Bücher Juni 2010

Gregor Weber – Kochen ist Krieg!

Weber, gelernter Koch, besucht neun verschiedene Küchen – von der Riesengastronomie der O2 World in Berlin über die Schiffskombüse auf der Fregatte Mecklenburg-Vorpommern bis zum 3-Sterne-Tempel Schloss Berg. Jede Küche folgt eigenen Regeln, 30 Gäste müssen logischerweise anders bekocht werden als 300, aber allen gemeinsam ist der Wunsch nach dem bestmöglichen Ergebnis. Und wenn ein Verwaltungsmensch bei der Bundeswehr meint, der gemeine Soldat auf der Mecklenburg-Vorpommern muss mit 5,20 Euro am Tag ausreichend versorgt sein, während im Schloss Berg für ein Menü schon mal 250 Euro fällig werden, dann zeigt das die Bandbreite des Buchs sehr anschaulich. Kochen ist Krieg! erzählt aber nicht nur von den verschiedenen Küchen, sondern viel mehr von den Menschen, die sie bevölkern. Wir lernen ehemalige Gastarbeiter kennen, die inzwischen aus einer kleinen Pizzeria ein Familienunternehmen gemacht haben, bewundern die steile und zielstrebige Karriere von Jan-Göran Barth, der mit gerade 30 Jahren für die Küche in Schloss Bellevue zuständig ist, und werden eingeführt in die lange Tradition der Bremer Schaffermahlzeit. Ich fand das Buch sehr liebevoll geschrieben; man merkt Weber an, wie gerne er in der Küche steht und wie wichtig es ihm ist, dass dem Beruf des Kochs oder der Köchin (die fehlte leider fast völlig, Chefs waren nur Kerle) Respekt entgegengebracht wird. Allerdings zeigt Kochen ist Krieg! natürlich nur die Küchen, die sich in die Töpfe gucken lassen. Geschichten über Kakerlaken und Gesundheitsämter findet man hier nicht. (Dafür gibt’s ja auch RTL 2.)

Siri Hustvedt – The Enchantment of Lily Dahl

Das ist das dritte Buch von Hustvedt, das ich gelesen habe, und ich kann allmählich sagen: Ich mag den Stil der Verfasserin so gerne, das mir fast egal ist, worum sich die Geschichte dreht. Enchantment erzählt von einer jungen Frau in einer Kleinstadt in Minnesota. Sie möchte Schauspielerin werden, arbeitet aber erstmal als Kellnerin und spielt in einer Amateurproduktion des Sommernachtstraums. Ihre alte Nachbarin hilft ihr, die Rolle besser zu ergründen; gegenüber im Hotel zieht ein Maler ein, und ihre Gäste im Café hinterlassen mehr Eindruck bei ihr als erwartet.

Das Buch kreist fast ausschließlich um Lily, was die Geschichte sehr konzentriert wirken lässt. Wir erfahren über niemanden mehr als über sie, aber trotzdem bleibt auch sie seltsam unscharf. Wir erhalten kurze Einblicke in ihr Leben und ihr Tun, aber warum sie Dinge angeht, wie sie sie eben angeht, erschließt sich selten. Trotzdem ist diese Figur für mich unwiderstehlich gewesen, vielleicht weil sie nur kurz an mir vorbeigeweht ist, bevor ich sie festhalten konnte. Entchantment hat mich emotional nicht so mitgerissen wie What I Loved, war aber deutlich besser als The Sorrows of an American.

Das Buch fängt so an:

“She had been watching him for three weeks. Every morning since the beginning of May, she had gone to the window to look at him. It was always early, just before dawn, and as far as she knew he had never seen her. On that first morning, Lily had opened her eyes and spotted a light coming from a window across the street in the Stuart Hotel, and once she had moved closer, she had noticed him in the shining square: a beautiful man standing near a large canvas. Stripped down in the heat to only his shorts, he had stood so still for a minute that he hadn’t looked real to her. But then he had started to move, using this whole body to paint, and Lily had watched him reach, stoop, lunge, and even kneel before the canvas.”

John Carlin – Playing the Enemy

Der Untertitel des Buchs lautet „Nelson Mandela and the game that made a nation“ und erzählt damit besser, um was es geht: den World-Cup-Sieg 1995 der südafrikanischen Springboks, die mit Rugby eine eigentlich weiße Sportart verkörpern, denen plötzlich aber auch alle schwarzen Südafrikaner zujubeln – das erste Mal, das Schwarz und Weiß sich als eine neue Nation fühlen.

Wenn man nur die kurze Zusammenfassung liest, kann man kaum glauben, dass ein Sportereignis einen so großen Einfluss auf 47 Millionen Menschen gehabt haben soll. Playing the Enemy beschreibt, wie wichtig es für den Prozess eines neuen Südafrikas war, dass die Schwarzen ihre Wut verlieren und die Weißen ihre Angst. Mandela weiß, dass die Schwarzen über einen weitaus größeren Schatten springen müssen, indem sie ihren Peinigern vergeben und keine Racheakte ausführen. Und er weiß, dass er der weißen Bevölkerung Mut machen muss. Seine im Nachhinein so simple Idee: ein Sportereignis zu nutzen, um ein Land zu einen.

Die Springboks waren für die schwarze Bevölkerung jahrzehntelang ein Symbol der Apartheid. Rugby war ein Sport der Weißen, und wann immer die Springboks gegen andere Teams spielten – solange sie noch im Weltverband spielen durften –, hielt das ganze schwarze Südafrika zu ihren Gegnern. Sobald die sportliche Isolation aufgebrochen wurde, stellte sich Mandela sofort hinter das Team, trug das grüngoldene Trikot und bat seine Landsleute, sich ebenfalls hinter das Team zu stellen. Die (ausnahmslos weißen) Spieler kamen ihm entgegen und sangen ab sofort bei internationalen Spielen nicht nur die alte Hymne des Landes (Die Stem), sondern auch ein Lied, das die Schwarzen jahrelang als „Gegenhymne“ gesungen hatten: Nkosi Sikelele. Nach und nach erspielte sich das Team das Vertrauen des ganzen Landes, immer mit Mandela im Hintergrund. Und nach dem World-Cup-Sieg 1995 feierten Schwarz und Weiß zum ersten Mal gemeinsam.

Das Buch liest sich wie Science-Fiction, weil man es kaum fassen kann, wie großherzig ein ganzes Land gewesen ist, ein so dunkles Kapitel wie die Apartheid zu vergeben. Gleichzeitig liest es sich voller Hoffnung, dass auch andere Länder vielleicht einmal die Größe besitzen, es Südafrika gleichzutun.

“Five minutes before the kick-off, Nelson Mandela stepped out onto the field to shake hands with the players. He was wearing the green Springbok cap und the green Springbok jersey, buttoned up to the top. When they caught sight of him, the crowd seemd to go dead still. “It was as if they could not believe what their eyes were seeing,“ said Luyt. Then a chant began, low at first, but rising quickly in volume and intensity.

