Sonntag, 1. September 2002

10 Uhr. It's not easy being green.






10 Uhr. Jaja, ich bin drei Tage zu spät mit meiner Kritik zu den MTV Video Music Awards, aber die Show war, glaube ich, die langweiligste seit Jahren. Wer es schon nötig hat, Rockleichen wie James Brown, David Lee Roth plus Samy Hagar und Michael Jackson, der zurzeit uncoolste Performer auf diesem Planeten, auf die Bühne zu holen, der sollte es lieber gleich lassen. Einzige Lichtblicke: Moderator Jimmy Fallon, der viel zu kurze Revival-Auftritt der Guns'n'Roses (ich trage immer noch ihr Tour-T-Shirt von 1992) und die People-Liste der Best- and Worst Dressed. Schnarch.



Und zum guten Abschluss der Woche hab ich eine sehr interessante Kritik zu meiner Kritik von Amélie gemailt bekommen. Einfach mal in der Im Kino-Sektion vorbeigucken, bitte.




Montag, 2. September 2002

D
iese Woche lese ich: den ganzen Zeitschriftenberg, der neben meinem Bett liegt. Und immer noch Catch-22 (bald leg ich's weg. Ich krieg's eh nie durch).
Diese Woche höre ich: meinen einzigen Teleshop-Kauf ever:
Flower Power – Die Songs einer Ära.

Ich würde gerne mal wieder über Einrichtungsgegenstände diskutieren. Ich würde gerne mal wieder alberne Kosenamen haben. Ich würde gerne wieder mal für jemand anders Bücher kaufen. Ich würde gerne mal wieder Zweiersets Bettwäsche von IKEA besorgen. Ich würde mich gerne mal wieder darüber aufregen, dass jemand Jahrestage vergisst. Ich würde mich gerne mal wieder ums Fernsehprogramm streiten. Ich würde gerne mal wieder ein schlechtes Gewissen haben, weil ich mich nicht gemeldet habe und spontan mit Kolleginnen einen trinken war. Ich würde gerne mal wieder mit jemandem Popcorn teilen. Ich würde gerne mal wieder nach jemand anderem riechen.



Sorry ... Haloscan (Kommentarfunktion) spackt gerade. Aber sie arbeiten angeblich hart daran, dass wieder alles eitel Sonnenschein ist. Falls mir trotzdem irgendjemand erklären kann, wie ich die Kommentarfunktion auf meinem FTP-Server hoste, der nicht alle 20 Minuten in die Knie geht – her mit den Ideen. Und bitte für komplette Idioten formuliert.



Linksammlung für heute: Was passiert eigentlich, wenn man Volksverdummung bei der Google-Bildersuche eingibt?

Und auch immer wieder gut: Ja, das war mal Michael Jackson.

Ich bin ein Unitarian Universalist. What's your belief?

Ein bisschen Eye Candy für den Rechner: schickstes Design von Tim Jarvis.

Und natürlich kriegt auch Inès einen Link auf ihr Wohnzimmer-Blog, auf dem ich mich seit kurzer Zeit gerne rumtreibe.



Habe Post von Andreas gekriegt. Er fragt an, ob ich auch Kinokritiken auf Zuruf schreibe. Ähm ... nein. Netter Versuch :-) Aber wenn du meine One-Minute Review haben willst zu den von dir genannten Titeln:
Lord of the Rings – kann man machen. Ich ziehe mir ja gerne die Wut der Fantasy-Fans zu, denn ich muss gestehen, dass ich die Bücher gehasst habe. Bzw. das Buch, denn ich habe nur den ersten Teil durchgehalten und das auch nur, weil ich mir bei jeder Seite gesagt habe: „Ich lese diesen Scheiß zuende, und wenn es das letzte ist, was ich tue.“ Für die Teile 2 und 3 hatte ich nicht mehr die Kraft. Ich mag's einfach nicht. Daher war ich vom Film positiv überrascht. Ich fand ihn größtenteils spannend, wunderschön fotografiert, überraschenderweise nicht zu lang, und wenn die ganzen, doofen Kämpfe ein bisschen gerafft gewesen wären, würde er von mir eine 8 von 10 kriegen. Für einen Fantasy-Schinken ein wahrer Ritterschlag.

Memento – kann man auch machen. Den Film habe ich etwas verspätet gesehen, nachdem mir weißderGeier wieviele meiner Kollegen und Freunde erzählt haben, wie toll er wäre. Daher bin ich wahrscheinlich mit Riesenerwartungen reingegangen und kam ein bisschen ernüchtert wieder raus. Ich fand die Idee hinter dem Film natürlich grandios. Und gezwungenermaßen fand ich den Film daher auch sehr fesselnd, denn wenn man mal zwei Minuten auf dem Klo war, konnte man den Rest des Films, glaube ich, abhaken. Ich fand ihn nicht schlecht, aber eben auch nicht grandios. Richtig begeistert war ich eigentlich erst nach dem zweiten und dritten Gucken und dem stundenlang im Internet nach Informationen-Suchen. Vornehmlich auf den imdb-Message Boards, auf denen ja die wildesten Theorien diskutiert werden. Sehr amüsant. Daher habe ich meine Meinung nachträglich ein wenig nach oben korrigiert. Und für das konsequent durchgezogene Drehbuch gibt's ne satte 9.

Und Ravenous – (pieps) – kenn ich leider nicht :-) Wie isser denn?

Aber ich schreibe Kurzgeschichten auf Zuruf. So gut wie alle Storys in der Kurzgeschichten-Sektion sind nach Titelvorschlägen meiner Freunde entstanden, weil ich schon immer Probleme hatte, einen Titel, eine erste Inspiration zu finden. Ich brauche meist einen Tritt in den Hintern, um in Gang zu kommen. Zum Schreiben brauche ich anscheinend einen verbalen.
Kommentieren
Kommentare lesen


Und auch Christoph hat sich mal wieder gemeldet. Er hat einen Kommentar zur Filmkritik von About A Boy hinterlassen und sich dabei darüber beschwert, dass ich zuviel Inhaltsangabe in der Kritik mache. Hmm. Darüber musste ich erstmal nachdenken.
Generell nervt es mich nämlich selber auch, wenn ich beim Schreiben merke, dass ich die ersten beiden Absätze für den Inhalt „verschwende“, den ja jeder im Kino mitkriegt. Wenn er denn die Kritik liest, nachdem er im Kino war, wie Christoph. Ich dagegen lese Filmkritiken meistens, bevor ich ins Kino gehe. Ich will eben vorher schon wissen, worum es geht. Dann wäre eine kurze (eine kurze!) Inhaltsangabe nicht so verkehrt. Denn ich frage mich auch, wie ich eine Kritik aufbauen soll, wenn ich nicht vorher sage, worauf diese Kritik beruht. Wenn ich mich über Löcher in der Story aufrege, muss ich doch vorher beschrieben haben, wie die Story denn läuft. Oder nicht? Say something.



