Tagebuch Samstag, 29. September 2018 – Moleskine und Kühlschrank

In der neuen Wohnung steht ein nagelneuer Kühlschrank. Das Dumme ist: Er ist winzig. Und er ist nicht in Augenhöhe, sondern unterhalb der Arbeitsplatte, weswegen ich quasi auf die Knie gehen muss, um im Gemüsefach rumzuwühlen, in das ungefähr zwei Paprika und zwei Möhren passen. In den ersten Tagen hier nahm ich das noch hin, es gab Wichtigeres, was erledigt werden musste (Badezimmer von grün auf hellblau umdekorieren, den ganzen Alkohol alphabetisch ordnen, damit ich nicht immer durch zwei Fächer wühlen muss, Kerzenhalter von Wachs befreien, damit die Teelichter heller leuchten in den Räumen, wo die Lampensituation noch work in progress ist).

Gestern war ich aber endgültig genervt von diesem Winzding. Ich hatte sowieso vor, mir eine kleine Eistruhe zu kaufen, denn das Kühlschränkchen hat nur ein Drei-Sterne-Fach, aber jetzt überlegte ich: Warum nicht gleich was Anständiges! Also klickte ich mich durch die Angebote von einigen Elektrohändlern und fuhr gestern morgen zu Saturn am Stachus, um mir selbst anzuschauen, wie breit sich 60 Zentimeter anfühlen und wie hoch einsachtzig (perfekt) oder sogar zweizehn (zu hoch). Ich entschied mich im Prinzip schon für ein Gerät, wollte aber zuhause nochmal vergleichen und kaufte es daher nicht sofort. Aber ja, demnächst werde ich dann wohl auch einer von jenen Menschen mit einem Standkühlschrank sein. Netterweise ist die Küche groß genug dafür, und es löst gleichzeitig mein Problem mit einer der vier Wände, die mir noch unstrukturiert vorkam. Jetzt wird der Tisch mit der Schmalseite an ihr stehen, darüber kommt vermutlich Kunst oder Krempel auf ein Regalbrett und schon ist da ein Fokus in der Küche, den sie bis jetzt noch nicht hatte. Nein, ich will nicht, dass ein Kühlschrank der Fokus ist. Vielleicht kann ich ihn umhäkeln.

Am Kaufhof am Stachus kaufte ich ein neues Moleskine. Normalerweise habe ich immer ein leeres im Haus, denn vielleicht muss ich in einer Vorlesung ja mal total überraschend 60 Seiten mitschreiben, und ehe ich dann UMGOTTESWILLEN kein Schreibpapier mehr im Haus habe, ich kann den Satz gar nicht ausschreiben. Beim Einpacken der alten Wohnung stellte ich fest, dass ich kein unbeschriebenes mehr hatte, also kam das auf die Einkaufsliste. Außerdem erstanden: mein neues Lieblingsbrot, das leider nicht vom Bäcker bei mir vor der Haustür stammt. Aber jetzt kann ich ja allmählich wieder selber backen.

Wobei mich das momentan nicht so reizt. Den Backofen der Vorbesitzerin hatte ich mit Backofenspray, Stahlwolle und zum Schluss akoPads bearbeitet und so richtig, RICHTIG sauber kommt er mir immer noch nicht vor. Der Rost, der zum Backofen gehört, war schwarz, als ich ihn aus dem Ofen zog. Keine Übertreibung. Da waren ungefähr fünf Lagen eingebackene verkohlte Lebensmittel drauf, aber jetzt sieht man immerhin wieder das Silber darunter. Aber auch hier: So richtig glücklich bin ich noch nicht.

Auch das Auswischen der Schränke hat die Dame sich anscheinend erspart, was mir erst gestern auffiel, als ich eine Dose Tomaten in einen Schrank stellte, dabei eine Reihe dort schon eingeräumte Dosen nach hinten schob – und es gläsern klang. Ich kletterte auf die Leiter und fand eine dicke Glasscherbe im Schrank. Vielleicht hätte ich vor dem Einräumen mal nachgucken sollen, aber ich bin nicht mal auf die Idee gekommen, dass man die Schränke beim Auszug nicht auswischt.

Bei der Bundesliga-Konferenz auf dem Sofa eingeschlafen, neue US-Serienfolgen der letzten Woche nachgeholt, Dominosteine gegessen. Alles wie immer. Fühlt sich schon sehr nach Zuhause an. Und mein Blog ist wieder auf dem aktuellen Stand, yay!

Nachtrag: Tagebuch Freitag, 28. September 2018 – Alle Kisten ausgepackt

Freitag war der Nachholtermin für meinen Internetanschluss; der Techniker sollte wieder zwischen 8 und 13 Uhr kommen. Er war netterweise bereits um 9 Uhr vor Ort, das Anschließen dauerte fünf Minuten, und nach weiteren 20 ging mein geliebtes Internet auch wieder. Jetzt bin ich zuhause.

Den Rest des Tages verbrachte ich damit, insgesamt 42 Bücherkisten auszupacken und die Inhalte in Regale zu ordnen. Wie immer stehen die deutschsprachigen Romane ganz links, dann kommen die englischsprachigen. In den restlichen drei Regalen stehen die Sachbücher, nicht nach Sprache, aber nach Gebiet getrennt, wobei ich mich bei einigen Werken nie entscheiden kann, ob es jetzt Soziologie, Psychologie oder einfach aktuelle Gesellschaftsanalyse ist, weswegen dieser Bereich intern bei mir „alles andere“ heißt. Film ist so gar nicht mehr meins, die Bücher wanderten ganz nach unten, wo sie in der oberen Wohnung noch ein paar Regalbretter drüber gestanden hatten. Auch das Thema Essen und Körper wollte ich weniger präsent haben. Dafür sieht man die Comics und Graphic Novels jetzt besser, weil sie nicht mehr in die Ecke gequetscht wurden. Meine historischen Bücher sind so halbwegs chronologisch geordnet, aber das klappt natürlich auch nicht immer. Ich mag es aber sehr, wie dicht 1812 und 1913 nebeneinander stehen.

Ein paar Bücher landeten, wie immer beim Auf- und Umräumen, auf dem Altpapierstapel. Und ich fasste nach sechs Stunden Büchereinräumen auch endlich den Entschluss: Immer wenn ein neues Buch ins Regal kommt, fliegt ein altes raus. Ich glaube, ich habe jetzt wirklich genug Bücher.

Und damit waren meine knapp zwei Wochen Vorbereitungs-, Umzugs- und Nachbereitungswochen vorbei. Am Samstag morgen war der erste Tag seit zwölf Tagen, an dem ich nichts machen musste, an dem niemand was von mir wollte, an dem ich keinen Termin hatte. Deswegen wollte ich den Freitagabend auch alleine verbringen und alleine schlafen: endlich mal wieder ohne irgendwas im Hinterkopf einschlafen und aufwachen.

Ich wohne dann jetzt hier. Hier ist es nett. Mein Arbeitszimmer ist blau und ich habe einen Balkon.

Nachtrag: Tagebuch Donnerstag, 27. September 2018 – Wahlhelferschulung

Ich mache bei der bayerischen Landtagswahl Wahldienst, genau wie bei der letzten Bundestagswahl. Auch dort gab es auch bereits eine Schulung, vor allem, weil München damals zum ersten Mal mit Rechnerunterstützung Stimmen auszählte. Ich fand das sehr hilfreich; anstatt dutzende von Schmierzetteln zusammenfügen zu müssen, fragt der Rechner einfach in einer bestimmten Reihenfolge Dinge ab und die arbeitet man dann halt runter. Das läuft dieses Mal wieder so, aber auch dieses Mal saßen in der Schulung wieder Menschen, die irgendwie Angst vor diesen Geräten hatten. „Also, ich MUSS den gar nicht benutzen?“ Die Angst wurde ihnen vermutlich auch nicht groß genommen, denn wir beschäftigten uns kaum mit dem Rechner – „den kennen Sie ja alle vom letzten Mal.“ Ja, ich schon, danke, aber: hm.

Generell fand ich die Auffrischung aber wieder sehr hilfreich und die Auszählübung spannend. Wir hatten wie beim letzten Mal diverse Stimmzettel, die aus unterschiedlichen Gründen gültig oder ungültig waren und auch einige, bei denen beides möglich war. Wir sollten das Abstimmen über die Gültigkeit üben und bekamen generell Tipps für den Wahltag. Wir wurden auch darauf hingewiesen, dass gewisse Gruppen sich als Wahlbeobachter angekündigt hätten. Die Beobachter der OSZE trügen Armbinden und würden nur stumm rumgucken, aber es gebe durchaus Gruppen, die uns vielleicht genauer auf die Finger gucken wollten (der Schulungsleiter nannte keine Namen, aber ich ahne, dass es um eine bestimmte rechtsgerichtete Partei geht). Wir sollten darauf achten, dass diese Beobachter keinen Einblick ins Wählerverzeichnis bekämen (personenbezogene Daten) und wir sollten sie bitten, Abstand zu halten und uns arbeiten zu lassen. Zugucken ist natürlich erlaubt, die Wahl und auch die Stimmauszählung sind öffentlich. „Bieten Sie ihnen einen Stuhl an der Tür an und lassen Sie sich nicht einschüchtern. Ansonsten: 110 wählen.“ Das klingt ja sehr hoffnungsvoll, bestärkt mich aber in meiner Entscheidung, wieder Wahlhilfe zu leisten: Ehe die AfD Stimmen zählt (oder auch nicht, traue ich diesen Antidemokraten durchaus zu), mache ich das lieber selbst.

