Der Ausstellungskatalog aus Frankfurt lag im Briefkasten. Darin ist mein Blogeintrag abgebildet, die Tagebuchhölzer von Opa und ein großes Foto von ihm, wie er eine Holzmiete aufschichtet.

Ich flenne gerade ein bisschen und male mir mit Schrecken aus, wie das sein wird, wenn die ganze Familie Gröner vor dem Schaukasten steht.

(Taschentücher einpacken.)

Amüsantes, intimes, schönes Interview mit Rolando Villazón aus der Zeit.

ZEIT: Sie beschreiben Ihre Stimme immer als ein wildes Pferd.

Villazón: Von dem ich verlange, dass es seine wilden Seiten behält und gleichzeitig mir gehorcht. Wenn ich sage: rechtsrum, dann muss es rechtsrum gehen. Mein Ideal ist, dass wir zu einem Zentauren verschmelzen, man sieht nicht mehr, wo der Mensch beginnt und wo das Pferd. Und jetzt war es so, dass mein Pferd gekränkt war. Ich musste sein Vertrauen wieder zurückgewinnen. Der Arzt sagte: Du brauchst fünf Wochen Pause. Und ich kam nach Hause und sagte: Ich brauche fünf Monate Pause. Die Stille ist Teil der Musik. Am Ende habe ich wieder etwas Zucker in meine Hand gelegt und fast geweint, als das Pferd zurückkam und mir wieder aus der Hand fraß. (…)

Villazón: Singen und Literatur, das waren meine Leidenschaften von Anfang an. Ich hatte immer das Gefühl, dass man mit der Literatur die Seele der Menschen viel direkter ansprechen kann.

ZEIT: Was suchen Sie in der Literatur?

Villazón: Vergnügen. Früher hätte ich gesagt: Erkenntnis. Weisheit. Tatsache aber ist, dass ich all das vergesse, wenn ich lese. Auch wenn ich immer eifrig unterstreiche.

ZEIT: Was unterstreichen Sie?

Villazón: Dinge, mit denen ich einverstanden bin, und Dinge, mit denen ich nicht einverstanden bin. Aber im Grunde ist es eine Art von Besitznahme des Buches, ich muss Bücher fühlen, ich muss sie riechen, sie mit Kaffee beflecken, dann wird das Buch zu meinem Freund. Ich spreche mit den Büchern, ich diskutiere mit ihnen. Deshalb hasse ich auch Schmuckausgaben und gebundene Ausgaben. Ich liebe Taschenbücher. (…)

Villazón: Meine Frau sagte: „Ich glaube, dass in dir ein großes Potenzial steckt, aber du stellst dir selbst ein Bein. Um das Beste aus dir herauszuholen, solltest du das tun.“ Ich sagte: „Nein!“ Und bin einen Monat später doch hingegangen. Zu Alejandro Radchik – mehr als seinen Namen weiß ich über ihn nicht, wie es sich für einen freudianischen Analytiker gehört. Ich hoffe nur, dass wir eines Tages zu einem Ende kommen.

ZEIT: Wenn sogar Woody Allen zu einem Ende gekommen ist, sollten Sie das auch schaffen.

Villazón: Und das Ergebnis war, dass er seine Adoptivtochter geheiratet hat, ohne Gewissensbisse zu haben! Wissen Sie, man sagt: Wenn eine Eidechse zum Analytiker geht, dann kommt sie nicht als Krokodil raus, sondern als analysierte Eidechse!“

I’m in love with a robot. Und ich nerve meine Umgebung seit Wochen mit einem gequietschen „Woooaaaalllliiiiii!“

“If you don’t speak French by the way, all that was fucking funny.”

(Danke, Gerd)

“This is your life!”

Ich bin gerade total auf dem (Auto-)Biografien-Trip. Ich habe zwar schon früher ab und zu Bücher über das Leben anderer Leute gelesen, aber im Moment les ich nix anderes.

Die ersten zwei Biografien, an die ich mich erinnere, waren über Truman Capote und Ernest Hemingway. Beim Hemingway weiß ich sogar noch, wo ich sie gelesen habe, nämlich ca. 1992 auf einer Nilkreuzfahrt. Die ganzen schönen Stops an Tempeln, Pyramiden und Irrsinn wie Abu Simbel haben mich in jeder Sekunde begeistert, aber die Fahrten dazwischen fand ich irgendwann eher dröge. Wüste, Dörfchen, Wüste, Palmen, Wüste, Esel … okay, hab’s kapiert. Da les ich doch zwischendurch lieber was.

