Was schön war, Dienstag, 13. September 2016

Oder 2015. Das steht nämlich auf dem Deckblatt meiner von-Welden-Hausarbeit, die ich gestern endlich abgegeben habe. Gnarf. Das war nicht schön, aber die Abgabe war schön. Der Kopf ist wieder frei.

Ich habe allerdings keine E-Mail-Bestätigung von beiden Dozenten bekommen, bei denen ich in diesem Semester eine Arbeit voller Herzblut abgegeben habe. Jetzt mache ich mir natürlich Sorgen, dass mein Blut in irgendeinem Spamordner vergammelt und ich dieses Semester keine ECTS-Punkte bekommen werde. Business as usual in the Gröner residence.

Memo to me: zum tausendsten Mal nachgucken, wofür ECTS steht. Vielleicht merke ich es mir, bevor ich mein Masterzeugnis in den Händen habe.

Sehr lang, sehr lesenswert: When Donald Meets Hillary – wer geht wie vorbereitet in die Debatten und was könnte passieren? Dazu eine sprachliche Analyse von Trump. Kennt man zwar („4th grade level“), ist hier aber noch mal hübsch mit Beispielen belegt. Außerdem ein kleiner Rückblick auf vergangene Debatten und die alte Erkenntnis, dass Bilder überzeugender sind als Sätze. (Meine Kunsthistorikerinnenseele und mein Texterinnenherz diskutieren das seit Jahren aus. Steht noch unentschieden.)

„No one recalls what Al Gore said during his first debate against George W. Bush in 2000 (except perhaps that he would keep the Medicare and Social Security budgets in a “lockbox”); many people recall, and held against him, his ostentatious sighs. In the late summer of 2011, Governor Rick Perry of Texas led Mitt Romney and all other Republicans for the 2012 nomination. By late fall he had begun his descent, due largely to his brain-freeze moment in a debate when he was not able to name the third federal agency he wanted to eliminate. The problem wasn’t the momentary lapse, of the kind that can afflict anyone and is best laughed off. (A weary candidate Obama said near the end of the 2008 primary campaign that he had visited “all 57 states.”) Instead it was Perry’s own reaction; he looked and sounded like a man who was all too aware that he had just made an enormous mistake. In each of these cases, the anguish was compounded by the politician’s recognition that the slip confirmed a preexisting suspicion: for Quayle, that he was callow; for Perry, that he was slow-witted; for Gore, that he was a huffy teacher’s pet looking down on the slacker-student Bush.“

Davor fürchte ich mich sehr: dass Trump schon so viel Quatsch erzählt hat, dass man ihm eh nicht mehr zuhört und dass seine Alpha-Male-Körpersprache viele Wähler*innen überzeugt. Mich stößt ein derartiges Gehabe ja sehr ab, aber bis jetzt scheint diese Taktik aufzugehen.

„Most americans are accustomed enough to the blunt braggadocio of Trump’s style—I’m really rich! I’ll make great deals!—to barely notice it anymore. Bob Schapiro, a filmmaker and communications scholar who has studied the connection between neuroscience and propaganda, points out that federal regulators apply a principle called “exception for hyperbole” in judging whether advertisements are deceptive. “If you say, ‘Wear these basketball shoes and you can jump over the moon,’ that’s okay, since no reasonable person would believe it,” Schapiro told me. “But if you say they’ll help you to jump an eighth of an inch higher, you’d better have reams of evidence.” The same principle applies to many of Trump’s claims, he said. “When television began, advertisers learned that facts can get them in trouble, but hyperbole is safe. After decades of conditioning, the American public no longer looks for specific facts.” […]

Trump sounded convinced himself, which made him more convincing to listeners. Jack Brown says this comes naturally from his expressive style. “When you have a more limited vocabulary of words or expressions, it’s easier to lie,” he said. “Everyone lies, but for people with a greater expressive range, it requires more conscious work, and you’re more likely to give yourself away. With a narrower range, the brain doesn’t have to multitask as much and worry about what the face is doing, which makes it easier to deceive.” And so Donald Trump can sound just as convincing saying something that plainly is not true.“

Abends in der Allianz-Arena gewesen und ein mäßig spannendes Fußballspiel gesehen. Aber ich hatte einen schönen Platz, nicht allzu viele Raucher*innen in der Nähe, es war warm, ich habe netten Menschen Hallo sagen und wie immer Manuel Neuers Oberarme anschmachten können. Guter Abend.

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Ich glaube, für die rote Außenhülle der Arena, die sich über einem in den Himmel wölbt, wurde der Begriff „instagrammable“ erfunden.

#12von12 im September 2016

Die anderen 12von12erinnen gibt’s wie immer bei Caro.

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Alleine geschlafen, kurz nach sieben aufgewacht und anstatt aufzustehen, wie neuerdings immer erstmal eine Stunde auf Twitter rumgelungert und Dinge gelesen. Zum Beispiel diesen schönen Eintrag von Journelle. Lust auf Schwimmen bekommen, genauso wie ich gestern unbedingt Radfahren wollte, seit ich Casey Neistat dauernd dabei zusehe. Sage niemand, das Internet macht einen doof und faul.

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Als ich das Foto aufnahm, dachte ich kurz, hm, TMI? Dann dachte ich aber, über ein Foto von mir unter der Dusche würde ich weniger nachdenken. Mir wäre meine Nacktheit egaler als die Tatsache, dass ich gerade turnusmäßig blute. Was für ein Quatsch. Hiermit also die Ansage: Ich blute gerade. Und ich habe bayerische Quietscheentchen.

