Favorite Entries 2002

31.12.2002
Oh ... pain ... you again.

Sometimes life just seems to be a reflection. On a drink, on my tears, on a slippery surface I am sliding on downwards.
And whenever I want to hold on to something, life retreats. Again. The reflection disappears. And there is nothing left.
Something has to make this stop someday.
Someone has to make this stop someday.
While I keep on falling
deeper
down
into the dark
I reach out. But my hands find nothing.
Life has failed me again.
Why keep reaching out?
Why bother?

Hört das denn nie auf?
Wenigstens ist dieses Jahr heute rum. Gut so. Hau ab. Can't wait for the fucking next one. And, please, don't tell me everything is going to be different. Cause it won't. Because if I don't change, nothing else will change. And right now, I don't have the strength to change. So leave me alone. You were always perfect in doing just that.




18.12.2002
They sentenced me to twenty years of boredom
For trying to change the system from within
I'm coming now, I'm coming to reward them
First we take Manhattan, then we take Berlin

I'm guided by a signal in the heavens
I'm guided by this birthmark on my skin
I'm guided by the beauty of our weapons
First we take Manhattan, then we take Berlin

I'd really like to live beside you, baby
I love your body and your spirit and your clothes
But you see that line there moving through the station?
I told you, I told you, told you, I was one of those

Ah you loved me as a loser,
but now you're worried that I just might win
You know the way to stop me, but you don't have the discipline
How many nights I prayed for this, to let my work begin
First we take Manhattan, then we take Berlin

I don't like your fashion business mister
And I don't like these drugs that keep you thin
I don't like what happened to my sister
First we take Manhattan, then we take Berlin

And I thank you for those items that you sent me
The monkey and the plywood violin
I practiced every night, now I'm ready
First we take Manhattan, then we take Berlin

Ah remember me, I used to live for music
Remember me, I brought your groceries in
Well it's Father's Day and everybody's wounded
First we take Manhattan, then we take Berlin

First we take Manhattan, Leonard Cohen




21.11.2002
So. Ich habe eben alle meine Lieblingsfilmlinks abgesurft und nirgends – in Worten: nirgends – eine verwertbare Story gefunden. Hm. Was tun? Was schreiben? Hm.
Ich bin faul. Ich greife heute einfach mal auf das zurück, was ich in den letzten Jahren am 21. November in meine Tagebücher gemalt hab. Dann mal los:

21. November 1995
Seit A. geht es mir richtig gut. Except that I'm having a big, fat cold and no voice anymore. Endlich habe ich eine Bestätigung, dass nicht nur O. mir mal zu Füßen gelegen hat, sondern dass auch andere Männer durchaus meinem seltsamen Charme erliegen können. Außerdem passen meine helle Jeans und mein Apricot-Kostümchen ... naja, sie gehen zu, könnten aber noch etwas lockerer sitzen. Aber immerhin. S. hat mich neulich auf etwas aufmerksam gemacht. Ihr ist aufgefallen, dass ich meine Lebensabschnitte augenscheinlich nach Gewicht sortiere und nicht nach Jahren, Freunden, Beziehungen oder sonstwas. Das war mir noch nie bewusst. Wieder ein Eintrag in der Rubrik „Das machen alle anderen nicht auch so?"
Ansonsten liebe ich mein Motorrad, bin soweit, K. zu verachten und gleichzeitig zu bedauern, werde mich aber trotzdem zu einer Geburstagskarte hinreißen lassen und habe Cold Blooded (recht ordentlich) und Species (unterirdisch schlecht, aber mit Michael Madsen) gesehen.
Gestern war Robin Williams bei Jay Leno: „I love Siegfried and Roy – their trousers are so tight you can tell which religion they are.“


21. November 1996
U. and me started a new writing project. One of us picks a topic or theme, and we both write about it. We have one week to write, then we mail it, so that nobody is influenced by the story of the other one. Tonight, I mailed her my frist draft. The theme was Red (Rot). My suggestion, though I had no idea what would come out of it. I am very excited to read U.'s story/paper/letter ... we didn't limit our ways of expression.
Nothing else happened today: I saw my dermatologist, skipped a Wagner opera and watched Love Field and True Romance on TV instead.


21. November 1997
Komme mal wieder besoffen aus dem Alex nach Hause. Es ist 4.30 Uhr, ich hatte um 2 Uhr Feierabend und dieser grüne Stift ist doch nicht so toll, wie ich gedacht hatte.
Nach dem Feierabend-Kilkenny bin ich noch in die Marlene gegangen, weil ich wusste, dass S. da gearbeitet hat. Er war auch noch da und fragte, ob ich noch auf ein Bier mit hochkommen würde. Aber sicher. Aus einem wurden drei Biere und ein Bauernomelett. Jetzt bin ich pappsatt und betrunken. Aber wenn ich schon ein Drogenproblem habe, dann wenigstens mit legalen Drogen.


Um den 21. November 1998 herum
Selbst die Uni macht mir nicht soviel aus wie ich gedacht hab. Ich bin fasziniert vom Hobsy-System der hannoverschen Bibliotheken. Ich kann mir im Internet Bücher vormerken lassen und brauche sie nur abzuholen. Trotzdem bevozuge ich Präsenzbibliotheken, da ich einfach gerne in Büchern wühle.
Ich vermisse Karl ein bisschen. Bei allem, was ich tue, überlege ich mir, wie es durch seine amerikanischen Augen aussehen würde. Aber vielleicht ist das gar nicht auf Karl beschränkt, sondern es fehlt generell mal wieder eine Ansprechperson.
Kiefer war heute bei Conan. Er ist schnuckelig, aber irgendwie langweilig. Das mit dem Tattoo sollte eine Diätmotivation sein, aber ich glaube, ich lasse es doch lieber. Vielleicht James Deans Signatur auf der Schwabbelhüfte? Naaaa ...
's ist Vollmond.


1999 ist irgendwie ausgefallen. War auch ein komisches Jahr.


21. November 2000
Won't you be my number two
Me and number one are through
There won't be too much to do
Just smile when I feel blue

And there's not much left of me
What you get is what you see
Is it worth the energy
I leave it up to you

And if you got something to say to me
Don't try to play your funny games on me
I know that it's really not fair of me
But my heart's seen too much action

And every time I look at you
You'll be who I want you to
And I'll do what I can do
To make a dream or two come true
If you'll be my
If you be my number two

Be My Number Two, Joe Jackson

November 2001 war ich mit Reha beschäftigt und eher auf Krücken als mit nen Stift unterwegs.

Schon sind wir wieder in der Gegenwart. 1000 Jahre sind ein Tag. Und obwohl ich heute besser schreiben kann, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch, bin ich anscheinend seit sieben Jahren derselbe Mensch mit denselben Problemen: Essen, Filme, Kerle.
Ist das jetzt gut oder schlecht?