Morné du Plessis caught it as he emerged out of the dressing room and down the players’ tunnel onto the filed. “(…) This crowd of white people, of Afrikaners, as one man, as one nation, they were chanting, ‘Nel-son! Nel-son!’ Over and over, ‘Nel-son! Nel-son!’, and, well, it was just … (…) I don’t think I’ll ever experience a moment like that again. It was a moment of magic, a moment of wonder. It was the moment I realized that there really was a chance this country could work. This man was showing that he could forgive, totally, and now they – white South Africa, rugby white South Africa – they showed in that response to him that they too wanted to give back, and that was how they did it, chanting, ‘Nel-son! Nel-son!’“

(Noch eine Leseprobe bei amazon.com)

Robert Venditti/Brett Weldele – The Surrogates, Vol 1

Viel besser als der Film – und wieder zwei Autoren- bzw. Zeichnernamen, die ich mir merke, denn sowohl die Sätze als auch die Bilder fand ich sehr stimmig und schön. Die Geschichte um die „mechanischen Menschen“, die von echten Menschen gesteuert werden und quasi ihr Leben übernehmen, ist in Grundzügen deckungsgleich zum Film, aber weitaus weniger krawallig. Dafür persönlicher und deprimierender. Einen Punkt hat der Film allerdings von mir bekommen, denn dort darf der männliche Hauptdarsteller immerhin eine weibliche Kollegin haben. Der Comic ist fast ausschließlich von Kerlen bevölkert, was mir immer mehr auf den Zeiger geht. Trotzdem hat mir The Surrogates sehr gut gefallen, weil es unter anderem auf einen simplen Trick zurückgreift, der mir zuerst bei den legendären Watchmen begegnet ist: jedes Kapitel mit einem geschriebenen Essay, einem Zeitungsartikel oder wie hier einmal mit einer fiktiven Produktbroschüre für die Surrogate abzuschließen. Vielleicht hat die Broschüre mich auch nur erwischt, weil ich eben selber welche schreibe und die Zeilen so mit einem anderen Interesse gelesen habe.

Simon Majumdar (Stephan Gebauer, Übers.) – All you can eat

Ein freundliches Geschenk von Herrn Siepert, denn sonst hätte ich Herrn Majumdar eher im Original (Eat my globe) gelesen. Das Buch fängt mit Simons Kündigung an und befasst sich dann mit seiner einjährigen Reise einmal um die ganze Welt, um eben die ganze Welt zu essen. Er schläft nicht nur in Hotels, sondern vor allem bei Menschen, die er im Internet über Foodblogs oder Fressforen kennengelernt hat. Und genau das macht die Mischung des Buchs so angenehm: Es geht nicht nur ums Essen, sondern auch um verschiedene Menschen, Lebensentwürfe, kurze Eindrücke von Städten und Ländern. Betonung auf „kurz“, denn leider dauert die Reise nicht zehn Jahre, sondern eben nur eins, und in diesem hat Simon immerhin fast 30 Länder unter einen Hut bekommen. Von mir aus hätte das Buch fünfmal so dick sein dürfen, denn immer, wenn man sich gerade irgendwo heimisch fühlt, ist das Kapitel zuende und das nächste Flugzeug wartet. Diese Hektik überträgt sich logischerweise auch auf den/die Leser_in, und so bin ich etwas hungrig und mit einem kindischen „Mehrmehrmehr!”-Gefühl zurückgeblieben, als ich das Buch zugeklappt habe.

Majumdar betreibt netterweise mit seinem Bruder das wunderbare Londoner Fressblog Dos Hermanos, und dort kann man mehr von ihm und seinem Bruder, den er nur TGS (The Great Salami) nennt, lesen. Übersetzt klingt der Mann so:

„ „Finnland?!“, kreischte ich. „Das ist das einzige Land, dessen Essen einen schlechteren Ruf hat als das englische!“

Darauf begann Martina, mir die Vorzüge des finnischen Essens zu schildern. Das war keine leichte Aufgabe, denn die einzige finnische Speise, die ich bis dahin kennengelernt hatte, war etwas mit dem Namen Korvapuusti, ein zähes Frühstücksgebäck, das sich eher als Waffe denn als Nahrung eignete. Doch schließlich überzeugte sie mich mit dem Angebot, einen Jagdausflug mit einem Freund ihrer Famlie zu organisieren, der nur zwei englische Worte kannte. Wie ich herausfinden sollte, war eines davon „Wodka“; das andere war überhaupt kein englisches Wort.“

Jon McGregor – If Nobody Speaks of Remarkable Things

Wunderschön. In Remarkable werden zwei Erzählstränge miteinander verwoben: Der eine berichtet im Zeitlupentempo von verschiedenen Einwohnern einer Straße in England. Wir erfahren sehr früh, dass am heutigen Tage noch etwas Schreckliches geschehen wird, und während wir uns diesem Ereignis nähern, das wirklich erst kurz vor Schluss aufgelöst wird, erfahren wir mehr und mehr über die Menschen, die daran beteiligt sind. Der zweite Erzählstrang ist aus der Ich-Perspektive geschrieben; eine der Bewohnerinnen erinnert sich an den Tag vor drei Jahren, muss sich aber mit Dingen befassen, die ihr heute passieren. Beide Erzählstränge fließen manchmal ineinander; was in einem erzählt wird, taucht im anderen kurz auf, und beide zusammen ergeben ein sehr dichtes Bild – von Menschen, ihrer Geschichte, ihrer Vergangenheit, was sie bewegt, was sie antreibt.

Ich mochte an dem Buch die ständige Ungewissheit und gleichzeitig die Gewissheit, dass sich am Ende alles ändern wird. Zudem hat mir der fast poetische Stil sehr, sehr gut gefallen. Die Beobachtungen sind sehr präzise, aber nie simpel beschreibend. Alles, was gesagt wird, gibt dem Erzählten einen tieferen Sinn, eine neue Ebene. Mir fällt es gerade etwas schwer, diesem Buch gerecht zu werden, denn obwohl es fast sezierend geschrieben ist, hat es für mich sehr viel Gefühl transportiert. Und alles, was ich zitiere, wird dem Werk ebenfalls nicht gerecht. Ich versuche es trotzdem mal und lege euch dieses Buch ganz dringend ans Herz.

(Auf Deutsch heißt das Buch Nach dem Regen und wurde von Anke Caroline Burger übersetzt, aber ich habe leider keinen Text online gefunden, um euch zu sagen, ob die verzaubernde Sprache auch übersetzt funktioniert.)