Das linke ist aus dem FCB-Fanshop und könnte ein Geschenk vom ehemaligen Mitbewohner gewesen sein, ich bin mir aber blöderweise nicht mehr sicher. Das weibliche Entchen … he, Moment, sind Quietscheentchen teilweise Quietscheerpel? Und die werden einfach so verschwiegen? Wo sind die Maskulisten, wenn man sie braucht? (Obwohl: Die braucht man ja eigentlich nie. Okay. Weiter:) Das Entchen mit dem Dekollete habe ich mir auf dem Oktoberfest im Hippodrom gekauft, dem ich sehr hinterhertrauere, weil es das einzige Zelt war, in dem ich es mal geschafft habe, auf der Empore zu sitzen und auf die Massen unter mir runterzugucken. Und die Klos waren die besten bisher, wobei Klos auf dem Oktoberfest eigentlich – und das überrascht mich immer noch – alle gut sind. Aber auf einer Empore sitzt es sich schon netter als unten. Seitdem jammere ich bei jedem Oktoberfest, dass mir das blöde Schickimickihippodrom fehlt und muss mir vom ehemaligen Mitbewohner immer sein Augenrollen angucken.

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Tägliche Chronistinnenpflicht erledigt, die keine Pflicht ist, sondern eher wie Zähneputzen. Mach ich halt, denke ich nicht mehr drüber nach.

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Auf in den Tag. Mein Rad aus dem völlig überfüllten Fahrradkeller gezerrt und dabei versucht, weder meinen rechten noch meinen linken Nachbar noch mein eigenes Schnucki zu zerkratzen. Gut gelaunt auf die Schleißheimer Straße eingebogen, die seit einiger Zeit beidseitig einen anständigen Radweg hat, für den jeweils eine Autofahrspur geopfert wurde. Interessanterweise kollabiert die Stadt deswegen nicht.

Ein anständiger Radweg führt neben der Autofahrbahn lang, so dass einen die Autofahrer*innen stets sehen können. Er führt eben nicht zwischen Fußweg und parkenden Autos lang, wo man die ganze Zeit damit beschäftigt ist, auf sich überraschend öffnende Beifahrertüren zu achten, Kinder, Hunde, Fußgänger*innen, abgestellte Räder (werde ich nie verstehen), Mülltonnen und Lieferfahrzeuge. Er ist anständig asphaltiert und besteht nicht aus blöd verlegten und sich gerne mal verschiebenden Steinen, unter denen Baumwurzeln nach oben drängen. Er ist breit genug, dass zwei Leute nebeneinander fahren können und nicht handtuchschmal. Der Abstand zu den parkenden Autos ist größer als drei Millimeter.

Auf Facebook stolperte ich vor einigen Tagen wieder in eine nutzlose Diskussion in einem unglaublich aggressiven Tonfall darüber, wie schlimm Radfahrer sich aufführen und dass die armen Autos so unter ihnen leiden. Ich meine mich daran zu erinnern, dass es vor ewigen Zeiten in den Niederlanden (?) mal ein Experiment gab, alle Straßenbegrenzungen aufzuheben, also die Straße für alle freizugeben, Fußgänger, Radlerinnen, Autos. Jeder wusste, dass alle sich im gleichen Raum bewegen – der Gedanke dahinter war natürlich, dass alle aufeinander Rücksicht nehmen. Ich weiß nicht, wie dieses Experiment ausgegangen ist, aber ich würde das gerne nochmal starten. (Edit: Danke an @v_i_o_l_a für den Hinweis auf Shared Space.)

Ich wünschte mir, Autofahrer*innen würden nie vergessen, dass sie grundsätzlich die Stärksten, Schnellsten und Schwersten sind und daher dementsprechend defensiv fahren sollten. Tempo 30 in der Stadt wäre ein Traum, einspurige Straßen ebenfalls, ein noch besseres ÖPNV-System auch. Ich wünschte mir, Radler*innen würden nie vergessen, dass sie deutlich schneller als Fußgänger*innen sind und dass sie daher auf den Fußwegen rein gar nichts zu suchen haben; auf der Straße fährt sich’s eh besser. Ich wünschte, Fußgänger*innen würden daran denken, dass manchmal blöderweise direkt neben ihrem Weg der Radweg ist, auf dem von hinten jemand angeradelt kommt, und gucken, bevor sie in der Gegend rumrennen, macht man an Straßenrändern ja auch. Ich wünschte mir weniger Aggressivität im Straßenverkehr, sondern mehr Verständnis. Ich wünschte, Radler*innen würden die Verkehrsregeln einhalten, die sie ohne nachzudenken als Autofahrer*innen auch einhalten: nicht bei Rot über die Ampel, nicht in die Gegenrichtung fahren etc. Ich wünschte, Autofahrer*innen würde jemand erklären, dass Radfahrer*innen nur auf dem Radweg fahren müssen, wenn da ein blaues Schild steht. Wenn das da nicht steht, dürfen wir auf der Straße fahren, auch mittig, wo man vor Autotüren sicher ist. Mache ich persönlich nicht, weil ich langsam fahre, aber auch ich halte gehörigen Abstand zu parkenden Autos. Ich wünschte mir, ich würde dafür nicht angebrüllt oder angehupt werden von Autofahrer*innen, die deutlich schneller und mit mehr Knautschzone unterwegs sind als ich.

Ich wünschte generell, wir würden alle besser miteinander klarkommen, und ich weigere mich, diesen Wunsch aufzugeben.

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Ich hatte am Samstag in der Bibliothek rausgefunden, dass man Verluste durch Bombentreffer beim Kriegsschädenamt meldete, dessen Bestände im Stadtarchiv liegen. Mir liegt von von Welden ein dreiseitiger Bericht vor und ich war sehr neugierig, ob sich im Archiv vielleicht die noch fehlende vierte Seite fände – die zweite Seite der Auflistung beginnt mit Bildern von ihm, was für mich ein Traum ist, weil ich so endlich die Forschungslücke füllen kann, die bisher damit begründet wurde: Atelierverlust durch Bombentreffer, keine Ahnung, was der Mann vor 1943 gemalt hat. Ein bisschen was findet sich in seinem Nachlass, darunter auch Zeichnungen, die aus den Trümmern gerettet wurden und leicht mit rotem Ziegelstaub bedeckt sind (in der Mappe habe ich noch vorsichtiger geblättert als in den anderen). Auf der Liste stehen, ich nenne sie mal unverdächtige Gemälde, aber die erste Seite, auf der ich auch Ölgemälde vermute, fehlt. Da könnten jetzt ebenfalls Stillleben drauf sein, da könnten aber auch Porträts von Adolf drauf sein. Daher wollte ich mir die betreffenden Bestände im Archiv ausheben lassen und nachgucken.