Wenn ihr jetzt in Hamburg wärt und in den Abendhimmel gucken könntet, würdet ihr grad den perfekten Babyhimmel sehen: Zuckerwattewölkchen in rosa auf kuschelblau.

Mein Roman. Hm. Der Verlag, von dem ich schon mal geschrieben habe (21.08.), hätte jetzt doch lieber was Längeres als die Kurzgeschichten. Okay. Ist ja erstmal ne faire Ansage. Dann hab ich jetzt allerdings ein Problem: Wie soll ich gleichzeitig 40 Stunden und aufwärts in der Agentur einen guten Job machen und nach Feierabend noch einen guten Roman schreiben? So toll bin ich auch nicht. Und ganz nebenbei auch noch faul.
Mir fehlt im Moment ein bisschen die große Motivation. Hatte ich ja schon letztes Mal gesagt: Der Traum des Schriftsteller-Daseins ist eigentlich abgehakt. Ich hatte mich in den letzten Tagen mit dem Gedanken selbst motiviert, dass ein Verlag Interesse an meinem Grütz hat. Aber das langt noch nicht wirklich. Denn mein eigentliches Problem geht davon nicht weg: Worüber zum Teufel soll ich schreiben? Ich habe im Moment nicht unbedingt das Gefühl, ich hätte ne wahnsinnig wichtige Botschaft ans Volk zu bringen. Oder ich würde diesen inneren, brennenden Drang (schmalz) spüren und schreiben müssen. Muss ich nicht. Ich mach das den ganzen Tag, da bin ich abends eigentlich immer ganz froh, wenn ich das nicht mehr tun muss. Außer im Blog, aber das sehe ich eher als eine Art Kommunikation an, wenn auch eine fast einseitige. Jedenfalls ist das Blog keine Story, die zwischen Buchdeckel gehört. Aber was habe ich dann zu erzählen?
Ich weiß es im Moment wirklich nicht. Ich denke da nochmal drüber nach. Ich könnte jetzt ein paar Antworten brauchen.



Schatz, mach doch bitte mal das Orchester leiser:
„Classical musicians have abnormally high levels of premature hearing loss; the statistics show that it is a bigger problem for orchestral players than rock musicians. Whereas heavy metal bands stand behind the speakers that launch auditory assaults (sehr schöne Formulierung :-) on their audiences, woodwind players are directly in the firing line. If a Bruckner symphony can top 90 decibels by the time it reaches the auditorium, at the point of delivery a modern trombone can blast 120 decibels, more noise than a chainsaw, at the poor piccolo player who sits in front.“




Dienstag, 3. September 2002

Ich habe vor kurzen im Magazin der Süddeutschen Zeitung mal wieder einen dieser Kaffeespezialitätenhasser-Artikel gelesen. Also eine dieser nöligen Tiraden, warum man heutzutage einen Decaf Hazelnut Moccachino mit Milchschaum und nicht mit Sahne bestellt, halbfett, natürlich, anstatt einfach einen Kaffee. Ganz einfach: Weil der Decaf Hazelnut Moccachino mit Milchschaum und nicht mit Sahne zehnmal besser schmeckt als ein Kaffee. Auch wenn die Bestellung genauso lange dauert, als ob man ein Dreigänge-Menü bestellt. Egal. Das isses wert, sagt die Frau, die jeden Morgen zehn Minuten früher aufsteht, um frische Bohnen aus dem Eisfach zu nehmen, sie zu mahlen, die Espressomaschine anzuwerfen, die Milch aufzuschäumen und natürlich Schoko- oder Haselnuss-Sirup unter den Espresso zu mischen.



Nein, so soll eine Mittagspause eigentlich nicht aussehen – nach Hause fahren, die Seite updaten, sich dafür entschuldigen, dass die Drecks-Kommentarfunktion immer noch nicht wieder geht ... aber das musste jetzt mal sein. Inès und Christoph haben noch ein paar interessante Anmerkungen zu Kinokritiken im Allgemeinen gemacht. Die packe ich mal zu den Kommentaren zu About A Boy, da ja die Drecks... aber lassen wir das.



Ich hasse es, dass Amazon mich neuerdings so schnöde begrüßt: „Anke Gröner, make £318,98“. Erstens, weil ich es immer noch schöner finde, wenn man mir zur Begrüßung was nettes wie „Hey, nice to have YOU back“ sagt. Und zweitens, weil mir schlecht wird, wenn ich genau aufgezeigt bekomme, was ich den Jungs schon in den Rachen geworfen habe.



Und wieder was aus dem Reich des TV-Wunderlands: ein Buch über alles, was hinter den Kulissen einer Daily Talkshow passiert. Diese Gattung von Fernsehen ist zwar bereits auf dem absteigenden Ast, aber die ganzen Gerichtsshows finde ich eigentlich noch schlimmer.



So. Und in etwas über einer Stunde beginnt die neue Staffel von ER. Und danach die neue Staffel von Sex and the City. Schickt mir keine E-Mails. Ruft mich nicht an. Ich bin nicht online, und ich gehe nicht ran.




Mittwoch, 4. September 2002

Gestern abend habe ich zur guten Nacht nochmal aus dem Fenster geguckt. In einiger Entfernung, aber im Prinzip direkt mir gegenüber liegt ein Penthouse, zu dem ich ganz gerne rübergucke, weil es so schick ist. Die Besitzer haben eine Party gegeben. Alles war hell erleuchtet, viele Menschen haben sich auf der Terrasse rumgetrieben, und es sah aus, als hätten alle eine Menge Spaß. Und anstatt mich darüber zu freuen, dass es meinen Quasi-Nachbarn so gut geht, hatte ich bloß einen Grönemeyer-Song im Kopf (an dem Mann kommt man im Moment aber auch echt nicht vorbei): Wir feiern hier ne Party, und du bist nicht dabei.
Ich trotte im Moment wieder ein bisschen durch den Tag, bin müde, irgendwie erschöpft und wieder viel zu nah am Wasser. Das Sport-Hoch vom Wochenende hat sich leider ganz schnell verflüchtigt, und ich bin wieder eine Schnecke, die eigentlich nur ins Kino will. Nicht gut. Da war ich schon zu oft.
Kommentieren
Kommentare lesen


Ganz kurz vor 9 Uhr. Anke fährt in ihrem gepflegten, überversicherten Uno in Richtung Agentur. Sie ist einen Hauch zu spät dran und reagiert daher etwas ungehalten, als ihr auf der Holstenstraße ein blauer Passat in die Spur schneidet und dann konsequent 40 fährt. Sie kann leider auch nicht auf die rechte Spur wechseln (da sollte man eh nur in Notfällen fahren), weil dort ein violetter (sic!) Twingo (SIC!) ebenfalls 40 für eine adäquate Reisegeschwindigkeit hält. So muss sich unsere Heldin entwürdigenderweise zurückfallen lassen, um sich hinter dem Twingo einzuordnen.

