2013 revisited

(2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003, 23. Dezember)

1. Mehr Kohle oder weniger?

Mein Steuerberater weint bei der Frage. Deutlich weniger, weil kaum gearbeitet, aber viel studiert.

2. Mehr ausgegeben oder weniger?

Weniger für Amazon, mehr für Flüge. Und Miete. Und Gerätschaften, die ich plötzlich zweimal brauche (Messer, Pfannen, Sandwichtoaster). Mein Steuerberater weint immer noch.

3. Mehr bewegt oder weniger?

Ich habe neuerdings ein Fahrrad und benutze es ausgiebigst.

4. Der hirnrissigste Plan?

Eigentlich bin ich gerade mitten drin in diesem Plan. Klingt hirnrissig, fühlt sich aber nicht so an.

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5. Die gefährlichste Unternehmung?

„Dass deine Sattelschraube locker war, wusstest du nicht, oder?“

6. Der beste Sex?

Kannnichklagen.

7. Die teuerste Anschaffung?

27 Mal HAM-MUC und retour.

8. Das leckerste Essen?

Ich esse nur noch lecker. Meine üblichen Lieblinge wie Broeding (München) und Trific (Hamburg) haben wieder überzeugt, Essers Gasthaus (Köln) sowie die Alte Friesenstube (Westerland/Sylt) kommen neu auf die Liste. Besonders schöne Abende, essen- und gesellschaftsmäßig, waren der hier mit Kolleginnen in Hamburg und der hier am Flaucher. Und natürlich jeder mit dem Kerl, Frau @hammwanich und Lektorgirl. (Runner-up: Oktoberfestbiere. Alle, in jedem Zelt.)

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9. Das beeindruckendste Buch?

Comic: Christophe Blains Quai d’Orsay und Chris Wares Building Stories.

Sachbuch: Werner Haftmanns Malerei im 20. Jahrhundert und Walter Benjamins Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.

Fiktion: Connie Palmens I.M. und Iwan Gontscharows Oblomow.

10. Der ergreifendste Film?

Stories We Tell auf dem Filmfest München. Runner-up: Gravity, Holy Motors (DVD) und Love Steaks (wobei der nicht ergreifend war, aber toll).

11. Die beste CD? Der beste Download?

Django Django.

12. Das schönste Konzert?

Ich war auf keinem, aber dafür im Theater: Fegefeuer in Ingolstadt in den Münchner Kammerspielen war großartig.

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13. Die meiste Zeit verbracht mit …?

… über beide Ohren grinsen, während ich in der LMU saß.

14. Die schönste Zeit verbracht mit …?

… über beide Ohren grinsen und vom Flughafen abgeholt werden.

15. Vorherrschendes Gefühl 2013?

„Wenn ich dafür auch noch Geld kriegen würde, wär’s das Paradies.“

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16. 2013 zum ersten Mal getan?

In der Pinakothek der Moderne gewesen. (Hier langes, peinlich berührtes Schweigen des Drittsemesters vorstellen.) Im Kölner Wallraf-Richartz-Museum gewesen. In der Berliner Gemäldegalerie gewesen. Mit sehr viel Bauchschmerzen meine Stimme zur Bundestagswahl abgegeben. Funky Krankheit diagnostiziert bekommen. Oper gesungen.

17. 2013 nach langer Zeit wieder getan?

Fahrrad gefahren. Klausuren und Hausarbeiten geschrieben. Geschichte studiert. Ins Theater gegangen. Ins Sprengelmuseum gegangen. Den Kölner Dom besucht.

18. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Dieser eine beschissene Abend in dieser eigentlich großartigen Bar. Der SemesteranfangserkältungGrippeBronchitisNERVKRAM. Funky Krankheit.

19. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

Dass ein netter Mensch das tollste Auto der Welt kaufen möge. Hat leider nicht geklappt. Jetzt kommt der Racker doch in eine Auto24irgendwas-Börse.

20. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Ich hoffe, meine Zuneigung.

21. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

Ich habe gleich von mehreren Leuten tolle Geschenke bekommen: Zeit. Aufmerksamkeit. Hilfsbereitschaft. Zuverlässigkeit. Von Lesern und Leserinnen Dinge von meinem Wunschzettel (Christmas all year long!). Und dann war da noch dieses Minion-Monopoly.

22. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Nee, das ist noch nicht vom Tisch.“

23. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Mein heutiges Referatsthema lautet …“

24. 2013 war mit einem Wort …?

Awzum.

Das letzte 2013-er Dankeschön …

… geht an Charlotte, die mich mit Irmgard Keuns Gilgi – eine von uns überraschte. Wir haben in meinem liebsten Geschichtskurs „Geschlecht im Zeitalter der Extreme 1900–1939“ neben vielen, vielen, vielen, vielen anderen Themen, die ich alle noch für die Klausur in zwei Wochen auswendig lernen muss, womit ich mal anfangen könnte, aber ach, hier liegen noch so viele DVDs und Kekse und der Kerl rum, aber genug davon, zurück zum Anfang des Satzes, vielen Themen auch über neue Jobs für Frauen nach dem 1. Weltkrieg gesprochen. Im Krieg selbst mussten sie ja notgedrungen den Kram erledigen, für den die Jungs nicht mehr zur Verfügung standen, und so war es danach etwas selbstverständlicher geworden, dass auch bürgerliche Frauen arbeiten gingen – die unteren Schichten arbeiteten sowieso –, was vor dem Krieg eher so bäh war.

Einer dieser Jobs war das Angestelltendasein, vor allem als Sekretärin und Verkäuferin, das Frauen zum ersten Mal eine gewisse finanzielle Eigenständigkeit verlieh, wenn auch in sehr kleinem Rahmen. In Gilgi geht es um ein junges Mädchen im Köln der 20er Jahre, die als Sekretärin arbeitet, von zuhause auszieht und zu einer selbständigen Frau wird. Das Buch erschien 1931, der zweite Roman von Keun, Das kunstseidene Mädchen, 1932, und beide waren große Erfolge. Zitate aus diesen Büchern fanden wir auch in wissenschaftlichen Texten über das Angestelltendasein, was eine Diskussion herausforderte, wie weit denn Literatur als Quelle für Geschichte dienen könnte. Ich weiß jetzt wirklich nicht mehr, wer diese Diskussion angefangen hat. *hust*

Die Titel blieben mir jedenfalls im Kopf, ich habe die Leseprobe auf dem Kindle (jetzt iPad mini, yay!) verschlungen, wollte die Bücher aber lieber aus Papier im Regal haben. Eins davon kommt da jetzt demnächst rein. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

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Bücher 2013

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Bücher Dezember 2013

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Lion Feuchtwanger – Erfolg

Das hatte ich vor Jahren schon mal angefangen, aber nach 200 Seiten weggelegt. Jetzt wo ich München ein bisschen besser kenne und gerade noch Oskar Maria Grafs Wir sind Gefangene im Hinterkopf habe, hat’s aber gepasst. Ich verweise auf die Besprechung bei der Kaltmamsell, die ich im vollen Umfang unterschreiben möchte.

(Leseprobe bei amazon.de.)

David Prudhomme (Ulrich Pröfrock, Übers.) – Einmal durch den Louvre

Prudhomme verliert seine Begleitung im Louvre und rennt nun suchend durchs Museum. Dabei spielen die Werke und die Menschen, die sie betrachten, irgendwann eine größere Rolle als der suchende Autor, und das ist alles ganz wunderbar. Ich wollte selten so dringend einen Parisflug buchen.

(Leseprobe bei Reprodukt.)

Christophe Blain (Ulrich Pröfrock, Übers.) – In der Küche mit Alain Passard

Genauso wunderbar: Dieses Mal schauen wir Sternekoch Alain Passard über die Schulter. Nach diesem Buch wollte ich nicht fliegen, sondern Gemüse hobeln. Tonnenweise. (Ich bespreche das Buch demnächst ausführlicher bei Comicgate.)

(Leseprobe bei Reprodukt.)