Dummerweise wird der Lesesaal gerade umgebaut, weswegen vor dem schönen Archivgebäude auch der hässliche Lieferwagen steht. Der Saal ist für vier Wochen geschlossen – seit gestern. Extrem dusseliges Timing. Es gibt auch keinen Ersatz, aber: In vier Wochen soll man angeblich online die Bestände einsehen können. Das wäre ein Fest!

Mein Tagesplan, die #12von12 schön mit Archivfotos vollzuballern, war allerdings tot.

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Immerhin fand sich auch hier ein Hinweis aufs Histocamp. Schöne Idee; ich ringe immer noch mit mir, ob ich da hin sollte. (Timeline says yes.)

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Ich stieg wieder aufs Rad und überlegte, womit ich denn jetzt meinen Tag bestreiten sollte. Ich dachte kurz über eine Serie von Radwegen in München nach – der hier ist auf der Hohenzollernstraße und sogar farbig markiert –, hatte dann aber keine Lust auf Rumradeln und Fotomotivsuchen. Ich radele lieber, ohne über Fotos davon nachzudenken. Und dann fiel mir auf: He, du hast frei. Dir wurde gerade ein freier Tag geschenkt!

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Den verschwenden wir erstmal beim Einkaufen. Snooze. (Übrigens vielen Dank für die Tipps auf Instagram, wie ich zu Pizzateig komme, der nicht stundenlang gehen muss. Werden alle ausprobiert.)

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Dann habe ich doch was Produktives gemacht und den dicken Aktenordner eingescannt, den mir die Tochter von Weldens überlassen hat. Es hat sich sehr verantwortungsvoll angefühlt, einen Nachlass zu digitalisieren – und gleichzeitig fast sinnlos, denn ich ahne, dass das Papier länger da sein wird als meine Pixel.

Ich sitze gerade an einem Eintrag übers wissenschaftliche Bloggen, aber der grummelt irgendwie noch, der ist noch nicht gut. Kommt aber demnächst. Ich habe da ein paar Fragen.

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Nach ein paar Stunden Arbeit geguckt, was Casey so macht. (Ja, ich habe auch ein Quietscheentchen in meinem Dock.)

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Abends bei F. auf dem Balkon gemeinsam meinen Nudelsalat verspeist, auf den ich mich seit morgens gefreut hatte. Sind bloß Nudeln mit getrockneten Tomaten, Kirschtomaten, Rucola und Parmesan, Olivenöl drüber, fertig. Die Nudeln sind allerdings doof – mein Dealer hatte keine Orecchiette mehr, weswegen ich auf Gnocchi piccoli umgestiegen bin. Die schmiegen sich zwar nach dem Abgießen ästhetisch interessant aneinander, aber man hat immer gleich fünf von ihnen im Mund, vulgo: sehr viel Nudel. Werden nicht noch mal gekauft.

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Zum Nachtisch gab’s weiße Schokolade mit Eierlikör von Widmann. Wird auf jeden Fall noch mal gekauft.

Wir saßen noch länger bei Wein und Mondschein und sprachen über meine Arbeit, deren Abgabetermin übermorgen ist. Ich hasse es, Zeug, auf den letzten Drücker abzugeben, und diese Arbeit liegt hier ja nur noch, weil noch so viele Baustellen offen sind. F., der erprobte Akademiker, legte mir gestern vorsichtig nahe, Baustellen Baustellen sein zu lassen und die Arbeit jetzt abzugeben. Die sei ein Forschungsstand, eine Momentaufnahme meiner Überlegungen, die müsse nicht die definitive Antwort auf alle Fragen sein, die zu von Welden auftreten. Außerdem bin ich ja eh nie zufrieden und deswegen wäre es ziemlich okay, sie jetzt endlich loszulassen.

Das klang sehr gut, vor allem, weil ich in den letzten Tagen mal wieder gemerkt habe, mich selbst zu verfransen in den ganzen neuen Dokumenten und Erkenntnisse. Es fällt mir immer noch schwer, so einen Zwischenstand abzugeben. Ich war es jahrelang gewohnt, Projekte zu bearbeiten, die einen Anfang und ein Ende haben. Wenn ich wusste, der neue Audi XY kommt im März 2000zack raus, dann wurden wir ein Jahr vorher gebrieft, dann bastelten wir am Katalog, und weil der irgendwann gedruckt werden musste, meist in riesiger Stückzahl, hatten wir halt eine Deadline, und dann war das Ding durch. Ich habe mit meinen wissenschaftlichen Arbeiten zwar auch eine Deadline, aber ich weiß, dass ich danach lustig an genau dem gleichen Stoff weiterpuzzeln könnte. Das macht mich manchmal immer noch wahnsinnig.

Was schön war, Sonntag, 11. September 2016 – Biking the blues away

Gestern wollte mein Uterus Drogen und Wärmflaschen, aber der Rest von mir wollte aufs Fahrrad, und wir sind mehr als Ms. Nervensäge, also schleiften wir sie einfach mit, und sobald wir alle unterwegs waren, hatte die Dame sich auch beruhigt. Ich fand den Isarradweg auf der mir entgegengesetzten Seite des Englischen Gartens, was mich sehr gefreut hat, weil ich mich auf unbekannten Strecken sogar beim Geradeausfahren verirren kann. Das tat ich dann auch nach nur gut 20 Minuten auf diesem Radweg, als es nach links über eine gemauerte Brücke ging, aber nur für Fußgänger, während der für Radfahrer*innen ausgeschilderte Weg nach rechts ging, von der Isar weg. Ich fuhr da also einfach lang und plötzlich war ich nicht mehr mitten im Grünen, sondern auf einer dicht befahrenen Straße und dann an einer Autobahnauffahrt und da hielt ich dann doch mal an und guckte auf mein iPhone. Ich drehte um, fand den Aumeister, der der Punkt war, zu dem ich eigentlich radeln wollte, setzte mich aber nicht mit meinem mitgebrachten Buch in den Biergarten, sondern fuhr einfach weiter, weil es so schön war, einfach weiterzufahren. Ich wollte nicht mal für das obligatorische Blogfoto anhalten.