Aber Anke bewahrt die Fassung und biegt in die Paul-Roosen-Straße ein. Sie hat in einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit vergessen, dass die heikle Kreuzung zwischen Kleiner Freiheit und Paul-Roosen-Straße sich als Nadelöhr erweisen könnte. Und genau so kommt es: Ein dicker Aldi-Laster blockiert die halbe Straße, und der weiße VW Kleintransporter, der an der roten Ampel wartet, hat sich so geschickt hingestellt, dass ein Daneben-Einordnen nicht möglich ist. Als es nach Stunden endlich grün wird, findet der VW natürlich das Gas nicht sofort. Drei Pedale auseinanderzuhalten, ist auch nicht einfach, gerade um diese Uhrzeit. Anke beißt ins Lenkrad und wartetwartetwartet, bis der VW über die Kreuzung zuckelt. Endlich ist der Weg frei in Richtung Agentur.

Schwungvoll tritt Anke aufs Gas und erreicht die Bernstorffstraße ... wo ein schwarzes Mercedes Cabrio sich einen Scheiß um gutes Benehmen und die StVO kümmert und in die enge Straße einbiegt, obwohl unsere kleine, liebe Anke ZUERST DA WAR. Jetzt hat unsere Heldin endgültig genug von diesem Morgen – sie fährt ebenfalls in die Straße ein, obwohl es unmöglich für zwei Autos ist, aneinander vorbeizufahren. Aber Anke hat mit ihrem 4-Dioptrin-Adlerblick erkannt, dass auf der Seite des Mercedes eine Parklücke frei ist, in die dieser auch mürrisch einbiegen muss, denn unsere Anke hat auf ihrer Seite so gar keinen Platz mehr. Der Blödmann kriegt auch noch den Finger gezeigt, und dann ist Anke endlich in der Agentur, wo gleich fünf E-Mails mit Kundengenöle auf sie warten. Ein schöner Tag, die Welt steht still, ein schöner Tag, komm, Welt, lass dich umarmen, welche ein Taaaaaaag.
(Isses schon sechs? Kann ich jetzt gehen?)



Schon beschlossen, was ihr wählt? Sex und Drogen, nur das zählt. (Manfred Deix dixit)



Wenn Italiener den Babelfish entdecken ...



Der berüchtigte 11. September nähert sich. Auf Spiegel Online steht heute ein nettes Sammelsurium von Gedenkseiten, Fotoserien und ähnlichen Fundstücken im Netz. Mein Favorit ist das Sonic Memorial: eine Sammlung von Originaltönen aus dem World Trade Center oder von Tönen, die eine Beziehung zum WTC hatten – von Hochzeitssongs von Pärchen, die dort getraut wurden, über Voicemail-Messages auf Anrufbeantwortern von Menschen, die in den Flugzeugen saßen, die in die Türme flogen, bis zum Geräusch des Fahrstuhls, der bis zum Restaurant Windows on the World fuhr.



Wenn ich einmal reich wär ... dann würde ich mir ganz bestimmt immer noch keinen Ring kaufen, der meinen Namen in Sterlingsilber trägt. Aber hübsch isses schon.



Und ein weiteres Kapitel der Internetgeschichte ist zuende. Wenigstens ein stilvoller Abgang.



Nettes Fotoarchiv – alles für lau. Muss ja auch nicht immer Tony Stone sein.



Christoph hatte in seinem Kommentar zu About A Boy ein interessantes Thema angeschnitten: Literaturverfilmungen. Dazu ein Statement von John Le Carré: "It's like taking a cow and boiling it down to a bouillon cube." Jonathan Franzen sieht das etwas anders: "The less like the novel the movie is, the more likely it is to have some life and structure of its own." Der ganze Artikel hier.
Kommentieren
Kommentare lesen



Donnerstag, 5. September 2002

Wieso müssen Agenturpartys immer am Donnerstag sein? Wo doch jeder weiß, dass Donnerstags die neuen Filme anlaufen. Mal sehen, ob ich nach 17 Jägermeistern noch fähig bin, die Komplexität von Halle Berrys Darstellung in Monster's Ball zu genießen. Oder überhaupt zu verstehen.

Ach ja, und das hier ist mein neuer Bildschirmhintergrund. Einer der Yetis steht direkt hinter meinem Papierkorb. Er sieht ein bisschen aus wie ein Yogi-Bär-Zombie auf einem amerikanischen Campingplatz.



13 Uhr. Müde. Erschöpft. Traurig. Mir fällt seit Tagen nichts Vernünftiges ein. Die kleinen Pflichttextjobs sind ja nicht das Ding, die kann man auch schreiben, wenn man im Koma liegt, aber wenn es darum geht, sich was Kreatives aus den Fingern zu klopfen, kommt im Moment nichts. Gar nichts. Und ich sage mir seit Tagen, das ist normal, jeder hat mal einen schlechten Tag oder auch mehrere schlechte Tage oder auch ne schlechte Woche undsoweiter... das weiß ich ja auch. Trotzdem fühle ich mich total dumm, wenn ich stundenlang auf meinen Monitor gucke und immer noch keine gute Zeile geschrieben habe.

Und dieses gelähmte Gefühl überträgt sich dann auch auf meine Grundstimmung. Oder meine Grundstimmung ist schlecht, und daher kann ich nicht schreiben. Ich weiß nicht. Ich weiß im Moment mal wieder gar nichts.
Ich bin wieder da, wo ich vor der Therapie war, und da wollte ich eigentlich nie wieder hin: Ich bin wieder sehr traurig, obwohl es keinen objektiven Grund gibt. Obwohl: Vor der Therapie gab's wirklich keinen. Jetzt kann ich mich stundenlang mit meinen nicht vorhandenen Körperfunktionen beschäftigen, und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr tut das alles weh. Und gerade jetzt beim Schreiben kullern schon die ersten doofen Tränen über die Wangen.