14.11.2002
Ich war eigentlich nie ein besonders glücklicher Mensch. Schon als Kind war ich lieber alleine, hab mir selber Geschichten erzählt, hatte vor allem Angst, und auf Fotos sehe ich immer aus, als würde mir jemand eine Knarre an den Kopf halten.
Auch in der Pubertät wurde das nicht anders: Ich hatte kaum Freunde, keine Clique, war immer noch lieber alleine, hab viele deprimierende Tagebucheinträge gemacht und fand die ganze Welt ziemlich unheimlich. Ich habe sehr viel gelesen und war lieber in der Bücherei als auf dem Sportplatz oder auf Partys. Meistens bin ich da eh nie eingeladen worden, weil ich recht selten mit Leuten in der Schule geredet habe. Ich hatte so meine drei, vier Bezugspersonen, mit denen man die große Pause verbringen konnte, aber das war's dann auch. In der Schule war ich eh der Freak, weil ich immer die Klamotten meiner älteren Cousine aufgetragen habe und so modisch immer locker drei Jahre zu spät dran war.
Ich weiß bis heute nicht wieso, aber mit 17 hatte ich meinen ersten Freund und mit ihm auch seinen Freundeskreis. Er war der erste, der mir irgendwann mal gesagt hat, dass ich manchmal ein bisschen komisch drauf komme. Dieses Sehr-nah-am-Wasser sein, diese Angst vor allem, der ständige Selbstzweifel, die mangelnde Entschlusskraft ... wir hatten noch keinen Namen dafür. Irgendwie liefen alle Ratschläge von Freunden und meinen Eltern immer auf „Du musst nur mal den Arsch hochkriegen“ hinaus. Was es natürlich nicht einfacher macht, wenn man im Bett liegt und nicht mal die Kraft hat, aufzustehen.

Ich hatte immer das Gefühl, dass alle anderen an mir vorbei erfolgreich werden, dass alle immer wissen, wo's langgeht und vor allem, wie man da hinkommt. Und ich hab mich immer schlechter und kleiner und dümmer gefühlt, weil ich es nicht wusste. Und so hab ich mein Talent jahrelang in der Kneipe verschwendet, weil ich einfach nicht glauben konnte, überhaupt ein Talent zu haben. Meine Freunde haben mir das zwar immer wieder gesagt, aber hey, das sagen die doch nur, weil sie mir nicht weh tun wollen. In Wirklichkeit bin ich eine lausige Schreiberin, total hässlich, doof und unbeliebt.

So habe ich brav eine Essstörung entwickelt, keinen Job mehr auf die Reihe gekriegt und saß schließlich nur noch heulend in irgendwelchen Ecken. Und endlich war der Leidensdruck groß genug zu sagen: Hilfe. Ich kann nicht mehr. Ich weiß überhaupt nicht mehr, was mit mir los ist, warum ich an allem verzweifele und wie ich aus diesem tiefen, tiefen Loch wieder rauskomme, in dem ich gerade hocke.

Es ist immer schwierig, jemandem zu erzählen, was Depressionen bedeuten, weil die meisten Menschen auf diesen hilflosen Unterton genauso reagieren wie meine Freunde und Eltern vor Jahren: Kopf hoch, wird schon, blablabla. Das ist ja sicher gut gemeint, aber es ist leider genau das, was man nicht hören will – und was man vor allen Dingen gar nicht befolgen kann. Depressionen fühlen sich an, als ob ein ganzer Lastwagen auf dich zufährt, dich unter sich begräbt und dann auf dir stehen bleibt. Du kannst in manchen Momenten kaum noch atmen vor Schmerz. Oder du wirst plötzlich umgeben von einer Welle von Traurigkeit, die ohne jede Vorwarnung und vor allem ohne jeden Grund einfach so plötzlich da ist und dich überspült. Du bist diesen Gefühlen, dieser Angst, dieser Lähmung völlig hilflos ausgeliefert. Und kein sinnvolles Argument wie „Du hast doch schon mal was Gutes getextet, dann kannst du das auch noch mal“ wird dich davon überzeugen, jemals wieder einen sinnvollen Satz schreiben zu können. In diesen Momenten glaubst du, ganz klein und wertlos zu sein und auch keine Chance zu haben, es ändern zu können. Du zweifelst jede deiner Entscheidungen an, bist aber auch nicht fähig, eine andere zu treffen.

Es gab Tage, an denen ich in meinem Wohnzimmer auf dem Fußboden gelegen habe, leergeweint an die Decke geguckt und gewartet habe, dass die Welt einfach aufhört, damit auch der Schmerz und diese übermächtige Verzweilfung in mir aufhören. Und in solchen Momenten hat man nicht mal die Kraft, sich die Tränen abzuwischen. Geschweige denn, den Arsch hochzukriegen.

Ich habe vor knapp zwei Jahren eine Psychotherapie begonnen, die am Anfang ziemlich schmerzhaft war. Eigentlich bin ich aus jedem Gespräch sehr erschöpft und total ausgeheult rausgegangen. Aber gleichzeitig hat mir meine Therapeutin immer etwas mitgegeben. Einen Satz, eine Technik, eine Eselsbrücke, an die ich mich erinnern sollte. Und je länger ich bei ihr war, desto mehr war ich plötzlich davon überzeugt: Ja, klar bin ich nicht doof. Natürlich kann ich etwas. Ich bin nicht nutzlos. Ich muss diesen Schmerz nicht in Kauf nehmen – ich kann etwas dagegen tun. Und allmählich ging es mir besser, und ganz plötzlich ging es mir gut. So gut, wie noch nie in meinem Leben. Auf einmal hat alles funktioniert, ich hatte gute Laune, war motiviert, hab meine Ernährung in den Griff gekriegt ... Wahnsinn. Ich hab mich selbst kaum wiedererkannt. Aber es hat sich GROSSARTIG angefühlt.

Und dann kam der Bandscheibenvorfall. Die lange Krankheitsphase, die OP, die Reha, der ganze Scheiß, der noch nicht wieder weg ist und vielleicht nie wieder weggehen wird. Und erst seit ein paar Wochen – eigentlich erst seit ein paar Tagen, an denen ich mich wieder jeden Abend in den Schlaf geweint hab und an denen ich meist völlig blöd an meinem Rechner sitze und keine einzige gute Zeile rauskriege – erst jetzt merke ich, dass sich die alten Gewohnheiten, der alte Zweifel, die alte Anke wieder ganz heimlich und leise an mich rangeschlichen haben. Auf einmal kostet alles wieder fürchterlich viel Kraft. Auf einmal tut alles wieder fürchterlich weh. Und auf einmal möchte ich wieder unter meiner Bettdecke bleiben, bis alles da draußen nichts mehr von mir will.