Nachmittags noch ein paar Bücherkisten ausgepackt, aber nicht mit der Bibliothek fertig geworden. Abends den ersten richtigen gemeinsamen Abend mit F. in der neuen Wohnung verbracht. Brotzeit mit Le 7 begleitet und sehr zufrieden gewesen, weil ich auch hier merkte, wie anders Dinge sind: Ich musste nicht wie oben den Küchentisch abräumen, um ihn von einem Schreibtisch in einen Essplatz zu verwandeln. Ich konnte ihn einfach decken und danach abräumen (und Geschirr in die von der Vormieterin überlassene Geschirrspülmaschine räumen, wo-hoo!), und ich musste nicht wieder meinen Laptop und meine externen Festplatten aufstellen, um am nächsten Morgen sofort losarbeiten zu können. Das war schön. Ja, klingt nach einer Kleinigkeit, aber für mich war das schön.

Nachtrag: Tagebuch Mittwoch, 26. September 2018 – Bye-bye, Studibutze

Vormittags ging ich ein weiteres Mal durch die alte Wohnung und guckte, ob ich auch nichts vergessen hatte. Ich meinte nicht und nahm den letzten Teil des Abschieds vor: den Umzug meines Kellerinhalts. Dort fand ich noch eine Kiste T-Shirts, von denen ich dachte, ich hätte sie schon längst in die Altkleidersammlung getan. Hatte ich anscheinend nicht. (To do: wegbringen. Oder noch drei Jahre im neuen Keller liegen lassen und dann einfach wegschmeißen.)

In der neuen Wohnung stand dann das Arbeitszimmer an. Die Möbel hatten die Umzugshelferlein schon dorthin getragen, wo sie sein sollten. Nun räumte ich Büromaterial aus Kisten aus und in meinen Container wieder ein, ordnete Aktenordner nach Datum, stellte meine aktuellen „Jobs“- und „Diss“-Ordner in meine Nähe und begann, das kleine Kallax mit Kunstbüchern zu füllen. Bisher hatten alle meine Bücher in den sechs Billys gestanden; nun wollte ich aber die Kunstbücher im Arbeitszimmer haben, denn die Diss ist Arbeit. Ein Teil der Bücher lag in den Kisten hier im Arbeitszimmer, die anderen vermutlich in den Kisten in der Bibliothek. (Ich habe hier kein Wohnzimmer, ich habe hier eine Bibliothek. Ja genau.)

Im Arbeitszimmer steht außerdem mein altes Schlafsofa gegenüber vom Schreibtisch. Vom Schreibtisch aus gucke ich nach rechts in den Innenhof bzw. auf lauter grüne Balkons und ansonsten auf meine leere dunkelblaue Wand, was ich sehr beruhigend finde. Davor knallt das weiße Sofa natürlich richtig. Es hat sich schon in den ersten Tagen in dieser Wohnung eingebürgert, dass ich meinen Morgenkaffee genau dort trinke. Nicht wie sonst mit dem Rechner auf dem Schoß auf dem Sofa, das nun in der Bibliothek steht, sondern höchstens mit dem Handy, meist nicht mal damit, nur mit meinem Kaffee auf dem Schlafsofa. Das ist übrigens das hier, und obwohl ich es eher unbequem finde, kann ich mich nicht von ihm trennen, weil es so hübsch ist! Das tragen mir arme Menschen seit 1999 von Wohnung zu Wohnung. Auf ihm gucke ich frisch geduscht und halbwegs wach einfach über den Balkon in den Innenhof bzw. darüber hinaus und bin selbst erstaunt darüber, wie schön und entspannend das ist.

Nach links gucke ich vom Schreibtisch übrigens auf Luise, und das ist ebenfalls schön und entspannend. Das Arbeitszimmer ist genau so geworden, wie ich es erhofft habe, und das freut mich sehr. (To do: Lampen aussuchen. Lampen andübeln. Oder demnächst bei Kerzenlicht arbeiten.)

Nachmittags war dann Wohnungsübergabe. Die Verwaltung hatte das vereinfacht: Anstatt zuerst mit mir durch das Übergabeprotokoll zu gehen und dann nochmal mit dem Nachmieter, waren wir einfach alle gleichzeitig vor Ort. Das ging auch problemlos, aber ich merkte, dass mein Kloß im Hals immer dicker wurde. Total beknackt, ich habe ja jetzt eine viel tollere Wohnung! Aber ich hing wohl doch mehr an der Studibutze auf Zeit, dem Zweitwohnsitz, dem Provisorium, der Übergangswohnung, als ich dachte.

Abends briet ich mir Frikadellen, weil comfort food. Mein Metzger wolft Hackfleisch frisch durch, da liegt keine Wanne stundenlang in der Theke. Vermutlich schmeckt’s auch deshalb so gut. Bye-bye, Wohnung, ein Klops auf dich! Du warst sehr gut zu mir.

Und jetzt fangen wir ein neues Kapitel an. Keine Übergangswohnung mehr oder irgendeine, in die ich rein muss, weil ich sonst noch Monate auf dem Sofa des ehemaligen Mitbewohners hätte zubringen müssen, sondern eine, die ich mir ausgesucht habe, weil es ging. Eine, in die wieder alle meine Habseligkeiten reinpassen. Eine, in der ich wieder mehr als Texterin wohne denn als Studentin. Eine, in der ich noch eine Weile in Ruhe älter werden möchte.

Nachtrag: Tagebuch Dienstag, 25. September 2018 – 1000 Liter Wasser

Dienstag hatte ich noch ein Zimmer zu streichen und wollte danach nochmal alles anständig durchputzen: den Backofen reinigen, alle Schränke auswischen, Kühlschrank abtauen, endlich mal auf der Dunstabzugshaube wischen, Fenster putzen usw. Ich klebte also zum gefühlt hundertsten Mal in den letzten zwei Wochen Fußleisten und Türkanten ab, entfernte Steckdosen und Lichtschalter und rührte in Farbtöpfen rum. Eigentlich hatte ich erwartet, total davon genervt zu sein, mich nochmal so intensiv um eine Wohnung zu kümmern, die in einem Tag nicht mehr meine sein würde. Ich war selbst davon überrascht, dass dem nicht so war. Es war eher so wie ein schönes Geschenk einzupacken, damit sich jemand anders darüber freuen kann.

Ich mochte die kleine Wohnung sehr. Ich weiß, dafür kann die Wohnung nichts, dass ich in den letzten Jahren zwei Studiengänge abgeschlossen habe, eine Beziehung beendet und eine neue begonnen habe, viele neue Menschen kennen- und eine neue Stadt liebengelernt habe. Aber sie war eben der Fels in der Brandung. Wann immer irgendwas nervte und störte, konnte ich mich in meine kleine Höhle zurückziehen. Dass sie nur eine kleine Höhle war, wurde ihr irgendwann zum Verhängnis, aber, ich glaube, ich schrieb es schon mal, wenn hier im Haus nichts anderes frei geworden wäre, würde ich dort noch wohnen. Ich zog dort nicht aus, weil es so fürchterlich war. Deswegen hoffe ich ein bisschen darauf, dass der Nachmieter auch eine gute Zeit in ihr hat – und für einen guten Start konnte ich das kleine Ding nochmal richtig rausputzen.

Als die Farbe im Zimmer trocknete, begann ich damit, das Bad zu putzen. Spiegel, Waschbecken, dann die Badewanne und die Wände. Ich feudelte lustig an den Haltestangen und Seifenschalen rum, begann den Wasserhahn zu polieren – und stieß an das Ventil, an dem bisher die Waschmaschine gehangen hatte. Es öffnete sich, genau wie Samstag, sofort und literweise Wasser sprudelte auf den Wannenrand. Als meine Versuche, den Hahn zu schließen, fehlschlugen, baute ich einen Damm aus drei Handtüchern, damit das Wasser wenigstens in die Wanne lief. Dann drehte ich besinnungslos und mit aller Kraft, die ich hatte, am Hahn. Egal in welche Richtung ich schraubte – er ließ sich nicht schließen, das Wasser schoss in jeder Position ungehindert in Richtung Handtücher. Ich rannte in den dritten Stock, wo unser Hausmeister wohnt – aber niemand öffnete. Ich rief die Verwaltung an, die ich ja schon gestern hatte anrufen wollen und die dann vermutlich auch gestern schon jemand geschickt hätten, BEVOR ICH VERDAMMT NOCHMAL an das blöde Ventil komme, aber egal. Sie rief den Klempner an, der rief mich an – „kann aber nachmittags werden“ –, ich drehte hilflos und sinnlos weiter am Hahn, als es klingelte. Ein Antennentechniker sollte eine veraltete Dose ersetzen. Er schraubte vor sich hin, fragte irgendwann: „Läuft bei Ihnen Wasser?“, ich erzählte die ganze Geschichte, er schraubte weiter, ich putzte währenddessen die Küche, wo keine lockeren Ventile gemein zu mir waren, das Wasser im Bad lief lustig weiter in die Wanne, und als der Techniker fertig war, meinte er, er könne sich das ja mal anschauen. Ging ins Bad, guckte – und drehte den Hahn einfach zu.