Ich bin extra in der Mittagspause nach Hause gefahren, damit ich ein paar Minuten meine Ruhe habe, aber das bringt im Moment auch nicht wirklich was. Ich denke schon seit heute morgen daran, dass heute abend diese beschissene Party mit Anwesenheitspflicht ist. Ich hasse manchmal dieses blöde Werbergetue, dieses: Hach, wir sind doch alle Freunde. Ähm ... nein. Sind wir nicht. Wollen wir auch gar nicht sein. Jedenfalls nicht von meiner Seite aus. Ich hab viele nette Kollegen, aber es sind eben Kollegen und keine Freunde. Die Freunde, die ich habe, sind handverlesen, und das dauert schon ein bisschen, bis irgendjemand in diesen erlauchten Kreis aufgenommen wird. Und genau aus diesem Grund hasse ich diese pseudo-familiären Agenturpartys. Ich hab euch doch alle schon mindestens acht Stunden um mich rum und muss mich benehmen und so tun, als wäre ich ein sozial verträglicher Mensch. Darf ich dann nicht wenigstens nach Feierabend meine Ruhe haben?

Ich bin nicht lustig. Ich bin nicht gut gelaunt. Ich schleppe ne Menge Kram mit mir im Kopf rum, der ab und zu mal nach draußen will, und dann will ich nicht mit euch allen reden. Und dann will ich nicht, dass ihr mit mir redet und mir erzählt, och, komm doch mit, das wird bestimmt lustig. Wenn ich irgendeinen Satz hasse, dann den.

Ich bin kein Partymensch. Ich mochte Menschenansammlungen noch nie. Ich fand es noch nienienie lustig, zu lauter Musik in viel zu dunklen Räumen zu tanzen oder 1000 neue Gesichter zu sehen oder beschissenen Nudelsalat aus Eimern zu essen. Ich mag Partys nicht, und ich hab langsam keinen Bock mehr, mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich lieber alleine zuhause bin und lese oder schreibe oder Videos gucke anstatt in irgendwelchen beknackten Trendbars rumzuhängen und meinen Kollegen Nichtigkeiten in die Ohren zu brüllen.

Gar nicht schlecht ... wenn ich wütend bin, bin ich nicht mehr traurig. Aber das legt sich gleich wieder, wenn ich den Rechner ausmache, mich wieder ins Auto setze, in die Agentur zurückfahre und weitere fünf Stunden lang auf einen leeren Monitor gucke.
Ach, Scheiße.


23 Uhr. Die Party war nett, weil die Location traumhaft schön war (Reinbeker Schloss, direkt am Wasser und sooo romantisch), das Essen lecker, wir eine Schießbude hatten und ich einen total affigen, aber auch total lustigen orangenen Jägermeisterhut gewonnen habe (Ja, gut, war der Trostpreis für die Loser, die gleich in der ersten Runde rausgeflogen sind. Egal. Ich hab immerhin acht von zehn Hasen erledigt. Mehr hab ich nicht übers Herz gebracht).
Außerdem hat mir Frîa eine sehr schöne Mail geschrieben. Zu Freundschaft und so. Das tat ganz gut.
Ich geh jetzt einfach mal schlafen und drück meinen alten, dicken, blauen Stoffbär, den mir meine Schwester geschenkt hat und für den ich nie zu alt werde.




Freitag, 6. September 2002

Freitag. Freiiiiitag. FREItag. Die kleine Schwester vom Wochenende. Diese Woche ist vorbei. Ich hab sie überstanden. Brave Anke.


Leserbriefe zum Salon-Artikel „Where are the female directors?“ (siehe Blog vom 27. August). Wie immer bei Salon genauso spannend wie der Artikel selber.


Halleluja, die Kommentarfunktion geht wieder. Halleluja, die Friends-DVDs sind da. Halleluja ... ach, nur so.



Dumdiidaa ... die Friday Five für heute:

1. What is your biggest pet peeve? Why?
Ich hassehassehasse es, wenn Menschen unhöflich sind, wenn sie keine Manieren haben, wenn sie einfach gedankenlos durch den Tag rennen und ihre Umwelt ignorieren. Das fängt bei Kleinigkeiten an, wie beim Bäcker unfreundlich gefragt zu werden, was man möchte. Ich bestelle doch auch freundlich und komme nicht so an die Theke: „Hey, du fette Schnecke in der beschissenen Uniform – drei Croissants, aber hurtig, ich hab's eilig, oder bist du zu doof dafür?“ Mach ich das? Nein, mach ich nicht, denn ich bin ein netter, wohl erzogener Mensch. Genauso, wie ich auch fähig bin, im Restaurant freundlich zu bestellen. Daher erwarte ich von meinem Kellner, dass er mich wie einen zahlenden Gast behandelt, der, ganz nebenbei, auch noch Trinkgeld geben will, und nicht wie Kaugummi unter seinem Schuh.
Und was ich ganz besonders hasse (fällt unter die Kategorie „Keine Manieren“): Männer, die in aller Öffentlichkeit irgendwo hinpinkeln. Ich verzeihe es in irgendwelchen waldigen Gegenden an der Autobahn, aber mitten in Hamburg an einen Bauwagen direkt an der Straße ... och, nee. Echt nicht.

2. What irritating habits do you have?
Ich mische viel zu viele englische Phrasen in meine deutsche Konversation. Ich lese mehr englische als deutsche Bücher, mehr englische Websites als deutsche, ich sehe mehr englische als deutsche Filme ... keine Ahnung, ich schnappe so viele schöne Redewendungen auf und merke sie mir – und manchmal ist englisch einfach kürzer als deutsch. In der Werbung reden wir ja eh so ein wirres Denglisch, da rutscht dir halt öfter mal so widerliches Zeug raus wie: „Für den Job musst du dich mehr committen, damit wir die Deadline meeten. “ ICH hab das noch nicht gesagt, aber ich war schon mal nah dran.
Aber Jil Sander ist in Denglisch ja unübertroffen: „Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, dass future Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladysches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils."

3. Have you tried to change the irritating habits or just let them be?
Ich lette sie be.

4. What grosses you out more than anything else? Why?
Der übliche Weiberkram – Spinnen, große Motten, fiese Käfer ... und Gespräche über Spinnen, große Motten, fiese Käfer. Besonders, wenn ich esse. Und warum? Ja, Herrgott, wir reden hier über SPINNEN, GROSSE MOTTEN UND FIESE KÄFER. Wie „warum“?

5. What one thing can you never see yourself doing that other people do?
Bungee-Jumping (vielleicht für ne Menge Geld).
Vogelspinnen auf mir rumlaufen lassen (nein, auch nicht für ne Menge Geld).
Sich die Brustwarzen piercen lassen (alles andere gerne).
Ohne Internet leben (kann ich nicht).




Samstag, 7. September 2002

Vielleicht sollte ich mal erzählen, wie eigentlich die ganzen Bücher sind, die ich ja angeblich jede Woche lese. Dann mal los:

Sommerhaus, später von Judith Herrmann: Eine kleine, feine Kurzgeschichtensammlung. Ihre Prosa klingt genauso, wie man es beim Titel erwartet: nach Sommer, leicht, ein bisschen spröde, ein bisschen vor Hitze flimmernd, nach Sehnsucht. Ich fand sie sehr, sehr schön. So würde ich auch gern schreiben können.