Ich habe gestern ein wenig mit jemandem telefoniert, der meine Situation kennt und sich vor allem selber in einer ähnlichen befindet. Ich denke, ich werde auf seinen Rat hören und mal wieder um Hilfe bitten. Ich habe zu hart gearbeitet, als dass mir diese Scheißkrankheit jetzt alles versaut. Ich will zur Autorenschule. Ich will an meinem Job wieder Spaß haben. Und ich will vor allem nicht wieder dieses ängstliche, verzweifelte Etwas sein, das ich einmal war.

Ich kann einfach nicht schnell genug vor mir wegrennen.
Ich hole mich immer wieder ein.




09.11.2002
Am 9. November ist in der deutschen Geschichte ja bekanntlich ne Menge passiert. Ich beschäftige mich im Folgenden mal mit dem, der uns im Endeffekt die deutsche Einheit beschert hat. Und ich meine „beschert“ hier im positiven Sinn. Nur, um das mal von Anfang an klar zu machen.

Ich bin immer im dem Bewusstsein aufgewachsen, dass es zwei Deutschlands gibt, dass eine Mauer Berlin trennt, dass man immer ein Visum braucht, wenn man seine Verwandten in Thüringen besuchen wollte, dass man seine schönen D-Märker in diese komischen Aluchips tauschen musste und dass man grundsätzlich am Ende des Urlaub viel zu viel davon in der Tasche hatte und sie einfach nicht loswurde, weil alles so billig war. Das führte zu Hamsterkäufen in Buchhandlungen und Schreibwarengeschäften. Ich habe heute noch Schulhefte aus der DDR und Das Kapital in Leder gebunden. Damals für lausige 23 Ostmark gekauft. Dazu die ganzen Schriften von Lenin, Das kommunistische Manifest in einer Schmuckausgabe und und und.
Auf jeden Fall war für mich klar, dass die Wiedervereinigung eine alberne Utopie von Ewiggestrigen war, die irgendwelchen großdeutschen Träumen nachtrauerten. Ich arrangierte mich mit dem Gedanken, dass es uns als Deutsche eben zweimal gab, machte sehr unterhaltsame Bildungsreisen in die DDR und fühlte mich immer so, als ob ich ins Ausland fuhr. Vom Gefühl her waren mir meine Landsleute zwar irgendwie näher als zum Beispiel die Dänen oder die Franzosen, aber sie waren eben doch eigentlich Ausländer. Ganz komisch.
Trotzdem wurde einem natürlich bei jedem Besuch der DDR bewusst, wie nah wir uns doch standen, ganz einfach aus dem simplen Grund, dass wir dieselbe Geschichte hatten. Jedenfalls bis 1949, als zwei deutsche Staaten gegründet wurden. Aber die ganzen Grundlagen, wie ich sie mal nennen will, die Literatur, die Musik, die Mentalität – das war alles gleich. Das gehörte uns beiden. Und deshalb habe ich mich in der DDR gleichzeitig wie ein Ausländer und wie ein Einheimischer gefühlt.

Am stärksten ist es mir bei einem Besuch in Leipzig aufgefallen. Unsere Jugendgruppe besichtigte im Schnelldurchgang das Bachhaus, denn danach war Freizeit angesagt. Während die anderen durch die Innenstadt zogen, gingen Elisabeth (eine Mitreisende) und ich nach nebenan in die Thomaskirche, wo zu unserem Entzücken die Thomaner gerade eine Runde Bachmotetten zum Besten gaben. Die Kirche war nicht besonders gut gefüllt; ich saß ganz still und zufrieden da, guckte nach vorne, hörte diesen wunderschönen Stimmen zu und fühlte mich auf einmal ganz zuhause, ganz wohl und aufgehoben. Und in diesem Moment wurde mir die ganze Absurdität der deutschen Teilung sehr schmerzlich bewusst. Dass man nicht einfach mal so von Hannover nach Leipzig fahren konnte, um ein Konzert zu besuchen, weil es mit wahnsinnigem, überflüssigem Bürokratenquatsch verbunden war. Oder, noch schlimmer, dass kein einziger Leipziger mal eben nach Hannover fahren konnte, um sich da ein Konzert anbzuhören. Oder nach Hamburg. Oder nach München. Oder nach Frankfurt.

An diesen Moment in der Leipziger Thomaskirche musste ich denken, als ich die Bilder von den Montagsdemos sah. Die Bilder von Genscher auf dem Balkon in der Prager Botschaft. Die Bilder der Menschen, die sich an die Züge klammern, die durch Dresden fuhren. Die Bilder der ersten Ankömmlinge in Bayern. Und schließlich die Pressekonferenz, die aus Versehen das Ende der DDR besiegelte. Die Bilder aus Berlin, als plötzlich die Glienicker Brücke voll mit Menschen war, die sich in die Arme fielen, die Schlange der Trabbis, die über die Grenzübergänge fuhr, einfach so, einfach so, verdammt. Und immer wieder die Worte dazu: „Wahnsinn. Wahnsinn.“ Ich neige ja dazu, alberne Catch Phrases zu verdammen, aber das Wort lasse ich gelten. Ich hab auch kein besseres.

Ich heule bis heute, wenn ich diese Bilder wieder sehe. Ich weine jedesmal, wenn ich den Satz höre: „40 Jahre haben wir darauf gewartet.“ Und ich finde es großartig, was passiert ist. Ich habe einen Heidenrespekt vor jedem einzelnen, der damals auf die Straße gegangen ist. Ich bin ein Weichei; ich weiß nicht, ob ich den Mut aufgebracht hätte. Und ich freue mich einfach darüber, dass es diese menschenverachtende Grenze nicht mehr gibt, die Mauer, die blöden Aussichtstürme, mit denen man in den Osten gucken konnte, und die immer neuen Exponate im Museum am Checkpoint Charlie, die von misslungenen Fluchtversuchen erzählten.

Mein erster Besuch der nun neuen Bundesländer führte mich nach Leipzig. In die Thomaskirche. Die Thomaner haben gesungen. Und ich habe bloß noch Rotz und Wasser geheult und mich gleichzeitig gefreut wie über sonst gar nichts.




02.11.2002
Ist mir gestern wieder aufgefallen:
Ein Satz, den Kreative an Kontaktern hassen: Das kann doch nicht so schwer sein.
Ein Satz, den Kontakter an Kreativen hassen: Das musst du jetzt nur noch dem Kunden verkaufen.




29.10.2002
Right now, weirdos are planning to infiltrate my brain with really fucked up advertising strategies, my patience is reaching a historic low, and people that I work with may be as tired as I am.
I'm Head of the Suck up-Department Anke Gröner.
Today is going to be the longest day of my life.