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. In meinem Kopf tauchte eine Wasserrechnung über EINE MILLION LITER WASSER auf, und ich habe jetzt die offizielle Bestätigung, dass ich totale Puddingarme habe.

Ich bedankte mich, meinte, hey, damit hätten wir anfangen sollen, er grinste und winkte freundlich ab, als ich ihm anbot, aus der anderen Wohnung eine Runde Trinkgeld zu holen. Eine halbe Stunde später klingelte dann der Klempner, ich erzählte die Geschichte nochmal, er drehte den Hahn auf – und problemlos wieder zu. Ich weiß nicht, ob er nett zu mir sein wollte, aber er meinte, wenn der Hahn immer geöffnet war – ich hatte so einen komischen Wasserstopp an der Maschine, musste ihn also nie zudrehen –, dann setze sich da manchmal Dreck ab, dann ließe sich der auch echt schwer wieder zudrehen. Ich nickte memmig und schwor mir, ab sofort mit kleinen Hanteln auf dem Sofa zu arbeiten, während ich Serien schaue.

Dann beendete ich das Putzen, schaute mich nochmal in der ganzen Wohnung um, befand sie für gut und nahm innerlich Abschied.

Abends hatte ich noch was vor: der FC Augschburg war in der Allianz-Arena zum Auswärtsspiel geladen. Die Sitznachbarin von F. konnte nicht, ich bekam ihre Karte und ging mit FCA-Schal in die Arena. Seit ich nur noch in der WWK-Arena sitze, sind mir Größenverhältnisse völlig abhanden gekommen. Mir war schon klar, dass die Allianz-Arena groß ist – da gehen immerhin 75.000 Leute rein –, aber erst, seitdem ich immer in einem Stadion für 30.000 Besucher*innen bin, weiß ich, WIE GROSS sie ist. Es war nett, mal wieder vor Ort zu sein, ich sah erstmals die neuen roten Sitze, die vorher neutral grau gewesen waren, weil bis letzte Saison auch die Blauen im Stadion gespielt hatten, sah die rot gestrichenen Aufgänge, die teilweise rot gestrichenen Treppenstufen in den Oberrang und fand das alles sehr schick. Trotzdem vermisste ich das kleine, linkische Augschburg mit dem Kids Club und fand die Lightshow zur Spielervorstellung doch arg überkandidelt. Ich fragte mich spontan, welche Art Agenturen dafür zuständig ist, Sportereignisse zu EVENTS hochzujazzen. Ich nehme an, Eventagenturen. (Ich brauche manchmal auch Hanteln fürs Gehirn.)

Gegen die übermächtigen Bayern wäre ich mit einem 0:2 oder sogar 0:3 zufrieden gewesen, aber irrwitzigerweise gelang Augsburg kurz vor Schluss der Ausgleichstreffer zum 1:1-Endstand, und so fuhr ich sehr gut gelaunt nach Hause. Auch wenn ich schmerzende Knie hatte. Irgendwann lerne ich das auch noch: Im Stadion IMMER lieber eine Lage zu viel an als eine zu wenig. Ich hatte die Thermotights unter der Jeans vergessen und war deshalb nach ungefähr einer Stunde etwas unentspannt gewesen. Scheißegal. Unentschieden auswärts, wo-hoo!

Nachtrag: Tagebuch Montag, 24. September 2018 – NO INTERNET!

Als ich die Telekom-Hotline anrief, um mein Internet umzumelden, hatte ich alles parat: Kundennummer, Festnetznummer (die ich nie benutze, weswegen ich sie nicht weiß), Name der Vormieterin und was weiß ich noch. Was ich nicht parat hatte, war der Wunschtermin für den Techniker, weswegen der nicht vergangenen Freitag stattgefunden hatte, sondern eben erst zwei Tage nach dem Umzug, weil ich bei der betreffenden Frage des Kundendienstes total überfordert war. Aber egal. Ich saß also frisch und fröhlich am neuen Schreibtisch, tippte die ersten Blog-Nachträge in ein Word-Dokument und wartete, denn irgendwann zwischen 8 und 13 Uhr sollten die Telekomelfen meinen Anschluss freischalten. Um 11 kam stattdessen eine SMS, die mir das Gegenteil sagte: Techniker kommt nicht, bitte bei uns anrufen. Schnaubend rief ich an, hatte fieserweise eine unerschütterlich EXTREM GUT GELAUNTE Mitarbeiterin am anderen Ende, die mir als Ersatztermin den folgenden Freitag anbot, nein, früher ginge leider nicht. Ich nahm an, was blieb mir auch anderes übrig, legte auf und tippte einen wütenden Tweet.

Eigentlich wollte ich keine wütenden Tweets mehr absetzen über die Bahn oder das Wetter oder Leute vor mir in der Postschlange, weil das die Welt keinen Deut besser macht und irgendwann ist auch mal gut mit dem ewigen Gemecker. Aber wenn man noch fünf Tage kein Internet hat, ist das natürlich was ganz anderes! (Nein, ist es nicht.)

Mit drei Stunden Verspätung begann ich daher knurrend, die obere Wohnung rauszuputzen. Ich fegte und staubsaugte, damit ich danach streichen könnte. Ich war überrascht, wieviel Staub sich hinter meinen Regalen und dem Sofa angesammelt hatte und schreckte ein wenig vor dem Bad zurück, wo bisher die Waschmaschine gestanden hatte. Jetzt war dort ein feuchtdreckiger Boden, ein Dutzend nasse Handtücher und viel, viel Staub an der Wand. Das kam erstmal alles weg, und danach ging es mir gleich besser.

Ich sah auch das noch leicht tropfende Ventil am Badewannenhahn, an dem bisher die Waschmaschine angeschlossen gewesen war. Beim Abnehmen hatten die Jungs es so fest wie möglich zugedreht, aber ein bisschen tropfte immer noch in die Wanne. Ich war am Samstag beim Umzug irgendwie kurz dagegengekommen, woraufhin es sich sofort gelöst und literweise Wasser von sich gespuckt hatte. Netterweise waren noch zwei kräftige Jungs oben, die es sofort wieder zudrehten. Ich wollte dazu eigentlich die Verwaltung anrufen, aber stattdessen rief diese mich an, was mich völlig verwirrte. Sie wollte den Klempnertermin durchgeben für meinen neuen Wasserhahn unten in der Küche, aber den hatte ich ja bereits. Und über diesem Gespräch vergaß ich das Ventil total. (An diesen Moment erinnerte ich mich einen Tag später sehr genau.)

Nach dem Putzen begann ich zu streichen. Vor allem in der Küche war ich erstaunt darüber, wie gelb die Tapete schon aussah, jetzt, wo ich mit frischem Weiß ankam. Meine graugestrichene Ecke musste ich zweimal bearbeiten, genau wie meine rote im Flur, aber ich glaube, ich habe fast die ganze Küche in Teilen dreimal gestrichen, weil immer wieder Stellen gelblich aussahen – bis mir auffiel, dass die gelben Häuser gegenüber eventuell ein bisschen fieses Licht reflektierten. Einen Tag später am Morgen sah auch alles prima und streifenfrei weiß aus, da habe ich anscheinend keine Stelle vergessen.

Am frühen Abend fuhr ich bei F. und seinem Internet vorbei, um eine Kundenmail bzw. deren Anhang auf den Rechner zu kriegen, die ich im Laufe des Tages nur auf dem iPhone hatte sehen, aber nicht lesen können. Außerdem wollte ich mir ein paar Serienfolgen von Netflix aufs iPad ziehen – ich hatte in den letzten Tagen gemerkt, dass ich abends ganz gut runterkommen konnte, wenn ich mit einer Wärmflasche im Rücken und zwei Liter Getränken einfach stumpf Serien guckte. F. erwähnte Tethering, an das ich noch gar nicht gedacht hatte. Ich zog es kurz in Erwägung, wollte jetzt aber keine fünf Tagespässe buchen, sondern die internetlose Zeit bockig aussitzen.

Als ich nach Hause kam, sah ich aber, dass die Social-Media-Menschen von @telekom_hilft anscheinend meinen Brasstweet vom Morgen entdeckt hatten (ich hatte sie nicht getaggt, ich wollte ja gar nichts, nur rummeckern). Sie boten mir 10 GB zur Überbrückung an, die ich dankend annahm und lustig lostetherte. Außerdem entschuldigte ich mich für meine etwas unflätige Wortwahl an Morgen, woraufhin ich einen Smiley per DM zurückbekam.

Nachtrag: Tagebuch Sonntag, 23. September 2018 – Kisten auspacken

Gemeinsam in einer neuen Wohnung aufgewacht. Das war schön, auch wenn wir in einem Zimmer aufwachten, in dem eine Kommode noch mit Folie umwickelt war und in dem zehn Kisten und Körbe rumstanden sowie fünf Kilo Werkzeug.

Es haben uns viele Leute gefragt, warum wir nicht zusammenziehen. Wir haben durchaus darüber nachgedacht, aber dann dachten wir daran, dass wir gerne mindestens vier Zimmer haben möchten und beide nicht aus der Maxvorstadt rauswollen, dann dachten wir an den Münchner Mietmarkt, dann haben wir beide herzlich gelacht und jede*r blieb da, wo er oder sie war. Und als sich jetzt eine Drei-Zimmer-Wohnung für mich alleine anbot, sprachen wir nochmals darüber, blieben aber eigentlich dabei: Wir wohnen gerne alleine, aber praktischerweise nur 800 Meter auseinander, das geht schon. Ich mache außerdem wirklich gerne Witze darüber, dass wir nur deshalb nicht zusammenziehen, weil unsere jeweilige Kunst an den Wänden nicht zusammenpasst.