“The man with the ruined hands sits in a chair in his front garden and looks at the net curtain wafting in and out of the open window.
The veil she wore on their wedding day was white, it was like the curtain. It was smooth, silk maybe, and when she breathed it drifted out from her face like a feather. This was many years gone now, their wedding day, but it is like no time at all.
The look in her face when she lifted the veil, the delight, the pride, the beautiful in her soul, could be yesterday.
Her face, was beautiful.
Her hands, was beautiful.
Her skin, was smooth and clear and unbroken, when she touched him lightly it felt like water trickling across his body. She would move her hand across his face to see if she wanted him to shave before the evening meal, and when she was done his skin would feel clean of the dust of the day.
She was tall, and strong, and she kept her hair coiled tightly around the back of her head and she had intricate paintings on the secret parts of her body. She was a wonderful woman, but this was not enough to help her. He loved her deeply, but this was not enough to help her. Please, darling, she called out to him, through the door, the closed door. Please darling can’t you help me she called. He could not reach to her, he was not enough.
The door was stuck, in the heat, it was swollen, the wood of the door in the frame, the frame it was too small, like a wedding ring on a very hot day.
It was so very hot.
She said darling I am very hot I cannot breathe please can’t you reach me.
The paint on the door was coming away, it was bubbles, blistering, each time he touched it he felt knives across his skin and into his bones. The metal of the doorhandle, when he touched, it melted his hand like butter, it sunk into his skin like an axe into a tree and the hot air and the poisonous paint in his lungs, he thought he would die but he did not. He did not die.
She said my God my God what is happening.
He sits in his garden on a folding wooden chair, this man with the burnt hands, and the sun is shining and his daughter is playing with another girl in the street and he is okay but he is not okay.”

(Noch eine Leseprobe bei amazon.com)

Brian Wood/Becky Cloonan – Demo

Demo versammelt zwölf Geschichten, die als Einzelhefte erschienen sind. Als die Serie begann, ging es hauptsächlich um junge Menschen, die über besondere Kräfte verfügen – sie sind aber keine Superhelden, sondern „normale“ Menschen, die mit ihren Fähigkeiten mehr oder weniger auf Kriegsfuß stehen. Meist machen diese Kräfte ihnen das Leben eher schwer anstatt es zu erleichtern. Je länger die Serie dauert, desto mehr verschiebt sich der Schwerpunkt hin zu Beziehungen, dem Erwachsenwerden, großen Entscheidungen. Mir haben fast alle Geschichten gefallen, einige waren etwas schwächer, andere hingegen hatten eine sehr clevere Idee, wie zum Beispiel die von Kate, deren Äußeres sich ständig ändert, je nachdem, wer sie anschaut bzw. wer welche Erwartungen an sie hegt. Sie ist auf der Suche nach dem Menschen, der sie so sieht, wie sie ist. Klassisches Thema, intelligent umgesetzt. Zusätzliches Schmankerl: Die Zeichnungen von Betty Cloonan ändern sich ebenfalls von Story zu Story; man erkennt zwar ihren Stil immer wieder, aber trotzdem passen sich die Bilder den Protagonist_innen an.

Tim O’Brien – The Things They Carried

O’Brien war als gut 20-Jähriger in Vietnam als Soldat, und 1990 erschien diese Kurzgeschichtensammlung, die sich mit seiner Zeit im Krieg beschäftigt. Was mich an dem Buch so fasziniert hat, ist seine Form: Es erzählt nicht eine Geschichte nach der anderen, sondern schiebt Erklärungen ein, verwirrt, indem es Dinge in Frage stellt, die eine Seite vorher gegeben scheinen und berichtet nicht nur über die Kriegszeit, sondern auch über die Jahre davor und danach. Man weiß bis zum Schluss nicht, welche Geschichte jetzt wahr ist und welche nicht, aber das ist natürlich egal, denn es macht die einzelnen Begebenheiten nicht weniger faszinierend, abstoßend, spannend, beeindruckend, was auch immer.

The Things They Carried stand auf der Auswahlliste zum Pulitzerpreis und klingt so:

“Often in a true war story there is not even a point, or else the point doesn’t hit you until twenty years later, in your sleep, and you wake up and shake your wife and start telling the story to her, except when you get to the end you’ve forgotten the point again. And then for a long time you lie there watching the story happen in your head. You listen to your wife’s breathing. The war’s over. You close your eyes. You smile and think, Christ, what’s the point?

This one wakes me up.

In the mountains that day, I watched Lemon turn sideways. He laughed and said something to Rat Kiley. Then he took a peculiar half step, moving from shade into bright sunlight, and the booby-trapped 105 round blew him into a tree. The parts were just hanging there, so Dave Jensen and I were ordered to shinny up and peel him off. I remember the white bone of an arm. I remember pieces of skin and something wet and yellow that must’ve been the intestines. The gore was horrible, and stays with me. But what wakes me up twenty years later is Dave Jensen singing “Lemon Tree” as we threw down the parts.”

(Noch eine Leseprobe bei amazon.com)

Gerbrand Bakker (Andreas Ecke, Übers.) – Juni

Der Nachfolger vom wunderbaren Oben ist es still. Juni hat mir nicht ganz so gut gefallen wie Oben, aber das lag garantiert genau an den Beschreibungen, die das Buch so gut machen (ja, ich weiß, der Satz ist ein Widerspruch, folgt mir bitte). Das Buch spielt nicht nur in einem Juni, sondern in zweien, die 40 Jahre auseinander liegen, aber immer noch eine Verbindung haben. Es geht um eine Familie mit drei Söhnen und das Dorf, in dem sie leben. Wir begegnen den Personen sehr unmittelbar, ohne jede Einführung, bekommen sie vorgesetzt und müssen uns mit ihnen und ihren manchmal seltsam scheinenden Aktionen befassen. Wir erfahren im Laufe der Geschichte immer mehr aus ihrer Vergangenheit, und irgendwann wissen wir auch, was im Juni passiert ist. Gerade die Beschreibungen der Jahreszeit, des Wetters, der Hitze, der knackenden Bäume, der Windstille haben dem gesamten Buch eine fast fühlbare Schwere auferlegt; ich habe das Buch meist auf dem Weg zur Arbeit gelesen und dabei fast immer in einem klimatisierten Bus gegessen, und trotzdem hat mich diese sommerliche Schwüle erfasst, und ich fand es teilweise sehr anstrengend, die Buchseiten umzublättern. Genau das macht das Buch so gut – und eben gleichzeitig so anstrengend. Aber es lohnt sich auf jeden Fall. Wieder ein Schriftsteller für die Lieblingsautorenliste.

(Leseprobe bei amazon.de)

Harvey Pekar – American Splendor

Hm. Ja, ich weiß, American Splendor hat seinen Platz in der Ruhmeshalle der Comics aus guten Gründen: Die Serie hat quasi den autobiografischen Comic begründet, sie beschäftigt sich mit dem alltäglichen Leben, sie findet Geschichten, wo eigentlich keine sind (eben im alltäglichen Leben), ja, weiß ich alles. Trotzdem hat mich das Buch alles andere als begeistert. Das mag daran liegen, dass ich mir seitenlang das Leben eines schlecht gelaunten Mannes anhören musste, dessen Alltag mir einfach egal war. Nichts gegen alltägliche Szenerien und Beschreibungen; dieses Blog macht auch nichts anderes, und ungefähr 80% meiner Blogroll erzählen mir auch nur, was sie zum Frühstück hatten und wie’s ihnen so geht, und ich lese das sehr, sehr gerne. Aber American Splendor fand ich einfach doof. Aus dem Bauch raus doof.