How to lose friends and alienate people von Toby Young: Nö, mochte ich nicht so gerne. Toby Young hat als überzeugter Brite mal eine Zeitlang bei Vanity Fair in New York gearbeitet, ist dort ziemlich auf die Fresse gefallen und rächt sich jetzt mit einem so genannten Enthüllungsbuch. Sagen wir's mal so: Wenn er wirklich so ein Trottel ist, wie er sich im Buch beschreibt (Unfähigkeit ist ein Kündigungsgrund und nicht cool), dann hat er es auch nicht besser verdient. Ich fand die Schreibe sehr von sich selbst überzeugt und nicht wirklich spannend. Aber das Wort Clipboard Nazi für die Mädels und Jungs, die an den roten Seilen vor wichtigen Partys stehen, finde ich schon sehr schön.

Vier Freunde von David Trueba: Groß-ar-tig. David Trueba ist eigentlich Drehbuchautor, und ich finde, das merkt man dem Buch auch an. Es ist sehr bildlich und straff geschrieben, die Geschichte hängt nicht plötzlich mal durch oder macht einfach ne Pause, und die Charaktere sind sehr lebendig und unterschiedlich. Es ist eine Geschichte, die im Sommer spielt und auch dann am besten gelesen werden sollte. Genauso sehnsuchtsvoll und schön wie Sommerhaus, später, aber eher männlich-zackig geschrieben, nicht so träumerisch-weiblich. Beides hat seinen Reiz, und beides passt zu den jeweiligen Büchern.

Tja ... Catch-22 ... damit kämpfe ich ja immer noch ein wenig. Dabei ist es wirklich ein gutes Buch und hat den Titel „Klassiker“ sicher verdient. Vielleicht bin ich im Moment einfach nicht in Stimmung für eine Satire auf den 2. Weltkrieg. Sprachlich ist es ungewöhnlich bis genial – die Grausamkeiten und den Irrwitz des Krieges auf einzelne Personen zu verdichten und an ihnen aufzuzeigen, wie bescheuert das alles ist, ist schon klasse. Und eigentlich liest es sich auch sehr gut. Aber trotzdem kriege ich immer nur ein Kapitel durch und lege es dann weg. Ich weiß auch nicht, warum. Try for yourself.

Nebenbei hab ich noch Wüstenblume von Waris Dirie durchgelesen. Spannende Geschichte, leider entweder total mies übersetzt (ich habs auf Deutsch gelesen) oder sie hat ne ganz schlechte Ghostwriterin gehabt oder sie ist eben so doof, wie ich es vielen Models unterstelle. Richtig mieser Taschenbuchstil für eine eigentlich sehr berührende Geschichte.

Außerdem nebenbei weggelesen: Faserland von Christian Kracht. Nach dem ersten Kapitel hab ich ja nur geflucht: über sein ewiges Name Dropping von Markennamen und über die, meiner Meinung nach, recht konventionellen Handlungsstränge von Drogen, komischen Freunden, noch mehr Drogen, noch mehr Freunden. Aber je länger man es liest, desto bedrückender, desto intimer wird die Geschichte. Und zum Schluss hat man dieses armselige Gefühl, einen ganz einsamen Menschen kennengelernt zu haben, trotz der tollen Klamotten und der vielen Freunde. Ich revidiere hiermit mein Urteil auf Inès' Wohnzimmerblog.



Hach, finde ich einfach immer wieder schön: die Frequently Self-Asked Questions auf Malorama. Hätte ich auch gern geschrieben. Alles, bis auf die Sache mit dem Schwulsein, meine ich. Not that there's anything wrong with that :-)

was soll das hier sein?
ein weblog, eine gedächtnisstütze, ein kampfprotokoll gegen das vergessen. was mir im leben und im internet über den weg läuft, hallt hier manchmal noch ein paar bytes nach.
(...)

noch nie die krise bekommen?
doch öfters. wen interessiert das hier schon? kann ich meine freizeit nicht sinnvoller gestalten? liest womöglich meine mutter mit? bin ich der schwule weblogvorzeigekasper? andere können doch viel besser schreiben. undsoweiter. spaß am schreiben und egalhaltung überwiegen und verhinderten bislang die einstellung dieser seite.

was hält malorama am leben?
die große liebe zum internet, die große liebe zum leben, die große lust zu schreiben, der große wille, alles wahrnehmen zu wollen und nichts zu vergessen, was mir auch nur eine sekunde lang wichtig war.

geht's auch weniger pathetisch?
nicht nach drei flaschen bier.



Hmmm. Nachgedacht. Über den Eintrag, den ich Donnerstag mittag geschrieben und wieder gelöscht hab. Über den Kommentar von Martin. Über meinen Kommentar zum Kommentar. Hmmm.

Eigentlich hab ich mir ja geschworen, hier im Blog alles ehrlich aufzuschreiben, was mich bewegt, was mich berührt, was mich glücklich macht und eben auch, was mich traurig macht. Denn wozu sollte ich sonst ein Blog schreiben? Jedenfalls, wenn mein Blog mehr sein soll als die übliche Linksammlung, und das war schon mein Ziel.
Ich bin eine Summe aller meiner Gefühle, denn sie alle machen mich zu der Person, die ich eben bin und mit der ich klarkommen muss. Und alle anderen leider auch :-) Also gehören dazu nicht nur meine Lieblingslinks, die mir für fünf Minuten den Tag verschönern, sondern auch die richtig miesen Momente.
Ich hab bloß Schiss, dass das irgendwer in den falschen Hals kriegt. Malorama hat Angst, dass seine Mutter mitliest. Meine Mutter kriegt nicht mal meinen alten Rechner an – jedenfalls nicht ohne meinen Spickzettel –, geschweige denn, dass sie ins Internet kommt. Bei mir ist es eher die Angst, dass meine Kollegen ein komisches Bild von mir kriegen. Also noch komischer als das, was sie eh schon haben. Sie unterstützen schließlich sehr liebevoll meine Promi-Sucht, bringen mir Autogramme mit und schneiden Artikel über meine Schnuckis für mich aus. Aber sie kennen mich eigentlich fast nur gut gelaunt, freundlich, hilfsbereit. Natürlich hab ich auch mal meine nöligen zehn Minuten, aber ich denke schon, dass ich mich in der Agentur immer sehr zivil aufführe. Und vielleicht will ich nicht, dass alle (bzw. alle, die mitlesen) mitkriegen, wie es wirklich in mir aussieht.
Dann müsste ich natürlich so konsequent sein und gar nicht mehr schreiben, was in meinem Köpfchen so vor sich geht.
Hmmm. Ich gehe mal wieder nach meinem Bauchgefühl – das ist meist verlässlicher als mein Hirn – und stelle den Beitrag wieder da hin, wo er hingehört: ins Netz, unter Donnerstag, 5. September. Ich lasse auch die Kommentare so, wie sie heute, am Samstag, auf der Seite erschienen sind.
Macht damit, was ihr wollt.