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2013 auf Instagram

Ich bin sehr spät auf der Party, aber ich habe in diesem Jahr Instagram für mich entdeckt. Ist nett da, sehr klein und übersichtlich.






















What Anke Ate in 2013

(2012, 2011, 2010)

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„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“

Ich wünsche euch allen ein friedliches, fröhliches, besinnliches, schönes, gesegnetes Weihnachtsfest. Danke fürs Lesen.

Links vom 22. Dezember 2013

Ellen DeGeneres is Utterly Charming in the First Oscars Trailer

Women and Hollywood beschreibt den ersten Trailer zur kommenden Oscar-Verleihung:

„After MacFarlane’s “edgy” schtick, DeGeneres may feel like a safe choice – an angle the trailer pushes by showing Ellen doing an old-fashioned song-and-dance routine in her familiar Converse kicks. She also displays her appealing squareness with a few seconds of the now-stale “Gangnam Style” dance – she’s about as hip as your mom, and she wants you to know it.

But DeGeneres’ friendly accessibility belies the fact that she’s a much more provocative and subversive host than MacFarlane could ever hope to be. The comedian and talk-show host is only the second female and the first openly gay emcee in the Oscars’ 84-year history. And the awards ceremony enjoys a global audience, making DeGeneres America’s ambassador to the world – a honor and responsibility all-too-rarely entrusted to a gay woman.“

Hier ist das Video zu The Walker von Fitz and the Tantrums, zu deren Musik Ellen in ihrem Trailer tanzt. (Ich hätte gerne direkt zur Band-Website verlinkt, aber die streamen über YouTube, und da ist das Video – natürlich – für Deutschland gesperrt.)

Temples of Delight

Der Economist schreibt über den stetig wachsenden Zulauf, den Museen haben. In den letzten zwei Jahrzehnten sind aus weltweit 23.000 mindestens 55.000 Museen geworden:

„On the face of it, that success seems surprising. People now have more choices than ever before in how to spend their leisure. Many travel to see the world, but mostly the world comes to them, often via television and the internet, conveniently delivered to their laptops or smartphones. So why would they want to traipse round museums if most of the stuff they can see there is available at the click of a mouse?

Some of the new enthusiasm for museums is explained by changes in demand. In the rich world, and in some developing countries too, the share of people who are going on to higher education has risen spectacularly in recent decades. Surveys show that better-educated folk are a lot more likely to be museum-goers. They want to see for themselves where they fit in the wider world and look to museums for guidance, which is why so many of these places have been transformed from “restrained containers” to “exuberant companions”, as Victoria Newhouse writes in her book, Towards a New Museum.“

(via @therealstief)

King of Kings

Ach, wo wir gerade beim Economist sind – in der neuesten Ausgabe findet sich ein Artikel über Ozymandias bzw. Ramses II., den Percy Bysshe Shelley in seinem berühmten Gedicht erwähnte, das mir persönlich durch die vorvorletzte Folge von Breaking Bad (die meiner Meinung nach beste der Serie) wieder ins Gedächtnis gerufen wurde.

„I met a traveller from an antique land
Who said: — Two vast and trunkless legs of stone
Stand in the desert… Near them, on the sand,
Half sunk, a shattered visage lies, whose frown,
And wrinkled lip, and sneer of cold command,
Tell that its sculptor well those passions read
Which yet survive, stamped on these lifeless things,
The hand that mocked them, and the heart that fed:
And on the pedestal these words appear:
‚My name is Ozymandias, king of kings:
Look on my works, ye Mighty, and despair!‘
Nothing beside remains. Round the decay
Of that colossal wreck, boundless and bare
The lone and level sands stretch far away.“

Der Artikel verbindet ägyptische und britische Geschichte mit Literaturwissenschaft:

