Die „Deern“ unterm Weihnachtsbaum

IN DREIEINHALB WOCHEN IST WEIHNACHTEN EINSELF! Daher nochmal der wertvolle Hinweis: Falls ihr euren Lieben ein gar wunderbares Buch schenken möchtet, das sogar signiert ist, dann steht hier, wie das geht. (Und mit „wunderbares Buch“ meine ich natürlich meins. Ehe die ersten dämlichen Mails auflaufen.)

– Du schreibst mir eine Mail an mail ‘at’ ankegroener ‘Punkt’ de mit deiner vollständigen Anschrift und dem Hinweis, dass du bitte eine Deern haben möchtest. Wenn du was Bestimmtes ins Buch geschrieben haben möchtest, wäre jetzt die Gelegenheit, mir das zu sagen.

– Du überweist mir 18,15 Euro; die Kontodaten schicke ich dir in der Antwortmail auf deine Bestellmail. Die Kosten setzen sich folgendermaßen zusammen: 14,95 Euro fürs Buch (so viel kostet die Deern auch in jedem Buchladen) plus 3,20 für Porto, Versand und die übermenschliche Anstrengung, die es mich arme Asthmatikerin kostet, zur Post zu rennen, um Briefmarken zu erwerben.

– Sobald das Geld auf meinem Konto ist, signiere ich ein druckfrisches Exemplar und bringe es eigenhändig zum Briefkasten. Mit ganz viel Liebe und ein bisschen Feenstaub.

(File under: hard-selling at its best)

Portraits génétiques

Portraits Génétiques – ein Projekt des Fotografen Ulric Collette über die Ähnlichkeit zwischen Eltern, Kindern und Geschwistern.“

(via formschubs Geplusse)

Neidische Lektüre

„Gewöhnlich nahm man in Mährisch-Ostrau pro Tag fünf Mahlzeiten zu sich. Frühstück gab es um halb acht Uhr morgens. Um zehn Uhr bekamen die Kinder ihr Gabelfrühstück: Butterbrot mit Wurst, hartgekochte Eier und Obst. Viele Männer begaben sich um diese Zeit für eine halbe Stunde in ein Bierrestaurant, um ein kleines Gulasch oder „Salonbeuschel“ zu essen und ein Glas Bier zu trinken. Zwischen zehn und halb elf wurde in den Büros und Läden wenig gearbeitet; alle waren mit dem Essen beschäftigt. Zwei Stunden später ging man zum Mittagessen – nach Hause selbstverständlich, denn es war nicht üblich, ins Restaurant zu gehen – und dann folgte ein kleiner Verdauungsschlaf. Daraufhin spazierte man ins Café, um eine Tasse Mokka zu trinken und eine Partie Tarock oder Bridge zu spielen und sich dann schließlich noch für eine Stunde an die Fronarbeit zu begeben.

Es war ein anstrengendes Leben, und gegen halb fünf Uhr nachmittags waren die meisten wieder hungrig und mussten ihre Jause haben. Eine echt österreichische Jause aber besteht aus mehreren großen Tassen Kaffee mit „Schlag“, Torte, Guglhupf und Kleingebäck. Sie ist eine weibliche Institution; meiner Mutter zum Beispiel machte es nichts aus, das Mittagessen oder die Abendmahlzeit auszulassen, aber ihre Jause musste sie haben. Oft beklagte sie sich, dass sie zunahm, obgleich sie „doch eigentlich nichts aß“. An der Jause konnte es nicht liegen, sagte sie, denn „von der Jause nimmt kein Mensch zu“.

Diese asketische Diät, zu der noch Apéritifs, Vorspeisen und ein üppiges Abendessen hinzugerechnet werden müssen, zwang viele Bürger unserer Stadt, einmal jährlich nach Karlsbad zu fahren, strenge Kur zu machen, fünfzehn Pfund abzunehmen, um auf diese Weise für ein weiteres Jahr ihrer Diät gerüstet zu sein.“

Joseph Wechsberg (Gerda von Uslar, Übers.), Forelle blau und schwarze Trüffeln (1953)

Wie ich gestern schon auf G+ schrieb:

Wem Torbergs Tante Jolesch gefallen hat, sollte sich auch dieses Buch besorgen. Man darf es allerdings nur lesen, wenn man sich in der Nähe einer gut gefüllten Speisekammer befindet.

Hier die SpiegelKurzrezension von 1965:

„Ein Amerikaner aus Mähren, Kirchenrechtler und vorübergehend Erster Geiger des Folies Bergère, feiert in gediegenen Feuilletons die großen Wirte, Weinkenner und Köche, die er aufgesucht hat. Man lernt, dass Zuckerrübenbrei das feinste Ochsenfutter darstellt; dass Ente und Orangen doch nicht recht zusammenpassen; dass Weine, gleich Kindern, nur bedingt erziehbar sind. Es spricht für Joseph Wechsberg, dass er, ohne anzustoßen, in einem Atemzug von Judenmorden und Trüffelgewinnung zu schreiben versteht. (Rowohlt; 268 Seiten; 16,80 Mark.)“

In der Woche des Erscheinens war übrigens Frischs Mein Name sei Gantenbein auf Platz 1 der Bestsellerliste.

Claudia braucht Hilfe

Bitte lesen und helfen.

Locals and Tourists

Bilder, die von Einheimischen aufgenommen wurden versus Bilder, die von Touristen gemacht wurden. Flickr-Set, via Haiko Hebigs Geplusse.

Ugly Renaissance Babies, via Wirres, glaub ich. Meinen Liebling Raffael hat’s natürlich auch erwischt.

Bayern-Fan, Axel Pätz

(Direktschnucki. Von LizasWelt per Twitter darauf hingewiesen worden. Na danke auch.)

Twitter-Lieblinge November, 1. Teil

Jetzt isses soweit, ihr alten Nervensägen: Ihr habt zu viel gutes Zeug getwittert. Jetzt muss ich die Liste zweimal anfertigen. Hilft ja nix.

(Zum besseren Verständnis der nächsten drei Tweets: Herr Probek führt auf Twitter eine Liste namens „Fussisager“, auf der alle landen, die, genau, „Fussi“ sagen, ganz gleich, ob ironisch oder nicht. Ich stehe selbstverständlich und stolz auf der Liste. Immerhin sag ich nicht „Schoki“. Oh, ich muss ne Liste anlegen.)

München, 22. November, nach dem Spiel FCB-Villarreal. ♥

(Foto von Lizas Welt, von mir fies beschnitten)

„Dass Tempo zu einem Fetisch des Fußballs geworden ist, liegt vielleicht auch an unseren Seherfahrungen und dem Umstand, dass die meisten Zuschauer inzwischen ein generelles Vergnügen daran haben. Der Filmkritiker und Kulturjournalist Peter Körte hat auf den interessanten Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Zeit des Ballbesitzes auf internationalem Spitzenniveau und der Einstellungslänge von Hollywood-Blockbustern wie „Bourne Ultimatum“ hingewiesen. In beiden Fällen liegt sie unter zwei Sekunden. Wenn uns heute etwas fesseln soll, bedarf es offensichtlich einer hohen Taktzahl wechselnder Reize.

Für den deutschen Literaturwissenschaftler und Sportphilosophen Hans Ulrich Gumbrecht, der an der kalifornischen Stanford University lehrt, bedeutet das auch einen kulturellen Wechsel: von der Ästhetik der Oper und des großen Theaters hin zu einer des Videoclips. Und das hat den Abtritt des Fußballstars als Diva zur Folge: „Für die star- und damit divengerechten Spielzüge gibt es heute in Zeiten der blitzschnellen Umschaltpunkte und Blockverschiebungen im wörtlichen Sinne keinen Raum mehr. Das Spiel ist nicht nur viel schneller, es ist auch viel taktischer und kollektiver. Eine Diva, die in diesem Kollektiv nicht zu 100 Prozent mitarbeitet, gefährdet das gesamte Spiel. Insofern haben wir es zurzeit mit zwei gegenläufigen Entwicklungen zu tun. Das Fußballspiel selbst ist divenfeindlich geworden, während der kulturelle Kontext divenfreundlicher ist.“”

Christoph Biermann, Die Fußball-Matrix: Auf der Suche nach dem perfekten Spiel

Der im Ausschnitt erwähnte Peter Körte schreibt übrigens mit Jürgen Kaube bei der FAZ das Fußballblog Eins gegen Eins.

Heimspiel: Altona 93 – SV Halstenbek-Rellingen

Als ich mit regelmäßigem Fußballgucken anfing, konnte ich mir nicht vorstellen, jemals meine gemütliche Couchposition gegen einen zugigen Stadionsitz einzutauschen. Denn neben der Couch waren da ja auch noch Zeitlupen, ein (meist) wissender und unterhaltsamer Kommentar, das Klo, das man mit niemandem teilen muss und bereits bezahlte Getränke in Reichweite. Wieso sollte ich jemals ins Stadion gehen?

Ganz einfach: um die Helden mal live und aus der Nähe zu sehen. Das war jedenfalls der Grund, warum ich so dringend in die Allianz-Arena wollte und inzwischen auch dreimal war (plus einmal AWD-Arena). Womit ich allerdings nicht rechnen konnte: dass mir das verdammte Stadionerlebnis so gut gefällt, dass es mich inzwischen nervt, auf der Couch Fußball zu gucken.

Was so toll am Stadion ist? Dass ich nicht gezwungen bin, der Fernsehperspektive zu folgen. Inzwischen sind mir Zeitlupen relativ wurst – wenn der Schiedsrichter Abseits oder Foul pfeift, dann ist das eben so; das bringt mir im Spielverlauf eh nichts, wenn mir eine Zeitlupe sagt, nee, war doch kein Abseits, und für das Foul wäre ne Karte gerechtfertigt gewesen. Im Stadion habe ich zwar keine Close-ups von Schnucki (oder sogar Close-ups von Schnucki im angeschwitzten Shirt in Zeitlupe), aber dafür kann ich dem Mann meines Herzens, wenn ich will, 90 Minuten lang hinterhergucken anstatt dem Rest des Spiels. Was ich natürlich nicht tue, denn der Rest des Spiels macht viel mehr Spaß. Ich finde es inzwischen viel interessanter zu sehen, was die Spieler tun, die den Ball gerade nicht haben. Ich schaue mir gerne an, wie die gesamte Mannschaft verschiebt, wie eng sie die Räume macht oder wie weit sie alles auseinanderzieht. Ich suche nach Spielformationen, gucke, ob zum Beispiel aus einem 4-2-3-1 ein 4-4-2 wird, achte darauf, wie tief die Abwehr steht oder wie alleine der Stürmer vorne ist. Kurz: Ich gucke auf so ziemlich alles, was man im Fernsehen nur selten, ansatzweise oder gar nicht zu sehen bekommt, weil das Fernsehen eben nur einen Ausschnitt zeigt. Deswegen fand ich alle Spiele, die ich bisher live gesehen habe, im Nachhinein in der Aufzeichnung fast langweilig, während ich mich im Stadion prächtig unterhalten habe.

Leider ist es nicht ganz so einfach, für die Allianz-Arena Karten zu bekommen, mal abgesehen davon, dass ich nicht dauernd Flüge nach München buchen möchte. Also muss ich in Hamburg Fußball gucken. Der HSV ist mir egal, für den FC St. Pauli sind Karten auch eher Mangelware, und ehrlich gesagt, ist mir Pauli noch egaler. Aber in der Hansestadt spielen ja noch andere Vereine – zum Beispiel Altona 93, die sich gerade in der Oberliga Hamburg befinden. Wenn ich also nicht in die Allianz-Arena komme, dann gehe ich halt auf die Adolf-Jäger-Kampfbahn. Ist auch deutlich günstiger.

Gestern war ich zum ersten Mal da – und ich glaube, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Klar ist das Niveau ein ganz anderes als in der 1. Bundesliga, aber das Spiel ist das gleiche, und es hat fast genau so viel Spaß gemacht, Altona 93 zuzuschauen wie den Bayern. In der ersten Halbzeit war es gefühlt ein Spiel auf ein Tor und zwar auf das des Gegners. Leider konnten die Torchancen nicht verwertet werden, und ein Elfmeter wurde vom gegnerischen Torwart gehalten. Kurz vor der Halbzeitpause gelang Halstenbek-Rellingen sogar der Führungstreffer, für mich völlig unverdient. In der zweiten Halbzeit wurde das Spiel ausgeglichener. Aus dem 3-4-3 von Altona 93 wurde ab und zu ein 3-5-2 und später bei nachlassenden Kräften ein verzauseltes Irgendwas; beim Gegner sah es nicht anders aus, wobei der immerhin vier Verteidiger nutzte. Das Spiel wurde deutlich hakeliger. Die Folge: drei rote Karten, so dass zum Schluss neun Altonaer gegen zehn Schleswig-Holsteiner spielten – und in der letzten Minute sogar noch den Ausgleich schafften („Altona-Dusel“). Einmal die Ärmchen zum Jubeln hochgerissen, nochmal ne Nase Bratwurst und Glühwein genommen und wieder ab nach Hause. Im Bus, nicht mit der S-Bahn und mit weitaus weniger Mitreisenden.

Was mir so viel Freude bereitet hat – neben dem offensichtlichen: Fußball gucken –, war das Drumherum. Statt 66.000 saßen und standen nur 500 Menschen um mich rum, Kinderwägen, Punks, Hunde und lautstarke Hobbytrainer, die natürlich alle besser wussten, wie man das Spiel gewinnt als die Spieler selbst. Die mussten sich ne Menge anhören genau wie der Schiedsrichter, aber das ist in den großen Arenen auch nicht anders. Dort kriegen die Akteure das aber wahrscheinlich nicht ganz so deutlich mit, was für das eigene Seelenheit vermutlich besser ist. Was ich dafür erstmals so deutlich mitgekriegt habe: das Geschrei der Spieler, wer jetzt bitte was machen soll. Das überraschend laute Geräusch des Balls, wenn er auf Füße, Köpfe oder Gegner trifft. Und natürlich die aggressive Körperlichkeit des Sports selbst, die ganz anders aussieht, wenn man ihr aus zehn Metern Distanz und auf Augenhöhe folgt anstatt aus 80 Metern im Rang einer Arena. Das war alles sehr, sehr toll, und ich ahne, dass ich neben meinem Bayern-Schal noch einen Altona-93-Schal brauche.

EINUNDNEUNZIG – ZWEIUNDNEUNZIG – DREIUNDNEUNZIG* – AL-TO-NA! Nächsten Sonntag um 14 Uhr wieder. Bis Bayern um 17.30 Uhr gegen Mainz spielt, bin ich locker wieder zuhause.

Edit 1: Es gibt Bewegtbilder vom Spiel.

Edit 2: Ups, peinlicherweise die 93 beim Grölen vergessen. Danke für den Hinweis, AFC-Fanforum.

Ein gesungenes Dankeschön …

… an Herrn Formschub, der mich mit Weep, Shudder, Die: A Guide to Loving Opera von Robert Levine überrascht hat. Das Büchlein kannte ich noch nicht, aber schon das Reinblättern hat mich überzeugt. Die einzelnen Kapitel besprechen Opern nach Ländern geordnet und bieten charmante Inhaltsangaben plus Hinweise auf Besonderheiten. Die heißen im deutschen Kapitel „Achtung!-Moments“, in den französischen „Les petites morts“. Mozart kriegt ein eigenes Kapitel (darüber reden wir noch), und die Überschrift zu italienischen Opern heißt: „If you can hum it, it’s probably Italian.“ Wunderbar. Vielen Dank, ich habe mich sehr über die Überraschung gefreut.

Auf dem Weg zur Packstation hatte ich übrigens Puccinis Turandot auf den Ohren. Als hätte ich was geahnt.

„Kein Zweifel besteht dagegen mehr daran, dass die athletischen Fähigkeiten der Spieler insgesamt immens weiterentwickelt worden sind. In den frühen Siebzigern, in denen in Deutschland der angeblich beste Fußball aller Zeiten gespielt wurde, hat ein Mittelfeldspieler über 90 Minuten zwischen vier und fünf Kilometer Laufstrecke hinter sich gebracht, heute sind es zwischen acht und elf. In der Saison 1961/62 hat der ungarische Trainer Janos Palfai Messungen der Laufleistungen von Spitzenspielern vorgenommen. Immerhin, Alfredo di Stefano von Real Madrid hätte mit seinen 4366 Metern auch zehn Jahre später noch genauso mithalten können wie Mario Zagallo von Botafogo Rio mit 3948 Metern. Selbst für die siebziger Jahre eher bedenklich sind die Werte von Zagallos Mannschaftskollegen Garrincha (2808 m) und Omar Sívori von Juventus Turin (2476 m), die beiden hätte wahrscheinlich sogar der kugelrunde Ballkünstler „Buffy“ Ettmayer in Grund und Boden gerannt.“

Christoph Biermann/Ulrich Fuchs, Der Ball ist rund, damit das Spiel die Richtung ändern kann (2001)

„Der Nagel von Roberts rechtem Ringfinger beherbergte ein kaum zu übersehendes Kontingent an Dreck. Cora setzte ein Gesicht auf, als hätte sich ein Schatten über den Tisch gelegt, oder der Flügel eines gefallenen Engels. Roberts Angewohnheit, mit der Gabel so lange im Essen zu stochern, bis sich eine exakt ausgewogene Mischung aus Fleisch, Kartoffeln und Spargel drauf befand, dazu die Kratzgeräusche der Gabel, zuletzt, Klimax eines Schauerstücks, das Anheben und Ablecken des Tellers – wie konnte sich jemand wegen ein paar Tropfen Béchamelsauce derart gehenlassen? Und wie infam war ein Mann, vernehmlich zu rülpsen und seine Frau um ein Glas Fernet zu bitten, in seinem Magen zische und gluckere es.

Dieser Mann, dachte Cora, hat mit mir Oralverkehr gehabt. Mehrmals.“

Helmut Krausser, Der große Bagarozy