Die morgendliche Dusche war nicht die erste in dieser Wohnung, aber sie hat ein Detail, das ich bisher vergessen habe zu verbloggen. Als ich das erste Mal, vermutlich nach einem weiteren Streich- und Putzmarathon nicht mehr oben, sondern hier unten duschte, prüfte ich wie immer mit der Hand die Temperatur des Wassers, das aus der Brause kam – und dabei wurde meine Hand bunt. Meine Vormieterin hatte einen dieser komplett sinnfreien Duschköpfe eingebaut, die bunt leuchten und damit auch ein bisschen das Wasser optisch färben. Eigentlich finde ich sowas total beknackt, aber in dem Moment, als ich körperlich fertig und stinkend und vermutlich mit schmerzenden Armen in der Dusche stand, musste ich so lachen, dass ich den Duschkopf so lasse. Bis jetzt erinnere ich mich jeden Morgen daran, wie spontan gute Laune ich beim ersten Mal mit dieser Dusche hatte, dass ich mich jedesmal wieder freue. (NATÜRLICH hat das Impressionistenbad eine bunte Dusche. F. so: „Farbverläufe überall!“)

Danach räumte ich den ganzen Tag in der Küche herum, damit wenigstens ein Raum halbwegs bewohnbar wurde. Ich packte alle Kisten aus, die dort standen, räumte alles in die Küchenschränke und die, die im Flur stehen und brachte Zeug in die eingebauten Wandschränke, die immer noch nicht perfekt befüllt sind, weil ich erstmal alles irgendwie aus den Kisten kriegen wollte.

Irgendwann lag eine Decke auf dem Küchentisch, meine Nachbarin hatte mir zum Einzug Blumen vorbeigebracht, die kamen jetzt von der Fensterbank runter, Gewürze und Messer hatten ihren vorläufigen Platz gefunden (den ich seitdem an meine Handgriffe beim Kochen angepasst habe), ich hatte ein paar Haken an die Wände geklebt, denn ich brauche immer mehrere Handtücher um mich rum. Die teure Espressomaschine steht bis heute in ihrer Kiste, denn über ihrem Standort, der der gleiche ist wie oben, muss noch ein Regalbrett angedübelt werden, worauf irgendwie noch niemand Lust hatte.

Eigentlich wollte ich gleich am Tag nach dem Umzug damit anfangen, die obere Wohnung für den Nachmieter zu streichen und zu putzen, denn die Übergabe war auf Mittwoch angesetzt. Ich begann am Sonntag vorsichtig damit, Decken und Fußleisten mit einem Besen abzufegen, aber selbst das machte in einer leeren Wohnung so viel Lärm und störte eventuell die Sonntagsruhe, dass ich das lieber sein ließ und unten weiterarbeitete.

Dort testete ich eine neue Methode zum Shirtfalten an. Meine Oberbekleidung hatte bisher in Stapeln auf Regalböden gelegen, wo man prima erkennen konnte, welches Motiv auf einem der siebzehn blauen Shirts vorne drauf war. Jetzt sollten die Shirts in Schubladen – also brauchte ich eine neue Methode, um nicht immer siebzehn Shirts auffalten zu müssen, bis ich das mit Calvin und Hobbes vorne drauf gefunden hatte. Ich erinnerte mich an Frau Kondo und brachte zwei Stunden damit zu, Dinge zum sweet spot zu falten (das kapiert ihr, wenn ihr das Video seht). Danach war auch das Schlafzimmer schon fast komplett aufgeräumt.

Abends kochte ich das erste Mal in der neuen Wohnung, auch wenn es eher Resteaufbereitung war. Für die Umzugshelferlein hatte ich Gurken und Tomaten in mundgerechte Häppchen geschnitten (bzw. gleich Cherry-Tomaten gekauft). Die warf ich jetzt in Salat, rührte ein Honig-Senf-Dressing an und briet dazu eine zerrupfte Brezn (auch Umzugsfutter) in Knoblauchbutter zu Croutons.

Nachtrag: Tagebuch Samstag 22. September 2018 – Umzugstag

Für den Umzug ab 10 Uhr morgens hatten sich insgesamt sechs Helferlein angeboten, mit F. und mir tummelten sich acht motivierte Leute in der WhatsApp-Gruppe, die über die genaue Adresse informierte und darüber, bitte am leeren Klingelschild zu läuten, denn ich war natürlich oben im fünften Stock und hibbelte vor mich hin.

Alle Billy-Regale waren von Einlegeböden befreit, die Nupsis, die sie hielten, lagen in einer kleinen Tüte schon unten auf der Fensterbank des betreffenden Raums. In meinem einzigen Zimmer oben stapelten sich Umzugskartons, Ikeakörbe und Einkaufskisten aus Plastik, dazu der übliche Quatsch, den man nicht einpacken kann: meine riesigen Sofakissen zum Beispiel. Beim letzten Umzug aus Hamburg hatte ich bei den Profis zugeguckt: Sie schlugen die Kissen in meterlange Folie ein und brachten sie so sauber und sicher nach München. Das machte ich für ein Stockwerk auch und war danach versucht, ALLES in Folie einzuschlagen, weil das großen Spaß machte. Ich wickelte meine hohe Kommode im Flur mit Folie ein und die zwei großen Ikearegale (Bonde – gibt’s schon ewig nicht mehr), die jeweils zwei Glastüren haben. Auch die sollten schließlich heile nach unten und möglichst nicht mitten im Treppenhaus aufgehen.

In der WhatsApp-Gruppe wurde gefragt, ob noch Werkzeug benötigt würde; nein, meinte ich, alles da, alles auseinandergebaut, was geht, alles eingepackt, ihr müsst nur schleppen. Eine Dame meldete sich mit zu spät gestelltem Wecker, sie käme erst gegen halb 11. Und ich meinte launig: Um halb 11 sind wir schon fertig.

Zur Erläuterung: Frau Donnerhall hatte im Vorfeld erwähnt, dass sie bitte nur Kisten tragen möchte, keine Möbel. Kann ich verstehen, will ich auch nicht. Und als sie um halb 11 kam, waren halt wirklich schon alle Kisten unten und auch diverse Möbel. Die schleppenden Jungs und meine Nachbarin, die spontan Hilfe angeboten hatte, waren ernsthaft in einer Stunde mit allem durch. Ich fiepste nur noch vor Dankbarkeit, bekam fünfmal gesagt, dass aber auch alles tiptop vorbereitet gewesen war und das Treppenhaus irre breit und umzugsfreundlich sei und überhaupt, alles kein Ding.

Ich begann darüber nachzudenken, vielleicht doch noch den Zug um 13 Uhr nach Augsburg zu nehmen, wo der FCA ein Heimspiel gegen Bremen hatte, andere dachten über die heute zu eröffnende Wiesn nach, wir machten die ersten Biere auf und lungerten auf dem Balkon rum. Bis auf zwei von uns, F. und sein bester Freund C., denn die hatten sich für die Waschmaschine zuständig erklärt, die oben abgenommen und unten wieder angeschlossen werden sollte. Aber das hatte C. schon tausendmal gemacht, hier unten war ein Anschluss vorhanden, alles super.

Haha.

Um es kurz zu machen: Zunächst gingen F. und C. zu Suckfüll, einem „Wir haben alles“-Laden in Uninähe, weil irgendein Verbindungsschlauch schon arg schrottig aussah. Dann fuhren F. und ich zu einem Baumarkt, weil wir eine Weiche brauchten, vielleicht noch einen Winkel, noch ein paar Ventile und Zeug, von dem ich nicht weiß, was es macht. Ein paar Tage vor dem Umzug hatte mir die Verwaltung schon einen Klempner vorbeigeschickt, denn meine charmante Vormieterin hatte ernsthaft einen Schlauch, der zur Geschirrspülmaschine führte, mit Panzerband geklebt anstatt ein neues Ventil einzusetzen. Ich wunderte mich bei meinen Renovierungsarbeiten über die große Plastikunterlage vor der Spüle, die ich in einer anderen Funktion kannte: als Parkettschutz bei Schreibtischstühlen. Die lag halt in der Küche und unter der Spüle stand ein kleiner blauer Eimer, den ich als Mülleimer fehlinterpretierte. Als ich das erste Mal meine Pinsel und Farbrollen auswusch, erkannte ich, was der wahre Zweck der beiden Gegenstände war: Das bunte Wasser lief am Panzerband vorbei in den Eimer, und aus irgendeiner anderen Ecke tropfte Zeug auf die Plastikunterlage. Das meldete ich natürlich sofort der Verwaltung, es kam jemand vorbei, der brachte einen neuen Schlauch an, meinte aber, der wäre gar nicht nötig, ließ mir ein Blindventil da, das wir anschrauben sollten, wenn die Waschmaschine dran sei – und dann guckte er noch auf den Wasserhahn, der lustig von unten vor sich hinrostete. Der müsste auch mal ersetzt werden, er würde sich wieder melden.