19.10.2002
There’s no place I feel safe. Except for every movie theater in the world.
It’s a comforting feeling when the lights go down. People change from talking in their normal volume to whispering. Everything seems to stop for a moment. And in this small fraction of time my expectation grows beyond everything I ever imagined.
I want the world.
And here it comes: The first sound, the first image, the first scene that sets the tone of the movie. A whole universe unfolds before my eyes. Within a second I am far away. I am a princess. I am a policeman. I am a dream. Everything me is gone. Everything me is past. Everything me is new.
And suddenly everything me is perfect.
I belong here. Because I don’t belong anywhere else.



17.10.2002
Ich vermisse ... die Stelle auf deiner Brust, auf die ich immer meine Hand gelegt habe. Direkt über dem Brustbein, dort, wo ich noch ein wenig den Knochen spüren konnte. Dein Herzschlag war gedämpft, aber fühlbar. Ein Tal aus Haut und Haaren, perfekt geformt für meine fünf Finger und meine weiche Handfläche. Zuhause. Wenn ich meine Finger gespreizt habe, hat sich deine Haut fast unmerklich ein wenig angespannt. Ich mochte das Gefühl, dass deine Haut meine Hände beeindrucken will. Ich mochte das Gefühl, einen der vielen Plätze an deinem Körper in Besitz zu nehmen. Ich mochte das Gefühl, dass deine Haut mir gesagt hast, bleib ruhig noch. Geh noch nicht weg. Ich vermisse dich, wenn du weiterwanderst.




10.10.2002
Gerade gab's Crazy auf Pro Sieben ... manchmal würde ich eine Menge dafür geben, diese jugendliche Naivität wieder zu haben. Diesen simplen Plan, mit 30 verheiratet zu sein, ein Dach über dem Kopf zu haben, dem Traumjob am Tag, den besten Sex bei Nacht und die klügsten Kinder der Welt. Eigentlich war ich mir mit 20 völlig sicher, dass mein Leben mit 30 so aussieht. Und auch wenn das eine spießige Vorstellung war – der Plan hätte auch so aussehen können: Bassistin einer Punk-Rock-Band und den Guiness-Rekord im Tätowieren –, das, was es so besonders gemacht hat, war die Sicherheit, der feste Glaube daran, dass in zehn Jahren alles perfekt ist. Man muss noch durch die Zwanziger durch (easy), einen Beruf erlernen oder studieren (kein Problem), den richtigen Mann kennenlernen (auch kein Problem, gibt ja genug davon) und dann eben zusammenziehen, ne Familie gründen und alt werden. Alles kein Thema.

Und dann ist man plötzlich 30 und stellt fest, man hat zwar irgendeinen Beruf erwischt oder der Beruf einen, und man hat ein paar Kerle kennen- und manche von ihnen auch lieben gelernt, und man ist mal mit Leuten zusammengezogen, aber – hey: Der Traummann war noch nicht dabei, man wohnt wieder allein, der Bausparvertrag ist noch nicht mal unterschrieben, und ob man den jetzigen Beruf für ewig machen will oder eventuell nur noch für drei Wochen, steht auch noch nicht fest. Das einzige, was vom Plan übrig geblieben ist, ist, dass man sich alt fühlt.

Stellt sich nun die Frage: Wie sieht der neue Plan aus? Egal, denn das Problem wird sein: Ich gehe nicht mehr mit derselben Sicherheit an die Erfüllung von Plan B, wie ich an Plan A gegangen bin; eben mit der jugendlichen Naivität, dass alles schon so kommen wird wie ich das eben will. Plan B muss nicht schlechter sein als Plan A – aber es sieht eher nach Arbeit aus, ihn zu verwirklichen.
Im Englischen gibt es diesen wunderschönen Ausdruck: Everything is falling into place. Das wäre Plan A gewesen – alles purzelt ganz selbstverständlich an seinen Platz. Plan B bedeutet, jeden Baustein aufzuheben, ihn sich anzuschauen, nochmal anzuschauen und ihn bei der kleinsten Macke wieder wegzupacken. Es wird schwerer, Menschen zu finden, die einen begeistern. Es wird schwerer, sich mit Jobs zufrieden zu geben. Die Zeit wird knapper, um langfristige Entscheidungen zu treffen.

Und das Dumme an der ganzen Sache ist: Wenn Plan A schon nicht funktioniert hat, wieso sollte das dann Plan B tun? Wieso nicht gleich von vornherein abschenken und sich durchs Leben treiben lassen anstatt Träumen nachzutrauern, die sich vielleicht nie erfüllen werden?

Aber wie sagte schon Oscar Wilde: Die Utopie ist der Strand, an den die Menschheit sich immer flüchten wird. Oder, aufs Anke-Universum übersetzt: Ich renne einfach so lange mit dem Kopf gegen die Wand, bis entweder die Wand einstürzt oder ich nichts mehr merke.

Mal gucken, was mehr weh tut.



10.10.2002
Es ist Herbst. Endlich darf man wieder langärmelige Sachen tragen, ohne wie ein Idiot angeguckt zu werden. Endlich muss man sich nicht mehr dafür rechtfertigen, überhaupt nicht braun geworden zu sein. Endlich weht mal wieder ein anständiger Wind und nicht so eine laue Suppe, die einem bloß die Achseln einnässt. Endlich kann man überall den guten, alten Regenschirm mit hinnehmen, ohne als Weichei zu gelten. Und endlich – endlich – darf ich wieder meine quietschrote, gemütliche, wetterfeste und mummelwarme Indiana University-Jacke anziehen, mit der ich aussehe wie ein Pizzabote, oder wahlweise, wenn ich auch noch die Kapuze aufsetze, wie ein dicker Gartenzwerg. Herbst, du bist's, dich hab ich vernommen. Welcome back, altes Haus, und mach's dir gemütlich.



10.10.2002
Wozu hab ich eigentlich Urlaub, wenn meine dusseligen Nachbarn (rechts Hyänenlache, links Mieser Musikgeschmack) auch Urlaub haben? Das ist nicht wirklich enspannend. Gut, dass ich von morgen bis Sonntag lerne, wie man ganz tolle Drehbücher schreibt – dann werd ich reich und kaufe mir eine dicke Villa an der Elbchaussee. Und dann kannst du dir deine schrammeligen Blues-Gitarren an die Backe zimmern, du schwerhöriger Sack.



02.10.2002
You smell like a page in a new book. You smell like a street I've never travelled on. You smell like ideas just about to be born. You smell like a sunrise. You smell like the dessert I once had with a friend. You smell like my favorite movie. You smell like you belong to me.