Dank einer Bertelsmann-Buchclub-Mitgliedschaft (file under: Als Anke sich noch von wildfremden Menschen in Fußgängerzonen aufhalten ließ) stehen auch die Autobiografien von Hella von Sinnen und Michael Jackson in meinem Regal. Hella fand ich sehr nett (the only gay in the village), an Herrn Jackson habe ich keinerlei Erinnerungen.

Die Richard-Wagner-Biografie habe ich in Bayreuth dabeigehabt, die von Billy Wilder hat mir mein Papa mal geschenkt, die Autobiografie von Jehan Sadat meine Mutter, die von Camryn Manheim hab ich wegen des Titels gekauft und geliebt (Wake up, I’m fat!), die von Bill Clinton war grottenlangweilig, während die von Hillary sehr spannend war.

Ebenfalls gut weglesen ließen sich die selbst verfassten Lebensgeschichten von Jane Fonda und Marcel Reich-Ranicki. Im letzten Jahr habe ich mich dann endlich an die Hitler-Biografie von Fest gewagt, die mich auch über ein halbes Jahr beschäftigt hat. Ich musste das Buch ab und zu mal weglegen, um was zu lesen, was bessere Laune macht, bin seitdem aber völlig gierig nach Nachschub.

Direkt nach dem Gröfaz habe ich die Biografie über Romy Schneider von Michael Jürgs gelesen – was keine gute Idee war. Fest hat einen ganz eigenen, sehr lesbaren Stil, während Jürgs’ Buch wie eine billige Stern-Serie klingt (vielleicht war es das sogar mal, keine Ahnung). Zwischen reinen Beschreibkapiteln („Dann hat Romy diesen Film gedreht und mit jenem Mann geschlafen“) hat er total peinliche Einschübe gepackt, die von einer Journalistin handeln, die nach Romys Tod nach Spuren ihres Lebens sucht. Ging gar nicht.

Gestern hatte ich dann die Biografie über Winifred Wagner von Brigitte Hamann durch. Ließ sich sehr gut lesen und hat mein Wagner-Bild sehr verdichtet. Ich glaube, jetzt les ich den Gregor-Dellin noch mal. Und vielleicht endlich mal die Cosima-Tagebücher.

In meinem Regal warten noch ein paar (Auto-)Biografien auf mich, die ich vor ewigen Zeiten mal gekauft, aber bisher noch nicht gelesen habe. Zum Beispiel Willy Brandt, Franz-Josef Strauß, Thomas Mann, Marlene Dietrich, Bertha von Suttner und Frank Beyer. Lenin und David Ben Gurion hab ich meinen Eltern aus dem Regal geklaut, aber sonst noch nicht weiter angefasst. Im Regal stand auch noch das eher anstrengende Holt Hartmann vom Himmel!das hab ich allerdings gelesen. Bei Mein Kampf (zählt das als Autobiografie?) habe ich aber nach 80 Seiten abgeschenkt.

Die Biografien über J.R.R. Tolkien und Paul Bowles lagen mal in einem dieser berüchtigten Zweitausendeins-Pakete („20 Bücher für 10 Mark“) und werden von mir wohl nie gelesen werden. Dafür war die von Dieter Bohlen sehr unterhaltsam. Kann ich leider nicht anders sagen.

Und auf dem Wunschzettel lungern bereits Ulrike Meinhof, nochmal Romy Schneider (diesmal von Alice Schwarzer), Richard Nixon und Wolfgang Amadeus Mozart rum.

Hoffentlich bucht mich so schnell niemand.

Sich selbständig zu machen, scheint gerade in zu sein: Bitte besuchen Sie Frau Häufler (oder ihr schickes Blog affectionista).

Der bisherige Lieblingstweet dieses Monats kommt von Maike.

American Gangster

Hach, schönes Ding. Manchmal gibt es ja Filme, die keine so wahnsinnig tolle Geschichte erzählen oder keine, die man nicht schon mal gesehen hätte, die aber trotzdem fesseln, unterhalten, Spaß machen und sogar Bewunderung hervorrufen. American Gangster ist einer von diesen Filmen.

Die Story: Denzel Washington (der sich gleich fünf Sekunden nach der Aufblende mittels Benzin und Feuerzeug als „der Böse“ zu erkennen gibt) spielt einen Drogenboss in New York 1968, der das Monopol der italienischen Mafia bricht, indem er Heroin direkt und ohne Mittelsmänner aus Vietnam schmuggelt – in den Särgen getöteter Soldaten. Sobald die Polizei mitbekommt, dass es ihn gibt, interessiert sie sich gleich in zweifacher Weise für ihn: Die einen wollen Prozente von seinen Geschäften abbekommen, und eine kleine Task Force will ihn stattdessen zur Strecke bringen. Einer der Männer der Task Force (gespielt von Russell Crowe) hat sich schon intern bei der damals fast vollständig bestechlichen Polizei unbeliebt gemacht, weil er eine Million Dollar als Beweismittel dokumentiert hat anstatt sich erstmal anständig zu bedienen.