Das tat er aber nicht, und so kaufte ich am Samstag im Baumarkt gleich mal einen anständigen Wasserhahn, mit dem ich arbeiten kann. Die Hähne hier im Haus sind so flach über der Spüle angebracht, dass ich nicht mal meinen Wasserkocher aufrecht darunterkriege geschweige denn einen großen Topf für Pasta. In meiner oberen Wohnung ging das bis vor Kurzem noch, bis ich neue Armaturen bekam, und ich ahnte, dass ich auch hier unten wieder so einen flachen Quatschhahn kriegen würde. Also kaufte ich selbst ein und habe jetzt einen Hahn, unter dem Philipp Lahm stepptanzen könnte, so hoch ist er. (Diese Art, nur billiger.)

Aber erstmal musste er eingebaut werden. Als C. den alten Hahn entfernte, sah ich, dass die Dichtungsringe quasi weggerottet waren; kein Wunder, dass da alles lustig rumtropfte. Interessanter Lösungsansatz mit Eimer und Matte, aber COME ON! Egal. Jetzt nur noch die Waschmaschine anschließen. Ein Helfer und meine Nachbarin hatten sich schon verabschiedet, die anderen lagerten auf dem Balkon, nachdem sie vom Getränkemarkt gegenüber eine Runde Oktoberfestbier besorgt hatten. C. verschwand unter der Spüle, ich saß mit den anderen auf dem Balkon, als es hieß, ich solle doch mal kurz kommen.

Ich mach’s wieder kurz: Es fehlte immer noch irgendwas, weil sich beim Einbau immer neue Hindernisse auftaten. Wir mussten das Loch in der Holzverkleidung für den Schlauch vergrößern, was lustig mit Holzbohrern und Schmirgelpapier passierte, weil niemand eine Säge oder eine Feile besaß. (Ich hatte mal zwei Sägen. Ich ahne, dass die beim letzten Umzug in der alten Wohnung verblieben und nun Hamburger Sperrmüll sind.) Dann mussten wir die Trennwand zum Kühlschrank entfernen, die eh nur Deko war, weil die Maschine ernsthaft zu breit für die Öffnung war (ich hatte nicht nachgemessen – wenn mir die Verwaltung sagt, dass da ne Maschine hinpasst, dann gehe ich davon aus, dass das stimmt). Und schließlich musste noch der Deckel der Maschine weichen, weil sie sonst nicht unter die Arbeitsplatte gepasst hätte. Mir war alles recht, Hauptsache, ich konnte irgendwann wieder waschen.

In der oberen Wohnung stand dann allerdings doch noch etwas, das runtermusste: Luise. Eigentlich wollten F. und ich das alleine machen, wenn alle anderen wegwaren und niemand in das Bild stolpern konnte. Aber da F. mit C. unter der Spüle hing, boten sich zwei Herren an, die zwar schon fünf Bier intus hatten, aber absolut der Meinung waren, noch ein arschteures Ölgemälde an die Wand zimmern zu können. Konnten sie. Bündig mit dem Türrahmen, mittig zwischen Fenster und Tür und perfekt ausgerichtet. Ich war beeindruckt.

Worüber ich mich freute: dass irgendwie keiner gehen wollte, weil’s grad so nett war. Ich hatte inzwischen den vorbestellten Leberkäse besorgt, wir mampften vor uns hin und ließen es uns gut gehen. Und: Ich mochte die kurze andächtige Stille, als Luise an der Wand hing und alle einfach aufs Bild guckten. Ich weiß nicht, ob es das freundliche Motiv ist oder die Faszination eines großen Gemäldes im schweren Goldrahmen, aber ich fand das sehr schön, dass ich anscheinend nicht die einzige bin, die es mag.

Irgendwann gegen 16 Uhr, wenn ich mich richtig erinnere, war dann auch die Waschmaschine angeschlossen, für die F. noch ein zweites Mal zum Baumarkt fahren musste. Die Küche sah aus wie ein Schlachtfeld, ich hatte kein sauberes Handtuch mehr, überall lag Werkzeug und es standen dazu natürlich auch noch Kisten rum. Aber: Wir waren fertig und obwohl unter der Spüle alles anders aussah als vorher, saß das kleine Blindventil auch irgendwo rum. Nach und nach gingen alle bis auf F. und Alex, denn wir überlegten kurz, ob wir noch ein Absackerbierchen auf der Wiesn nehmen sollten. F. hatte eine Reservierung für 17 Uhr auf der Oidn Wiesn und den Tisch eigentlich an einige seiner Freunde aus England und den USA abgegeben, aber es waren noch zwei Plätzchen am Tisch frei, und die schnappten Alex und ich uns jetzt. Verschwitzt, aber glücklich schnatterten wir mit wildfremden Menschen, aßen Rostbratwürstchen und tranken ein winziges bisschen Alkohol.

Auf dem Rückweg erstand ich die traditionellen gebrannten Mandeln, schwankte mit F. zu mir in die neue Wohnung, manövrierte uns an allen Kisten vorbei und konnte endlich mal wieder eine Nacht durchschlafen. Bester Umzug ever!

Nachtrag: Tagebuch Freitag, 21. September – Balkonien

Ich hatte noch nie einen Balkon. Also in der gemeinsamen Wohnung hatten Kai und ich schon einen, aber der ging auf eine vierspurige Hauptstraße raus, und deswegen standen auf ihm nur Kais Satellitenschüssel und mein Aschenbecher, solange ich noch rauchte, wir selbst hielten uns da nie wirklich auf. Daher war es mir bisher auch immer egal, ob meine Wohnung einen Balkon hat oder nicht. Jede*r, dem oder der ich das sagte, nickte geduldig und meinte dann: „Wenn du erstmal einen hast, willst du ihn nicht mehr missen.“

Das habe ich natürlich nicht geglaubt. Aber nun stand ich mit meinem frischen Aeropresskaffee in der Hand in der Küche und dachte, dein Sofa ist noch nicht unten – du kannst jetzt wieder ins Bett oder auf den Pausenstuhl. Oder du nimmst einen der anderen Stühle, die F. netterweise aus dem Keller geholt hat, trägst ihn auf den Balkon und überprüfst das Geschnatter der anderen mal. Ist bestimmt total langweilig da draußen. Gibt ja auch noch kein Internet bis da hin.

Ich weiß nicht, ob es am Alter liegt oder an der subtilen Bevormundung aller Balkonmenschen, aber das waren wirklich schöne, entspannte 15 Minuten, die ich da auf meinem Riesenbalkon saß. Er geht auf unseren Hinterhof raus und ich besah mir zum ersten Mal die ganzen bunten Nachbarbalkons, die ich von unten nie richtig gesehen hatte. Hier haben fast alle irgendein Grünzeug am Geländer, was ich sehr schön finde. Das Nachbarhaus ist gerade eingerüstet, und ich konnte aus den Augenwinkeln den Dachdeckern zugucken (man will ja nicht so glotzen, obwohl ich genau das gerne getan hätte). Bis zur nächsten Häuserreihe sind es fast 100 begrünte und bewachsene Meter, so dass ich einen angenehmen und halbwegs weiten Blick habe. In der Ferne kann ich das Gebäude das Bayerischen Rundfunks sehen. Und: Es war ungewohnt ruhig. Natürlich hört man die Straße auf der anderen Hausseite – die, die ich bisher als einzige in meiner Wohnung hatte –, aber sie war deutlich gemindert. Der Kaffee war natürlich auch perfekt, weil man in der Aeropress einfach keinen schlechten Kaffee machen kann, und so genoss ich den ersten Morgen in meiner Wohnung sehr und war erstmals ohne innere Widerrede der Meinung, dass der Umzug eine gute Idee war. (Ja, ich habe damit auch noch nach der Unterschrift auf dem Mietvertrag gehadert.)

Dann ging’s aber los mit dem Tagewerk. Erstmal ging ich zum Lieblingsmetzger, um einen Leberkäse für Samstag mittag vorzubestellen, wenn ich eine Meute hungriger Umzugshelferlein in der Butze habe. Der Lieblingsmetzger ist auch deshalb der Lieblingsmetzger, weil er Fragen stellt, mit denen ich nie rechne.

„Wieviel darf’s denn sein?“
„Äh … was wiegt denn ein durchschnittlicher Leberkäse?“ (Man hat als Norddeutsche ja überhaupt keine Ahnung.)
„Wieviele Menschen werden denn bedient?“ (Was für eine Formulierung!)
„Wir sind acht. Umzug.“
„Wird noch etwas anderes serviert?“ (<3)
„Nur noch Gemüse und Schokolade.“
„Dann würde ich schon zwei Kilo nehmen.“

Gekauft.

Dann fuhr ich zum Karstadt, weil ich ein paar Plastikboxen für den neuen Wandschrank brauchte. Eigentlich wollte ich auch noch einen Klemmspot für die Küche haben; meine nun schön lange Arbeitsplatte bekommt leider überhaupt kein Licht außer der Funzel der Abzugshaube. Ansonsten steht man direkt mit dem eigenen Körper vor der Deckenlampe, die eh noch ein Provisorium ist. Daher würde ein Klemmspot für das offene Regal am Ende der Oberschränke sehr gut tun, um wenigstens ein bisschen was zu sehen, wenn man mit großen, scharfen Messern hantiert. Karstadt hatte allerdings nur ausnehmend hässliche Spots und daher verzichtete ich auf einen Kauf. (Momentan steht da eine Art Schreibtischlampe als ein weiteres Provisorium.)