24.09.2002




05.09.2002
Müde. Erschöpft. Traurig. Mir fällt seit Tagen nichts Vernünftiges ein. Die kleinen Pflichttextjobs sind ja nicht das Ding, die kann man auch schreiben, wenn man im Koma liegt, aber wenn es darum geht, sich was Kreatives aus den Fingern zu klopfen, kommt im Moment nichts. Gar nichts. Und ich sage mir seit Tagen, das ist normal, jeder hat mal einen schlechten Tag oder auch mehrere schlechte Tage oder auch ne schlechte Woche undsoweiter... das weiß ich ja auch. Trotzdem fühle ich mich total dumm, wenn ich stundenlang auf meinen Monitor gucke und immer noch keine gute Zeile geschrieben habe.

Und dieses gelähmte Gefühl überträgt sich dann auch auf meine Grundstimmung. Oder meine Grundstimmung ist schlecht, und daher kann ich nicht schreiben. Ich weiß nicht. Ich weiß im Moment mal wieder gar nichts.
Ich bin wieder da, wo ich vor der Therapie war, und da wollte ich eigentlich nie wieder hin: Ich bin wieder sehr traurig, obwohl es keinen objektiven Grund gibt. Obwohl: Vor der Therapie gab's wirklich keinen. Jetzt kann ich mich stundenlang mit meinen nicht vorhandenen Körperfunktionen beschäftigen, und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr tut das alles weh. Und gerade jetzt beim Schreiben kullern schon die ersten doofen Tränen über die Wangen.

Ich bin extra in der Mittagspause nach Hause gefahren, damit ich ein paar Minuten meine Ruhe habe, aber das bringt im Moment auch nicht wirklich was. Ich denke schon seit heute morgen daran, dass heute abend diese beschissene Party mit Anwesenheitspflicht ist. Ich hasse manchmal dieses blöde Werbergetue, dieses: Hach, wir sind doch alle Freunde. Ähm ... nein. Sind wir nicht. Wollen wir auch gar nicht sein. Jedenfalls nicht von meiner Seite aus. Ich hab viele nette Kollegen, aber es sind eben Kollegen und keine Freunde. Die Freunde, die ich habe, sind handverlesen, und das dauert schon ein bisschen, bis irgendjemand in diesen erlauchten Kreis aufgenommen wird. Und genau aus diesem Grund hasse ich diese pseudo-familiären Agenturpartys. Ich hab euch doch alle schon mindestens acht Stunden um mich rum und muss mich benehmen und so tun, als wäre ich ein sozial verträglicher Mensch. Darf ich dann nicht wenigstens nach Feierabend meine Ruhe haben?

Ich bin nicht lustig. Ich bin nicht gut gelaunt. Ich schleppe ne Menge Kram mit mir im Kopf rum, der ab und zu mal nach draußen will, und dann will ich nicht mit euch allen reden. Und dann will ich nicht, dass ihr mit mir redet und mir erzählt, och, komm doch mit, das wird bestimmt lustig. Wenn ich irgendeinen Satz hasse, dann den.

Ich bin kein Partymensch. Ich mochte Menschenansammlungen noch nie. Ich fand es noch nienienie lustig, zu lauter Musik in viel zu dunklen Räumen zu tanzen oder 1000 neue Gesichter zu sehen oder beschissenen Nudelsalat aus Eimern zu essen. Ich mag Partys nicht, und ich hab langsam keinen Bock mehr, mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich lieber alleine zuhause bin und lese oder schreibe oder Videos gucke anstatt in irgendwelchen beknackten Trendbars rumzuhängen und meinen Kollegen Nichtigkeiten in die Ohren zu brüllen.

Gar nicht schlecht ... wenn ich wütend bin, bin ich nicht mehr traurig. Aber das legt sich gleich wieder, wenn ich den Rechner ausmache, mich wieder ins Auto setze, in die Agentur zurückfahre und weitere fünf Stunden lang auf einen leeren Monitor gucke.
Ach, Scheiße.



02.09.2002
Ich würde gerne mal wieder über Einrichtungsgegenstände diskutieren. Ich würde gerne mal wieder alberne Kosenamen haben. Ich würde gerne wieder mal für jemand anders Bücher kaufen. Ich würde gerne mal wieder Zweiersets Bettwäsche von IKEA besorgen. Ich würde mich gerne mal wieder darüber aufregen, dass jemand Jahrestage vergisst. Ich würde mich gerne mal wieder ums Fernsehprogramm streiten. Ich würde gerne mal wieder ein schlechtes Gewissen haben, weil ich mich nicht gemeldet habe und spontan mit Kolleginnen einen trinken war. Ich würde gerne mal wieder mit jemandem Popcorn teilen. Ich würde gerne mal wieder nach jemand anderem riechen.



29.08.2002
Gestern. Dreckstag. Kleiner, mieser Dreckstag, der dafür gesorgt hat, dass ich schon vormittags heulend in der Lounge gesessen habe und Katrin die Therapeutin spielen musste. Kleiner, mieser Dreckstag, der mich auch abends im Bett nicht hat einschlafen lassen, sondern mich zum Weinen gebracht hat, über mich, über meinen Körper, über meine Suche, darüber, dass ich nicht mal weiß, wonach ich eigentlich suche, über meine Hilflosigkeit, über die Ungewissheit, über das Alleinsein. Ich hasse dich, du kleiner, mieser Dreckstag. Aber du bist jetzt vorbei, du Arschloch.
Denn ich hab gestern nicht nur flennend im Bett gelegen, sondern dir auch irgendwann zugebrüllt, dich zu verpissen. Und das hast du um Mitternacht dann auch gemacht. Und du konntest nicht mal was dagegen tun.



26.08.2002
Hey, Amazon – ja, ich liebe euch. Ich liebe euch, seit ich mir 1996 mein erstes 28-er-Modem angeschafft hab. Ich liebe euch dafür, dass ihr mir einfach so ein klasse amerikanisches Buch vom besten Script Doctor der Welt rübergeschickt habt, nach dem ich monatelang in allen Hannoveraner Buchhandlungen gesucht hab. Ich liebe euch, obwohl der Postbote mich zu Kneipenzeiten um kurz nach 9 mit einem Paket von euch wachgeklingelt hat, obwohl ich eben erst um 7 ins Bett gefallen war. Ich liebe euren freundlichen Service, eure Riesenauswahl und dass ich zu Weihnachten immer einen hässlichen Thermobecher als Geschenk kriege, weil ich euch so viel Geld in den Rachen werfe. Aber wenn ihr mir noch einmal Die 50 besten Blondinenwitze schickt, wenn ich Das 1x1 des jüdischen Lebens bestellt habe, dann helfen auch die Gummibärchen in jeder dritten Lieferung nicht mehr.