In American Gangster treffen so zwei absolut unterschiedliche Lebenseinstellungen aufeinander, ohne dass sich die beiden Hauptakteure wirklich begegnen. Erst fünf Minuten vor Schluss dürfen sich Crowe und Washington die Leinwand teilen. Davor sehen wir ihnen gespannt bei der Arbeit zu. Beide sind gewissenhaft, direkt, haben Familie – vor allem der Hintergrund hat den Film so gut gemacht. Die Ausstattung ist hervorragend, selbst das Erzähltempo fühlt sich an wie vor 40 Jahren. American Gangster verzichtet auf die heute üblichen Blitzkriegcuts und wagt es stattdessen, eine Geschichte in der ihr zustehenden Ausführlichkeit zu erzählen, ohne Abkürzungen zu nehmen. Und nebenbei kann man zwei wunderbaren Darstellern bei einem sehr eindringlichen, aber nie aufgesetzten Spiel zuschauen.

La Môme

Biopic über Edith Piaf mit der gerade Oscar-prämierten Marion Cotillard in der Hauptrolle. La Môme (La Vie En Rose) erzählt das Leben des Spatz’ von Paris nicht linear, sondern springt ständig hin und her – vom Zusammenbruch auf der Bühne zum Bordell ihrer Großmutter, wo sie einige Jahre als Kind verbrachte, vom Dinner mit ihrem Geliebten zur Diva kurz vor ihrem Tod.

Das macht den Film einerseits sehr spannend, weil man viele Dinge besser einordnen kann, wenn man weiß, wo sie hinführen. Das macht ihn aber gleichzeitig etwas unbefriedigend, weil manche Geschichten nicht zuende erzählt werden; manche Figuren verschwinden einfach oder sind plötzlich da, ohne dass man weiß warum. Einige Dinge, wie der Tod der einzigen Tochter, werden irgendwie gehetzt abgehandelt, als ob man sicher gehen wollte, das Wichtigste drin zu haben, egal, ob es zum Rest des Films passt oder nicht.

Trotzdem hat mir La Môme gut gefallen. Zum einen wegen der wirklich fantastischen Cotillard, der man bei jedem Wort und jeder Geste anmerkt, dass sie gerade ihr ganzes Herz hineinlegt. Zum anderen natürlich wegen der chansons, von denen viele im Hintergrund „versendet“ werden, ohne dass es wie Verschwendung aussieht. Auch wenn zum Schluss der große Heuler Non, je ne regrette rien wirklich zum extrem schamlosen tear jerker aufgebaut wird. Hat bei mir natürlich Eins A geklappt. Rotz und Wasser.

Eastern Promises

In Eastern Promises (Tödliche Versprechen) treffen zwei Welten aufeinander: die der russischen Mafia in London und die einer Hebamme, der eine hochschwangere 14-Jährige unter den Händen verblutet. Ihr Kind überlebt, und die Hebamme (Naomi Watts) sucht nun den Vater. Das Mädchen hat ein Tagebuch auf russisch geschrieben, in dem eine Karte eines russischen Restaurants liegt. Naomi geht in dieses Restaurant – und ist mittendrin in einer Geschichte von sich bekämpfenden Banden, eines Vater-Sohn-Konflikts und, wie fast immer bei David-Cronenberg-Filmen, einer Menge Blut.

Der Film erzählt seine Geschichte sehr gradlinig, zeigt sehr viel, deutet aber genauso viel an, was unter der Oberfläche brodelt. Armin Mueller-Stahl als Familienoberhaupt, Vincent Cassel als sein Sohn und Viggo Mortensen als Fahrer und Mann für alles kämpfen sich erfolgreich durch viele russische Dialogzeilen und zeichnen ein sehr abstoßendes Bild einer Familie, die vordergründig gutes Essen und Geigenmusik liebt und im Hinterzimmer kleine Mädchen verkauft.

Die Spannung und Emotionalität bezieht der Film aus den unterschiedlichen Lebensentwürfen, die mal freiwillig, mal absolut unfreiwillig entstehen, und dass die beiden nur eine Straße oder eine Tür voneinander getrennt sind. Zusätzlich schleppen Mortensen und Cassel beide ein Geheimnis mit sich herum und man wartet die ganze Zeit darauf, dass es hervorbricht, sich seinen Weg bahnt, um den Film in eine andere Richtung zu lenken.