Dann verbrachte ich den Resttag damit, meine eigene Blödheit zu kompensieren. Ich hatte zwar ausreichend Bücherkisten geordert, aber den Rest meiner Wohnung komplett unterschätzt. Ich hätte jetzt das Arschloch machen können, das am Umzugstag jedem eine blaue Ikeatüte und einen leeren Karton in die Hand drückt und sagt: „Packt einfach ein, was noch rumsteht, tragt’s runter und geht mit dem leeren Gepäck wieder hoch“, aber das wollte ich nicht. Stattdessen war ich die einzige, die den ganzen Tag mit Ikeatüte, einer Umzugskiste und einem vollgepackten Rucksack treppauf und treppab lief, einpackte, schleppte, auspackte und dann das ganze noch dreißigmal. Irgendwann merkte ich erstmals den Rücken und auch meine Handgelenke konnte kaum noch etwas anheben, und so machte ich Feierabend. Bis auf zehn Flaschen Alkohol und drei schwere Schüsseln war alles unten oder verpackt, und bei dem kleinen Rest hatte ich kein ganz schlechtes Gewissen.

Abends mit Chips und Schokolade und ein paar aufs iPad geladenen Serienfolgen von Netflix im Bett rumgelungert. Wie immer in den letzten Tagen allerdings fürchterlich geschlafen; ich wachte fast immer gegen 4.30 Uhr auf und konnte nicht mehr schlafen, weil ich im Kopf durchging, was ich noch alles zu erledigen hatte. Ich hoffte, dass das nach dem Umzug aufhören. (Überraschung: tat es nicht, denn ich musste in der alten Wohnung ja auch noch 1000 Dinge erledigen. Aber davon später mehr.)

Nachtrag: Tagebuch Donnerstag, 20. September 2018 – 500 Schrauben

Zwischen 7 und 14 Uhr hatte sich Ikea angekündigt, das mir neue Schlafzimmerkommoden liefern sollte.

Es gibt ein Möbelstück, zu dem ich ein sehr gespaltetenes Verhältnis habe, und das ist der Kleiderschrank an sich. Ich finde es irre ungemütlich, so einen Klotz im Schlafzimmer zu haben, weswegen ich grundsätzlich Abstellkammern toll finde, in denen man Klamotten unterbringen kann. Die in Hamburg war zu staubig, da musste irgendwann ein Klotz her, aber im Altbau nervte er nicht ganz so. In der oberen Wohnung hatte ich eine perfekte, innenliegende, staubfreie, riesige Abstellkammer mit zwei Kleiderstangen, in der alle meine Klamotten Platz hatten. Die habe ich unten leider nicht mehr, und es gibt nichts, was ich mehr bedauere. Scheiß auf die Impressionistenfliesen im Bad, aber die Abstellkammer vermisse ich sehr. Ich habe aber immerhin zwei Wandschränke, und einer von ihnen ist auch tief genug für Wäscheständer und Staubsauger, zwei weitere Dinge, mit denen ich arge Probleme habe, wenn ich sie dauernd anschauen müsste.

Zurück zum Kleiderschrank: Da ich eh wenig Zeug habe, was dringend hängen muss, gönnte ich mir zwei neue, breite Kommoden, in die alles reinpassen müsste, was bisher in der Abstellkammer lag. Die (vermutlich) russischen Speditionsjungs waren auch brav um kurz nach 8 schon da. Sie fanden zunächst mein Stockwerk nicht, ich wurde per Gegensprechanlage runterkommandiert, um genau zu sagen, wo es denn hingehen sollte (WTF?), dann trugen sie die schwere Scheiße nur bis kurz hinter die Türschwelle anstatt nach hinten ins Arbeitszimmer und der eine war ein bisschen ungehalten, als ich kontrollieren wollte, ob auch alle Pakete da waren. Zum Schluss hielten sie mir ein Gadget vor die Nase, wo ich per Smiley sagen sollte, wie ich denn die Lieferung fand, und ich Memme traute mich nicht, einen eher mittelprächtig-genervten Smiley anzuklicken, denn hey, ich hatte den Kram immerhin nicht tragen müssen.

Ich musste ihn nur aufbauen und ich hatte wirklich total vergessen, wie lange und nervig alles außer Billy-Regalen ist, die ich im Schlaf runterzimmern kann.

An der ersten Kommode saß ich vier Stunden. Dann hatte ich immerhin den Dreh raus, wie die Schubladen funktionieren und musste nicht mehr auf den Plan gucken. Ich musste allerdings ungefähr 500 Schrauben per Hand reindrehen, weil mein Billo-Akkuschrauber, denn ich jetzt wegschmeißen werde, keine einzige Schraube bewältigen konnte. Auf die Idee, F.s Akkuschrauber zu benutzen, von dem ich ja gerade erst Dienstag gesehen hatte, dass er alles kann, kam ich bräsigerweise nicht. Seitdem tun mir die Handgelenke weh, aber ich ahne, dass das eine Kombi aus Schrauben und Schleppen ist, denn das tat ich den ganzen Freitag.

F. half mir nach der Arbeit bei der zweiten Kommode und ich lud ihn zur Belohnung auf eine Pizza ein. (Pizza kann ich jeden Tag essen, ja, auch die Bringdienstpizza, Pizza ist immer geil.) Ich wusste aus den letzten Bestellungen, dass die Lieferung eine knappe Stunde dauern würde, daher gingen wir nochmal gemeinsam nach oben, um Luise von der Wand in die inzwischen leergeräumte Abstellkammer zu befördern. Ich wollte sichergehen, dass am Umzugstag niemand in sie reinstolpert und wenn ich noch eine Abstellkammer habe, dann wird die genau dafür genutzt.

Natürlich war die Pizzalieferung genau an diesem Abend deutlich schneller, aber anscheinend notieren sich die Lieferjungs Eigenheiten ihrer Kunden; der Bote stand irgendwann klopfend im 5. Stock anstatt mich anzurufen. Ähem. Sorry!

Nach der Pizza (und dem siebenhundertsten Spezi diese Woche) ging ich ins Bett. In meiner neuen Wohnung. Ich hatte Kaffeezutaten, mein komplettes Badezimmer und ein paar Garnituren Klamotten runtergeschleppt, also konnte ich auch hier schlafen. Ich weiß nicht mehr, was ich geträumt habe, aber ich fand es ziemlich toll, vom Bett aus morgens links ins Grüne zu gucken (Baum direkt vor dem Fenster) und rechts in einen anderen Raum, in den schon das Morgenlicht vom Balkon fiel. Und generell fand ich es unglaublich großartig, wieder in einem Bett zu schlafen und nicht auf einem Schlafsofa oder einem normalen Sofa, auf das ich eine Matratze geworfen hatte.

Nachtrag: Tagebuch Mittwoch, 19. September 2018 – Mausgrau, Aschgrau, Steingrau

Der dritte Tag, das dritte Zimmer. Hier hatte ich mir eine andere Schöner-Wohnen-Farbe ausgesucht: Felsgrau aus der Naturell-Reihe. Dass die irgendwie weniger chemisch fies sein sollte als die anderen, war mir egal, mir gefiel der Farbton einfach. Der war auch top, aber bis ich ihn an der Wand hatte, verbrachte ich mehrere Stunden damit, über die Scheißfarbe zu fluchen. Ich brauchte drei Anstriche, damit sie nicht mehr streifig war. Ich merkte schon beim ersten Pinselstrich an der abgeklebten Fußleiste, dass diese Farbe eine totale Zicke war. Normalerweise benutze ich eher zu viel als zu wenig Farbe, aber hier deckte quasi gar nichts. Ich musste also nicht nur die Wand mit meinem geliebten und flinken Roller mehrfach streichen, sondern auch meine, nach Fußleistenabkleben größte Hasstätigkeit Fußleistenstreichen dreifach erledigen. Während ich schwitzend vor mich hinarbeitete, pöbelte ich den Hersteller an, der mit dusseligem Greenwashing dafür sorgt, dass der Käufer mehr Arbeit hat. Weniger schädlich? Da ist ähnlich chemischer Kram drin wie in den anderen Farben auch. Was soll da auch sonst drin sein? Gemahlener Skarabäus und Feenstaub? Wobei die vermutlich besser decken würden als diese Pampe.

Trotzdem war ich recht zügig fertig, was auch daran liegen könnte, dass ich nur drei statt vier Zimmerwände streichen musste. An der anderen stehen, wie oben, meine Bücherregale, die die gesamte Fläche vom Boden bis zur Decke und bis auf vier Zentimeter zur Fensterbank auch die gesamte Breite abdecken. Als die Umzugshelferlein Samstag die Regale reintrugen, maß ich trotzdem noch mehrfach nach, aber es passte alles. Natürlich.

Wobei: So natürlich war das gar nicht. Ich hatte im Vorfeld von der Verwaltung einen Grundriss bekommen, von dem ich inzwischen der Meinung bin, dass er eher auf Schätzungen beruht denn auf aktuellen Messungen. Ich hatte mit einem 3D-Programm den Grundriss nachgebaut und dann lustig Möbel verteilt, und gerade die Küche bereitete mir irres Kopfzerbrechen. Jetzt wo alles unten ist, sehe ich, dass ich deutlich entspannter hätte sein können, aber die letzte Entscheidung steht ernsthaft immer noch aus. Es ist jetzt alles da, wo ich es hinhaben wollte, aber ich ahne, dass ich noch ein bisschen rumschiebe.