„As it happened, as Shelley and Smith were scribbling their competing sonnets, Ramesses II was on his way to London. The top half of one of the statues of him at Thebes (though not the one described by Diodorus, which still lies in situ toppled and mutilated) had been dragged, on trolleys and with palm-fibre ropes, as far as the bank of the Nile opposite Luxor, and now waited only for a boat to transport it the rest of the way. The boat would need to be substantial: the pharaoh’s head and shoulders weighed seven tonnes. The French army, passing nearby, had tried to shift the colossus by drilling a three-inch hole in his shoulder and stuffing it with dynamite, but the soldiers had chickened out at the last moment and left him behind. (…)

In 1818 the Younger Memnon was enthroned in a newly built Egyptian Room at the British Museum, where he remains, magnificent in grey and pale brown granite, the French sappers’ hole still in his shoulder. The keeper of the Egyptian Room explained that he was not going to put him under Fine Art, because he did not think he was. But he was certainly impressive. The statue’s arrival sparked an explosion of interest in all things Egyptian—but Shelley, who had flung himself into exile in Italy in March 1818, never actually saw him.“

Tanja Bernsau

Über cogries‘ Twitter bin ich auf das Blog der Kunsthistorikerin Tanja Bernsau gestoßen. Ich habe noch nicht das ganze Blog durchstöbert, aber schon die neuesten zehn Artikel ergänzen mein Provenienz-Seminar an der LMU gerade hervorragend. Wenn ihr euch auch ein bisschen tiefer über verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut, den Umgang der Alliierten sowie von Nachkriegsdeutschland damit und natürlich auch über den Fall Gurlitt informieren wollt, wäre das hier ein guter Anfang.

Über die Rezeption

„Wir betrachten nicht das Bild, noch betrachten wir uns das Bild, sondern wir lassen den Eindruck zu, als betrachte es uns. Man könnte den Zustand als eine schwebende Illusion bezeichnen, in welchem Kunstwerk und Betrachter in einem spielenden Verhältnis stehen.

Aus diesem Grunde geht es mir nicht darum, einzelne Autoren der Kunstphilosophie oder der Kunsttheorie anhand einzelner Werke ausführlich zu interpretieren. Es geht nicht um die Rekonstruktion und Analyse der bekannten Thesen zwischen Kunstwerk und Rezipient. Auf dem höchsten Punkt der Rezeption wird der Rezipient im eingebildeten Zwiegespräch mit dem Bild beim Versuch, dessen stillschweigenden Anspruch wortlos zu entsprechen, zu einem (Mit-)Produzenten. Bereits an dieser Stelle sei vorweggenommen: Das Bild ist nie die Illustration eines Sinnes, der sich auch sagen und schreiben ließe. Das ästhetisch Bedeutende hat keinen Sinn, es gibt und bildet Sinn und macht Sinn für den Betrachter – oder auch nicht. Das Bild bleibt ohne eine Begründung im Inneren des Betrachters leer und ist ebenso auf die gesellschaftliche Vermittlung angewiesen.

Die Lust des ästhetischen Augenblicks hat in sich selbst die Bestimmung zur Genauigkeit des Gefühls und also zur Exaktheit der Phantasie. (…) Die unablässige Sehnsucht, dass die Bilder sprechen sollen, obwohl sie es zumindest mit der uns allbekannten Sprache nicht können und sie also schweigen und dennoch mehrdeutig sein können, ist bereits eine platonische Erfahrung. Auch die Sprache ist nicht einfach dazu da, Gedanken auszudrücken, sondern Gedanken zu ermöglichen, die ohne sie gar nicht existieren könnten (Bertrand Russell). Andererseits sagt ein Bild mehr als tausend Worte (Tucholsky). Lässt sich der Satz so wenden, dass zu sagen ist, ‚ein Bild sind tausend Worte‘?“

Obraz, Melanie: Das schweigende Bild und die Aussagekraft des Rezipienten in Bezug auf ästhetische und ethische Werturteile. Grundlagen für eine phänomenologisch ausweisbare Kunstphilosophie, Berlin 2006, S. 2–3.

YOLO

Am Dienstag spielten meine Lieblinge vom FC Bayern ihr letztes Spiel in der Gruppenphase der Champions League und ich hatte ein Ticket – aber am Tag darauf auch mein erstes Referat in Geschichte.