Sonntag, 8. September 2002

Ich hab geträumt, dass Markus Kavka im jetzt-Magazin eine Doppelseite über mein Blog geschrieben hat. Ich hab mich die ganze Nacht sehr geschmeichelt gefühlt, und als ich merkte, dass ich wach werde und darüber nachdachte, hey, das jetzt-Magazin gibt's doch gar nicht mehr, habe ich mich geweigert aufzuwachen.
Ich kann mich sogar noch ans Layout erinnern: Die ganze Seite war rostrot, der Text war hellblau, so wie das Blau dieser Seite eben. Die Schrift war schräg gesetzt. Eine Technik, die sich sowieso nur das jetzt-Magazin erlauben konnte – und jede Schülerzeitung dieser Welt. Und natürlich war es wahnsinnig schwer zu lesen, aber dafür unglaublich cool. Hey, ICH war unglaublich cool. Für eine Nacht. Immerhin.

Und ganz nebenbei war gestern/ist heute Rosch ha-Schana. Ein gutes und süßes 5763 euch allen.
(This feels weird)




Montag, 9. September 2002

D
iese Woche lese ich: Smells like Niederlage von Linus Volkmann (ja, gut, ich hab bei Catch-22 die Waffen gestreckt. Das Buch hat gewonnen. Man muss ja auch nicht alles gelesen haben).
Diese Woche höre ich:
Greatest Hits von Duran Duran. Völlig schmerzfrei.


Always remember:




Scheiß auf SchroiberStöder. Ich hab lieber Dieter Nuhr auf 3sat gesehen, der mal wieder seine übliche philosophische Nöligkeit versprüht hat. Mein persönlicher Favorit: „Früher gab es ja Leute, die meinten: Ich denke, also bin ich. Heute weiß man: Das geht auch so.“

Ach ja, und die Kritik zu Monster's Ball ist online. Enjoy.

Auch schön: Jetzt, wo die Kommentarfunktion wieder geht, spackt der Counter.

Viel später als eben, kurz vor 20 Uhr – und den ganzen Tag ist nix passiert. Höchstens, dass ich mich wieder darüber aufgeregt habe, dass die Apfelschorle im Suryel inzwischen unverschämte drei Euro kostet. Und dass uns Scheffe wie immer eine Stunde nach Im-Prinzip-Feierabend zugebrüllt hat: „Was macht ihr denn noch hier? Ausdenken auf Agenturkosten? Das könnte euch so passen.“



Dienstag, 10. September 2002

Mein Köpfchen ist noch müde. Meine Finger auch. Ich hab nix zu erzählen. Seit gestern abend, als ich mich um 20 Uhr vors Internet bzw. vor den Fernseher gelegt habe, ist komischerweise gar nichts passiert, was sich aufzuschreiben lohnt. Komisch. Meine Füßchen sind übrigens auch müde. Ich glaube, Katrin und Uwe macht das Spaß, mich am Sonntag über den Sportplatz zu jagen und mir alle zwei Sekunden zuzubrüllen: „Zehen hochziehen! Abrollen! Und noch ne Runde!“ Da hab ich ja my very own Pandora-Büchse geöffnet. Selber schuld :-)

Oh, eine Sache fällt mir ein, die ich aufschreiben könnte und die mich auch totaaal nachdenklich gemacht hat: In 74 Prozent aller Aldi-Märkte in Hamburg geht man vom Eingang in Richtung Kasse links rum. Mehr davon? Gerne.



„hm, in solchen fällen tritt normalerweise plan b in kraft. doch super-lupo hatte keinen scheiß plan b. genau genommen hatte er ja nicht mal plan a. super-lupo zerbrach sich den dicken kopf – und tatsächlich, da hatte er sich einen plan b ausgedacht; alles sollte folgendermaßen ablaufen: er würde dich hinter den garagen verstecken und warten, bis sich seine probleme von selbst gelöst hatten. alles klar. doch bei genauerer betrachtung ließ dieser erst so heiß umjubelte plan b einiges zu wünschen übrig. >nein, das läuft nicht, das läuft so nicht<, versuchte super-lupo die export-bier-flashbacks, die er fälschlicherweise für seine gedanken hielt, mit etwas realität aufzufüllen.“
Smells like Niederlage, Linus Volkmann



Und im Vorfelde des 11. September und in Anbetracht der Tatsache, dass wir vielleicht bald wieder united standen (Danke George, du Trottel, danke Tony, du Schleimer), ist es an der Zeit, einen kleinen Test auszufüllen, ob du ein guter Amerikaner bist. (Ich hab 10 von 10 – ich darf in den Krieg mitziehen.)



Von den Alten lernen:
"I'm kind of curious to take notes and ask things like 'So, when you're on the toilet and someone asks you for an autograph, how do you respond?''"
(Julia Stiles on what she hopes to learn from Julia Roberts when they meet on the set of Mona Lisa Smile, to Empire Online.)



22 Uhr. Grade nach Hause gekommen. Langer Tag, trotzdem nicht so wahnsinnig viel bei rumgekommen. Und außerdem hat mein Rücken wieder gezickt. Und zwar in dem Maße gezickt, dass ich mich wieder auf den Fußboden gelegt habe anstatt zu sitzen. Nicht gut. Gar nicht gut.

Katrin fliegt morgen mit Cheffe auf Kundentermin nach München. Fliegen. Am 11. September. Sie hat mir strengstens verboten, auch nur einen schlechten Witz zu machen. Okay, okay.

Andreas und Nadine haben mit eine Mail geschrieben, dass sie gerne einen Kommentar hinterlassen hätten, die blöde Funktion aber mal wieder nicht funktioniert hätte. Hmmm ... jetzt geht sie. Ich hab eure Mails mal als Kommentar auf die Seite gestellt. Hoffe, das war euch recht. Wenn nicht, müsst ihr mir noch mal schreiben. Und Nadine: Okay, Bielefeld ist echt ne Ecke härter. Dagegen ist Hamburg bestimmt das Paradies :-)




Mittwoch, 11. September 2002

Ich weiß noch, wo ich letztes Jahr am 11. September war. Und ich ärgere mich ein wenig darüber, dass es so unspektakulär und ein bisschen peinlich war.