The Brave One

Schwierig. The Brave One (Die Fremde in dir) handelt von Erica (Jodie Foster), die bei einem Überfall schwer verletzt wird, während ihr Freund stirbt. Nach monatelanger Zurückgezogenheit traut sie sich wieder auf die Straße – aber ihr erster Weg führt in einen Waffenladen, um sich eine Pistole zu kaufen. Angeblich um sich sicher zu fühlen, was ja gerne ein Trugschluss ist.

Es kommt, wie es kommen muss: Das erste Mal schießt sie zur Selbstverteidigung, das zweite und dritte Mal legt sie es darauf an, jemanden zu erschießen und schließlich mordet sie bewusst aus dem irrigen Gefühl heraus, die Person habe es verdient zu sterben.

The Brave One rührt an ganz fiese archaische Gefühle. Vom Kopf her musste ich mir die ganze Zeit sagen, nein, das ist böse, was die gute Frau Foster da anstellt, aber der Bauch grummelte hörbar dagegen: Wenn mir jemand sagt „Have you ever been fucked by a knife?“, würde ich ihm auch gerne was verdammt Schmerzhaftes zufügen wollen. Das „Dumme“ ist auch, dass Foster recht selten als verrückter Racheengel rüberkommt, die jetzt die Stadt in Grund und Asche ballern will. Dann könnte man sich prima auf dem moralisch-gefestigten hohen Ross bewegen und sagen, nein, nein, Jodie, das überlass doch bitte dem Staat, sich um die bösen Jungs zu kümmern. Aber sie erscheint eben meistens wie eine Frau, die etwas Schreckliches erlebt hat und nun schlicht etwas dagegen tut. Dass unser Rechtssystem so nicht funktioniert, wird einem im Laufe des Films klarer und klarer; anfangs habe ich persönlich schon manchmal ganz, ganz leise gedacht: Richtig so. Nur um mir dann sofort zu sagen, nein, nicht richtig so. Aber irgendwie dann eben doch. Schwierig.

Wenn alle Mitlesenden aus deutschsprachigen Werbeagenturen bitte mal hier klicken würden? Ganz lieb, danke. (Keks?)

Die letzte Franzackigstunde vor den Osterferien („Osterferien? Warum zum Teufel achten wir denn auf Osterferien? Sind wir zwölf?“) war doof, weil die Kursteilnehmerin, die mich sowieso am meisten nervt, weil sie die ganze Zeit quatscht, nicht müde wurde, über mein iPhone zu lästern („Spielzeug!“ – „Das ist kein Spielzeug, das ist mein Handy.“ – „Natürlich ist das Spielzeug.“ usw.). Außerdem habe ich keinen Unterschied zwischen dem Laut gehört, den man macht, wenn man orange ausspricht und dem, den man macht, wenn man Jean ausspricht. Dsch. Sch. Who cares. Hauptsache, ich weiß, wie’s klingen muss, mir doch egal, wie die Lautschrift aussieht.

Aber: Bei einem Text konnte ich total den Checker machen, weil darin das Wort marché aux puces vorkommt (Flohmarkt). Und ich wusste es, weil ich ein Blog lese, das la puce heißt und bei dem ich im „About“ mal nachgeguckt und es mir anscheinend gemerkt habe, was es bedeutet.

Was haben wir bloß ohne Weblogs gemacht?

(erweiterbar auf: Google, Internet, Telefon, Video 2000, Supermärkte, das Feuer, das Rad.)

Dietmar Gottschall, Fotografien 1965–1980.

„Bild für Bild: Wie ein junger Münchner aus 10 000 Fotos das Leben seines Vaters rekonstruiert. Jahrelang schlummert das Erbe von Juri Gottschalls Vater in unscheinbaren Pappkartons auf dem Speicher – ein vergessener Schatz. Als der Wirtschaftsjournalist vor zehn Jahren stirbt, hinterlässt er seinem Sohn über 10.000 Negative von Schwarz-Weiß-Fotografien. Der 28-jährige Münchner hat sie wiederentdeckt und nun eine Internetseite eingerichtet, auf der er die Bilder seines Vaters zeigt.“ (jetzt.de)

(via Saxanas Notizen)

Der neue Hase heißt

(Lache seit fünf Minuten. Kann nicht mehr aufhören.)

Edit, eine Stunde später: Klicke immer noch bei Flix rum. Muss sofort alle Bücher kaufen. Verdammtes Internet.