Seit vier Wochen wühlte ich mich durch sämtliche Bibliotheken in meiner Nähe und Ferne, analog und digital, um an Literatur über die englische Frauenbewegung zu kommen. Nach dem ersten Einführungsbuch (das ich nicht nur meinem Kurs als sehr entspannten Einstieg in das Thema empfohlen habe, sondern hiermit auch euch) hangelte ich mich durch die ganzen tollen Datenbanken, die wir erklärt bekommen hatten, suchte Aufsätze, wuselte in Fußnoten rum, denn da stecken ja immer die Bücher, die mich zu weiteren Büchern führen und hatte schließlich einen Aufbau fürs Referat. Erstmal erklären, wie der rechtliche Stand von bürgerlichen Mittelstandsehefrauen im viktorianischen England war. (Für die Arbeiterklasse und die unverheirateten Damen hatte ich leider keine Zeit in meinen lausigen 20 Minuten Referatszeit.) Daraus ableitend dann die Ziele der ersten Frauenvereine, von denen das Wahlrecht nur eines war. Dann die zwei großen Organisationen NUWSS und WSPU aufdröseln, politische Ziele und Mittel erwähnen, dann die Auswirkungen auf die Gesellschaft und dann irgendwann nach drei Stunden ein Fazit. Zusätzlich wünschte sich unsere Dozentin für die Referate einen Einblick in den Forschungsstand (das kannte ich bisher noch nicht) und eine Leitfrage, die wir im Fazit beantworten sollten. Auch das bekam ich irgendwie hin, wobei mir der Forschungsstand am meisten Probleme machte, weil ich noch nie nach einem solchen gesucht hatte. Ging aber auch. In meine Referatskladde eingearbeitet, Handout für die KommilitonInnen erstellt und wie gewünscht eine Woche vor dem Referat an die Dozentin geschickt.

Sie sendete es mir mit ein paar Anmerkungen zurück und der Frage, ob man einige Teile kürzen und andere umstellen könnte. Ich machte mich an die Arbeit und stellte fest, dass das doch mehr war als „nur ein bisschen kürzen und umstellen“, suchte nochmals nach Literatur, kürzte dafür allerdings wie eine Irre, schickte das neue Handout am Montag zur Dozentin, saß am Dienstag erst in der Uni und dann immer noch am Referat, das partout nicht kürzer als 25 Minuten werden wollte (ich hatte es mir inzwischen achtmal in acht Varianten selbst erzählt) und guckte immer nervöser auf die Uhr. Das Spiel nahte, ich war im Kopf aber in England bei den bombenlegenden Frauen und merkte: Da will ich auch bleiben.

Daher bot ich mein Ticket auf Twitter an, bekam einige bedauernde Smileys von Menschen, die ich vom tpmuc kenne und die sich schon auf das Spiel freuten, und dann entwickelte sich dieser Dialog:

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So drastisch (und so großartig) fiel mir das eigentlich erst in diesem Moment auf.

Seit gut einem Jahr wird mein Tag nicht mehr von Briefings und Meetings bestimmt, sondern von Seminaren und Vorlesungen. Seit gut einem Jahr stehe ich nicht mehr jeden Wochentag um 7 auf, sondern mal um 6, mal um 8 und mal klingelt nicht mal der Wecker (gasp!). Ich sitze nicht mehr in Agenturen oder im Home Office, sondern in Hörsälen, Seminarräumen und vor allem Bibliotheken. Und genau diese kleinen Racker machen mich fürchterlich glücklich. Ich liebe es so sehr, mitten in einem Stapel Bücher zu sitzen und lauter Gedankengängen zu folgen, die mir bis vor wenigen Sekunden neu und unbekannt waren. Ich liebe es, mich von Fußnoten zu noch einem Buch leiten zu lassen, das in der tollen Historicumsbibliothek oder meinem Liebling, der KuGi-Bib, quasi direkt hinter mir steht. Ich muss nur zugreifen und schon steht mir noch mehr Wissen zur Verfügung. Ich hätte selbst nicht gedacht, wie viel Spaß es mir macht, dazuzulernen. Ganz simpel: Kopf aufmachen, lesen, lernen, fertig. In sämtlichen Seminaren, selbst dem einen, das sich etwas zieht und zäh ist und ein bisschen nervig, habe ich alle fünf Minuten das Loriot’sche „Ach was?!“ im Hirn, weil ich schon wieder etwas gelernt habe. Die Verbindungen, über die ich schon mal bloggte, werden mit jedem Kurs und jedem Buch dichter, und ich kann kaum beschreiben, wie großartig ich das finde.

Ich bin so begeistert davon, zwischen vielen schlauen Menschen zu sitzen, die im Idealfall im Seminar genauso gerne diskutieren wie ich, die genau wie ich kunsthistorische Theorien anzweifeln oder sich spontan in sie verlieben, die über Geschlechterbilder nachdenken, über die Zensur während der Aufklärung, über den städtebaulichen Unterschied von Regensburg und München, über die Entstehung der Universitäten im Mittelalter, über handschriftliche Signaturen in alten Büchern und was sie bedeuten, über (hoffentlich) ungewollt rassistische Konzepte in Ausstellungen, über feministische Kunst, ach, über alles, was bisher nicht auf meiner Agenda stand, aber jetzt auf einmal da ist und mich und meine Standpunkte täglich herausfordert.

Es ist so befreiend, akademische Dialoge zu führen, wie ich es nie vorher vermutet hätte. Ich merke jeden Tag, wie sehr es mich befruchtet, fordert, ändert, über Dinge nachzudenken, über die ich sehr lange nicht oder noch nie nachgedacht habe. Und deswegen fiel es mir überhaupt nicht schwer, mich von meiner Fußballkarte zu verabschieden, denn ich wollte lieber noch eine Runde über die Suffragetten nachdenken und das Referat richtig gut machen und nicht nur gut – was mir laut Feedback der Dozentin auch gelungen ist.

Was ich derzeit täglich mache, ist für mich persönlich der Inbegriff von carpe diem. Ich tue den ganzen Tag Dinge, die mir Freude bereiten und mich erfüllen. Dass dafür meine Ersparnisse draufgehen, nagt zwar manchmal an mir, aber da sind wir wieder beim carpe diem: Wenn mir morgen ein Klavier auf den Kopf fällt, habe ich von der ganzen Kohle auch nichts mehr. Also werfe ich sie den Münchner Vermietern und der Lufthansa in den Rachen und bekomme im Gegenzug einen Tagesablauf, der mich definitiv glücklicher macht als die goldene Nase in der Agentur.

Mein Bachelorstudium ist in sieben Wochen halb durch, und ich überlege jetzt schon, ob ich mir auch noch den Master leisten kann. Jetzt gerade will ich nichts lieber als: lernen. Lesen. Schlauer werden. Mich mit Theorien und Diskursen auseinandersetzen in zwei Fächern, die ich mit ganzem Herzen umarme (und mich dafür auf so ziemlich jedem sozialen Kanal als Streberin titulieren lassen muss. Den Begriff umarme ich auch, immer her damit). Ich habe meine Tage bisher fürs Geldverdienen genutzt und jetzt nutze ich sie (größtenteils) für etwas anderes. Wenn das nicht YOLO ist, weiß ich es auch nicht.


Edit 17.12.:

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Ein doppeltes Dankeschön …

… an Heike, die mich mit In der Küche mit Alain Passard überraschte. Das Buch ist ein Comic, in dem sich Rezepte verstecken, nämlich vom titelgebenden Alain Passard. Zeichner Christophe Blain, dessen Quai d’Orsay ich sehr gerne gelesen habe, guckt Passard bei der Arbeit über die Schulter – und darf danach probieren. Und seine gezeichneten Gesichtsausdrücke lassen mich sofort an Bioleks HMMMMMMM!!! denken. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

