu ich immer sage: Ja und? Ich gucke auch Fußball und stell mich nicht selbst ins Tor, das wirft mir lustigerweise niemand vor. Gewisse Fernsehformate sind als Unterhaltung konzipiert und nicht als Doku oder Mitmachschlumpf, und ihnen genau das vorzuwerfen, finde ich arg albern.

Jedenfalls hatte ich bei Masterchef mitbekommen, dass a) die Schalotten keine Farbe annehmen dürfen, die Hitze also nicht zu hoch sein darf und b) dass man die sehr kalte Butter ständig rühren musste anstatt sie einfach in der Sauce schmelzen zu lassen, weil sich sonst Säure (Wein, Essig) und Fett (Butter) wieder trennen. Gleichzeitig war mir bewusst, wie haargenau dieses Rezept dem derzeitigen Hit Salt Fat Acid Heat entspricht; ich hatte also quasi einen zweifachen Lerneffekt. Und dazu wirklich schmackhaftes Essen: Die herrlich cremige, fein säuerliche und damit total unbemerkt irrwitzig gehaltvolle Sauce veredelte selbst meinen banalen Tiefkühlfisch.

Nebenbei habe ich festgestellt, dass mein warmes Licht über dem Küchentisch mich auch abends noch halbwegs gute Fotos machen lässt, wenn auch nicht ganz aufsichtig, weil dann der iPhone-Schatten auf dem Teller landet.

„So schlecht ist die Zeitung ja gar nicht geworden“

Den Artikel hatte ich gestern mehrfach in der Twitter-Timeline und obwohl mich kaum jemand weniger interessiert als Julian Reichelt, habe ich das Interview einer Schülerzeitung aus Hamburg mit ihm dann doch komplett gelesen. Wenn auch sehr augenrollend. Aber die Verfasser*innen hatten mich schon beim Einstieg:

„Im Mai 2018 erscheint ein Portrait über Julian Reichelt im „SPIEGEL“. „Seitdem Julian Reichelt bei „BILD“ das Kommando übernommen hat, ist das Blatt im Kampfmodus“, schreibt das Magazin über den 38-Jährigen. Das Portrait birgt eine Überraschung: Reichelt war Schüler am GO [Gymnasium Othmarschen]. Endlich mal ein namhafter Abgänger, auch wenn er dann zu „BILD“ gegangen ist. Bevor er „BILD“-Chef wurde, war er lange Zeit als Kriegsreporter für Springer im Nahen Osten.

Der Kontakt zu Reichelt ist schnell hergestellt. Kurze Zeit später kommt eine Antwort-Mail:

„Interview mach ich gern. Mein Büro koordiniert Termin. Best, j.“

Und tatsächlich: Sein Büro koordiniert Termin.“

Und mit derartigen Perlen – schöner Einstieg und dann Abdriften in die Bild-Parallelwelt – geht’s dann weiter:

Reichelt: „Qualitativ hochwertiger Journalismus ist ohne hohe Investitionen nicht möglich. Die Art und Weise der Berichterstattung, die wir machen, die Themen, die wir abdecken, ist ohne hohe Investitionen schlichtweg nicht möglich. Das ist mir auch ein ganz wichtiger Punkt, dass wir als Journalisten sagen müssen: Journalismus ist wertvoll, Journalismus ist etwas wert. Es hat einen Wert für die Gesellschaft. Journalismus gibt es nicht umsonst. Umsonst gibt es Social-Media. Viel Spaß damit! Journalismus, der sich auf gewisse Standards und Regeln verständigt, der es sich erlaubt, mit eigenen Leuten und kritischem Blick vor Ort an die Quelle zu gehen, der kostet Geld und dafür sollten die Leute bezahlen. Es sollte eine Bereitschaft geben, dafür zu bezahlen.

Ich glaube, wir haben in den letzten zwölf, 24 Monaten bei Social-Media gesehen, was das Alternativ-Modell zum Journalismus ist. Nämlich eine Welt, in der alles stimmt und nichts stimmt, in der jeder behaupten kann, was er möchte, in der sich Falschmeldungen besser verbreiten, als korrekte Meldungen, in der man es inzwischen mit einem hasserfüllten Diskussionsumfeld zu tun hat, was ich sehr abschreckend finde.“

Liebster Tweet der letzten Tage, weil es meine derzeitige Stimmung trifft: