München, I will be in you

Beim Spiel gegen Villarreal mit gefühlt 20 Twitter_innen in meiner Timeline. Noch ist nicht entschieden, ob wir uns „Nerdkurve“ oder „Nerderia“ nennen. Auf jeden Fall brauchen wir Namensschilder für das After-Game-Meet-Up.

Edit: Höre gerade, dass der Name „Nerdkurve“ schon vergeben ist. Mist. Der ist großartig.

Bücher August 2011

Hanns-Joseph Ortheil – Die große Liebe

Da hat stories! ja was Schönes angerichtet. Ein unschuldiger Buchtipp, und schon bin ich Ortheil-Groupie. Liebe ist das vierte Buch, das ich in kürzester Zeit von ihm lese, und ich habe gerade einen Großteil seines Gesamtwerks geordert. Was ich so faszinierend finde: Seine Stimme ändert sich von Buch zu Buch, nicht so sehr, dass sie völlig anders wird, aber schon so, dass jede Geschichte ihren eigenen Tonfall bekommt. Darüber geht aber nie das für mich speziell Ortheil’sche verloren: die präzisen Beobachtungen, die feinen Beschreibungen, die für mich nie ausufern, sondern stets exakt die richtige Länge haben, um ein Bild zu zeichnen. Hach.

In Die große Liebe geht es, ganz simpel, genau darum: boy meets girl, und dann gucken wir mal. Das Ganze spielt wieder in Italien, es gibt dauernd was Leckeres zu essen, ein Bild in einer Kirche spielt eine Rolle, und wenn ich mir jedesmal, wenn im Buch Wein getrunken wird, selber ein Glas genehmigt hätte, wäre ich auf Seite 50 volltrunken gewesen. Wenn unser Sommer ein Sommer wäre, würde ich sagen: ein perfektes Sommerbuch mit viel mehr Tiefe und Erwachsenheit, als die üblichen Sommerbücher haben, die man im Strandkorb verschlingt. Das hier braucht schon eine kühle Chaiselongue.

(Leseprobe bei amazon.de)

Hanns-Joseph Ortheil – Die geheimen Stunden der Nacht

Bitte geistig den oberen, ersten Absatz zur Großen Liebe copypasten. Dann aber umschwenken auf eine ganz andere Geschichte. Statt in Italien sind wir in Köln, wo ein mittelalter Verlegersohn erfährt, dass sein Vater einen Herzinfarkt hatte. Allerdings nicht zuhause, sondern in einem Luxushotel, wo er anscheinend schon länger eine Suite gemietet hatte. Was sein Vater sonst noch so im Geheimen trieb und wie sich das auf das Leben des Sohns auswirkt, erzählt dieses Buch, was mir bis jetzt von Ortheil am besten gefallen hat. Es verbreitet, obwohl es von 2005 ist, ein sehr eigentümliches Bundesrepublik-Gefühl; man hat die ganze Zeit das Gefühl, das Ding müsste in Bonn spielen, so altmodisch und vertraut kommen mir die Personen und Rituale vor, so traditionell die Lebensentwürfe und Erwartungen. Aber dann passieren eben Dinge, die andere in Bewegung setzen, und auf einmal wacht man aus diesem beruhigenden und gleichzeitig erstickenden Alltag auf. Von diesem Buch habe ich sehr schwer Abschied genommen, weil ich bis zur letzten Seite gedacht habe, he, du kannst doch jetzt nicht aufhören! Diese Figuren gehören doch jetzt zu mir, nimm sie mir nicht weg. (Und außerdem war das Ende ein bisschen sehr hopplahopp. Aber Ortheil verzeihe ich gerade alles.)

(Leseprobe bei amazon.de)

Arno Geiger – Anna nicht vergessen

Kurzgeschichtensammlung, die mich nicht ganz überzeugen konnte. Die Titelgeschichte mochte ich sehr gerne, zwei, drei weitere Storys auch, fünf, sechs andere fand ich eher solala und „kann ich da bitte mal ein bisschen mehr Mühe spüren“, und einige völlig belanglos. Keine Lust, über dieses Buch viel zu schreiben.

(Leseprobe bei amazon.de)

Maxim Leo – Haltet euer Herz bereit: Eine ostdeutsche Familiengeschichte

Der Untertitel des Buchs, das ich übrigens bei Nessy gefunden habe, ist ein bisschen irreführend, denn Leo schreibt zwar über sich, der in Ost-Berlin geboren wurde und beim Mauerfall knapp 20 war, aber auch über seine Eltern und Großeltern, die noch im Deutschen Reich zur Welt kamen. Diese Vergangenheit ist auch prägend und erklärt vielleicht ein bisschen, warum sich gerade der Großvater mütterlicherseits bewusst für ein Leben in der DDR entschied. Ich mochte das Buch sehr, sehr gerne; am Stil hätte ich an ein paar Stellen rumzunörgeln, aber das ist Kleinkram. Wenn Leo zum Beispiel aus den Aufzeichnungen seines Großvaters zitiert, dann klingt das plötzlich etwas mehr nach ihm, der anscheinend nicht ganz so flüssige und schöne Sätze hingekriegt hat wie der Enkel. Aber wie gesagt, Kleinkram.

Was hingegen toll war: Ich habe zum ersten Mal nachvollziehen können, wie man sich mit diesem Staat, der für mich als Wessi immer ein seltsames Ausland war, identifizieren konnte, ja ihn sogar trotz seiner offensichtlichen Macken verteidigen wollte. Großvater Gerhard war Jude, floh mit seinen Eltern nach Frankreich und schloss sich dort der Résistance an. Die Abscheu vor dem Nationalsozialismus, zu sehen, dass in der Bundesrepublik genau diese Menschen wieder an die Macht kamen, waren auch Triebkräfte für seine Arbeit an und in der DDR. Hinter seinem Leben steckt aber noch viel mehr, und ich fand es sehr schön, dass seine Geschichte einen großen Teil im Buch erhält.

Genauso spannend: die Story von Leos Mutter, die mit ihrem Résistance-Vater aufwächst, absolut hinter der Partei steht – aber trotzdem zweifelt und hadert. Diese Zweifel kann sie aber ausgerechnet in ihrer Familie nicht besprechen. Vielleicht verliebt sie sich deshalb in Leos zukünftigen Vater, der sich ebenfalls an diesem Staat reibt und ständig versucht, auf Konfrontationskurs zu gehen – allerdings immer nur bis an eine gewisse Grenze, genau bis dahin, wo es gefährlich werden könnte.

Wie gesagt, ich habe nie in der DDR gelebt, ich kenne das Land nur aus Verwandtschaftsbesuchen und Jugendfreizeiten, aber für mich war dieser Staat stets unheimlich. Haltet eurer Herz bereit hat mir zeigen können, dass er auch Heimat war, Idee, Wunsch und Traum, dass er aber letzten Endes zu Recht zugrunde gegangen ist.

„Ich weiß heute, wie sehr Anne (Leos Mutter) unter jedem Kniefall, unter jedem Kompromiss gelitten hat, weil sie sich mit der DDR verbunden fühlte, weil sie etwas verändern wollte. Jede Lüge war für sie eine Niederlage, weil sie es ehrlich meinte mit diesem Staat. Selbst mein Vater sagt, er hätte immer gehofft, dass noch etwas passiert in diesem Land, weil die Lage nie wirklich hoffnungslos gewesen wäre. Mir ging es anders. Ich hatte eher eine Nichtbeziehung zu diesem Staat. Nach all dem, was meine Eltern mir über die DDR erzählt hatten, nach all dem, was ich selbst von ihr gesehen hatte, war sie mir egal geworden. Ich glaube nicht, dass mir das damals bewusst war. Aber wenn ich heute darüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich eigentlich keine echten Gefühle für dieses Land hatte. Es gab weder Hass noch Liebe, weder Hoffnung noch Enttäuschung. Nur eine Art taube Gleichgültigkeit.

Das mag seltsam klingen, weil doch eigentlich jeder etwas für seine Heimat empfindet. Nur hatte ich meine Heimatgefühle von der DDR getrennt: Die Birke vor unserem Sommerhäuschen in Basdorf, die Badestelle am Liepnitzsee, der Seepark in Karlshorst, die Straße, in der ich geboren wurde, hatten für mich nichts mit diesem Staat zu tun. Die DDR, das waren die anderen.“

(Leseprobe bei amazon.de)

Mons Kallentoft (Christel Hildebrandt, Übers.) – Blut soll euer Zeichen sein

Ich bin so gar keine regelmäßige Krimileserin; ich habe mir den Stieg-Larsson-Kram reingetan und fand ihn teilweise toll, größtenteils irgendwie WTF, und ein ähnliches Gefühl hatte ich auch bei Blut. Der Originaltitel lautet, wenn ich den Googel’schen Übersetzungstools glauben darf, schlicht Sommermord, was ich etwas weniger reißerisch gefunden hätte. Vielleicht ein bisschen platter, aber auch das hätte gut zum Buch gepasst.

Kommissarin Malin Fors findet auf einem Spielplatz ein verwirrtes, weiß geschrubbtes Mädchen, das sich nicht daran erinnern kann, was ihr zugestoßen ist. Eine Untersuchung belegt, dass sie vermutlich mit einem Dildo penetriert wurde. Wenige Tage später wird ein zweites Mädchen gefunden, ähnlich gesäubert, tot. Die Ermittlungen gehen sofort in zwei Richtungen: vorverurteilte Vergewaltiger (natürlich mit Migrationshintergrund) und Lesben (wegen Dildo). Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass hier niemand ermittelt, sondern einfach wahllos Leute befragt werden, die in irgendwelche Vorurteilsschemata passen, während die einzige Zeugin in Ruhe gelassen wird. Wer’s dann zum Schluss war und wieso, ist auch so richtig schön weit hergeholt. Trotzdem fand ich die Stimmung im Buch faszinierend, ich mochte die Sprache, und ich empfand auch das ewige Rumreiten auf dem ungewöhnlich heißen Sommer und den Bränden, die dadurch entstanden, nicht unpassend. Aber ich würde trotzdem gerne einen Krimi lesen, bei dem ich das Gefühl habe, die Ermittler_innen können ermitteln anstatt zu raten.

(Leseprobe bei Rowohlt)

Sascha Lobo – Strohfeuer

Lobo beschreibt eine kurze Zeit im Leben von Stefan, einer labernasigen, aber überzeugenden Luftnummer zur Zeit der New Economy. Stefan gründet mit Thorsten, einem Psychopathen vor dem Herrn, Sandra, einer Frau, die er irgendwie mal flachlegen will, und Philipp, dem einzigen Menschen im Buch mit Hirn, eine Agentur, um reich zu werden. Weswegen auch sonst. Das liest sich alles sehr entspannt weg, erzeugt aber ein komisches Brausepulvergefühl: Da war irgendwas, aber es rauscht sehr schnell vorbei, und es bleibt bloß ein seltsamer Geschmack zurück. Mein Problem mit Strohfeuer: Ich weiß nicht, was davon Lobos Geschichte ist und was nicht. Es hilft nicht unbedingt, dass seine wohlbekannte Frisur das Cover ziert und dass ich seine NE-Story kenne, die er vor Jahren mal bei IT&W aufgeschrieben hat. Ich hoffe, dass die Geschichte mit dem Ferkel Fantasie ist, denn genau ab der wollte ich das Buch eigentlich nicht mehr weiterlesen. Ab da ist es kein Brausepulver mehr, sondern aus dem ganzen Rumgescherze wird Ernst, die Zahlen auf dem Konto sind echt, die Mitarbeiter_innen müssen ihre Miete bezahlen, und das ganze Rumgequatsche wird so eklig wie es eben war und heute noch ist. Und ich hätte mich viel wohler gefühlt, wenn ich wüsste, dass alles Fiktion ist, aber ich weiß es eben nicht. Das kann eine Stärke des Buchs sein, für mich war es das nicht (kann aber daran liegen, dass ich mit Herrn Lobo schon mal ein Bier getrunken habe).

Als das Buch rauskam, habe ich in vielen Rezensionen den Spott über den Satz „Wir gerieten ins Vögeln“ gelesen. Den kann ich so gar nicht nachvollziehen, denn ich fand ihn sehr passend, genau wie ich viele andere Sätze und Ausdrücke im Buch sehr passend fand. Mir fehlte ein bisschen die Tapete, der Untergrund, auf dem alle rumschlingern; mir blieb vieles zu sehr an der Oberfläche, damit sich das Ding wirklich wie ein Roman anfühlt. Trotzdem habe ich Strohfeuer gern gelesen. Bis zur Szene mit dem Ferkel eben.

(Leseprobe bei Rowohlt)

Charlotte Roche – Schoßgebete

Um Feuchtgebiete habe ich einen sehr, sehr großen Bogen gemacht. Das wollte ich schlicht und einfach überhaupt nicht lesen. Daher wollte ich eigentlich auch um Schoßgebete einen Bogen machen – schon wegen des dusseligen Titels –, aber die Story klang für mich interessant genug, um mal reinzulesen. Und wenn man die zehn Seiten Sexszene am Anfang überspringt, scheint es danach auch noch um andere Dinge zu gehen. Gekauft, positiv überrascht worden, aber schlussendlich dran verzweifelt.

In Schoßgebete geht es um Elizabeth, eine Frau in den 30er Jahren, die den ganzen Tag damit beschäftigt ist, selbstzerstörerische, selbstzweifelnde und sich selbst feiernde Monologe im eigenen Kopf auszufechten. Sie beglückwünscht sich dafür, dass sie ihrem Mann Puffbesuche ermöglicht (gerne auch mit ihr dabei), wundert sich darüber, dass ihr Mann es mit ihr aushält, wo sie doch ein Psycho ist, ein Seelenkrüppel, eifersüchtig, kontrollierend, gemein zu ihrem Stiefsohn, und diskutiert seitenlang mit sich ihren Brustkomplex aus; sie leidet unter ihren zu kleinen Brüsten, will sich aber auch keine größeren operieren lassen, weil sie dann ja nicht mehr sicher sein könnte, dass ihr Mann sie wegen ihrer Persönlichkeit liebt oder wegen ihrer dicken Dinger. Klingt nach der üblichen neurotischen modernen Frau, die wegen alles Komplexe hat, ganz egal ob es der dreckige Fußboden ist, der eigene Körper oder die Bettqualitäten. Alles schön überspitzt formuliert, könnte man einfach weglesen, sich beruhigt auf die Schulter klopfen, weil man selbst noch nicht ganz so durchgeknallt ist und das Buch ins Regal stellen.

Könnte man. Kann man aber nicht, weil die Geschichte von Elizabeth viel zu nah an der von Charlotte Roche dran ist. Elizabeth verliert bei einem Autounfall ihre drei Brüder. Damit serviert sie uns zwar das Motiv für ihre Neurosen auf dem Silbertablett, ihren Wunsch zu gefallen, nicht alleine zu sein und dafür eben alles zu geben. Blöderweise weiß ich aber natürlich, dass Roche ihre drei Brüder bei einem Unfall verloren hat. Und schon denke ich, genau wie bei Lobo, die ganze Zeit darüber nach, was ist echt und was ist Fiktion. Und das ruiniert das ganze Ding ziemlich. Ich mochte ihren Stil, ich mochte ihre absolute Distanzlosigkeit, aber gleichzeitig wollte ich das Buch die ganze Zeit in den Arm nehmen und ihm sagen, dass es sich doch gar nicht so anstrengen muss. Es hat doch so schöne Sätze und so schöne Einfälle – wieso hätte der Unfall nicht ein anderer Schicksalsschlag sein können? Wieso musste die BILD-Geschichte noch mit rein (wobei ich da jede Zeile Wut sehr passend und sehr wohltuend fand)? Ich bin ein bisschen daran verzweifelt, dass ich viele Einfälle – das selbstverordnete Biomarkt-Diktat, der Vegetarismus, das „nur zwei Blatt Klopapier wegen der Umwelt“-Mantra – nie richtig gut finden konnte, weil sie zwar Elizabeths Persönlichkeit abrunden, aber ich mich die ganze Zeit frage, ob Frau Roche wirklich so anstrengend ist.

(Überraschenderweise nirgends im Netz eine Leseprobe zu finden)

Herta Müller – Herztier

Von Müller kannte ich bisher nur Atemschaukel, das mir ausgesprochen gut gefallen hat. Mit Herztier hatte ich etwas mehr Schwierigkeiten: Die Sprache erschien mir komplizierter, und bis zum Schluss des Buchs konnte ich nicht alle Metaphern ergründen (die grünen Pflaumen, in denen der Tod steckt? Der Heuzopf aus dem Stuhlkissen?). Trotzdem ist das Buch unwiderstehlich, wenn man sich einmal reingekämpft hat. Müller zeichnet ein sehr eindringliches Bild ihrer Heimat Rumänien, die Verfolgungen Andersdenkender, die Paranoia, die Arbeits- und Lebensumstände, indem sie sich an vier Menschen ranhängt und ihre Geschichten erzählt. Zu diesen vier Freunden gehören die jeweiligen Familien, die noch ihre Vergangenheit mit sich herumtragen, und so erfahren wir nicht nur etwas über den Ostblock vor dem Untergang, sondern auch noch über die Verkettungen mit Nazideutschland bzw. anderen Ostblockländern. Kein leichter Lesestoff, aber einer, den ich als wichtig ansehe und der vieles in mir anstößt und umwirft.

(Leseprobe bei amazon.de)

Emily Brontë – Wuthering Heights

Da verlinke ich faul auf die Wikipedia, falls irgendjemand wirklich nicht weiß, worum’s geht. Das Buch stand seit meinem Anglistikstudium unberührt im Regal (ist noch in D-Mark ausgepreist); jetzt hab ich’s durch und das ist auch gut so. Auch wenn ich darüber verwundert war, dass ich ein Buch gelesen habe, in dem ich nicht einen einzigen Charakter irgendwie sympathisch fand.

(Vollständiger Text beim Gutenberg-Projekt)

Pierluigi DeVecchi (Dr. Annemarie Seling, Übers.) – Raffael

Fetter, riesiger, schwerer Bildband über meinen neuen (uralten und schon vermoderten) Lieblingsschnucki. Ich suchte zwar eigentlich eine Biografie, aber das Buch lächelte mich so an, dass ich es kaufte und an den Wochenenden durchlas, denn es war schlicht zu unhandlich und zu schwer, um es in den Bus zur Arbeit mitzunehmen. Toll: Es sind, glaube ich, wirklich alle Bilder und Zeichnungen drin, die Raffael so fabriziert hat. Weniger toll: Es stehen keine Jahreszahlen dran, was es ein bisschen schwieriger macht, seine Entwicklung nachzuvollziehen. Denn das Buch teilt die vielen Werke ganz clever auf: Anstatt sie chronologisch abzubilden, setzt es sie in Beziehungen zueinander. Alle Madonnen in einem Kapitel, die Stanzen im Vatikan, seine architektonischen Bemühungen – alles wird so sehr nachvollziehbar, aber ich musste eben dauernd rumblättern oder die Wikipedia fragen, wenn ich wissen wollte, wann genau ein Bild entstanden ist (das heißt, wann hatte er schon Werke von zum Beispiel Leonardo da Vinci oder Michelangelo gesehen, die seine Arbeit natürlich beeinflussten). Von Raffaels Lebensumständen erfährt man leider auch so gut wie nichts, aber trotzdem finde ich das Buch großartig, denn es ist wirklich schön gedruckt, großformatig genug, um die teilweise verwirrend vielen Details z.B. der Stanzen zu würdigen, und netterweise steht an jedem Bild auch, in welchem Museum man es findet. Weswegen ich gerade Flüge nach London und Paris checke. (National Gallery, Louvre.)

(PS: Die Amazon-Links, die sich unter den Buchtiteln verbergen, sind Affiliate-Links. Das heißt, wenn ihr über diese Links bestellt, verdiene ich eine Winzigkeit daran mit.)

Zwetschgenboden mit Teig obendrauf

Ich verblogge selten danebengegangene Koch- oder Backexperimente (mein Image, you know), aber der nur halb gelungene Zwetschgenkuchen darf doch ins Blog. Das Rezept habe ich bei Schnuppschnüss gefunden und es leicht modifiziert, weswegen es nicht ganz das geworden ist, was es hätte werden sollen.

700 g Zwetschgen halbieren und entsteinen.

3 Eier mit
150 g Puderzucker,
2 Päckchen Vanillezucker und
1 Prise Salz

für mindestens acht Minuten schön verquirlen, bis eine wattig-luftige Masse entsteht. Schon bei diesem babyeinfachen Zubereitungsschritt kann man Mist bauen, und ich hatte auch nicht genug Puderzucker im Haus, so dass ich halbehalbe Puder- und Kristallzucker verwendete.

175 g Mehl, Type 405,
50 g Speisestärke und
2 TL Backpulver mischen und kurz unterrühren.

Im Nachhinein denke ich, hätte ich nen Teigschaber verwendet und das Pulverzeug untergehoben anstatt es reinzuquirlen, wäre das Ergebnis auch anders geworden (wie bei dem Birnenkuchen), nämlich ein etwas festerer Teig. Ist aber nur so ne Idee. Zum Schluss noch

150 ml Öl und
150 ml Eierlikör unterrühren.

Eierlikör hatte ich auch nicht, weswegen ich Milch verwendet habe. Blöderweise dachte ich nicht darüber nach, dass der zähflüssige Likör vielleicht was anderes mit dem Teig macht als die nichtzähflüssige Milch; auch hier die Überlegung im Nachhinein: weniger Milch nehmen. 100 ml müssten passen.

Den Teig in eine 26er Springform füllen, deren Boden mit Backpapier ausgelegt ist. Den Teig mit Zwetschgen belegen und mit

50 g Amarettini verzieren. Alles für 45 Minuten in den auf 160° vorgeheizten Backofen geben, danach Stäbchenprobe machen und gut ist.

Mein Teig erwies sich beim Einfüllen schon als flüssiger als mir lieb war, weswegen die Zwetschgen auch hämisch auf den Boden sanken, sobald ich sie in die Form legte. Außerdem war der Kuchen nach der vorgeschriebenen Backzeit in der Mitte noch flüssig, weswegen ich ihn mit Alufolie abdeckte, damit er oben nicht noch dunkler wurde und ihn weitere 30 Minuten backen ließ. Dann war er fest und durfte raus und abkühlen.

Beim Anschneiden zeigte sich dann, was ich schon geahnt hatte: Die Zwetschgen hatten sich schön am Boden zusammengerottet und bildeten nun quasi das Fundament für den Teig. Aber der war dafür sowas von puschelig, wie ich selten einen Teig hingekriegt habe. Mit dem Kuchen könnte man kuscheln, wenn der Teddybär mal in der Wäsche ist (was er natürlich nie ist). Deswegen darf der Kuchen auch ins Blog, denn selbst wenn er absolut nicht so aussieht wie er hätte aussehen sollen, ist er trotzdem wunderbar schmackhaft. Und die Amarettini sind eine sehr gute Ergänzung zum milden Fluff und den bei mir etwas herben Zwetschgen.

A fan’s gotta do what a fan’s gotta do

MEIN MANN IN MÜNCHEN hat sich nach stundenlangem Kampf gegen das Ticketingsystem vom FC Bayern durchgesetzt und mir wirklich für alle Heimspiele der gestern ausgelosten Champions-League-Gruppenphase Karten besorgen können. Ich freue mich wie blöd auf drei Abende in der Allianz-Arena und hibbele jetzt breit grinsend durch den Tag.

(Kann man im November noch im Shirt rumlaufen? Ja, oder?

Die signierte „Deern“

Da ich seit einiger Zeit Mails, Tweets und Brieftauben mit einer bestimmten Anfrage bekomme, mache ich dazu mal einen kleinen Blogeintrag auf.

Ja, du kannst ein signiertes Exemplar der Nudeldicken Deern bekommen. Das ganze ist aber etwas aufwendiger als Amazon-1-Click zu nutzen und vermutlich auch langsamer. Falls dir meine Unterschrift so viel wert ist – so geht’s:

– Du schreibst mir eine Mail an mail ‘at’ ankegroener ‘Punkt’ de mit deiner vollständigen Anschrift und teilst mir in wohlgewählten Worten mit, dass ich dir gefälligst eine signierte Deern zuschicken möge. Wenn du was Bestimmtes ins Buch geschrieben haben möchtest, wäre jetzt die Gelegenheit, mir das zu sagen.

– Du überweist mir 14,95 Euro (soviel kostet die Deern auch in jedem Buchladen) plus Versandkosten (finde ich noch raus). Die Kontodaten schicke ich dir in der Antwortmail auf deine Bestellmail.

– Sobald dein Geld auf meinem Konto ist, signiere ich ein druckfrisches Exemplar und bringe es eigenhändig zur Post. Deswegen dauert es länger – du musst überweisen, ich zur Post – als wenn du ein unsigniertes Exemplar bei dem oder der Händler_in deiner Wahl erwirbst. („Als wenn“? Hm.)

Außerdem muss mich der Verlag natürlich erstmal mit Exemplaren versorgen. Da ich nicht weiß, ob jetzt 20 oder 200 von euch ein Büchlein haben möchten, würde ich auch nicht gleich 200 anfordern. Genauer gesagt: Ich würde erstmal ein paar euer Bestellungen sammeln, dann ordere ich die Bücher, dann geh ich zur Post. (Oder miete einen Bollerwagen, in den 200 Bücherpäckchen passen.)

Wer also am Erstverkaufstag (16. September) schon was lesen möchte, für den oder die ist dieser Weg nix. Mal abgesehen davon, dass ich auch erst frühestens am 19. September was losschicken könnte, da ich am 17. und 18. September schlauerweise einen winzigen Wochenendurlaub mit Opernbesuch in Dresden einlegen werde.

Wer sich hingegen noch etwas gedulden kann, darf mir ab sofort Bestellmails schicken; dann weiß ich wenigstens so halbwegs, was auf mich zukommt. (Bollerwagen, remember?)

Ansonsten trifft man mich in Hamburg auch in diversen Weinlokalen, in München (hoffentlich) mal wieder beim Fußball und allerspätestens nächstes Jahr auf der re-publica in Berlin, wo man mir auch gerne Bücher zum Unterschreiben unter die Nase halten darf.

“Fat Stigma – not Fat – is the Real Enemy”

Das Buch Health at Every Size (Affiliate-Link) von Linda Bacon zitiere ich in meinem Buch sehr häufig. Die Dame schreibt auch ein lesenswertes Blog, das sich mit Körperakzeptanz beschäftigt, und vor ein paar Tagen stand da quasi eine Zusammenfassung der Deern – was nicht heißt, dass ihr meinen Liebling nicht mehr kaufen sollt. Ich schreibe auch viel darüber, wie toll Essen ist und nicht nur, wie doof Diäten sind.

“This demonization of fat flies in the face of not just psychology (calling people names never made anyone thin), but economics and medical science, too. Persuasive, peer-reviewed evidence abounds that – hold onto your stethoscope – fat is blown out of proportion as a health risk and may actually confer some protection against early death. Mortality analyses from the Centers for Disease Control and elsewhere show that “overweight” people actually outlive those in the government-defined “normal” range. Other research makes it evident that diet and activity habits wield far more impact than weight on individuals’ health status. And, since diets don’t work, our government is spending millions of health “care” dollars on programs doomed to failure.

Even the well-meaning talk about obesity isn’t doing any good. It hasn’t made people thinner – and is downright damaging. Eating disorders, poor body image, stress and discrimination are collateral damage in our war against fat. Few of us are at peace with our bodies, whether because we’re fat or afraid of getting that way. That very stress can initiate or aggravate some so-called “obesity-related” conditions, like diabetes and hypertension, helping to explain why they’re often associated with weight.

For those who try to reduce, whether freelance or under doctor’s orders, only a tiny minority keep it off more than a couple years. Most regain the weight regardless of whether they maintain their diets or exercise programs. It is well-established that biological safeguards – some we understand and others we don’t – cause our bodies to resist long-term weight loss.

As for “try, try again,” that’s even worse: Weight-cycling has been found to cause some of the very conditions, like cardiovascular disease, weight losers seek to avoid. (Fat but stable-weight people log better outcomes.) Evidence is scarce, in any case, that losing weight prolongs life – the vast majority of studies show that weight losers have decreased longevity, even when the loss is intentional.”

Lauch und Weißkohl mit Sesamzeug

Gestern klickte ich mich uninspiriert durch alle meine gebookmarkten Kochblogs, ohne an irgendetwas hängenzubleiben. Letzter (und immer wieder funktionierender) Ausweg: What the fuck should I make for dinner, wo ich auf dieses Rezept gestoßen bin.

Das leckere Grünzeug ist sehr einfach zuzubereiten, und wenn man richtig schlechte Laune hat, darf man sagen: so schmeckt’s dann auch. Ich hatte gute Laune und würde es so ausdrücken: Die Geschmacksnoten sind recht subtil, aber manchmal braucht’s ja auch nicht mehr zum Glück.

Für zwei ordentliche Portionen

1 EL Butter bei mittlerer Hitze in der Pfanne zerlassen.
300 g Lauch, in Ringe geschnitten, und
1/4 TL Salz (bei mir war’s mehr)

dazugeben und alles für circa zehn Minuten vor sich hinblubbern lassen, bis der Lauch weich geworden ist. Ab und zu umrühren.

2 EL Wasser plus
300 g Weißkohl, in mundgerechte Stücke geschnitten, dazugeben, abdecken, auf kleine Flamme schalten und die grüne Hölle für weitere zehn bis 20 Minuten dünsten lassen. Ein-, zweimal umrühren und zusätzlich

Sesamkörner rösten.

Lauch und Kohl auf einen Teller geben, ordentlich
schwarzen Pfeffer drauf, dazu die Sesamkörner und
dunkles Sesamöl.

Wie gesagt: subtil. Aber hübsch.

The Turn of the Screw

Herr Svensson machte mich am Sonntag per G+-Circle auf eine wunderbare Aktion des Guardian aufmerksam: ein Livestream aus Glyndebourne mit Benjamin Brittens The Turn of the Screw.

Ich muss gestehen, ich hatte noch nie eine Oper von Britten gesehen oder gehört, daher kam mir der Stream sehr recht. (Beim Operngenuss auf der Couch liegen und Wein trinken ist überhaupt großartig.) Das Stück beruht auf einer Erzählung von Henry James, die ich aber auch nicht kannte. Macht aber nix, denn wie vor jeder Oper liest man sich erstmal den Inhalt in der Wikipedia durch, und netterweise hat der Stream auch Untertitel. Ebenfalls nett: Der Stream ist noch für drei Wochen verfügbar, das heißt, ihr könnt euch das kurze Ding noch anschauen. Dauert gerade mal zwei Stunden – da habe ich als Wagnerianerin mich ja gerade erst hingesetzt – und ist wirklich schön.

Mir hat besonders das spärliche Bühnenbild gefallen; auf einer Drehbühne entsteht das Haus Bly, in dem eine namenlose Gouvernante auf zwei Kinder aufpassen soll. Die Haushälterin erzählt ihr von ihrer Vorgängerin, einer Mrs. Jessel, und einem ehemaligen Diener, Mr. Quint, die beide ihren Schutzbefohlenen zu nahe gekommen und inzwischen verstorben sind. Alles wird nur angedeutet, aber die beiden Figuren tauchen als Geister wieder auf, um sich ein weiteres Mal Flora und Miles zu nähern. Gerade diese Szene fand ich sehr unheimlich und gleichzeitig unwiderstehlich: Wenn Quint Miles in ein Badetuch hüllt, ihn aus der Wanne hebt und mit sich herumträgt, dann kann man sich den beiden nur schwer entziehen – genau wie sich Miles seinem Peiniger nicht entziehen kann.

Die Musik tut ihr Übriges: Statt eingängiger Melodien ertönen eher schräge Weisen, die sich nicht festhalten lassen, die ich persönlich aber sehr attraktiv fand. Ungewohnt ja, ganz weit weg von Mozart und Co. ja, aber genau deshalb sehr faszinierend.

Ich wiederhole mich: Ihr habt noch drei Wochen Zeit, euch den Stream anzuschauen. Lohnt sich meiner Meinung nach sehr. (Hier noch ein Link zum Stream auf der Glyndenbourne-Webseite, wo sich noch weitere schöne Links finden.)

Pflichtlektüre

Schon länger einer meiner festen Anlaufpunkte, wenn es um die Fußballnachberichterstattung geht, und trotzdem habe ich ihn, glaube ich, schlimmerweise noch nie empfohlen. Dann eben jetzt und für immer: Jeden Montag wird erstmal bei Burnster nachgelesen, ob wir die gleichen Bundesligaspiele am Wochenende gesehen habe. Meistens nicke ich 100 Zeilen lang.

Welcome to the Schnuckidome

Vor gerade mal vier Wochen schrieb ich launig, dass ich mir gerne mal die Allianz-Arena von innen angucken wollen würde, am idealsten natürlich bei einem Spiel von Bayern München, und bat my man for all things Bayern probek um einen Terminvorschlag.

Eigentlich hatte ich nicht wirklich mit einem gerechnet, aber ich stelle immer mehr fest, dass Fußballfans eine ganz besondere Sorte Menschen sind. Denn NATÜRLICH hatte probek einen Vorschlag und zwar gleich einen ziemlich guten: Bundesliga sei ja schön und gut, aber Champions League wäre noch viel toller, und weil die Mannschaft die direkte Qualifikation für diesen Wettbewerb verpasst hatte, musste sie jetzt nachsitzen. Die Auslosung fand vor zwei Wochen oder so statt, und nicht mal eine Stunde später waren die lächerlich wenigen Tickets im Bayern-Ticketshop zu haben. Jedenfalls für Mitglieder. Was probek ist. Weswegen er sofort einen Privatfussicircle auf G+ einrichtete und mir dringend nahelegte, JETZT in die Allianz-Arena zu fahren. Denn, völlig richtig: Sonst gibt’s nur Bundesliga oder Gruppenphase, bei der die einzelnen Spiele noch nicht ganz die Brisanz haben, die ein KO-Spiel eben hat. Ich leistete halbgaren Widerstand („Ja, aber Zürich? Schnarch“), wurde charmant überzeugt („Immer noch besser als Kaiserslautern“) und bat um das beste Ticket, was noch da war. Das landete ein paar Tage später per DHL-Eilig-und-Wichtig-Sendung (kannte ich noch gar nicht) bei mir zuhause und wartete nun darauf, benutzt zu werden. Was ich vorgestern tat.

Da ich mich seit Kurzem offen zum FCB bekenne, wollte ich das natürlich auch per Kleidung kundtun. Flugs im FCB-Shop einen Schal und ein Shirt gekauft; ich konnte mich allerdings nicht entscheiden, womit ich nun ins Stadion wollte und packte beides ins Köfferchen. Der wiederauferstandene Sommer in München nahm mir diese Frage ab, denn bei 26 Grad fand ich ein Shirt deutlich sinnvoll als einen Schal.

Trotzdem fand ich es komisch, damit aus dem Hotel zu gehen. Das legte sich aber sehr schnell, als probek und ich in der U-Bahn in Richtung Arena saßen und an jeder Station gefühlte 50 Leute in ähnlichem Outfit zustiegen. Sehr sympathisch, das alles. Das Bild dort oben zeigt die Treppe an der Station Fröttmaning (gnihihi), die man hochklettert, dann kurz um eine Ecke biegt und schon den ersten Blick auf die Arena hat. Noch durch Gitterzaun und eher unbeeindruckend klein, aber immerhin. In den nächsten 15 Minuten machte ich ne Menge Witze über Scheinriesen und dass die Arena ja echt nicht so cool aussehe wie von der Autobahn aus gesehen, aber als ich direkt davorstand, nahm ich alles wieder zurück.

Das Ding ist: groß. Und ich finde schon die Imtech-Arena groß, und da gehen „nur“ gut 40.000 Leute rein. (Laut Frau Pleitegeiger, auf deren Trikot „Frau Petric“ steht, passen 57.000 Menschen ins ehemalige Volksparkstadion.) In die Allianz-Arena passen 66.000 Zuschauer_innen, und wenn man drin steht, merkt man ziemlich deutlich, wie groß das Stadion ist. Am schönsten fand ich den Blick vom Oberrang, bei dem man fast unter der Hallendecke ist, aber trotzdem das Gefühl hat, nicht richtig weit weg vom Rasen zu sitzen. (Das Foto täuscht total, aber es zeigt die Größe sehr gut.)

Mein Platz war allerdings ganz weit unten, knapp auf Höhe der Eckfahne, in der dritten Reihe. Also ziemlich auf Augenhöhe der Spieler, was mich das Spiel sehr anders erleben ließ als ich es vom Fernseher gewohnt bin. Aber vor dem Spiel kam zunächst der Glücklichmacher „Aufwärmen“. Die Jungs liefen halbwegs angestrengt und größtenteils ohne dusselige und ihre Optik total verschandelnde Schienbeinschoner durch die Gegend, schwitzten lässig ihre weiten Shirts durch, und Frau Gröner war wieder 13 und dachte verträumt an junge Wildpferde, die über taufeuchte Wiesen traben. Beim Frauen-WM-Spiel in Wolfsburg habe ich ähnlich nah am Spielfeld gesessen, aber ich kannte zugegebenermaßen kaum eine der Damen. Den Bayernjungs gucke ich seit Monaten möglichst regelmäßig bei ihrer Arbeit zu, und deshalb war das Promigucken galore, als Ribéry 15 Meter von mir weg zum Sprint ansetzte. Der Mann meines Herzens ließ sich leider nicht so oft auf den Flügeln blicken, aber er hätte daran auch nicht viel Freude gehabt.

Denn ich war natürlich nicht alleine im Stadion. Um mich herum saß die Kettenrauchergilde München und quarzte, was das Zeug hielt. Und als ob das noch nicht genug war, fanden sie Herrn Gómez dann auch eher doof. Zugegebenermaßen wurde meine Hingabe an Schnucki auf eine harte Probe gestellt, als er ein ums andere Mal fette Chancen versemmelte, worauf um mich herum „Nichtskönner“-Rufe laut wurden, aber meine Zuneigung kann natürlich von ein paar blöden Bällen nicht erschüttert werden. Trotzdem ahne ich, warum sich die Jungs bei ihrer lächerlich kurzen Ehrenrunde nach dem (mit 2:0 etwas unsouverän gewonnenen) Spiel nur kurz an die Fans wandten, die sich hinter den beiden Toren befanden, uns an der langen Gerade aber schmählich ignorierten.

Ach ja, Fans. Die hübsch laute und auf 90 Minuten Gebrüll konditionierte Südkurve gönnte sich wirklich nur in der Halbzeit mal eine kleine Pause; ansonsten ertönten Schlachtengesänge in einer Tour (die mir blöderweise immer noch im Hirn kleben). Auch die Zürichfans, die auf den Oberrang verbannt wurden, sangen ziemlich konstant, weswegen die Geräuschkulisse angenehm hoch war. Nicht so fürchterlich laut wie in Wolfsburg, wo 30.000 hysterische Eventfans „unsere“ Mädels zum Sieg kreischen wollten, aber laut genug, um anständige Stimmung zu verbreiten. Ich glaube, es gab einen einzigen kurzen Augenblick, wo alle mal Luft holen mussten – und daraufhin war es im Stadion gespenstisch still. Wie gesagt, 66.000 Leute, aber für die Stimmung sorgen anscheinend wirklich nur die wenigen Schlachtenbummler. War mir nicht so klar. Aber sehr recht, weil ich so einfach Fußball gucken konnte und mich nicht auch noch um die akustische Untermalung kümmern musste. Bei den Toren habe ich natürlich mit allen anderen aus vollem Hals „SCHWEINSTEIGER!“ und „ROBBEN!” in Richtung Stadionsprecher gebrüllt, und ich hätte so gerne noch „GÓMEZ!” gebrüllt, aber nun ja. Beim nächsten Mal.

Die ungewohnte Perspektive war interessant und hat für mich das Spiel etwas kurzweiliger gemacht, als es anscheinend aus der Totale gewesen ist. Trotzdem würde ich beim nächsten Besuch gerne zehn Reihen weiter oben sitzen, um einen besseren Überblick zu haben. Aber für das erste Mal Bayern angucken war’s toll. Ich war näher dran als ich gehofft hatte, und ich fand es sehr schön, die Jungs mal zu hören, die Ballgeräusche und die Anweisungen, die sie sich geben, auch wenn ich keine verstanden habe. Und ich fand es sehr beeindruckend, die körperliche Arbeit aus nächster Nähe zu sehen, wie schnell Lahm auf einmal werden konnte, wie hartnäckig Rafinha um den Ball kämpfte (den habe ich aber nur in der ersten Halbzeit sehen können), wie präsent Badstuber und vor allem Boateng auf dem Platz standen – und wie weit Neuer sich vom Tor weg wagte, wenn er nichts zu tun hatte. Er stand teilweise gut zehn Meter vor dem eigenen Strafraum, während der Züricher Torwart sich nie weiter als bis zum Elfmeterpunkt getraut hat.

Zu FCB-Spielen ist die Arena rot angeleuchtet, wenn 1860 München spielt, blau. Der Firmenschriftzug leuchtet eigentlich weiß, aber weil es ein Champions-League-Spiel war, für die die Allianz kein Sponsor ist, blieb er ausgeschaltet. Auch bei den Fantreffs im Stadion (vulgo: die Bier- und Breznbuden) waren die Sponsoren überklebt. probek und ich stießen nach dem Spiel noch mit BigEasyMUC im Hacker-Pschorr-Fantreff an, der eigentlich den Gästefans „gehört“ – die Bayern treffen sich im Paulaner-Fantreff –, aber eben weil er den Gästefans gehört, war er schön leer. Danach ging’s wieder zur U-Bahn, wo ich mich mit probeks Mitbringsel tröstete – ein Gómez-plus-Schweinsteiger-Poster aus dem FCB-Magazin.

Und auf dem iPhone habe ich Schnucki nochmal, weil er auch in einer neueren Ausgabe des Magazins drin war. Sieht zwar ein bisschen nach Bürgerkriegsopfer aus, hat aber die Haare schön.

He, Bayern: Das wäre nett, wenn ihr erstens die Champions League erreicht, zweitens die Vorrunde übersteht und mir drittens die Chance gebt, euch im Achtelfinale wieder anhimmeln zu dürfen. Herr probek, legen Sie doch bitte schon mal den Mitgliedsausweis für die nächste Kartenbuchung raus. (Beim nächsten Besuch nehme ich auch gerne wieder zwei bis vier von diesen Killer-White-Russians, die Sie mixen können. Vielen Dank im Voraus.)

„Die Mutter sagt: Wenn du das Leben nicht aushälst, räume den Schrank auf. Dann gehen die Sorgen durch deine Hände, und der Kopf macht sich frei.

Aber die Mutter hat leicht reden. Sie hat fünf Schränke und fünf Truhen im Haus. Und wenn die Mutter drei Tage nacheinander die Schränke und Truhen aufräumt, sieht es immer noch wie Arbeit aus.“

Herta Müller, Herztier (Affiliate-Link), Fischer, S. 40

Der arte-Lohengrin

Ein kleiner Nachschlag zum sonntäglichen Fernsehprogramm.

Wenn ich mir Twitter, Facebook, G+ und meine Mailbox so angucke, haben sich doch einige Menschen mal eine Oper angeschaut, die das sonst nicht so tun. Das hat natürlich nicht jeder und jedem gefallen, aber muss es ja auch nicht. Trotzdem hat mich jede winzige Begeisterung sehr gefreut, weil ich a) finde, dass wir überhaupt alle mehr Opern hören sollten und b) weil ich bei Wagner sehr missionarisch draufkomme.

Nur noch ein paar Bemerkungen zur Fernsehübertragung: Ich war latent von den Möglichkeiten des Mediums genervt. Große Teile der Übertragung kamen mir deutlich hektischer vor als ich es im Festspielhaus empfunden habe.

Das fing schon mit der Vogelperspektive an, die die Bühne von oben zeigte. Wer braucht das? Das mag ja altmodisch sein, im Theater alles nur von vorne zu sehen, aber das ist gleichzeitig das Tolle daran – dass man Bilder, Tableaus, so komponieren kann, dass sie von vorne wirken. Die einzige Aufnahme, bei der ich dachte, ach, lustig, war im dritten Akt, als ich sah, dass die Rückwand des Hochzeitszimmers von Lohengrin und Elsa genau die gleiche Krümmung aufwies wie die der drei Lichtkreise, die des Öfteren über der Bühne schwebten. Das war’s dann aber auch; alle anderen Schüsse von oben fand ich ziemlich überflüssig, vor allem den beim Applaus. Wenn der Vorhang zu ist, hat das seinen Grund. Ich will gar nicht dahinter gucken, aber genau das habe ich mit dem Shot von oben getan, der mir sehr unmittelbar die Unruhe hinter der Bühne zeigte, während ich im Saal ein paar Augenblicke der Einkehr für mich hatte.

Die kompakte Massivität der Chöre, die mir so gut aus dem Saal heraus gefallen hat, ging völlig unter, weil sich die Kamera gerne mal auf einzelne Mitglieder konzentrierte oder auch hier wieder die dusselige Perspektive von oben wählte. Gerade die Chöre, die ziemlich oft durch die Gegend wuselten bzw. mit ihren Rattenpfötchen und Riesenfüßen schon genug Bewegung erzeugten, brauchten keine Schnitte mehr, um es noch wuseliger aussehen zu lassen. Und es muss auch kein Close-up auf eine einzelne Ratte geben, wenn ich gerade alle sehen will – wie zum Beispiel bei der Szene mit den rosafarbenen Nagetierchen, bei der die Pulp-Fiction-Parodie dran war. Die habe ich, wenn überhaupt, nur aus den Augenwinkeln mitgekriegt. Ich hatte selten das Gefühl, mal in Ruhe alles auf mich wirken lassen zu können, so zerfahren und zerschnitten waren die Perspektiven.

Richtig blöd fand ich die Bebilderung eines der letzten Zwischenspiele. Regisseur Neuenfels konnte ja auch auf der Bühne die Finger nicht stillhalten und visualisierte fast jede Note, beim Vorspiel angefangen. Ein einziges hat er in Ruhe gelassen, und das hat sich dann arte vorgeknöpft. Wo wir bei Neuenfels wenigstens Ratten in Aktion sehen, die zum Rest der Handlung passen, haben wir hier eine Zeitrafferaufnahme des Bühnenaufbaus gesehen. Das ist genauso dämlich als wenn ich mitten im Herrn der Ringe ein Making-of der Schwerter zu sehen kriege. Ich befinde mich gerade mitten in einer dramatischen Handlung – da will ich wirklich nicht daran erinnert werden, dass das alles Sperrholz und Pappmaché ist.

Pluspunkte natürlich für die die Close-ups. Auch wenn die nicht unbedingt dann sein mussten, als Telramund ein Spuckefaden im Bart hing. Dafür konnte ich Herrn Vogt und Frau Dasch mal in Ruhe genießen (in „unserer“ Aufführung wurden Elsa und Telramund von anderen gesungen), die ich beide darstellerisch sehr gut fand. Das bekommt man im Saal ja eher selten so unmittelbar mit, ob jemand auch mimisch bei der Sache ist oder „nur“ stimmlich. Ich weiß nicht, ob das Zufall ist oder ob darauf heute mehr Wert gelegt wird, aber ich erinnere mich noch grinsend an einige Opernsänger aus meiner Jugend, die darstellerisch eher minderbemittelt waren, was emotionale Szenen immer so ein bisschen schmerzhaft gemacht hat.

Conclusio: Schön, dass es angeboten wurde, teilweise doof, wie es umgesetzt wurde. Nur weil ich im Fernsehen mehr machen kann, heißt das noch lange nicht, dass ich das auch muss.

Der schönste Tweet kam übrigens von Sven, der, wenn ich ihn richtig verstanden habe, sonst so mit Oper gar nichts am Hut hat:

„Tolle Oper. Wie das Leben. Jede Menge Drama zu guter Musik, aber man versteht eigentlich gar nix und dann kommt der Vorhang.“

Murksig

Da hat Bayreuth ja was Schönes angerichtet. Ich war in der Woche nach den Aufführungen schon so memmig drauf, so „ich will nicht in die Agentur, ich will nicht über Autos nachdenken, ich will stattdessen Pause machen, in Museen rumhängen, in der Oper weinen und noch mehr Bücher lesen. Und kochen. Und schlafen. Und bei Regen im Bett liegen und rausgucken“.