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Links vom 10. Dezember 2013

Wir werden die Kunstgeschichte umschreiben müssen

Kunsthistoriker Rolf Jessewitsch weist auf die Lücken hin, die die Nationalsozialisten mit ihrer Ideologie der „entarteten Kunst“ hinterlassen haben:

„Es gab auch ältere Künstler, deren Existenz von den Nazis vernichtet wurde. Etwa Milly Steger

…die Karl Ernst Osthaus 1910 als Stadtbildhauerin nach Hagen holte…

…und die Mitte der zwanziger Jahre Deutschlands bedeutendste Bildhauerin war. 1935 haben die Nazis verlangt, dass Milly Steger aus Friedenthals Lexikon herausgenommen und nicht mehr erwähnt wird. Das hat funktioniert. Heute kennt sie kaum mehr jemand. In München, Hamburg und Berlin haben die Museen Werke von ihr, aber wenn ich meinen Kollegen dort sage, dass sie die doch mal zeigen sollen, heißt es: „Die kennt ja keiner.““

Eating while fat

Ein Gastbeitrag auf Shakesville, den ich sofort unterschreiben würde:

„Eating in public is more than just eating, if you are a fat person. It’s Eating While Fat.

Eating While Fat means carefully scrutinizing each choice from the party buffet, knowing that others are watching you, hating that it matters, but knowing it does. Are you choosing the celery sticks because you like them (I do), or because you know what people will be smirking if you grab the cookies? Because obviously, you are a terrible, lazy, terrible person if you pick the cookies.“



Backen als Trauerarbeit

Andrea Diener nimmt von ihrer Lieblingskonditorei Abschied, indem sie dort Lebkuchen backt:

„„Du siehst gar nicht gut aus“, sagte ich. „Hexenschuss“, sagte sie. „Du gehörst ins Bett“, sagte ich, und ich hatte keine Ahnung, wie recht ich damit hatte. So leicht stirbt man nicht, denkt man immer, aber manchmal eben doch, manchmal ruft dann einfach jemand an, weil doch eine gestorben ist, von der man eigentlich noch ein paar hundert Torten kaufen wollte, mindestens noch 15 Jahre lang.“

The Meaning of Libraries

Eine Liebeserklärung an Bibliotheken von Michael Benson, dem Präsidenten der Eastern Kentucky University:

„I’ll never forget my second day in Oxford as a somewhat overwhelmed graduate student, standing before a stern and quintessential librarian – right out of Brideshead Revisited – and taking on oath with my right hand held to the square, that during my time within the hallowed walls of the Bodleian I would refrain from making any open fires or bringing any sheep into the building.“

Ach, wo wir gerade bei Bibliotheken sind – das hier ist meine liebste: der dritte Stock bei den KunstwissenschaftlerInnen. Hinter mir stehen die KünstlerInnenmonografien, ein Stockwerk darunter steht die Sekundärliteratur zu jedem Aspekt, der irgendwie zu Kunst gehört, und noch ein Stockwerk tiefer lungern die Theater- und Musikwissenschaften rum. Aber hier oben ist es am schönsten.

Ich bastele zurzeit an der Excel-Tabelle, in die ich Bücher eintrage, die vor 1945 erschienen sind; mein Provenienzkurs sucht eventuelle Raubkunst in den Regalen der KuGi-Bib. Mein bisheriger Lieblingsfund, den ich aber noch nicht weiter vertieft habe, ist ein Buch von 1896, das wahrscheinlich mal Herrn Keyserling gehört hat.

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Ein museales Dankeschön …

… an Holgi, der mich mit David Prudhommes Einmal durch den Louvre (Affiliate Link) überraschte. Ich habe das Ding natürlich sofort in einem Rutsch durchgelesen; das ist ja das Fiese an Comics, dass sie teilweise teurer sind als 800-Seiten-Bücher, aber man 800mal weniger Zeit braucht, sie zu lesen. Schönes Ding. Und: Selten hat ein Buch so viel Lust darauf gemacht, sofort einen Parisflug zu buchen und durch ein Museum zu rennen. Seufz. Na super. Vielen Dank für das Danaergeschenk, ich habe mich kurz darüber gefreut. Knurr.