22.08.2002
Als Kind ist mir Zeit wie ein persönlicher Feind vorgekommen. Ich habe es grundsätzlich persönlich genommen, dass es noch sooooo lange dauert, bis wieder Winter ist und ich auf Plastiktüten irgendwelche Hügelchen im Niedersächsischen runterrutschen konnte. Oder dass es noch soooo lange bis zu meinem Geburtstag hin ist, an dem Omi immer bergeweise Geschenke rübergeschoben hat. Plus einem Kuchen, der nur für mich gebacken wurde – schließlich stand mit Schokolinsen mein Name oben drauf.
Auch als ich ein Teenager war, fand ich Zeit immer noch richtig ätzend (das hat man wirklich mal so gesagt). Schließlich war die Zeit von Donnerstag bis Donnerstag zur neuen BRAVO sooooo lang, und ich wusste gar nicht, wie ich ohne neue Berichte über die Teens und Shakin' Stevens überleben sollte. Oder die Zeit bis Sonntag, wo Formel 1 lief, die einzige Sendung, in der ich den Basser Nick Beggs von Kajagoogoo anschmachten konnte und an den ich noch heute ein Andenken in Form meines Nasenrings trage.
Aber ich wurde älter und reifer. Heute macht mir Zeit nicht mehr soviel aus. Ich kann problemlos damit umgehen, dass ich auf einige Filme warten muss, bis sie aus Amiland in die deutschen Kinos kommen. Ich kann ganz ruhig darauf warten, dass es wieder Herbst wird und es wieder regnet und dieser affige Sommer endlich aufhört. Ich habe heutzutage überhaupt kein Problem mehr damit, dass es immer noch 365 Tage bis zu meinem nächsten Geburtstag sind, an dem ich die diktatorische Geburtstagsprinzessin raushängen und meine Freunde tyrannisieren kann.
Aber verdammt, ich habe mir gerade in der Mittagspause die komplette erste Season von 24 mit Kiefer (Kiefer!) Sutherland von der Post abgeholt. Vor mir auf dem Schreibtisch stehen sechs (sechs!) DVDs mit 24 (24!) Stunden Kiefer drauf. Und es sind noch mindestens vier (vier!) Stunden bis zum Feierabend! Aaaahhhh!



12.08.2002
Ich bin stolz darauf, verkünden zu können, dass ich der Versuchung widerstanden habe, zum fiesen Türken zu gehen und mir einen Döner-Teller reinzupfeifen. Stattdessen bin ich zum guten Türken gegangen, habe mir frische Erdbeeren und Blaubeeren geholt und sie über mein leckerlecker Müsli gestreut, das brav in der Agentur für mich bereit steht. Soviel zum heutigen Kalorien-Intake. Es macht die Sache mit der Versuchung allerdings nicht leichter, dass ich mich direkt nach dem ach so gesunden, kalorien- und fettarmen blablabla Müsli mit Katrin über das neue Vanille-Karamel-Brownie-Eis von Häagen-Dasz (oder wie immer diese Irren sich schreiben) geredet habe. Sie konnte mit der ebenfalls neuen Geschmacksrichtung Tirami su kontern, die wohl beim Häawhatever-Store am Gänsemarkt zu bekommen ist. Worauf ich natürlich sofort fiese Flashbacks vom Genuss von Ben&Jerry's hatte.

Ach ja, Ben&Jerry's ... ich erinnere mich immer wieder gerne an den Trip, den Amiland-Fan Kai und Amiland-Fan Anke vor circa fünf Jahren mal unternommen haben. Damals gab es das beste Eis der Welt noch nicht in Deutschland, und auch heute ist mir keine Stadt außer Hamburg in good old Germany bekannt, bei der man das Zeug kriegen kann. Jedenfalls hatten Kai und ich Schmacht wie nix Gutes auf das süchtig machende Mint Chocolate Fudge, das total verplockte New York Super Fudge Chunk und das leckere Kirsch-Schoko-Eis mit dem Kracher-Namen Cherry Garcia. Reichschwein Kai fuhr damals noch ein Mercedes G-Modell, stilecht mit kleiner Eistruhe an Bord. Was liegt da also näher, als einfach zum nächstgelegenen Ben& Jerry's-Store zu fahren? Und wenn der nicht in Deutschland ist – Holland ist ja eigentlich auch nicht wirklich weit weg.

Also, vollgetankt, den Kühler vorgefroren und ab auf die Autobahn. Nach vier Stunden hatten wir Amsterdam erreicht, und durch das Internet kannten wir auch die Adresse. Wenig später parkten wir in irgendeinem Einkaufszentrum und bahnten uns den Weg ins Paradies. Wir entdeckten einen kleinen Süßwarenladen, an dem draußen das verheißungsvoll schmeckige Ben&Jerry's-Logo prangte. Gut gelaunt stellten wir uns in die Schlange. Als wir an der Reihe waren, fragen wir erst einmal, ob der freundlichen Servicekraft Deutsch oder Englisch lieber wäre. Als sie deutsch sagte, bestellten wir noch besser gelaunt erst einmal 20 Pints in ungefähr 17 verschiedenen Geschmacksrichtungen. Die freundliche Servicekraft hauchte etwas auf Holländisch zu ihrer Kollegen, die sich um den Rest der Schlange kümmerte, während sie begann, 20 Pints voll Eis zu schaufeln. Kai und ich nahmen extrem gut gelaunt noch jeweils eine Miniportion gleich auf die Hand, trugen unsere Beute zu je 10 Mark das Pint zum Auto, packten sie in die Kühler – und stellten fest: Da geht noch was.
Die freundliche Servicekraft schickte diesmal gleich ihre Kollegin zu uns, die noch keine Schwielen an den Händen hatte, um uns weitere vier Pints vollzufüllen.

Unglaublich gut gelaunt traten wir die Heimreise an, genossen wochenlang das Gefühl, amerikanisch zu essen und müssen uns, ganz nebenbei, bis heute dafür rechtfertigen, dass wir in Amsterdam nichts, aber auch gar nichts anderes gemacht haben als Eis zu kaufen. Ja und?



12.08.2002
Vorsätze für diese Woche:
– Nicht zu früh über den Regen freuen, denn dann kommt in zwei Tagen diese beknackte Hitze garantiert wieder (in diesem Zuge Wunschtraum „Nach Kalifornien umziehen“ nochmal gründlich überdenken)
– bei Burger King immer nur EINEN Burger bestellen. Zwei schaffst du doch eh nie
– manchen Leuten sagen, dass sie Mundgeruch haben
– andere Leute fragen, ob ich selber Mundgeruch habe
– rausfinden, warum mein Counter, der ja eh nur für mein Ego da ist, im Moment rumspackt (wahrscheinlich weiß er, dass er nur für mein Ego da ist)
– abends nicht mehr so lange mit mir selber reden, damit ich morgens nicht immer so müde bin



11.08.2002
Hab mir gerade nochmal den Nick Cave-Song angehört, der mich zu meinem Samstags-Post inspiriert hat. Dabei ist mir eingefallen, wie mich der Song eigentlich gefunden hat.