Das denke ich dann zwei Minuten lang durch, mache irgendeine Wagner-Oper in iTunes an und werde traurig. Dann kommt das „Jetzt reiß dich mal zusammen“-Teufelchen aus meinem Nacken gekrochen, macht es sich auf der Schulter bequem und faselt was von Miete bezahlen, auf was Eigenes sparen, vorsorgen, man weiß ja nie, jetzt wollen dich grad alle buchen, dann nimm das gefälligst mit, als Freie muss man ja dankbar für jeden Job sein, der reinkommt.

Ich nicke dann brav, sag dem Teufelchen, ja, hast ja recht, klar ist Mietezahlen total wichtig und die Beiträge für die Künstlersozialkasse und wir sind ja erwachsen und verantwortungsbewusst und müssen an Morgen denken und an Übermorgen.

Das Teufelchen verkriecht sich wieder, die Oper auf iTunes läuft weiter, und dann traut sich das Mach-doch-Engelchen wieder raus und schlüpft in meinen Gehörgang, wo es mich zutextet, und irgendwann weiß ich nicht mehr, was Engel ist und was ich bin. Ich habe die letzten drei Jahre fast ununterbrochen gearbeitet. Das Konto sieht super aus. Man könnte auch an Heute denken, denn das letzte Hemd ohne Taschen wird sowieso passen. Mein Herz geht mir gerade auf, wenn ich in meinem Raffael-Band blättere, ich fange an zu lächeln, wenn mir irgendjemand Wagner ins Ohr singt oder Tschaikowsky oder freundliche Streicher_innen einen Beethoven anstimmen. Das Rom-Gefühl ist wieder da, dieses unmittelbare, schlichte Glück, das mich erwischt hat, als ich einen Michelangelo anschauen durfte. Durfte! Ich bin in der unfassbaren Luxuspopuxussituation, mich um keine Kinder kümmern zu müssen und einen Kerl zu haben, der auch alleine prima klarkommt. Ich könnte morgen meine Koffer packen und für sechs Monate nach Italien ziehen, nen Sprachkurs machen und viel zu viele Kohlenhydrate essen. Ich könnte meine Kreditkarte damit ausreizen, alle zwei Wochen in irgendeinem Opernhaus dieser Republik den besten noch verfügbaren Platz zu buchen. Könnte ich. Kann ich dann aber doch nicht, weil ich unter Einfluss des doofen „Wir denken brav an morgen“-Teufelchen meine Schreibfinger an meine Lieblingsagentur gekettet habe und zwar bis Ende des Jahres.

Was als Angebot so verlockend klang, erweist sich jetzt gerade als blöde Fußfessel, als Stimmungsbumerang, als „Ah, so fühlt sich erwachsen sein an, wasn Scheiß“. Ich bin gerne hier, ich schreibe gerne über Autos, aber jetzt gerade denke ich den ganzen Tag: Mir läuft die Zeit weg. Ich muss, nein, ich möchte mir die Zeit nehmen für die ganzen Schönheiten, die ich sonst verpasse, weil ich an die KSK denke. Die ganzen Bilder, Skulpturen, die ganzen Lieder, Chöre, Arien, Konzerte, die vielen Buchseiten drinnen, die Luft draußen, die vielen Festessen, die andere verspeisen und nicht ich. Ich weiß nicht, warum mir das auf einmal so wichtig erscheint, nein, wichtig ist, warum es sich wichtiger und richtiger und lebensnotwendiger anfühlt als Geld zu verdienen und über Autos zu schreiben.

Ich will das nicht zur Sinnkrise hochjazzen, aber ich frage mich eben, warum sich durch ein paar alte Bilder und Brunnen und zwei zugegebenermaßen unglaublich tolle Aufführungen die Prioritäten so deutlich verschoben haben. Warum ich das nicht wie sonst in sehnsüchtigen Phasen mit dem üblichen Hinweis aufs Konto in den Hinterkopf schieben kann. Warum es seit Mai in mir gärt und seit zwei Wochen in mir brodelt.

Für Berlin im Januar habe ich mir deswegen Tosca gebucht, wo der Herr Vogt mitsingt, in dessen Lohengrin ich mich verliebt habe, und wenn der Kartenvorverkauf beginnt, reiße ich mir die Walküre mit ihm in München im März unter den Nagel. Und schon bald, nämlich im September sehe ich Rusalka in Dresden, wo erstens Herr Zeppenfeld singt, dem ich als König Heinrich im Bayreuther Lohengrin verfallen bin und was zweitens von Stefan Herheim inszeniert wurde, dem ich im Bayreuther Parsifal verfallen bin. Und als ob das noch nicht wundervoll genug wäre, hängen in Dresden noch die Sixtinische Madonna und eine Leihgabe aus Rom von Raffael und wahrscheinlich noch andere Renaissance-Maler, die mich derzeit so glücklich machen.

Ich weiß jetzt nur nicht, ob das alles mein Murksgefühl noch verstärken wird oder mich kurz aus dem Alltag reißt, um den Alltag wieder erträglich zu kriegen. Rom hat mir das normale Generve, was man eben so „Arbeitsleben“ nennt, leichter gemacht, Bayreuth interessanterweise schwerer.

Ich guck mal. Und hör mal. Und genieße mal. Und dann schreibe ich wieder drüber. Also alles wie immer. Nur mit mehr Murks.

Ein hungriges (okay, der war lahm) Dankeschön …

… an Iris, die mich mit The Hunger Games überrascht hat. Von dem Buch habe wie, wie so oft, erst erfahren, als ich von einer Verfilmung hörte, aber jetzt, wo ich weiß, dass es diesen Stoff gibt, will ich natürlich das Buch lesen. Ist klar. Vielen Dank für das Geschenk, ich habe mich sehr gefreut.

Programmhinweis

Nur noch mal zur Sicherheit, falls Sie das schon wieder vergessen haben sollten, auch wenn ich gerade meine Twittertimeline damit seit Tagen belästige: Heute gibt’s den Lohengrin aus Bayreuth, der mir so gut gefallen hat. Entweder für 14,90 Euro im Livestream – der beginnt um 15.45 Uhr, dauert bis geschätzt 21.30 Uhr und füllt die beiden einstündigen Pausen mit lustigen Backstagereportagen. Den kann man sich in den nächsten zwei Wochen noch einmal anschauen, falls das heute doch nicht so passt.

Oder Sie schalten um 17.15 Uhr arte ein, wo zum ersten Mal eine Oper quasi live aus Bayreuth gezeigt wird. arte spart sich die beiden langen Pausen und beginnt daher etwas später. Die ersten beiden Akte dauern bis 20 Uhr, der dritte fängt dann um 20.15 Uhr an.

Ich hoffe, arte bleibt bis zum letzten Applaus drauf; der Livestream hat das bis jetzt immer gemacht, und ich finde, das gehört auch dazu. Wir haben es im Festspielhaus nur auf 15 Minuten Applaus gebracht, aber immerhin.