Ein südliches Dankeschön …

… an Armin, der mich mit Friedrich Anis Süden und die Stimme der Angst (Affiliate Link) überraschte. Aus der Süden-Reihe stehen ja schon ein, zwei *hust* Ausgaben in meinem Regal und daher war ich sehr gespannt auf den angeblich neuesten, aber: Das Ding ist 2001 bereits unter einem anderem Titel erschienen. Erste Reaktion: Rageface, zweite Reaktion: egal, hab ich noch nicht, denn ich habe erst mit der Erfindung des Abschieds angefangen. Schwein gehabt. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut. (Und dann das Rageface gemacht und mich dann wieder gefreut.)

Über Beuys

Armin Zweite über Voglio vedere le mie montagne (1971):

„[I]n ihnen[, den Gegenständen,] manifestiert sich eine Fülle komplexer Beziehungen, die Gestaltungsprinzipien thematisieren: das Offene und das Geschlossene, das Bearbeitete und das Unbearbeitete, Organisches und Anorganisches, Sichtbares und Unsichtbares (der Kasten enthält einen Fetzen gelben Tuchs und einen Knochen), Kristallines und Amorphes, das Aufgerichtete und das Liegende, Eckiges und Rundes usw. In solcher Anordnung, die immer wieder den Zufall unterläuft, erweist sich aufs neue die Meisterschaft von Beuys, selbst die obsoletesten und disparatesten Dinge durch Kombinationen und ausponderierte Zusammenstellung in ein Beziehungsgefüge zu rücken, das das krude Zeug nobilitiert, und zwar zunächst und vor allem durch formale und materiale Korrespondenz oder deren Verkehrung ins Gegenteil. Eine Regie wird spürbar, die Sperriges und Zartes, Voluminöses und Unscheinbares, Kompaktes und Filigranes, Festes und Weiches auf einen gemeinsamen Nenner bringt, insofern die Lebenswelt desjenigen zu spüren ist, der hier auswählte, veränderte, bearbeitete und arrangierte.

Aber dieser individuelle Horizont des Künstlers ist nicht das Entscheidende. Der Betrachter, ohne allein seinen Augen vertrauen zu wollen, nimmt die Besetzung und Artikulation des Raumes physisch wahr und ertastet gleichsam Differenzen von Oberflächen und Volumen, und er meint dabei einen prähistorischen Schauer zu verspüren, der dieses veraltete Inventar aus bürgerlichem Schlafzimmer und trister Werkstatt umwittert, dieses halb rätselhafte, halb vertraute Ambiente, dem er sich allenfalls durch eine brüchig gewordene Tradition verbunden weiß. Worauf Beuys hier anspielt, hat Walter Benjamin in seinem Passagenwerk so beschrieben, „daß zwischen der Welt der modernen Technik und der archaischen Symbolwelt der Mythologie Korrespondenzen spielen, … daß die Merkwelten sich immer schneller zersetzen und das Mythische in ihnen immer schneller und krasser zum Vorschein kommt …“ Zwar glauben wir zu kennen, was wir sehen, aber der Zusammenhang der Dinge, der einer eigenen Logik zu folgen scheint, läßt die Evidenz ins Rätsel umschlagen. So manifestieren sich in dem ausrangierten Zeug Momente von Trauer. Die aus ihren Funktionszusammenhängen gelösten Sachen werden in ihrer neuen Umgebung fremd und durch die Namensgebung zu Teilen eines dunklen Bildes. Aus der Lebenswelt eliminiert, beunruhigen die Dinge und offenbaren in der Reduktion auf ihr materielles Substrat einerseits und in der Spiritualisierung bzw. Verrätselung andererseits eine mythische Qualität.“

Zweite, Armin: „Prozesse entlassen Strukturen, die keine Systeme sind.“ Anmerkungen zu einigen raumbezogenen Arbeiten von Joseph Beuys, in: Bastian, Heiner (Hrsg.): Joseph Beuys. Skulpturen und Objekte, München 1988, S. 70/71.