Mir hat allerdings der Einblick in das Cleveland der 60er und 70er Jahre gefallen; teilweise waren die Zeichnungen sehr detailreich, was aus einer belanglosen Story dann eben doch etwas Spannendes gemacht hat. Meistens war ich aber genervt von der Hauptfigur, die ja nicht einmal eine Figur ist. Und wenn ich mich mal als Kostverächterin outen darf: Ich mag auch Robert Crumb nicht, und von ihm stammt ein Großteil der Zeichnungen.

Die theoretische Torte

Wie ich Samstag schon twitterte: „Wenn die Jogurt-Früchte-Biskuittorte nicht fest wird, einfach umschichten und als Pseudo-Trifle servieren.“

Dass die Torte nichts geworden ist, schiebe ich einerseits auf den labberigen 1,5%-Jogurt – ich behaupte aus dem Bauch raus, dass der 3,5%ige bestimmt fest geworden wäre. Und andererseits hätte ich vielleicht nicht ein Kilo Obst oben draufhauen sollen, sondern, wie im Rezept angegeben, nur eine dünne Schicht von Mangoscheiben und ein paar Dekokiwischeiben am Rand. Aber ich mag halt satt Obst auf Torten. Mpf. Nächstes Mal lasse ich den Jogurt weg und belege einfach nur den Biskuitboden mit Obst. Fertig.

Falls ihr der Torte trotzdem eine Chance geben wollt – das Rezept stammt mal wieder aus dem großen Zabert-Sandmann-Backbuch, aus dem auch mein traumhafter Käsekuchen kommt. Und überhaupt ist mir mit diesem Buch noch nix danebengegangen. Wenn ich mich ans Rezept gehalten habe, that is.

Das Rezept möchte für die 26er Springform einen Fertigbiskuitboden, aber das machen wir natürlich nicht. Ich habe den gleichen Boden verwendet wie bei der Pfirsichtorte:

2 Eier

mit drei Esslöffeln heißem Wasser schaumig aufschlagen. Dazu

75 g Zucker,
1 Päckchen Vanillezucker,
100 g Mehl und
1 gestr. TL Backpulver

geben, unterrühren, auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech geben, kreisförmig verstreichen und sofort bei 200° knappe 20 Minuten backen.

1 kg Jogurt mit
80 g Zucker verrühren.
12 Blatt weiße Gelatine nach Packungsanweisung auflösen und schnell unter die Jogurtmasse rühren. Alles auf den ausgekühlten Biskuitboden geben und für zwei bis drei Stunden im Kühlschrank fest werden lassen.

Laut Buch kann dann oben druff ein hübscher Stern aus Mangospalten gelegt werden, eine Packung gelben Tortenguss drüber, und wer will, kann aus 250 ml Sahne auch noch einen Sahnerand herstellen. Habe ich alles nicht gemacht, sondern Erdbeeren, Blaubeeren, Himbeeren und Brombeeren händevoll auf den Jogurt gegeben und mit einem Päckchen weißen Tortenguss übergossen. Ich weiß nicht, ob der warme Guss dem anscheinend doch nicht brettharten Jogurt das Genick gebrochen hat – jedenfalls floss an einer Seite die Torte auseinander, und auch der Rest war eher so … *hust* halbsteif. Vielleicht hätte ich den Springformring noch dranlassen sollen, aber laut Rezept darf der vorher ab. Hm. Keine Ahnung. Hat aber auch als „Trifle“ sehr lecker geschmeckt. Mit Jogurt, Beeren und Biskuit kann man ja auch nix falsch machen. Ich hätte vielleicht noch nen Schnaps drübergießen sollen.

Wimbledon-Live-Blog

Der Guardian bloggt jeden Tag launig und live mit. Besonders schön war natürlich das ewig lange Match zwischen John Isner und Nicolas Mahut, das den armen Autoren ziemlich zur Verzweiflung gebracht hat.

“4.05pm: The Isner-Mahut battle is a bizarre mix of the gripping and the deadly dull. It’s tennis’s equivalent of Waiting For Godot, in which two lowly journeymen comedians are forced to remain on an outside court until hell freezes over and the sun falls from the sky. Isner and Mahut are dying a thousand deaths out there on Court 18 and yet nobody cares, because they’re watching the football. So the players stand out on their baseline and belt aces past each-other in a fifth set that has already crawled past two hours. They are now tied at 18-games apiece.

On and on they go. Soon they will sprout beards and their hair will grow down their backs, and their tennis whites will yellow and then rot off their bodies. And still they will stand out there on Court 18, belting aces and listening as the umpire calls the score. Finally, I suppose, one of them will die.

Ooh, I can see the football out of the corner of my eye. England still 1-0 up! (…)

4.25pm: (…) But none of this means a thing to the Everlasting Zombie Tennis Players on Court 18. They hear nothing but the thud of the ball off their racket and the sonorous tones of their Zombie Umpire. They can think of nothing beyond their next trudge to the chair for a short sit down before the ordeal begins again anew. They have forgotten all about Wimbledon and the world beyond the backstop.

John Isner’s serving arm has fallen off. Nicolas Mahut’s head is loose and rolling bonelessly on his neck. And yet still they play on. The score is now 21-21 in the fifth and final set. This is now, officially, the longest final set in Wimbledon history. (…)

6pm: The score stands at 34-34. In order to stay upright and keep their strength, John Isner and Nicolas Mahut have now started eating members of the audience. They trudge back to the baseline, gnawing on thigh-bones and sucking intestines. They have decided that they will stay on Court 18 until every spectator is eaten. Only then, they say, will they consider ending their contest. (…)

7.30pm: Let it end, let it end, it’s 46-all. It was funny when it was 16-all and it was creepy when it was 26-all. But this is pure purgatory and there is still no end in sight. John Isner has just struck his 90th ace. Nicolas Mahut, poor, enfeebled Nicolas Mahut, has only hit 72. Maybe we should just decide it on the number of aces struck? Give the game to Isner and then we can all crawl into our graves.

7.45pm: What happens if we steal their rackets? If we steal their rackets, the zombies can no longer hit their aces and thump their backhands and keep us all prisoner on Court 18. I’m shocked that this is only occurring to me now. Will nobody run onto the court and steal their rackets? Are they all too scared of the zombies’ clutching claws and gore-stained teeth? Steal their rackets and we can all go home. Who’s with me? Steal their rackets and then run for the tube.

It’s 48-48. What further incentive do you need? (…)”

Käsespätzle

Vor kurzem schrieb ich, dass die uralte Springform von Mama (oder Oma) allmählich den Geist aufgibt – worauf man mir eine Springform schickte, die seitdem auch fast jedes Wochenende in den Ofen darf (und die mich bei jedem Backen an den freundlichen Spender erinnert, gute Werbung).

Am Mittwoch erwähnte ich dann in meinem „Essen ist neuerdings so toll“-Eintrag unschuldig in einem Nebensatz, dass sich in unserer Speisekammer neben anderen Nudeln auch Spätzle befinden. Mein Patenonkel ist ein waschechter Schwabe, und daher habe ich als Kind in Geislingen an der Steige an den Wunderwerken Spätzle und Knöpfle teilhaben dürfen – und den Geschmack nie wieder vergessen. Mit Zwiebeln und Käse und wenn’s sein muss, noch Schinken, aber eigentlich reichen auch Zwiebeln und Käse: fantastisch. Daher stehen bei uns Norddeutschen eben auch Spätzle in der Kammer. Keine Ahnung, warum ich die noch nie selbstgemacht habe, aber diese Ruhe ist jetzt vorbei, denn Florian hat mir netterweise einen Spätzlehobel geschenkt. Wie toll ist das denn bitte? Ihr seid alle bekloppt, aber vielleicht passen wir deswegen so gut zusammen. Nochmals vielen Dank, ich habe sehr breit grinsend an der Packstation gestanden.

Und so sehen die ersten Florian-Gedächtnisspätzle aus:

Das Spätzlerezept stammt von hier und reicht für zwei bis drei verfressene Leute als seeehr sättigende Hauptmahlzeit.

Aus 400 g Mehl, 5 Eiern und circa 100 ml Wasser einen Teig herstellen. Schön mit Holzlöffel und Muskelschmalz. Wasser nach und nach zugeben, bis sich der zähflüssige Teig von der Schüsselwand löst. Die Spätzle in kochendes Salzwasser schaben, hobeln, pressen oder telekinesieren. Mit geriebenem Käse und angebratenen Zwiebeln überbacken.

Während die Spätzle im Ofen gratinieren, kann man sich 15 Minuten lang damit beschäftigen, den fiesen Teig aus dem Hobel zu kriegen. Und der Schüssel. Und vom Holzlöffel. Und vom Herd, denn mein erster Hobelversuch war von ziemlichem Überschwang gekennzeichnet. Wenn ich das mal so sagen darf: Dieser Teig ist ein absoluter Schmerz im Arsch, aber, dickes Aber: Die Spätzle sind sowas von fantastisch lecker! Selbstgemachte Nudeln schmecken schon toll – wobei die Vollkornlinguine von Alnatura mich davon überzeugen konnten, doch nicht dauernd Nudeln selber machen zu müssen –, aber die selbstgemachten Spätzle schlagen die gekaufte Tüte nicht nur um Längen, sondern um Meilen. Ich bin begeistert. Habt ihr das Geräusch eben gehört? Das waren die Supermarktspätzle, die im Mülleimer gelandet sind. An mein Herz, Hobel!

Refait

Komplett sinnfrei und deswegen so toll:

Refait is a remake of the football WorldCup match between France and Germany (Seville, Spain, 1982). Shot by Pied La Biche in Villeurbanne (France), every aspect of the fifteen last minutes of the match was carefully reconstructed: players, positions, gestures, intensity, drama etc. It consists in shifting the traditional game area into the urban environment. Each sequence takes place in one or several locations and then the city temporarily becomes the lab for unsual experiments.”

Refait from Pied La Biche on Vimeo.

Danke, Gritt.

Outtakes aus Oslo

Stefan und Lukas beglücken uns nach dem wunderbaren oslog.tv noch mit ein paar Outtakes. Genauso lustig wie alles vorher. Und wie ich in der Groupiemail an die beiden geschrieben habe: Ich warte auf eine Fortsetzung von der Bundesgartenschau oder aus Bayreuth.

Raviolisalat mit Spargel und Spinat

Ich zitiere misscaro, von deren Seite ich mal wieder ein Rezept von ebenfalls mal wieder 101 Cookbooks nachgekocht habe:

„”man fühlt sich wie eine kuh, die den ganzen winter nur heu gekriegt hat, und jetzt wieder auf die weide darf”, sagte r., als ich diese mahlzeit zum ersten mal in diesem jahr zubereitet habe. wie recht er hat.“

Ich unterschreibe das sofort mit Sternchen und Ausrufezeicheneinself. So grandios leckeren Nudelsalat habe ich noch nie gegessen. Überhaupt: Das Wort „Nudelsalat“ wird dem Schmackofatz überhaupt nicht gerecht.

250 g fertige Ravioli (bei uns waren es Ricotta-Rucola-Ravioli, es gehen natürlich auch andere fleischlose Ravioli)
1 Bund grüner Spargel
300 g Erbsen (oder wie ich beim Gemüsehändler immer sage: zwei gute Handvoll)
3, 4 Händevoll Babyspinat
Pinienkerne, Parmesan, Meersalz, Olivenöl

Die Ravioli kochen, Spargel und Erbsen blanchieren, Spinat waschen, Pinienkerne rösten, alles in einer Schüssel vermischen, auf Teller verteilen, frei nach Schnauze Parmesanspäne, Olivenöl und Meersalz drüber. Fan-tas-tisch. Wirklich.

Edit, einen Tag später: Wie ich heute Mittag beim Resteessen feststellen musste – lauwarm schmeckt der Salat toll. Kalt eher nicht so. Kann aber auch an mir liegen; ich mag einfach keinen kalten Spargel.

Kiss the cook

Manchmal fotografiere ich unser Abendessen und denke, toll, wieder was fürs Blog. Und zwei Minuten später denke ich, nee, das ist doof, weiß eh jede/r, wie Gnocchi gemacht werden, das bloggste doch nicht. Nochmal zwei Minuten später denke ich, aber es haben auch schon alle Avatar gesehen und trotzdem haste drüber geschrieben und lustigerweise dafür ein paar Cents (?) bei Flattr gekriegt und ein paar nette Mails, scheint also okay zu sein. Dann kannste auch Rezepte bloggen, die jede/r kennt.

Es ist jetzt fast ein Jahr her, seitdem Lu unsere Speisekammer umgeräumt hat und wir sie seitdem mit leckerem Zeug wieder auffüllen – und es vor allem essen. Wo vorher eine einsame Tüte Reis lag, drängeln sich jetzt Risotto-, Milch-, Basmati- und Langkornreis. Direkt daneben stehen die Neuankömmlinge, anfangs noch etwas schüchtern, jetzt aber schon alte Hasen: Linsen in braun, grün, rot und schwarz, Couscous und seit kurzem Quinoa (Trific sei dank, wo der Kerl auf den Geschmack gekommen ist). Dazu Vollkornspaghetti, Capellini, irgendwelche Nudeln aus dem Asialaden, Lasagneplatten, Farfalle, Penne und Spätzle.

Eine Etage tiefer streiten sich diverse Gemüsesorten um die knapp bemessenen Metallschüsseln (denn die Augen essen mit): Immer im Haus sind Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, Zitronen, Tomaten, Gurken, Paprika und Äpfel. Je nach Lust und Laune gesellen sich Bohnen, Zucchini und Erbsen dazu, gerade haben es sich Kohlrabi und Mohrrüben gemütlich gemacht, und im Kühlschrank lungern Erdbeeren und Blaubeeren rum, um mein Müsli bunter zu machen. Ebenfalls im Kühlschrank: Jogurt, Butter, Frischkäse und Sahne, wo früher eine Packung Lätta war (die ist allerdings auch noch da). Plus die Marmelade von Mama, Ziegenkäse, Hartkäse, Parmesan, Feta, Mozzarella und ab und zu ein Stinkekäse, für den der Kerl mich tagelang annörgelt.

Auf dem Boden der Kammer stehen keine Colakisten mehr, sondern welche mit Wasser. Noch mehr Platz nehmen allerdings meine Weinkisten ein, auf denen auch noch meine Teekiste steht. Die Mikrowelle dient inzwischen nicht mehr zum Fertiglasagnebraten, sondern als Abstellfläche für ungefähr 20 Flaschen mit verschiedenen Essig- und Ölsorten plus einige asiatische Saucen. Und im Tiefkühler warten neben der Schüssel meiner Eismaschine noch TK-Gemüse und -Fisch auf ihren Einsatz.

Wahrscheinlich nicht ganz so Lus Plan, aber auch meine Backkiste ist gewachsen. Mehl und Zucker hatte ich vorher auch schon immer im Haus, aber jetzt liegen auch noch bergeweise Nüsse im Regal, Walnüsse, Haselnüsse, Pinienkerne, Mandeln, was immer man in einen Kuchen (oder gerne Salat) werfen kann. Mehl in verschiedenen Typen, brauner Zucker, Puderzucker, Mohn, Hefe, Backpulver, Natron, Kuvertüre, alles da und gerne am Wochenende, wenn Zeit und Entspannung für Kuchen da ist, in Gebrauch. Auf der Fensterbank wachsen Schnittlauch, Rosmarin und Basilikum, meist als Sträußchen vorhanden sind Petersilie, Thymian und Salbei, und in der Gewürzkiste finden sich seit einigen Monaten so seltsame Sachen wie Chiliflocken, Kurkuma und Fleur de Sel, wo vorher Speisesalz und weißer Pfeffer rumstanden.

Auf dem oberen Regalbrett in der Speisekammer liegt immer noch das Zeug, das Lu da vor einem Jahr hingestapelt hat: das Mikrowellenpopcorn, die Dosensuppen, die Fertigmischung für einen Nusskuchen. Wahrscheinlich alles schon abgelaufen – oder für die Ewigkeit haltbar, wer weiß. Ich sehe den Kram gar nicht mehr und werde ihn vermutlich erst bei unserem Auszug aus dieser Wohnung wieder in die Hand nehmen, um ihn dann zu verklappen.

Ich denke ganz anders über Essen als früher, und es hört nicht auf, Spaß zu machen. Da ich aber gefühlt 40 Jahre Essen meist als „muss ja“ wahrgenommen habe und mich nicht länger damit befassen wollte, habe ich die ganzen simplen Dinge noch nie gemacht, die ich jetzt mache. Wie Gnocchi. Oder Käsekuchen. Und deswegen freue ich mich immer, wenn ein Gericht gelingt, selbst wenn ich der letzte Mensch auf diesem Planeten bin, dem es gelingt. Ich bin neulich kurz davor gewesen, mein besonders leckeres Sandwich zu bloggen, weil ich mich einfach darüber gefreut habe, wie toll das aussah und dass es noch toller geschmeckt hat. (Ich sage nur: Pastrami.) Ich hoffe, dass meine Newbierezepte die Freude transportieren, die ich dabei habe, den Kram zu kochen oder zu backen, selbst wenn viele Leser_innen wissen, wie Gnocchi gemacht werden. Mehr will ich gar nicht. Außer die Ergebnisse genussvoll zu essen, natürlich.

Ach, komm:

Geröstetes Graubrot, Majo (nicht selbstgemacht, irgendwo ist dann auch mal gut), eine Handvoll Schnittlauch, Kopfsalat und Radicchio, nochmal Brot, Dijonsenf, Pastrami, Zwiebel, Gurke, Tomate, Pastrami, Brot. Im Vordergrund räkeln sich Möhren- und Kohlrabistifte, leicht gesalzen.

Übrigens: Die weiße Hohlkehle, die neuerdings den Blick auf unseren gammeligen Küchenfensterrahmen gnädig verhindert (hier auf dem unteren Bild noch zu sehen) und den Fressfotos einen etwas eleganteren Look verleiht, ist die Rückseite eines Filmplakats: Delicatessen.

Gnotschi’s

Da wollte ich gestern unschuldig Bratkartoffeln machen, aber dann dachte ich, nee, die hast du ja schon tausendmal gemacht, machste doch mal die Gnocchi, von denen alle immer bloggen, dass die so wahnsinnig viel Arbeit machen. Hast ja noch ne Stunde Zeit, bis das Spanien-Spiel anfängt. Haha.

Verbrauchte Küchengeräte: ein Topf zum Kartoffelkochen. Eine hohe, schlanke Plastikschüssel zum Kartoffelstampfen (weil keine Kartoffelpresse im Haus). Eine weitere Schüssel, um aus den Kartoffeln Gnocchiteig zu machen. Ein zweiter Topf zum Gnocchi-Kochen. Eine Pfanne, in der ich meine köstliche Sauce aus Zwiebeln, Tomaten und dem guten Lieblingsrotwein habe anbrennen lassen, weil ich ja unbedingt noch ein paar virtuelle Cranberries bei Farmville ernten musste. Eine zweite Pfanne, um die Gnocchi statt in Sauce in Butter zu schwenken. Gefühlt 17 Teller zum Zwischenlagern, Umschöpfen und Servieren. Abwaschdauer: genauso lange wie Herstelldauer. I GET IT. War aber jede Minute wert.

Für zwei halbwegs hungrige Menschlein

500 g Kartoffeln

in der Schale kochen. Pellen und noch heiß durch eine Kartoffelpresse quetschen oder zerstampfen. Es soll kein richtiges Püree daraus werden, aber Stückchen sind auch nicht so sexy. Den Kartoffelbrei mit

125 g Mehl,
1 Teelöffel Salz und
1 Eigelb

auf einer satt bemehlten Fläche zu einem halbwegs festen Teig verarbeiten. Wenn der Teig zu klebrig ist, mehr Mehl dazugeben. War er bei mir nicht, wobei ich leider nicht weiß, welche Kartoffelsorte das ist. Wir sagen immer nur strunzdoof „Ein, zwei Kilo Biokartoffeln, bitte“ beim Gemüsehöker. Nächstes Mal frage ich nach, denn die waren wirklich perfekt.

Teigteile zu dünnen Röllchen ausrollen und einzelne Gnocchi abschneiden. Auf einer ebenso satt bemehlten Fläche zwischenlagern und dann ins leicht kochende Wasser damit. Die fertigen Gnocchi treiben an die Oberfläche und können abgeschöpft werden.

Wir haben die fluffigen, aber nicht zu festen und ganz fürchterlich leckeren Kissen in Butter geschwenkt und mit Parmesanspänen und Fleur de Sel gegessen. Und ich hatte immerhin noch ne Runde Wein fürs Glas, wenn schon nicht in Saucenform für den Teller.

Fick Fufa

Jens Weinreich über eine abgemahnte Anzeigenkampagne (facepalm) und eine wunderschöne T-Shirt-Aktion zur … you-know-what.

Birnentarte mit Zitronencreme

Das Originalrezept heißt zwar Erdbeertarte mit Orangencreme, aber ich musste mal wieder Reste vernichten bzw. Birnen davor retten, nur noch als weiche Brocken im Müsli zu enden. Denn für mein Frühstück nehme ich derzeit lieber Erd- und Blaubeeren, weswegen die Birnen eben auf Torten müssen. Auch kein schlechtes Schicksal.