Flashback: Es ist 1991. Anke arbeitet in Hannover im Filmfestspielhaus, dem schönsten Kino der Welt, weil es Originalversionen zeigt. Und weil Anke Theaterleiter-Assi ist und kein Popcorn mehr verkaufen muss. Anke ist ein bisschen in Martin verknallt, den Vorführer, zehn Jahre älter, zerfurchtes Gesicht, hat gut gelebt, der Mann. Anke ist grad knap über 20 und hat keine Ahnung von der Welt. Daher findet Anke die Kerle, die ihr was von dieser Welt erzählen, ziemlich spannend. Martin schreibt und spielt Kabarett. Martin wohnt in einer riesigen Altbauwohnung. Er hat eine Truhe anstatt eines Kleiderschranks, Kerzen statt eines Lichtschalters, eine Gitarre. Er erzählt Anke, dass er das Buch American Psycho immer in die Truhe geschmissen hat, wenn es zu bösartig geworden ist. Anke wirft das Buch nur in die Zimmerecke, liest es aber auch nur, wenn es hell ist. Martin ist nicht verknallt in Anke. Martin zieht irgendwann nach Köln. Er macht Anke ein Tape mit seinen Lieblingssongs und schenkt es ihr zum Abschied. Anke mag das Tape. Sie hat vorher noch nie Devo gehört oder Ton, Steine, Scherben oder Screamin' Jay Hawkins. Anke hat das Tape immer im Auto. Anke studiert und arbeitet nicht mehr im Kino. Anke geht kellnern. Dort lernt sie Guzie kennen, der total auf der Höhe der Zeit ist, weil er einen CD-Brenner hat. Anke hat Angst, dass das Tape nicht ewig hält. Guzie schlägt ihr vor, eine CD von dem Tape zu brennen. Anke ist sehr beeindruckt. Und so finden die guten, alten Vinyl-Scheiben von Martin über sein Tape und den CD-Brenner von Guzie ihren Weg auf das iBook von Anke.

Und deshalb klingt mein iTunes auch bei manchen Songs total analog, verkratzt und gestrig. Und total sentimental. Und total schön.



06.08.2002
(...) Ach ja, und mein kleines Töfftöff fährt wieder. Und stinkt nicht mehr. Jetzt kann ich wieder ganz entspannt durch Hamburg gleiten, leise Musik rieselt aus dem Autoradio, die Sonne fällt weich durch mein Sonnendach, ein lauer Wind umschmeichelt meinen Arm, der elegant aus dem Fenster hängt ... und ich hauche meinem Vordermann mit meiner samtigen, femininen Stimme zu: WER BREMST, HAT ANGST VORM GEGENVERKEHR, DU ARSCH!



31.07.2002
Ankes Hot 100.
1. Ich bin manchmal viel zu gut gelaunt.
2. Ich bin manchmal viel zu traurig.
3. Ich bin immer viel zu kritisch, wenn es um mich geht.
4. Ich bin immer viel zu unkritisch, wenn es um andere geht.
5. Ein Blog zu schreiben, ist keine Therapie.
6. Ein Blog zu schreiben, ist pure Egozentrik.
7. Musste in den letzten beiden Einträgen eigentlich ein Komma?
8. Ist das schon ein erweiterter Infinitiv?
9. Ist das eine total überflüssige Frage?
10. Nein, ist es nicht.
11. Ich habe wenig Respekt vor Leuten, die ihre eigene Sprache nicht beherrschen.
12. Ich habe gar keinen Respekt vor Leuten, die sich nicht mal bemühen, sie zu beherrschen.
13. Ich habe eine Menge Respekt vor Leuten, die sogar noch mehr draufhaben, als ein paar Worte in eine gefällige Reihenfolge zu bringen.
14. Zum Beispiel Mediziner.
15. Wenn auch nicht gerade die, die mich wegen meiner Bandscheibe behandelt haben.
16. Stümper.
17. Wenn ich alles nochmal machen könnte, würde ich alles nochmal machen.
18. Nochmal machen MÜSSEN.
19. Ich glaube daran, dass jede Erfahrung eine gute Erfahrung ist.
20. Jedenfalls wär das schön.
21. Sonst müsste ich mir wegen jedes abgebrochenen Fingernagels die Kugel geben.
22. Ja, auch abgebrochene Fingernägel können ein echter Schmerz im Arsch sein.
23. Nebenbei: Grüße an Jörn, der Schmerz im Arsch wie kein anderer sagen und dabei völlig ernst bleiben konnte.
24. Wieso tippe ich ständig einen Doppelpunkt nach der Zahl?
25. Aber ich bin stolz wie Oskar, dass ich noch aus Hirschen-Zeiten vom guten, alten Ole weiß, wie das weiche Return geht, damit hier die Zeilensprünge nicht so doof sind.
26.Soviel zum Thema „Jede Erfahrung ist eine gute.“ Selbst die Zeit beim Hirschen war für was gut.
27. Und sei es auch nur dazu, einen CD-Vergleich zu haben.
28. Wem ist eigentlich das unsterbliche Haut/Wasser/CD eingefallen?
29. Ich habe an meine Haut noch nie CD gelassen.
30. Nein, auch in der Doppelbedeutung nicht.
31. Ich habe schon an meine Haut gelassen: ein paar Kerle und wenige Mädel.
32. Ganz wenige.
33. Und schon wieder ein Doppelpunkt.
34. Und noch einer. Jetzt ist aber mal gut. Blödes Gehirn.
35. HA!
36. Wieso kann man eigentlich mit seinen Freunden über Sex reden, sich aber nicht von ihnen untersuchen lassen, wenn eine/r von ihnen Arzt ist?
37. Oder kann nur ich das nicht?
38. Ich kann ne Menge nicht.
39. Kernspaltung, zum Beispiel.
40. Oder mit einer Rundbürste und einem Fön arbeiten.
41. Oder die Zunge zusammenrollen und wie ein Fisch aussehen.
42. Weil Piercing.
43. Apple Remote Access wurde gerade beendet.
44. So fucking what?
45. Auch ein gutes Motto.
46. Mein liebstes kommt immer noch von Ron: It's just money.
47. Oder von Rainald Goetz: Don't cry. Work.
48. Churchills Motto lass ich jetzt weg, das kennt schon jeder, und auf die Dauer wird's echt langweilig.
49. So schlecht ist Sport auch gar nicht.
50. Wenn nur nicht ständig diese ganz fürchterlich dünnen Miezen neben einem auf der Treadmill wären.
51. Oder die Waschbrettbauchkerle.
52. Noch schlimmer sind allerdings die Fitness-Studios nur für Mädels.
53. Ich hab mal Bodybuilding gemacht.
54. Mein damaliger Orthopäde meinte, daher sei meine Bandscheibe auch so scheiße.
55. Ich hab auch mal Judo gemacht.
56. Wenn ich jemanden kennenlerne, sag ich immer, ich hätte einen Grüngurt gehabt.
57. Dabei war's nur der orange.
58. Sonst lüge ich aber selten, wenn ich jemand kennenlerne.
59. Höchstens, wenn er mir von seinem Auto vorschwärmt und ich so tue, als hätte ich ne Ahnung, wovon er redet.
60. Ich weiß erst, wie ein Auto funktioniert, seit ich auf Audi arbeite.
61. Werbung macht klug.
62. Werbung macht dumm.
63. Computerspiele sind für Deppen.
64. Und noch weitere 1000 Vorurteile – nur heute, hier im Angebot, supergünstig. JETZT NEU.
65. Soweit ich weiß, ist das die beliebteste Art, Textpraktis ruhigzustellen: Texte doch mal Jetzt neu besser.
66. Ich war ein guter Textprakti.
67. Total devot.
68. Was ihr wieder denkt.
69. Früher dachte ich immer, nur Leute, die keinen Sex haben, reden die ganze Zeit davon.
70. Das sehe ich anders, seit ich Katrin und Matthias kenne.
71. Oder nicht?
72. veg --> very evil grin :-)
73. Ich vermisse es, in Internet-Chaträumen rumzuhängen.
74. Die Euphorie und das Insider-Gehabe der ersten Stunde fehlt mir.
75. Ich habe mit zwei Menschen aus dem Netz telefoniert.
76. Ich habe einen von ihnen getroffen.
77. Und natürlich war er total anders als im Netz.
78. Aber der Sex war gut.
79. Amerikaner. Was sonst?
80. Wenn es um Amerika geht, bin ich völlig vorurteilslos.
81. Leider.
82. Sagen jedenfalls alle.
83. Ich finde meine totale, begeisterte Euphorie schön.
84. Ich mag mich, wenn ich euphorisch bin.
85. Ich mag mich auch, wenn ich total daneben bin.
86. Auch, wenn meine pubertäre Ideologie „Ich kann nur schreiben, wenn ich traurig bin“ nicht stimmt.
87. Ich mag mich am liebsten, wenn ich ausgeglichen bin.
88. Ich bin ausgeglichen, wenn ich meine Ruhe habe.
89. Wenn mich keiner zuquatscht.
90. Wenn mir keiner sagt, wie ich zu sein hätte.
91. Wenn mir keiner irgendwas beibringen will, das ich gar nicht beigebracht haben möchte.
92. Wenn ich einfach so sein darf, wie ich will.
93. Verwirrt.
94. Auf der Suche.
95. Gespannt.
96. Fasziniert von jedem neuen Morgen.
97. Erschlagen von jedem neuen Tag:
98. Eindrücke. Menschen. Gerüche. Begegnungen.
99. Hat alles seinen Sinn.
100. Ich weiß es.