Zurück zum Restmittwoch. Nachdem alle Malerarbeiten in der Wohnung durch waren, begann ich, Kleinkram oder Wichtiges runterzutragen, das ich nicht in Umzugskisten werfen sollte. Meine aktuelle Jobmappe, wichtige Papiere (wobei ich den neuen Studiausweis, den ich fürs neue Semesterticket ab 1. Oktober brauche, irgendwo hingeballert habe, mal sehen, ob ich die Kiste bis dahin finde), der Teddybär, die Aeropress, sowas halt. Meine geliebten Papierstehlampen hatten drei Umzüge überstanden, aber das Wohnen auf engem Raum oben nicht so ganz, wo ich dauernd mit irgendwas gegen sie gerannt war. Eine zerriss ich ernsthaft, als sie unten angekommen war, wo sie endlich Platz gehabt hätte. Sie funktioniert noch, sieht aber ein bisschen gerupft aus, und ich war trauriger als ich über eine 13 Jahre alte Ikealampe sein sollte.

Den Abend verbrachte ich mit der üblichen Vorsorgewärmflasche im Kreuz in der oberen Wohnung und sah Bayern beim Champions-League-Spiel zu. Ich hatte keine Lust zu kochen und bestellte mir eine Pizza. Es klingelte aber nicht an der Tür, sondern auf meinem Handy – der Pizzabote war da, aber ich Pappkopf hatte natürlich vergessen, dass die Klingel mit meinem Namen im vierten Stock läutete, während ich hungrig im fünften saß. Wir fanden uns aber, und die Pizza war sehr gut. Dazu ein Belohungsspezi.

Nachtrag: Tagebuch Dienstag, 18. September 2018 – Blaumachen

Ich begann den Tag damit, die Fußleisten im Schlafzimmer und ein paar Stellen des Fußbodens von Farbspritzern zu befreien, die mir trotz toller Matten, Folie und zwei Wochen FAZ passiert waren.

Danach kam der im Bauhaus angemischte Farbtopf zum Einsatz. Ich hatte mich von den irre teuren Farrow & Ball-Farben inspirieren lassen, ging mit deren Farbkarte in den Baumarkt, verglich dort Farbstreifen und ließ mir fünf Liter anmischen, die Stiffkey Blue recht ähnlich sind. Ich wollte kein Quietschblau, sondern eher ein Grau- bis Schwarzblau. Mein Arbeitszimmer hat ein Fenster und die große Glasfront zum Balkon, weswegen ich hier gnadenlos dunkel geworden bin.

Das Bauhaus bietet drei Arten Weiß als Grundlage an, die dann bunt gemischt werden. Ich gönnte mir die teuerste Option, die immer noch billiger war als die Farbe für die anderen beiden Zimmer – und war begeistert. Ein Anstrich und fertig. (They call me One-Coat-Gröner.) Und es sah noch toller aus als ich erwartet hatte. Einen Tag später nach dem Trocken instagrammte ich dieses Bild.

Links kommt vom Fenster etwas Licht und lässt das Blau leuchten. Inzwischen hängt Luise links neben der Tür und meine Damen und Herren, so ein goldener Rahmen sieht schon spektakulär gut aus auf dieser Farbe. (Und der Staub tanzt gülden.)

Am zweiten Tag Streichen war auch schon etwas mehr Routine da; das Abkleben von Fußleisten und Türen ging besser, nervte mich aber immer noch irre. Was ich aber nett fand: In der Küche stand ein Stuhl, auf dem das Internet von oben zu empfangen war. Meist so einmal pro Stunde ruhte ich meinen Rücken aus, der kein einziges Mal weh tat, aber ich behaupte, das ist so, weil ich ihn eben immer brav ausruhe. So machte ich regelmäßig fünf Minuten Päuschen, scrollte durch Twitter, trank Spezi (laut F. das einzig wahre Renovierungsgetränk) und freute mich über meine neue Wohnung.

Die abends die ersten Möbel nach dem Stuhl in der Küche bekam: F. und ich schleppen die Einzelteile meines Betts nach oben bzw. schichteten sie in den Fahrstuhl. Danach übernahmen F. und sein Akkuschrauber die meiste Arbeit, während ich Dinge hielt und begeistert aussah. Ich habe wieder ein Bett! An einem Bettfuß merkte ich allerdings auch, dass die Verwaltung mit einem ihrer letzten Schreiben recht gehabt hatte: Der Keller ist wirklich etwas feucht. Die Holzteile standen zwar drei Jahre lang auf ausgelegten Umzugskartons, aber ein bisschen gelitten hatten sie doch. Ein paar Tage später sah aber alles wieder normal aus. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass das Bett mich und uns weiterhin brav trägt.

Nachtrag: Tagebuch Montag, 17. September 2018 – Schlüsselübergabe

Um 16 Uhr halte ich die neuen Wohnungsschlüssel in der Hand. Der Holzfußboden wurde abgeschliffen und ist schön matt statt glänzend wie oben und nicht mehr ganz so bernsteinfarben. Außerdem wurden die Türen nochmal schick weiß lackiert, die vorher schon etwas gelblich waren. Mir wurde außerdem eine neue Klobrille spendiert; ich hatte mich schon damit abgefunden, selbst die doofe aus Holz durch eine weiße zu ersetzen, aber da ist sie schon.

Ich stelle fest, dass ich die fiesen Dekofliesen im Bad total falsch in Erinnerung hatte. Ich hatte die Wohnung nur einmal besichtigt und bräsigerweise keine Fotos gemacht. In meinem Kopf sahen sie aus wie aus blauen Mosaiksteinen. So sehen sie aber gar nicht aus.

Okay, macht es nicht besser, aber ein bisschen erträglicher.

Mein Bad oben war in Grün dekoriert (Handtücher, Seifenspender, Fußmatten), aber das passt hier unten überhaupt nicht mehr. Es passt auch überhaupt nicht zum gesamten Farbkonzept der Wohnung, über das ich mir erstmals anständig Gedanken gemacht habe. Nicht nur Raum für Raum, sondern als Gesamtheit. Die Küche bleibt (vorerst) weiß, der Flur vermutlich immer, die Bibliothek wird hellgrau, das Schlafzimmer kaschmirbeige und das Arbeitszimmer richtig schön dunkelblau. Meine Möbel sind alle buchenfarben, weiß oder in wenigen Fällen schwarz. Das Bad tanzt total aus der Reihe mit seinem Quietschigbunt. Ich werde hier wohl auf Hellblau gehen, damit es zur Restwohnung passt – und weil das vermutlich die einzige Farbe ist, die so halbwegs zu allen Farbverläufen passt. Auch wenn ich Blau für eine Badeinrichtung ein wenig schnarchig finde.

Nach wenigen Tagen stelle ich fest, dass ich die Kacheln schon prima ignorieren kann. Oder nein, noch besser: Ich umarme sie mit meinem Sachverstand. Mein Bad heißt nur noch „Salle de bain de Seurat“, und wenn ich richtig funky drauf bin, hänge ich noch ein Pointilismusposter auf. Soll keiner sagen, dass Kunst nicht bei der Alltagsbewältigung hilft.

Ich beginne mit den Malerarbeiten in der unteren Wohnung und fange im Schlafzimmer an, denn dort können nach dem Anstrich die ersten Möbel aufgebaut werden, die jetzt noch im Keller lagern. Mein Bett musste ja meinem Schlafsofa aus Hamburg weichen und darf nun wieder nach oben. Dafür muss aber erstmal Farbe an die Wand.

Das Kaschmirbeige heißt „Chelsea Walk“, ist von Schöner Wohnen und lässt sich scheiße streichen. Normalerweise war ich mit den SW-Farben immer zufrieden, aber die hier deckt eher mies. Und sie sieht vor allem nicht so aus wie auf der Farbkarte im Baumarkt und dem Eimer selbst. Ich weiß natürlich, dass trockene Farbe anders aussieht als nasse, streiche also mit gerunzelter Stirn weiter – und freue mich am nächsten Morgen über ein koalagraues Zimmer. Hm. Ich denke kurz darüber nach, alles neu zu streichen, kenne aber meinen engen Zeitplan und fange mit dem Arbeitszimmer an.

Dafür hat F. netterweise Montag abend noch die Decken abgeklebt, was der Job ist, den ich am allerwenigsten bei Umzügen mag. Mit meinem Wackelfuß stehe ich sehr ungern auf Leitern, und ich bin gefühlt zwei Zentimeter zu klein, um vernünftig an die Decke zu kommen oder zehn Zentimeter zu groß für die nächste Stufe, wo ich schon mit den Schultern an die Decke gelange. Dementsprechend … äh … rustikal sehen auch die Farbkanten im Schlafzimmer aus. Aber: Ich habe erstmals total erwachsen Steckdosen und Lichtschalter nicht abgeklebt, sondern abgeschraubt, und ich habe brav alle Kanten mit Weiß vorgestrichen, damit die Farbe nicht durchsuppt. Ich habe jetzt also gerade Kanten, wo der Klebestreifen durchging und lustige Sprünge, wo ich ein neues Stück Klebeband angefangen habe. Egal. Es sieht trotzdem besser aus als alles, was ich bisher an die Wand gehauen habe und daher bin ich zufrieden.

Außerdem freuen sich meine Hände wieder darüber, puschelige Farbrollen unter fließendem Wasser zu reinigen. Ich mag das Gefühl, dauernd über diese Flokatistruktur zu streichen und zu warten, bis das bunte Wasser wieder farblos wird.