Ich war seit Mitte August krankgeschrieben (Bandscheibe) und bin mehrmals in der Woche zur Krankengymnastik und Massage gegangen. So auch an diesem Dienstag. Die Praxis ist nicht besonders groß, daher haben sie jeden frei verfügbaren Platz in einen Therapieplatz umgewandelt. Ich hatte an dem Tag wieder den Deppenplatz erwischt: das Büro. Darin stand ein Schreibtisch, auf dem ein Laptop lag, ein Schreibtischstuhl, ein Regal, Telefon – und eben, mitten im Raum, die Liege, auf der man seine Massage bekam. Steffen, der Therapeut, knetete gerade an meinen Wirbeln herum, als der Chef der Praxis einfach so reingestürmt kam. Man legt ja eigentlich jede Scham ab, wenn man massiert wird oder zum Arzt geht, aber richtig toll fand ich's trotzdem nicht. Steffen meinte auch noch: „Ähm ... ich hab hier grad ne Patientin, könntest du viellleicht später ...“ Aber Cheffe stotterte nur: „Da ist ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen, ich muss ins Internet.“ Steffen und ich guckten uns nur an: Wie Flugzeug? World Trade Center? Geht's noch? Nix verstehn. Ich habe in dem Moment gedacht, ach, da wird ne kleine Cessna von irgendeinem Hobbypiloten im 10. Stock eingeschlagen sein – wahrscheinlich wollte der Trottel seinen Freunden von außerhalb mal die Stadt von oben zeigen und hat's nicht gebacken gekriegt. Dabei sind wahrscheinlich ein paar Fenster zerbrochen und vielleicht ein paar Menschen verletzt worden. Nicht schön, aber – wozu die Aufregung?
Jedenfalls hat es mich nicht wirklich interessiert. Steffen knurbelte weiter an meinen Wirbeln rum, der Chef gab nach fünf Minuten auf: „Ich komm nicht durch“, und wir haben uns danach nicht mal darüber unterhalten. Flugzeug. Pffft.

Als ich nach Hause kam, hatte ich schon eine ziemlich bedrückt und fassungslos klingende Nachricht von Olli auf dem Anrufbeantworter: „Mach mal den Fernseher an. Mach einfach den Fernsehen an.“
Also hab ich den Fernseher angemacht, wo schon die hundertste Wiederholung der Einschläge lief. Ich hab angefangen zu weinen und gleichzeitig völlig verständnislos auf den Bildschirm geguckt. Ich hab von RTL zu CNN gezappt und wieder zurück. Ich habe E-Mails an meine Freunde in den USA geschrieben. Ich habe Freunde angerufen. Und ich hab stundenlang weiter geheult.

Bis heute kommen mir jedesmal die Tränen, wenn ich sehe, wie die Flugzeuge in die Türme fliegen. Am meisten hasse ich das Bild, wenn der brennende Nordturm in seiner ganzen Größe zu sehen ist und sich plötzlich von links aus dem Bild ein Flugzeug nähert. Und ich sitze jedesmal vor dem Fernseher, kralle mich irgendwo fest und hoffe, dass es diesmal vorbei fliegt. Und jedesmal kracht es mitten in den zweiten Turm. Und ich hab wieder verloren.

Ich kann bis heute nicht verstehen, wie man überhaupt auf die Idee kommt, vier Passagierflugzeuge zu kapern und sie auf das WTC, das Pentagon und auf das Weiße Haus stürzen zu lassen. Und gleichzeitig denke ich mir voller Beschämung über mich selber: Wow, was für ein Plan. Da wäre nicht mal Hollywood drauf gekommen. Ich erwische mich dabei, wie ich denke, wenn die das Weiße Haus auch noch getroffen hätten, wäre es wirklich ein perfekte Inszenierung gewesen. Die Deppen haben's versaut. Ob sie trotzdem in ihren blöden Himmel gekommen sind?

Auf Salon steht gerade, neben anderen Artikeln zum 11. September, ein sehr netter über verbotene Gedanken zum Terroranschlag. Ich fühle mich in guter Gesellschaft. Zum Artikel weitere Leserbriefe.



Eine Zusammenfassung mehrerer Blog-Einträge vom 11. September des letzten Jahres beim Fernsehratgeber. Mein Favorit ist mal wieder Herr Praschl.



Habe eben den Film 11. September von den beiden französischen Brüdern Jules und Gédéon Naudet im Ersten gesehen. Die beiden wollten eigentlich nur einen Dokumentarfilm über eine New Yorker Feuerwache drehen. Sie waren seit Monaten mit den Jungs unterwegs – beziehungsweise eben nicht unterwegs, denn es gab so gut wie nie ein Feuer. Bis zum 11. September.
Jules war bei der ersten Einsatztruppe dabei, die in den Nordturm stürmten, und war in der Lobby, als der Südturm fiel. Gédéon folgte einem anderen Zug durch die Straßen und filmte die Reaktionen. Er kauerte hinter einem Auto in den Straßen Manhattans, als auch der zweite Turm zusammenbrach. Die Bilder von beiden haben mich wieder sehr betroffen gemacht, auch wenn das Wort allmählich überstrapaziert wird. Ich dachte, im letzten Jahr hätte man die Einschläge der Flugzeuge aus allen Perspektiven gesehen und alle O-Töne gehört, die es gibt. Aber heute abend habe ich mitangehört, wie das Flugzeug von Mohammed Atta in den Nordturm flog. Ich habe den kompletten Einsturz des Süd- und Nordturms aus nächster Nähe mitgehört. Und ich habe mitbekommen müssen, wie es sich anhört, wenn menschliche Körper aus 300 Metern auf das Glasdach der Lobby im Nordturm aufprallen. Ein Feuerwehrmann fasste es erschreckend genau zusammen: „How horrible does it have to be up there if jumping is the better alternative?“




Donnerstag, 12. September 2002

Letzte Woche war das jüdische Neujahrsfest. Ich habe es zum Anlass genommen, ein paar Versprechen an mich selber abzulegen. Die hatte ich mir schon letztes Jahr im Juni/Juli gegeben, und sie waren ganz einfach: Nimm dich ernst. Nimm deinen Körper ernst. Du bist die einzige, die an dir etwas ändern kann. Nöl nicht rum, mach was. Das hab ich getan. Ich habe mit Sport angefangen und meine Ernährung umgestellt. Ich habe mit dem Rauchen aufgehört. Und ich habe mich noch nie so wohl gefühlt in meinem ganzen Leben wie im letzten Sommer, als das Gewicht allmählich runterging und der Appetit auf fünf Tafeln Schokolade am Tag langsam weniger wurde.

Und dann kam der Bandscheibenvorfall. Die zwei Monate zu Hause im Bett, die vier Wochen im Krankenhaus, die fünf Wochen in der Reha, die langsame Einarbeitungszeit in der Agentur. Im Krankenhaus habe ich meinen Ernährungsplan noch halbwegs durchgehalten. Teilweise deshalb, weil ich nicht anders konnte – einkaufen mit Gehgestell im Krankenhauskiosk ging gar nicht, weil der Kreislauf mir nur einen Radius von zehn Metern erlaubte. Und teilweise, weil ich der Krankenhauskost relativ hilflos ausgeliefert war. Ich habe vegetarisch gegessen und den Nachtisch meist nur probiert und nicht runtergeschlungen.