24.07.2002
Um mal mein Lieblingsmonster aus der Sesamstraße zu zitieren: Ich will aber DORT sein: Regen, nachts, Bettdecke, Holzfäller-Schlafanzug, Teddy, Wochenende. Stattdessen bin ich: Agentur, keine gute CD dabei, doofe Präse in der Mache (Ragtime! Ich sag nur Ragtime!), zu spät fürs Frühstück, zu früh für Mittag, VIEL zu früh für Feierabend.



20.07.2002
Ode an Eva und Michel

(zur Melodie von Merci, mein kleines Dankeschön)

Ihr seid im Scannen einfach eine Wucht
Ihr habt ein Auge, das seinesgleichen sucht
Ihr habt von allen die größte Fantasie
Merci, dass es euch gibt

Eure Layouts sind niemals Grau in Grau
Überall gleich schön, egal, wohin ich schau
Für mich seid ihr jeder ein Genie
Mercie, dass es euch gibt

Ums Layout mach ich mir keinen Kopp
Denn ihr seid beide Meister im Photoshop
Ich kenne keinen, der euer Werk nicht liebt
Merci, dass es euch gibt

Was ihr tut, hat immer Hand und Fuß
Und wenn ich‘s anschau, verschafft es mir Genuss
Ihr habt noch niemals einen Entwurf versiebt
Merci, dass es euch gibt

Ich bin so froh, dass ihr die Zeitung baut
Und dass sie gut wird, weiß jeder hier genau
Ihr seid so gut, ohne euch schaff ich das niiiiieee
Merci, dass eeeees euch giiiiibt!



16.07.2002
Sometimes I have the heart of a lion. Sometimes I see my whole future ahead of me. Sometimes I don't even remember what I've been doing five minutes ago. Sometimes I could sing without ever stopping. Sometimes I can't tell a friend from an enemy. Sometimes I have no idea what I am doing. But I don't want to miss a single moment.



16.07.2002
Da wollte ich doch gerade eine lange Abschiedsrede für meinen kleinen, diamantenen (okay, glassteinigen) Nasenring schreiben – da blinkt mir etwas vom Badezimmerfußboden entgegen. Da bist du ja, mein Liebling. Ich hatte dich schon verloren geglaubt, hatte mich schon innerlich verabschiedet: Schon dreimal hatte ich dich verloren, beim Schlafen, beim Niesen, einfach so, schon dreimal hatte ich auf Knien meine Wohnung nach dir durchforstet, dich verflucht, weil du so verdammt klein bist, nach dir gerufen und mich nach dir gesehnt, weil du so verdammt schön bist, dreimal schon ... und diesmal dachte ich, es sei für immer. Schon hatte ich dich schnöde ausgetauscht durch einen hellblauen Stein, da funkeltest du mir entgegen. Hinfort, blauer Stein, willkommen zu Hause, kleiner falscher Diamant. It's good to have you back.
(Nein, ich hab wirklich keine anderen Probleme. Ist doch schön, oder?)



14.07.2002
Hey, Franzacken ... schöner Sturm auf die Bastille damals. Ich verkneif mir jetzt jeden Vergleich zum diesjährigen Sturm auf senegalesische Tore und so was. Das Thema ist ja durch. Da steht ihr bestimmt schon drüber, gell?
(Vizeweltmeister, Baby. Vi-ze-welt-meis-ter!)



10.07.2002
Vorsätze für morgen:
E-Mails besser durchlesen. Habe gerade für eine Freundin eine Drehbuchfolge einer durchaus erfolgreichen Vorabend-Soap durchkorrigiert und sie ihr geschickt, worauf eine grinsende Mail zurückkam: Neinnein, die war doch nur als Kostprobe. Die richtige kommt erst noch.
Beipackzettel besser durchlesen: Habe mir gerade den Gaumen weggeatmet, weil ich 50 statt 25 Tropfen dieses komischen Inhalierzeugs in meinen Tee gekippt hab.
Kalender besser durchlesen: Heute ist MITTWOCH. Sex and the City gab's gestern.


(Hit your Back-button)