Es ist wundervoll, dass sich eine dichtbesiedelte Großstadt wie München (okay, über den Begriff „Großstadt“ können wir diskutieren) eine so riesige Grünfläche leistet wie den Englischen Garten, durch den man sehr entspannt radeln, laufen, gehen, reiten oder rollerbladen kann. Gut gemacht, Sckell.

Dem FC Augsburg auf Sky zugesehen, wie er Bremen schlug und nach Spielende online ein Ticket für nächsten Sonntag gekauft. Das war letztes Mal so nett im Stadion, da möchte ich gleich nochmal hin. Sogar noch ein Ticket im gleichen Block wie F. gekriegt (weiter oben, wo die blöde Sonne nicht hinkommt). Eat this, ständig ausverkaufte Allianz-Arena.

Dann doch mit Drogen und Wärmflasche auf dem Sofa, bis ich abends Lieblingsbesuch bekam, der mir Tropifrutti mitbrachte, das einzig wahre Weingummi. Mich sehr umsorgt und aufgehoben gefühlt.

Was schön war, Samstag, 10. September 2016 – Worte finden

Gestern konnte man mir auf Twitter beim Denken zuschauen. Ich hatte in den Unterlagen von Weldens einen Bericht gefunden, in dem er seinen Atelierinhalt beschreibt, der bei einem Bombenangriff auf München im Oktober 1943 zerstört wurde. Die erste Seite von vieren fehlte, auf der vielleicht eine Adresse oder ein Empfänger gestanden hätte. Ich wusste nicht, für wen man derartige Berichte verfasst – eine Versicherung schien mir eher unwahrscheinlich. Aber für wen dann? Wieder ein Aspekt der NS-Zeit, mit dem ich mich noch nie beschäftigt hatte – dem Bombenkrieg. Also ab in die schlaue Bibliothek und los mit dem Denken.

Okay, ins Denken musste ich erst langsam reinkommen.

Dann fiel mir eine Floskel auf, die ich dauernd benutze, die mir auf einmal sehr unpassend erschien. Die müsste ich mir in der Werbung angewöhnt haben, wo sonst überhöht man nutzlosen Scheiß bis ins Unermessliche.

Das Buch Als Feuer vom Himmel fiel fand ich, der Titel lässt es schon ahnen, eher populärwissenschaftlich, die Aufsätze waren teilweise eher angerissene Gedanken, Fußnoten gab’s auch kaum. Bombenkrieg gegen Deutschland ist schon recht alt (1990, wenn ich mich richtig erinnere), daher blätterte ich das auch eher durch. Viel Bildmaterial, das ich interessant fand, meine Frage aber nicht beantworten konnte. Neben diesen Büchern stand übrigens David Irving im Regal, der sicher was total Sinnvolles zum Bombenkrieg zu sagen hatte. *hust*

Immerhin fand ich beim Durchblättern das Stichwort „Entschädigung“, und so googelte ich einfach mal nach „bombenschaden entschädigung“ oder ähnlich. Dabei stieß ich auf diesen Spiegel-Artikel, wo das Stichwort „Fliegerschadenstellen“ fiel. Das klang gut, das hätte ich gerne als anständige Quelle. Außerdem fand ich bei Google einen Bund der Fliegergeschädigten; den kannte ich auch noch nicht.

Ich griff zum Buch Fliegerlynchjustiz, eine sehr aktuelle Dissertation, die vielversprechend erschien und sehr lesbar war. Das Buch erwies sich auch in anderer Hinsicht als positiv – ich las, meiner Meinung nach das erste Mal, die Formulierung „Juden und Jüdinnen“, „Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen“ etc. Geschlechtergerechte Sprache in der Wissenschaft. Dass ich das noch erleben darf. Wurde sofort vertwittert, worauf sich das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit aus Berlin meldete:

In diesem Buch fand ich zwar keine „Fliegerschadenstelle“, aber immerhin den Hinweis, dass Fliegerangriffe der Alliierten seit 1942 im offiziellen Sprachgebrauch „Terrorangriffe“ hießen, was sich schnell in der Umgangssprache durchsetzte (S. 114). Damit erklärt sich auch die Überschrift des Berichts von Weldens, der ihn mit „Sachschaden durch den Terrorfliegerangriff München am 2/3. Oktober 1943“ überschrieben hatte.

Für meine Zwecke war dann das ebenfalls gut lesbare Volksgenossinnen an der Heimatfront perfekt; in ihr fand ich den Begriff des „Kriegsschädenamts“, dessen Bestände brav im Münchner Stadtarchiv liegen. Wäre interessant zu sehen, ob der Bericht von Weldens sich dort wiederfindet.

Ich fügte die neuen Erkenntnisse meiner Arbeit hinzu und musste an eine DM denken, die mir F. vor ein paar Tagen geschickt hatte. Er kennt mich so gut.