Aus

180 g Mehl,
100 g weicher Butter,
1 Prise Salz,
50 g Zucker und
1 Eigelb

einen Mürbeteig herstellen. Schöner Tag noch hat dazu erst Knethaken und dann die Hände genutzt, ich mach lieber alles mit den Händen. Möglichst schnell einen Teig zusammenkneten und den in Frischhaltefolie verpackt eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Eine eingefettete 26-cm-Springform damit auskleiden, mehrmals mit einer Gabel einstechen und im auf 200° vorgeheizten Backofen circa 20 Minuten blindbacken.

In der Zeit die fluffige Creme herstellen, die im Prinzip ein Lemon Curd ist.

80 g Zucker und
3 Eier

schaumig rühren. Dazu nach und nach

75 g zerlassene Butter und
150 ml frisch gepressten Zitronensaft (ca. drei Zitronen)

geben. Die Tarte aus dem Backofen holen, die Hitze auf 175° reduzieren und die Creme auf den Tarteboden gießen. Vorsichtig wieder in den Ofen stellen und weitere 30 Minuten backen (bei mir waren es eher 35), bis die Creme festgeworden ist. Falls sie zu dunkel wird, die Form nach 20 Minuten mit Backpapier abdecken (ist sie bei mir, hab ich gemacht, funktioniert).

Die Tarte abkühlen lassen. Währenddessen

500 g Birnen (vulgo: drei Monsterbirnen)

in Spalten schneiden und die Tarte damit von außen nach innen belegen.

Ich fand die Tarte sehr lecker, auch weil sie nicht so quietschesüß war. Die Birnen haben die Säure der Zitronen gut aufgefangen, sie aber nicht überlagert. Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Nachdem ich ein halbes Stück probiert hatte, habe ich die Birnen solo gegessen und dann nur noch den superleckeren Boden mit dem superleckeren Lemon Curd drauf. War noch besser. Nächstes Mal kommt das Obst eben doch ins Müsli.

Literary Jewels

Littlefly macht Schmuck aus Büchern. Via spielart, die ihren Blogeintrag mit der schönen Headline „Ringbuch“ versehen hat.

Pogo zum Pickelausdrücken

Da sucht man unschuldig nach einer Gesamtaufnahme von Madame Butterfly, und dann bietet einem Amazon – Puccini zum Picknick.

Noch schöner, ein Fund von @formschub: Barock zum Bügeln. Ich kann nicht mehr.

Limetten-Kokos-Kekse

Ich muss mir angewöhnen, bei Rezepten die Mengen zu hinterfragen, bevor ich alles zusammenrühre. Oder anders: Wir haben dann jetzt bis zum Ende der WM Kekse im Haus.

Das Originalrezept steht hier und hat bei mir für fast vier Bleche bzw. 40 Kekse gereicht. Ein paar der Kekse habe ich haselnussgroß hingekriegt, ein paar waren eher so die Hausnummer „Fleischklops“.

In einer großen Schüssel

240 g weiche Butter mit
360 g Zucker

zu einer homogenen Masse verrühren. Dazu

Abrieb von einer Limette,
3 Esslöffel Limettensaft,
1 Ei und
1/2 Teelöffel Vanilleextrakt

geben. Wie immer bei Vanilleextrakt weiß ich nicht, wozu das Zeug gut ist; ich schmecke es nie raus, aber wenn ich Rezepte das erste Mal mache, werfe ich brav alles rein, was rein soll. Außerdem fand ich den Limettengeschmack kaum merkbar. Die Kekse rochen deutlich danach, haben aber viel kräftiger nach Kokos geschmeckt. Beim nächsten Mal nehme ich also eine Vanilleschote und reibe zwei Limetten ab, die Saftmenge würde ich nicht ändern.

In einer zweiten Schüssel die trockenen Zutaten mischen:

120 g ungesüßte Kokosflocken,
1 Teelöffel Natron (baking soda),
1/2 Teelöffel Backpulver,
1/2 Teelöffel Salz und …

… im Originalrezept standen 2 3/4 cups Mehl, die ich Hirn falsch gelesen habe (240 + 240 + 180 = 660 Gramm). Ich habe statt 3/4 nur 1/4 genommen, also 540 Gramm. Was soll ich sagen? Die Kekse waren prima. Entscheidet selbst, wieviel Mehl ihr in die Schüssel werft.

Die trockenen Zutaten mit den flüssigen mischen und aus dem bröseligen Teig, der stark an Streusel erinnert, so schnell wie möglich kleine Kugeln formen. Diese in Zucker wälzen, auf dem Backblech mit einem Abstand von ungefähr 5 Zentimetern zueinander verteilen und im auf 175° vorgeheizten Backofen acht bis zwölf Minuten backen.

Ich habe einige etwas braun werden lassen, was keine so gute Idee war, da ich es bei dieser Art Kekse so gerne mag, dass sie außen knusprig sind und innen noch leicht zäh. Sobald sie braun werden, werden sie eindeutig zu trocken. Wie bei den Chocolate Chip Cookies auch: Wenn sie so aussehen, als seien sie noch nicht fertig, sind sie fertig.

Bei mir ist nur das erste Blech so schick geworden wie die Fotokekse oben; alle weiteren Kekse sind nicht mehr so schön „zerlaufen“, sondern eher kleine Hügelchen geworden. Ich nehme an, das lag daran, dass der Teig immer wärmer geworden ist bzw. ich ihn eben ewig lange in der Hand hatte. Beim nächsten Mal werde ich den Teig in vier Teile teilen und die gerade nicht benutzten im Kühlschrank lagern, vielleicht bringt das was.

Oder ich mache einfach nur ein Blech. Noch besserer Plan.

Where the Wild Things Are


© Warner Bros.

Where the Wild Things Are (Wo die wilden Kerle wohnen, USA/D 2009, 101 min)

Darsteller/Originalstimmen: Max Records, Katherine Keener, Mark Ruffalo, James Gandolfini, Chris Cooper, Catherine O’Hara, Paul Dano, Forest Whitaker, Lauren Ambrose, Michael Berry Jr.
Musik: Carter Burwell, Karen Orzolek
Kamera: Lance Acord
Drehbuch: Spike Jonze, Dave Eggers
Regie: Spike Jonze

Trailer

Offizielle Seite

Ich hatte mich sehr über die Ankündigung der Buchverfilmung von Where the Wild Things Are (Wo die wilden Kerle wohnen) gewundert, denn das Buch ist wahnwitzig kurz: Ich habe es direkt nach dem Film nochmal aus dem Regal gezogen und in geschätzt zwei Minuten durchgelesen. Was mich allerdings noch mehr gewundert hat: Der Film schafft es wirklich, die kleine Botschaft des Buchs auf anderthalb Stunden aufzublasen, ohne dabei zu langweilen. Oder zumindest fast.

Die Geschichte ist in Grundzügen die gleiche: Der kleine Max streitet sich mit seiner Mutter, die ihn auffordert, still zu sein, was ihm nicht passt, woraufhin er in seinem Monsterkostüm aus dem Haus rennt, an einem See ankommt, der zum Meer wird, das ihn und sein Segelboot zu einer Insel führt, auf der Monster wohnen. Die Wuschelnasen, die ihn um 17 Köpfe überragen, wollen ihn zunächst fressen, aber er kann sie davon überzeugen, ein König zu sein und geheime Kräfte zu haben. So lassen die Monster ihn bei sich wohnen, weil sie hoffen, dass er sie vor Traurigkeit und Einsamkeit beschützt. Woraufhin der neue König versichert, er habe ein Schutzschild, das Traurigkeit abhalten könne. Und da war bei mir der erste Kloß im Hals.

Das Buch lebt von seinen quietschbunten Farben und eben den fantasievollen Monstern, die eher nach Picasso als nach bösen Ungeheuern aussehen. Der Film hält sich ziemlich genau an die 2D-Vorlagen und setzt sie sehr gekonnt in 3D um: Die Viecher (und Viecherinnen) sind eine charmante Mischung aus der Restekiste von Jim Hensons Muppetshow und einem Kinderbastelkurs, wo den Kids leere Klopapierrollen, ne Menge Kleister und ein Haufen Teppichflusen vorgesetzt wurden. Ich habe nicht recherchiert, wieviel von den Fusselnasen CGI war und wieviel echt, weil es mir ehrlich gesagt egal war. Ich fand sie so herzzerreißend flausig, dass ich dauernd in ihrem Fell rumpuscheln wollte. Und dabei sahen sie niemals niedlich aus, also auf Knuddelmarketing im Happy Meal getrimmt, sondern eher zottelig, filzig, dreckig, als ob sie dauernd auf dem Waldboden rumtümmeln und die Hälfte des nadeligen Erdreichs mit in ihre hölzernen Wohnhöhlen schleppen. Kein Wunder, dass man sich da als Kind sofort wohlfühlt. Scheiß auf Geradesitzen und Händewaschen.

Schade, dass der Film sich nicht auch bei den Farben an die Vorlage gehalten hat. Denn aus dem bunten Dschungel wurde eine sehr bräunliche Farbpalette. Alles dämmert in beige, ocker, khaki und umbra vor sich hin, die Monster sowieso, die Erde, die Wüste … ich war selten so glücklich, mal für einen kurzen Moment das Meer zu sehen wie hier im Film. Endlich mal wieder eine andere Farbe, die mich aus der Tristesse dieses Eilands herausgeholt hat. Vielleicht war es auch die Farbigkeit, die mir den Film nach gut einer Stunde ein wenig verleidet hat. Denn wie gesagt, die Botschaft des Buchs ist einen Satz lang: Zuhause ist es am schönsten, und Familie ist toll. Der Film reitet ziemlich auf dem Familienteil rum, und anfangs macht er das sehr, sehr gut: Da klingen die angesprochenen Sätze wie die mit dem sadness shield eben nicht kindisch oder blöd, sondern einfach wundervoll. Und wenn die Monster mit ihrem neuen König ein Fort bauen und alle zusammen arbeiten und sich verstehen und einander helfen, dann macht das den Punkt auch sehr einfach und überhaupt nicht kitschig klar.

Leider versucht der Film, noch ein paar weitere simple Botschaften unterzukriegen: dass manche Freundschaften nur eine Zeit lang halten und irgendwann einfach zuende gehen, dass man mehr aufeinander hören sollte oder dass wir tolerant sein sollten, auch gegenüber Leuten (oder Monstern oder Eulen namens Bob und Terry), die wir erstmal doof finden. Dieser ganze Wust an netten Vorschlägen für eine bessere Welt überfrachtet die Insel ein wenig, und ich hätte mir die Konzentration auf das Wesentliche gewünscht. Where the Wild Things Are zieht sich irgendwann ziemlich dahin, und die braune Einöde macht das Zusehen auch nicht einfacher, und – aber das ist eine sehr persönliche Anmerkung – wenn ausgerechnet das Monster, das irgendwann wütend auf Max wird, die Stimme von James „Tony Soprano“ Gandolfini hat, dann legt das eine sehr angespannte Atmosphäre über die sowieso gerade kippende Stimmung. Ich habe jedenfalls mehrere Minuten darauf gewartet, dass Carol eine Knarre oder einen Baseballschläger zückt und auf italienisch zu fluchen beginnt.

Bis auf diese eine Stimme fand ich alle anderen sehr schön – und auch die Dialoge sind so simpel und geradeaus, das man es ihnen einfach nicht übelnehmen kann, irgendwann dann doch wie eine zu lange Kiffersession zu klingen. Sobald der Film sich entschlossen hat, zum Ende zu kommen, tut er das auch, und das hat mir fast am besten gefallen. Ich hatte irgendwie darauf gewartet, dass das Verschwinden von Max noch aufgeklärt wird, womöglich noch mit dusseligen Dialogen à la „Wo warst du so lange?“ oder dass er einen Unfall hatte, im Koma lag, alles geträumt hätte, was immer man eben so in jahrelangem Soap-Konsum ansammelt an bescheuerten Auflösungen. Netterweise bleibt uns das erspart, und der Film endet genauso konsequent, wie er angefangen hat.

Ein paar weitere Freiheiten nimmt sich die Verfilmung auch noch, aber mit ihnen konnte ich besser leben als mit den Brauntönen und den vielen Sinnsprüchen: Die Monster haben Namen, und immerhin zwei von den sieben (wenn ich richtig gezählt habe) sind weiblich – weswegen ich den Titel gerne in Wo die wilden Wesen wohnen geändert haben möchte, bitte. Besonders die Namen fand ich großartig, weil sie alles andere als großartig waren: Da heißen die unverwüstlichen Herrscher eines Inselreichs eben Judith und Ira und Douglas anstatt, keine Ahnung, Gargamel oder Krimitambo. Vielleicht habe ich ihnen deswegen ihre Sätze einfach so abgekauft, denn wann immer die seltsam benamten Helden und Heldinnen in anderen Fantasyfilmen ihre Weisheiten aufsagen, wird es irgendwann albern. Hier nicht – hier hat der Kontrast zwischen dem fantastischen Äußeren und der belanglosen Bezeichnung alles erden können.

Where the Wild Things Are ist eine gelungene Buchverfilmung, die so viele Facetten der Kindheit in Bilder und Worte fasst wie es nur gelungene Kinderbücher (und Erwachsenenfilme) können. Das wilde Herumtoben genau wie der kleine Platz für sich alleine, der Wunsch nach Freunden genau wie das zufriedene Alleinsein, die Suche nach dem Dazugehören genau wie der Wille zur Abgrenzung. Alles da. Alles gut. Nur eben nicht bunt genug und 20 Minuten zu lang.

Der Bechdel-Test:

1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.

1. Wir haben die Mutter, Max’ Schwester (die allerdings stumm bleibt) und zwei weibliche Monster, die ich jetzt einfach mal unter „Frauen“ verbuche. Leider reden diese Monsterinnen recht wenig miteinander; bis auf ein paar schnippische Worte kann ich mich an keinen vernünftigen Dialog erinnern.

Test bestanden? Nein.