Tagebuch, Sonntag, 16. September 2018 – Open Art

Gestern klapperten F. und ich einige der Galerien ab, die sich an der diesjährigen Open Art beteiligten. Wir starteten bei Karin Sachs, die gerade Arbeiten der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar zeigt. Mir gefielen die Fotografien aus der Reihe „The Grass is Green, the Sky is Blue, and She is Black“ sehr (die für mich aber nicht bezahlbar waren) und genoss den von der Künstlerin selbst gestalteten Galerieraum, in den sie sinnlose Schriftzeichen gesetzt hatte, die an die arabische Schrift erinnerten. Wir kannten die Dame aus einer Ausstellung in der Villa Stuck, wo wir sie bei Common Grounds gesehen hatten (Fehlfarben-Podcast von 2015 dazu).

Danach kamen ein paar Ausfälle; weder bei Barbara Gross noch bei Jo van de Loo konnte mich irgendetwas so richtig überzeugen. Und auch nicht bei den beiden Läden nebenan, die nicht auf dem Plan verzeichnet sind. Dann aber schauten wir in der Micheko-Galerie vorbei – und verliebten uns beide in das gleiche grafische Blatt von Katsumi Hayakawa. Außerdem staunte ich sehr lange über die filigranen Gebilde an der Wand, die eine Mischung aus Bauplänen und Miniaturhochhäusern aus Blade Runner waren. Auch sie hätte ich sofort mitnehmen wollen, aber: jetzt gerade nicht, geldmäßig. Leider. Aber dieses grafische Blatt – ich dachte über meinen Kontostand nach und überlegte.

Wir gingen weiter und besuchten beide Locations der Galerie Klüser, wo ich auch gerne mehrere Werke eingepackt hätte. In der ersten Location hingen sogar bezahlbare Picassos (und unbezahlbare Cy Twomblys), aber ich verknallte mich in die Fotografien von Jitka Hanzlová, die Teile ihrer Serie „Flowers“ ausstellte, die mich an den Großmeister Karl Blossfeldt erinnerten. Ich mochte ihre zarte, fast irreale Farbigkeit und die Strenge der Darstellung.

In der zweiten Location passierte dann das, wovor ich mich gefürchtet hatte: Ich sah ein Werk, das ich sofort hätte mitnehmen wollen. Nicht mehr über den Kontostand nachdenken, nein, gleich einpacken und aufhängen, denn jetzt habe ich ja irre viele freie Wände! Aber ich beherrschte mich, werde brav darüber schlafen und diese Woche noch mehrmals vorbeikommen, um zu gucken, ob das kleine bunte Blatt von Alex Katz immer noch die gleiche Faszination auf mich ausübt wie gestern.

F. zu mir: „Druckgrafik ist die Einstiegsdroge.“ JA DANKE AUCH. Ich wollte gerade einwenden, dass ich noch nie Kunst gekauft hatte, bis mir einfiel, dass ich mehrere Katia Kelms besitze sowie die irre große Luise. Und mit drei Leo von Weldens bin ich quasi Sammlerin, auch wenn ich für die Blätter und Bilder nichts bezahlt habe, sondern sie von der Künstlertochter geschenkt bekommen habe. Jetzt dürfen auch sie endlich an die Wand.

Wir kehrten in den Georgenhof ein, um uns nach dem Fußmarsch zu stärken, Käsebrot für mich, Leberwurstbrot für den Herrn, und dann ab in die letzte Galerie. Sabine Knust zeigt gerade afro-amerikanische und afrikanische Künstler*innen, und auch dort hing ein Blatt, bei dem ich sofort die Geldbörse zücken wollte. Aber auch hier schlafe ich drüber, gehe noch fünfmal gucken, ob mir Alison Saar weiterhin gefällt und dann überlege ich, welches Blatt ich mir selbst zur neuen Wohnung schenke.

Auf dem Rückweg schauten wir ein weiteres Mal bei der Micheko-Galerie vorbei und schon da merkte ich, dass ich das Blatt zwar immer noch toll fand, aber die anderen beiden besser. Mal sehen, ob F. sich das Ding gönnt. Dann kann ich es auch immer anschauen. Praktisch!

Und wo wir gerade bei Anschauen sind: Vor Kurzem entdeckte ich den französischen Fotografen Nicolas Krief auf Instagram. Der Herr fotografiert gerne Menschen beim Kunstgucken, aber, noch toller, Menschen beim Kunstaufbauen. Ich verlinke mal seine Website, wo ihr euch bitte durch Accrochages 1 und Accrochages 2 klickt. Leider steht bei den Fotos nicht, welche Kunstwerke gerade abgebildet sind; in seinem Instagramstream macht er das manchmal. Hier ein paar Kostproben.

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Backstage at major Parisian exhibitions Après Visa pour l’Image, à Perpignan, une sélection d’Accrochages sera de nouveau projetée ce week-end à la Grande Halle de la Villette avec une vingtaine d’autres reportages – demain samedi à 20h et dimanche 16 à 16h. https://lavillette.com/evenement/visa-pour-l-image/ #behindthescenes#behindthescene #exposition #exhibition#exhibitions #accrochage #expoparis #documentaire #photojournalisme #parismuseum #museum #painting #backstage #coulisses #musée #beauxarts #art #coulisses #documentaryphotography #masterpiece #chefdoeuvre #grandpalais #visapourlimage #visapourlimage2018 #perpignan #grandpalais #lavillette #redon #odilonredon

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Tagebuch, Samstag, 15. September 2018 – Any given Saturday

Wie seit Tagen früh aufgewacht und anstatt aufzustehen, auf Twitter rumgegammelt. Um diese Uhrzeit sind nur meine amerikanischen Verfolgten wach und ich las Zeug von da drüben.

Die Zeitung aus dem Briefkasten geholt und mich innerlich ein weiteres Mal von ihm verabschiedet. Der neue Briefkasten hängt ein bisschen weiter links und eine Reihe weiter oben und damit nicht mehr so schön als letzter in der Reihe und auf Augenhöhe. Warum ich meinen nicht einfach behalten kann, konnte mir die Verwaltung nicht so recht begründen, aber nun gut, dann zieht eben auch meine Zeitung um. Ich ahne, dass sie noch zwei, drei Tage im alten Kasten landet, aber ich plane, ein riesiges neonfarbiges Post-it am Kasten anzubringen, dass den müden Zusteller (m/w) auf die Umstellung aufmerksam macht.

Dann das gemacht, wozu Samstage erfunden worden: Hefeteig angesetzt. Der braucht halt Zeit und dafür sind Samstage da in ihrer einzigartigen Mischung aus Geschäftigkeit und Rumlungern. Die liebe Nessy charakterisierte ihn vor ein paar Tagen perfekt. Das fiel mir erst durch ihre Beschreibung auf, wie recht sie damit hat.

In der Halbzeit zwischen Mainz und Augsburg konnte ich so einen ausgekühlten Hefezopf anschneiden und nach Spielende auch gleich noch ein Scheibchen frustessen, denn die Partie verlief für den FCA so richtig ärgerlich. In der 82. Minute endlich in Führung gegangen, ich jubelte laut alleine in der Gegend rum, dann wenige Minuten später der Ausgleich und in der Nachspielzeit auch noch der Siegtreffer für die Heimmannschaft, beide Male durch beknackte Torwartfehler, wonach ich sinnlos meinen Laptop anzeterte und mehr gefrustet war als ich mir eingestehen wollte.

Aber: frischer Hefezopf. Als ob ich’s geahnt hätte.

Dann wurde es auch schon langsam Zeit, sich zu einer Geburtstagsfeier aufzuhübschen. Die Gastgeberin hatte um den feinen Zwirn gebeten, aber auf mein Opernoutfit hatte ich keine Lust, denn dazu gehören (halb-)hohe Schuhe und die trage ich nur, wenn ich weiß, dass ich stundenlang rumsitze. Also wurde es mein Businessoutfit mit den bequemen Schuhen, in denen ich prima stehen und rumlaufen kann.

Die erste Etappe zur Feier legte ich mit der U-Bahn zurück und musste sehr grinsen, als ich diesem Sitz gegenüber saß:

Gestern hatte der FC Bayern ein Heimspiel, das heißt, die U-Bahnen waren voll mit Fans gewesen. Dieser Herr (oder diese Dame) hatte anscheinend entweder ein nagelneues oder schon ein recht altes Trikot von Arjen Robben, denn die Beschriftung hatte sich vom Stoff gelöst und war in der U-Bahn geblieben. Immerhin weiß ich jetzt, dass meine Angst um mein Gomez-Trikot nicht ganz unbegründet war; immer wenn ich mit dem in einer dieser alten Bahnen mit ihren Kunstledersitzen gesessen hatte, hatte es fiese Geräusche gemacht, wenn ich den Rücken von der Sitzlehne bewegte – eben so, als ob Teile der Beflockung am Sitz bleiben würden. Blieben sie nie – scheint aber zu gehen.

Die Party selbst war sehr schön, die Gastgeberin in ein umwerfendes Kleid gewandet, die Gäste nett, die Verpflegung wunderbar, ich immerhin drei Stunden lang redselig, aber dann von einer Minute auf die andere nicht mehr, und deshalb ging ich schon vor Mitternacht wieder nach Hause.