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Was schön war, Freitag, 9. September 2016 – Stimmen

„Was mich bei den Franzosen immer begeistert ist, daß sie beim kleinsten Format nicht kleinlich werden u. die nötige Haltung wie die grosse Form wie auch Geschmack bewahren. Es wird nicht literarisch, nicht kleinlich-lokal, nicht bloß erzählerisch u. illustrativ, oder nur dem Motiv nachhängend, oder in der farbigen Tönung vernachlässigt, sondern immer zuerst künstlerisch. Da ist die Malerei selbstbewußt u. äußerst [unleserlich. privat?]. Für sie ist der anständigste Mensch ein Maler, nicht ein Literat wie bei uns.“

Leo von Welden auf einer Postkarte an die Familie von Hermann Böcker, 10. Dezember 1936, in der er sie bittet, sich mit ihm eine Ausstellung französischer Maler anzuschauen, die gerade im „Bibliothekbau des Deutschen Museums“ hängen. „[B]in bis 12 – 1/2 13 dort.“

Ich bin immer noch nicht damit fertig, den dicken Ordner durchzugucken, den ich Montag von der Tochter bekommen habe. Zunächst scannte ich die ganzen Ausstellungs- und Auftragsbelege ein und fügte sie meiner Arbeit hinzu, dann saß ich wieder in der Stabi, um noch ein bisschen was zum Reichsarbeitsdienst und den Propagandakompanien zu lernen. Das macht mich seit zwei Wochen irre, dass ich nicht verstehe, wie von Welden Ende 1941 als Kriegsmaler vom Reichsarbeitsdienst eingesetzt werden konnte. War das freiwillig? Konnte er beordert werden? Wieso überhaupt der RAD, wenn es doch besagte Propagandakompanien gab, in denen (meist) pro Kompanie ein Maler und zwei Zeichner unterwegs waren?

Von Welden wurde im November 1944 zur Wehrmacht eingezogen und bat sofort einen Bekannten aus Berlin („Der Presse- und Propagandachef, Sachgebiet: Kunst, Berlin, Schinkelstraße 1–7“), dessen Namen ich blöderweise nicht entziffern kann und den auch die Tochter nicht kennt (Fischer?) um eine Versetzung in eine PK. Auf einer Feldpostkarte aus Ingolstadt (dort war er stationiert) vom Januar 1945 schreibt er seiner zukünftigen zweiten Ehefrau, dass er noch darauf wartet, dass diesem Antrag stattgegeben wird, währenddessen zeichnet er seine Kameraden. Die Zeichnungen habe ich noch nicht im Nachlass gefunden, falls sie überhaupt noch existieren.

Worum es mir geht: War die Arbeit für den RAD vielleicht freiwillig bzw. einfach ein bezahlter Auftrag? Das hätte für mich ein anderes Geschmäckle als ein Pflichtdienst. Über den RAD gibt es recht wenig Literatur und noch weniger, wenn es um kulturelle Leistungen geht, aber falls eine*r der mitlesenden Historiker*innen ein Tipp für mich hätte, bitte gerne her damit. Ich drücke mich in meiner Arbeit um eine definitive Aussage, weil ich sie schlicht nicht habe bzw. werte diese Arbeit nicht, sondern erwähne sie nur, bin aber fürchterlich neugierig.

Die Feldpostkarte war ein Auszug aus seiner Korrespondenz, die ich gestern erstmals las. Bis jetzt war ich schlicht damit beschäftigt, Ausstellungen und Aufträge nachzuweisen, die noch nicht in der Literatur auftauchten, dafür brauchte ich noch keine Briefe oder Postkarten. Aber gestern las ich endlich mal ein bisschen davon. Das hat mich emotional mehr erwischt, als ich dachte, denn zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, seine Stimme zu hören. Ein paar Sätze kannte ich schon aus der Literatur, aber einen längeren Text von ihm, und sei es nur eine Postkarte, kannte ich noch nicht. Und erst recht nicht über Kunst, denn darüber hat er angeblich nie gerne geredet. Umso schöner, dieses Zitat von ihm gefunden zu haben. Ich mag es auch so gerne, weil es zu meinen eigenen Beobachtungen passt. Gerade in den 1920er Jahren hat er irrwitzig kleinformatig gearbeitet, aber trotzdem ebenso irrwitzig detailreich. Ich mag die Formulierung „im kleinsten Format nicht kleinlich werden“ sehr.

Ich muss zugeben, ich hatte einen winzigen Kloß im Hals, je mehr ich von ihm las. Ich sollte mich wieder mit Gebäuden beschäftigen, die nehmen mich nicht so mit.

Tagebuch, Donnerstag, 8. September 2016

Die Arbeit nicht angefasst, aber natürlich im Hinterkopf weiter an ihr oder ihren Einzelteilen rumgepuzzelt. Ich warte noch auf Informationen von zwei Menschen und hoffe, dass sie rechtzeitig zum Abgabetermin nächsten Donnerstag eintreffen; das würde die Arbeit noch um sehr schöne Details erweitern, ich könnte sie aber auch jetzt schon abgeben.

Im Kopf befasse ich mich auch schon mit der Zeit nach 1945, denn die werde ich im nächsten Semester bearbeiten. Unser Seminar geht im WS weiter und endet im Sommersemester mit einer Übung, an der ich schon nicht mehr teilnehmen muss, denn nach dem WS habe ich – bis auf die Masterarbeit – alle ECTS-Punkte, die ich für meinen Abschluss brauche. Trotzdem werde ich vermutlich an ihr teilnehmen, denn dann geht es um die direkte Ausstellungsvorbereitung, also Pressetexte verfassen, Podiumsdiskussionen organisieren etc. Das klingt für mich auch sehr spannend, und wenn ich schon im Katalog stehe und von mir (mit professioneller Hilfe) ausgesuchte Bilder an den Wänden hängen und vermutlich von mir verfasste Texte danebenstehen, möchte ich auch dabei mitmachen, wenn über Fontgröße und Platzierung der Texte geredet wird. (Sag ich jetzt mal so leichtsinnig und habe ewig lange Werbemeetings im Hinterkopf.)

Tagebuch, Mittwoch, 7. September 2016

Die Erkenntnisse des Ordners vom Montag in die Arbeit einfließen lassen, die dadurch dementsprechend natürlich, wie immer, business as ususal, what else is new ZU LANG GEWORDEN IST. Also wieder reihenweise Darlings gekillt, zum Beispiel einen Preisvergleich zwischen Gemälden, die von Welden auf der GDK verkauft hat zu Ankäufen des Lenbachhauses München und der Städtischen Galerie Rosenheim. Das war ein sehr schöner Absatz, ich werde ihn vermissen und habe ihn angemessen betrauert. Weil er aber auch mit Fußnoten vollgeballert war, in denen Gemäldedetails wie Titel, Maße, Technik und Inventarnummern aufgeführt wurden, hat er richtig schön Zeichen gespart. Er ist für einen guten Zweck gestorben. *snif*

Abends mit dem ehemaligen Mitbewohner auf ein Bierchen und eine Pizza unterwegs gewesen und dabei diesen schönen Linktipp bekommen. War has never been funnier. (Ich gucke wegen ihm jetzt auch Casey Neistat, aber damit bin ich vermutlich die letzte auf diesem Planeten.)

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Auf dem Weg zu F. ein Foto in der Schellingstraße gemacht.

Tagebuch, Dienstag, 6. September 2016

Gestern kamen die Unterlagen für das Wintersemester an, Immatrikulationsbescheinigungen, Studiausweis etc.

Liebe Kinder, erinnert ihr euch noch an damals (TM), als Studieren nichts kostete? In diesem Damals lebte ich auch, man nannte es die 1990er Jahre. Ich studierte für ungefähr fünf Semester richtig, bestand auch brav die Zwischenprüfung in Geschichte und Anglistik auf Magister an der Universität Hannover, sah dann aber keinen Sinn mehr im Studium und jobbte stattdessen. Das war mit Studiausweis deutlich einfacher als ohne, die Krankenkasse war günstiger und man kam ermäßigt ins Kino. Deswegen blieb ich einfach weiter immatrikuliert und beendete meine Unilaufbahn, die ihren Namen wirklich nicht verdiente, offiziell erst, als ich 1999 nach Hamburg zog.

Was ich sagen wollte: Meine schönen, neuen, heißgeliebten und lohnenswerten BA- und MA-Semester werden gnadenlos zu den blöden Magister-Semestern ohne Abschluss dazugerechnet. Ich bin jetzt im 30. Semester und das ist mir jetzt doch ein bisschen unangenehm.

Was schön war, Montag, 5. September 2016 – Originale

Am gestrigen Montag fuhr ich ein weiteres Mal zur Tochter Leo von Weldens, denn ich hatte vergessen, eine Radierung anständig abzumessen und so richtig glücklich war ich mit dem Foto davon auch nicht. Außerdem waren mir während der Arbeit noch ein paar Sachen eingefallen, die ich fragen konnte, und ich bat die Dame am Telefon schon, mir bestimmte Dokumente rauszulegen, die sie mal erwähnt hatte.

Dieses Mal erwischte ich den Zug, kam pünktlich an und wurde wieder mit Wasser und Obst empfangen. Mein „Aber bitte machen Sie sich keine Umstände!“ wurde konsequent überhört. Die Dokumente lagen bereit, ich fotografierte, vermaß Bilder, guckte noch weitere Bilder durch, ich erzählte, was ich bisher so rausgefunden hatte, und dann meinte die Tochter, sie hätte da noch einen Ordner mit Unterlagen, vielleicht wäre der von Interesse?

Ich blätterte kurz rein und fing innerlich an zu schwitzen. Ich hatte vor Wochen an das Bundesarchiv in Berlin (ehemals Berlin Document Center) geschrieben und nachgefragt, ob man nachvollziehen könne, ob von Welden Mitglied in der Reichskammer der bildenden Künste gewesen war; in der Forschungsliteratur steht nämlich, dass man ihm die Mitgliedschaft verweigerte. Aus dem Aktenbestand ist herauszulesen, dass von Welden immerhin bekannt war (ich schrieb schon mal über die Karteikarte, die ihn als BeKA = besondere Kulturaufgaben einstufte), eine Mitgliedschaft war aber nicht zu belegen. Außerdem wird in der Literatur ständig ein Brief des Kunstvereins Freiburg zitiert, der ihn im März 1937 nicht ausstellen wollte, weil er sich nicht sicher war, ob von Welden „Untermenschen“ zeichnet; diese Ablehnung soll erstens begründen, dass von Welden keine regimekonforme Kunst produzierte (ein Katalog verstieg sich zur Einschätzung, dass seine Kunst als „entartet“ galt), zweitens belegt sie die inkonsequente NS-Kunstpolitik, bei der die rechte Hand manchmal nicht wusste, was die linke tat, denn von Welden durfte immerhin (laut Literatur) 1943 in Berlin und 1944 in Stuttgart ausstellen. Berlin konnte ich nachweisen, Stuttgart nicht. Ach ja, das Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg hat sich inzwischen gemeldet (dankeschön!): nichts von Leo zu finden aus dem Kunsthaus Schaller/Stuttgart; auch nicht, ob diese Austellung überhaupt stattgefunden hat. Der einzige Beleg in der Literatur ist, ich zitiere zähneknirschend, „Erwin Bareis in einem unbezeichneten Stuttgarter Zeitungsartikel vom Februar 1944“. Ich meine, dass Bareis zu diesem Zeitpunkt für den NS-Kurier geschrieben hat, der netterweise in der Bayerischen Staatsbibliothek liegt. Ich habe den kompletten Februar mehrfach durchgeblättert und dann noch Januar und März, aber ich habe den Artikel nicht gefunden. Das schaffe ich für diese Arbeit nicht mehr, aber aus purer Neugier werde ich wohl mal die Landesbibliothek Baden-Württemberg belästigen, ob sie eine Ahnung hat, wo Herr Bareis sonst noch veröffentlicht haben könnte.

Aber zurück zu Leo: dass ich ihm inzwischen einen Riesenschwung Ausstellungen, Buch- und Zeitschriftenillustrationen nachweisen kann – geschenkt. Aber was unter anderem in diesem unschuldigen Aktenordner zu finden war: ein Anmeldeschein über Bilder, die von Welden an den Kunstverein Freiburg schickte für eine Ausstellung, die im Juli 1937 stattfinden sollte, lausige vier Monate nach der Ablehnung. Kleines Detail am Rande: der Ablehnungsbrief ist mit „Mit besten Grüßen“ unterzeichnet, die mehrfache Korrespondenz zur Ausstellung mit „Heil Hitler“, jeweils vom gleichen Herrn. Da will ich nicht zuviel reinlesen, aber anscheinend war der Kunstverein jetzt auf Linie, nachdem er im März 1937 noch vom Wechsel in der Kreisleitung geschrieben hatte, der das dementsprechende Zögern ausgelöst hatte, was denn jetzt (noch?) ginge an Ausstellungen.

Das beste Detail an diesem Anmeldeschein ist aber: Auf ihm hat von Welden eine Mitgliedsnummer der Reichskammer aufgeführt. Und nicht nur auf diesem: Mir liegen noch zwei weitere Einreichformulare für Hamburg und die GDK 1941 (!) vor, auf denen die gleiche Nummer auftaucht. Die Dokumente scannte ich gestern ein und schickte sie an meinen Kumpel im Berliner Archiv, der mich gebeten hatte, mich nochmal zu melden, falls ich noch was finde. Ich denke, das habe ich.

Aber das war noch nicht alles.

Von Welden verlor 1943 bei einem Bombentreffer sein Atelier, weswegen die bisherige Forschungsliteratur sagen konnte, wir wissen nicht genau, was der Mann vorher gemalt hat. Seit gestern habe ich eine Aufstellung, die vermutlich für das Kriegsschädenamt ausgefüllt wurde, in der der Atelierinhalt beschrieben wird – mit Bildtitel, Technik und Abmessungen. Eine Seite der vier fehlt, aber viele seiner Werke vor 1943 kann ich jetzt benennen. Das ist für mich so spannend, weil es mich ja wahnsinnig macht, dass der Mann extra für die GDK Nazischeiß produziert hat, während er sonst nur lustige Bauern und Kokotten malte. Auch eine persönliche Auseinandersetzung mit seiner Umwelt habe ich bisher nicht gekannt. Jetzt habe ich Bilder, auf denen seine Frau und seine Tochter zu sehen sind sowie weitere Landschafts- und Menschendarstellungen. Kein Nazischeiß, wo-hoo!

Ich habe Verlagskorrespondenz für weitere Buchillustrationen, die ich noch nicht kannte, ich habe noch weitere Ausstellungsbeteiligungen gefunden, ich habe seinen Fremdenpass, der bis September 1945 galt und damit belegt, dass er sich nicht so recht um die deutsche Staatsbürgerschaft bemüht hatte, die eigentlich eine Grundvoraussetzung für die Reichskammermitgliedschaft war. Deswegen weiß ich immer noch nicht, was ich von dieser Nummer halten soll – gehörte die jemand anders? War er Mitglied und wurde im Zuge von verschärften Bedingungen wieder rausgeschmissen? Wieso sollte sich die Gauleitung München-Oberbayern Ende 1938 bei der NSDAP-Ortsgruppe Schwabing nach ihm erkundigen, um ihn in die Kammer aufnehmen zu können, wenn er schon drin war?

Weiterhin habe ich jetzt Belege zum Reichsarbeitsdienst, von dem er als Kriegsmaler Ende 1941 an die russische Front geschickt wurde; das konnte ich bisher nur durch Literatur belegen, aber nicht durch Originaldokumente. Und da ist noch mehr Zeug, aber das breche ich hier jetzt mal ab.

Ich war gestern sehr lange mit Scannen und Lesen und Tiefdurchatmen beschäftigt, denn einiges in meiner Arbeit muss nun mal wieder umgeschrieben werden, aber das mache ich mit Freuden. Mir ging es gestern wie bei meinen Archivbesuchen – dieses herrliche Gefühl, in Originalen zu blättern anstatt in Sekundärliteratur. Klar liebe ich meine ganzen dicken Bücher, aus denen ich so viel lernen durfte, aber wie toll das ist, mit Quellen zu arbeiten, habe ich erst in diesem Semester verstanden. Zunächst in der Geschichtshausarbeit, für die ich Lebenserinnerungen aus dem 19. Jahrhundert las, und dann in dieser Hausarbeit, für die ich in einem Nachlass wühlen darf und durch ein halbes Leben in Korrespondenz blättere. Das ist so viel direkter und nachvollziehbarer als wenn man es in einem Buch präsentiert bekommt. Ich habe die Chance, selber Schlüsse zu ziehen, mir selber ein Bild von Dingen zu machen – eigentlich genau das, was ich auch mit Kunstwerken tue. Ich bastele mir ein Bild eines Malers zusammen, das nicht ganz dem entspricht, was ich durch die Literatur von ihm bekommen habe bzw. es um entscheidende Facetten erweitert. Das ist ziemlich großartig.

Was schön war, Samstag/Sonntag, 3./4. September 2016

Am Samstag hatten F. und ich unseren ersten offiziellen Pärchentermin, denn wir hatten ein weiteres Pärchen zum gemeinsamen Beisammensein (vulgo: Essen, Trinken, Quatschen, vom Balkon gucken) eingeladen. Das ganze fand in F.s Wohnung statt, denn der Mann hat einen Balkon. Ich bin während des Abends mehrfach über Sätze gestolpert wie „Habt ihr noch dingsbums im Kühlschrank?“, denn diese Wohnung wird ja nicht von „wir“ bewohnt. „Wir“ hatten uns aber die Vorarbeit so halb geteilt: F. stellte die Küche bereit und schleppte eine Bierkiste hoch, ich bereitete Lauchkuchen vom Blech, Salat und Mousse au Chocolat vor und brachte das meiste in Einzelteilen vorbei, um es bei ihm zusammenzubauen. Das war schon irgendwie „wir“, aber nicht so, wie ich es aus Hamburg gewohnt war. Deswegen flashte ich innerlich die ganze Zeit back und stand ein bisschen neben mir in meiner neuen Rolle als alleinlebender Pärchenbestandteil. Ist lange her, dass ich das war.

Essen, Trinken, Quatschen und vom Balkon gucken ist sehr schön.

Am Sonntag wollte ich eigentlich Orgakram machen wie E-Mails schreiben. Ich nenne das ganze immer noch „Korrespondenz erledigen“, weil’s hübscher klingt. Nebenbei: Ich habe meinen Füller wiedergefunden, von dem ich dachte, ich hätte ihn eventuell in Hamburg vergessen, denn dort steht immer noch mein uralter Schreibtischbisley voller Briefpapier, das ich zur Konfirmation bekommen habe und einer Box, in der Stifte liegen, die auch schon vor 30 Jahren ausgetrocknet sein müssten. Falls Kai danach fragt, sage ich ihm, er soll das ganze Ding unbesehen in die Tonne kloppen.

Zurück zur geplanten Arbeit: Ich war so müde, dass ich fast den ganzen Tag verschlief. Aber auch dafür ist Jesus gestorben. Schön den Sabbat eingehalten, praise the Lord.

Was schön war, Freitag, 2. August 2016

Eine Übersetzung zu meiner momentanen Zufriedenheit erledigt. Mal sehen, wie sich der Text Sonntag liest.

Für eine nette Agentur in den nächsten Wochen optiert worden.

Das erste Mal einen Fahrradschlauch gewechselt (unter fachkundiger Anleitung). Ich war kurz davor, mir mit den Fäusten auf die Brust zu trommeln und „I! MADE! FIRE!“ zu brüllen.

Am Küchentisch bei Gin & Tonic gemeinsam den winzigen Madridurlaub festgezurrt. Werde jetzt vier Wochen lang „Guernica! Las Meninas! El Escorial!“ vor mich hinwimmern, bis es endlich losgeht.

Was schön war, Donnerstag, 1. September 2016 – Löschen

Morgens am Königsplatz aus der U-Bahn gestiegen (mein Fahrrad ist immer noch nicht repariert), wo ich meine geliebten Propyläen in der Pokémonwelt als gelb erblickte, wo sie doch verdammt noch mal blau sein sollen. Ich habe immer noch kein richtig starkes Pokémon, aber ich dachte, egal, dann werde ich wenigstens die ganzen Tränke mal los, die ich sonst nur wegschmeiße, um Platz für Pokébälle zu haben, und schickte deshalb nacheinander Tauboss, Hypno und Rattikarl in den Ring. Und was soll ich sagen? Den ersten Kampf konnte ich gewinnen! Ich habe noch nie einen Kampf gewonnen, wo-hoo! Den zweiten verlor ich allerdings, weil alle meine Viecher geschwächt in den Seilen hingen. Die Arena blieb rot, und ich schlich wie immer geknickt von dannen. (Aber: meinen ersten Kampf gewonnen, wo-hoo!)

Genauer gesagt, schlich ich ins ZI, wo ich irgendwas nachgucken wollte. Irgendwas will ich ja immer nachgucken und im ZI steht dazu auch so gut wie immer was. Ich saß also zwischen Büchern am Rechner, als die Mail meiner Korrekturfee aufploppte, der ich vorgestern meine Arbeit gemailt hatte. Es ist sehr schön, eine Korrekturfee zu haben, die sich nicht scheut zu sagen: Ich krieg deine Arbeit nicht mit ihrem Titel zusammen. Guck mal hier … und dann zehn Sachen aufzählt, an denen ich selbst auch schon rumgegrübelt habe.

Seit Tagen quengele ich F. voll, dass ich mit meiner Arbeit nicht glücklich bin, aber nicht weiß, warum. Immer wenn ich denke, jetzt hab ich’s, gucke ich einen Tag später drauf und denke, nee, das ist es doch noch nicht. Dann fussele ich an irgendwelche Sätzen, löse aber mein Gesamtproblem nicht.

Jetzt weiß ich, woran es lag. Ich habe – mal wieder, d’oh – zu viel gewusst, zu viel gewollt und von allem ein bisschen in meine vorgegebene Zeichenzahl gequetscht, anstatt irgendwann den Cut zu machen und zu sagen, das klappt nicht, beschränk dich auf einen Aspekt von den fünfen, die du hier zu verargumentieren suchst. Diese simple Lösung kriegte ich einfach nicht hin, weil ich an allem hing und alles wichtig fand. Die Korrekturfee schlug einen Teilbereich vor, der auch den größten Teil der Arbeit einnahm und meinte gnadenlos: Schmeiß den anderen Kram raus.

Das tat ich gestern frohgemut (I SAW THE LIGHT!), saß dazu fast den ganzen Tag im ZI, stapelte Bücher und Bücher um mich rum und fand tollerweise so ziemlich alles, was ich noch wissen wollte, um den Rumpf meiner Recherchen aufzupeppen. Ein bisschen bessere ich noch im Historicum nach, aber im Prinzip ist es das jetzt. Die Arbeit klingt besser, hat einen besseren Lesefluss und fühlt sich schlicht zackiger und mehr auf den Punkt an als vorher. Und dafür musste ich nur ungefähr ein Drittel rauswerfen, neu schreiben und ein paar Kapitel hin- und herschieben.

Montag besuche ich noch mal die Tochter des Künstlers, auch um ein Werk anständig zu fotografieren, das ich beim Erstbesuch nur aus dem Handgelenk mit dem iPhone geknipst hatte. Dessen Beschreibung ist jetzt zwar auch raus, aber als Bildbeleg kann ich es noch im Anhang aufführen. Und dann fotografiere ich noch ein Foto von Weldens, das noch nirgends in der Literatur zu sehen war.

Ich könnte dann jetzt wirklich fertig sein mit diesem Semester.