Dann kam die Reha. Dummerweise konnte ich da schon ein wenig rumhumpeln. Und noch dümmererweise lag auf dem Gelände der Klinik ein kleiner, verlockender Edeka-Markt. Zur Zeit der Reha hat sich nichts an meinem Körper so angefühlt wie ich es kannte. Es fühlte sich komisch an, im Sitzen zu duschen, weil ich nicht stehen konnte, und sich auch noch festhalten zu müssen. Es fühlte sich komisch an, sich von der Pflegerin die Zehennägel schneiden zu lassen, weil ich die Beine nicht richtig bewegen konnte, um mit der Schere an die Füße zu kommen. Es fühle sich am allerkomischsten an, einen Plastikschlauch in der Bauchdecke zu haben, weil meine Blase, Harnröhre und die komplette umliegende Muskulatur eine Auszeit genommen hatten. Nichts war so, wie ich es kannte.
Aber Essen war so, wie ich es kannte. Schokolade schmeckte noch genauso. Und die wenigen Momente, in denen ich bei Edeka an der Kasse stand und meine Kinderriegel gekauft hab, fühlten sich so normal an wie nichts sonst. Und daher war ich ganz schnell wieder da, wo ich Anfang Juni war: bei meinem täglichen Einkaufstrip zu den Kalorien.

Diese Essgewohnheiten habe ich beibehalten, denn noch immer gehören mein Körper und seine Funktionen noch nicht ganz wieder mir alleine. Einige Stellen führen immer noch ein Eigenleben, was mir an schlechten Tagen verdammt zu schaffen macht.

Aber solche Tage hatte ich schon mal. Letztes Jahr. Und das Jahr davor. Eigentlich mein ganzes Leben lang. Und ich erinnere mich, dass ich diese schlechten Tage in den Griff gekriegt habe. Mit der Therapie und mit der Umstellung meiner Essgewohnheiten. Es hat mir am Anfang fast Angst gemacht, wie gut es mir auf einmal ging, denn dieses Gefühl: „Hey, alles in Ordnung. Keine Panik, das ist bloß ein neuer Tag, der auf dich wartet“ kannte ich einfach nicht.

Wenn ich es einmal geschafft habe, mein Leben in den Griff zu kriegen, sollte es doch auch ein zweites Mal klappen, oder? Gut, die Voraussetzungen sind noch einen Tick schwieriger geworden, aber wächst man nicht an seinen Aufgaben?

Vielleicht war das letzte Jahr eine Prüfung. Vielleicht soll mein Weg nicht so einfach sein. Vielleicht weiß ich mein Leben erst zu schätzen, wenn ich alle seine Schattenseiten mitgekriegt habe. Keine Ahnung. Aber auf alle Fälle sollte ich jetzt anfangen, mein Versprechen vom letzten Jahr einzulösen. Zeit wird's.



And now for something completely different:
Jungs!
Es gibt Kleidungsstücke, die sind uns Mädels vorbehalten. Ihr dürft Röcke tragen, ihr dürft euch schminken, ihr dürft sogar, wenn's unbedingt sein muss, bauchfreie T-Shirts tragen. Aber Flip-Flops sind WEIBERKRAM. Und wenn ihr noch so schöne Beine habt. Denn an die Schönheit unserer Füße kommt ihr niemals ran. Ganz ehrlich.



Nachtrag am 15. September:
Danke, Frank. Und ich muss zugeben: Ja ... nette Füße :-)



Aber ich bin immer noch nicht bereit, meine „Männer und Flip-Flops passen nicht zusammen“-Theorie zu widerrufen. Sorry :-)




Freitag, 13. September 2002

„It's only just beginning to occur to me that it's important to have something going on somewhere, at work or at home, otherwise you're just clinging on. If I lived in Bosnia, then not having a girlfriend wouldn't seem like the most important thing in the world, but here in Crouch End it does. You need as much ballast as possible to stop you floating away; you need people around you, things going on, otherwise life is like some film where the money ran out, and there are not sets, or locations, so supporting actors, and it's just one bloke on his own stearing into the camera with nothing to do and nobody to speak to, and who'd believe in this character then? I've got to get more stuff, more clutter, more detail in here, because at the moment I'm in danger of falling off the edge.

'Have you got any soul?' a woman asks the next afternoon. That depends, I feel like saying; some days yes, some days no. A few days ago I was right out; now I've got loads, too much, more than I can handle. I wish I could spread it out more evenly, I want to tell her, get a better balance, but I can't seem to get it sorted. I can see she wouldn't be interested in my internal stock control problems though, so I simply point to where I keep the soul I have, right by the exit, just next to the blues."
Immer wieder gut: Nick Hornby, High Fidelity



Ich verkneife mir gerade jeden Kommentar zu Freitag, dem 13.



Die Message Boards auf der offiziellen Website zu Monster's Ball finde ich grad ziemlich spannend. Was die Leute alles über Halle Berry, ihre angebliche Prostitution für den Oscar und den Verrat an allen schwarzen Mitmenschen posten, sind schon hübsche Theorien.



Die Friday Five:
1. What was your favorite subject in school? Why?
Deutsch, natürlich. Und Englisch, natürlich. Warum? Weil es Fächer waren, die für mich persönlich Sinn gemacht haben. Ich habe es eingesehen, dass man deutsche Rechtschreibung und Grammatik berherrschen sollte. Englisch genauso – es ist eine Weltsprache, fast jeder spricht sie, und sie ist babyeinfach: Natürlich habe ich diese Fächer gern gemocht. Mal abgesehen davon, dass ich schon immer gerne gelesen habe und es auch daher nie abwarten konnte, endlich neue Unterrichtslektüre duchzugehen, die ich schon in den Sommerferien gelesen hatte.
Meistens hatte ich auch gute Lehrer oder Lehrerinnen in den Fächern, und selbst wenn nicht, hat das Interesse an den Sprachen das wieder wettgemacht. Selbstredend waren in den Fächern auch die Noten am besten. Rekord in der 10. Klasse: in beiden eine Eins. Ich alter Streber.
Außerdem habe ich Musik und Kunst gerne gemocht, einfach, weil es spannend war, mal andere Musik zu hören als die im Radio und andere Bilder zu sehen als die in der BRAVO. Und selber malen, zeichnen, töpfern – wo kann man sonst so hemmungslos rumschmieren und auch noch gute Noten dafür kriegen? Großartig.

2. Who was your favorite teacher? Why?
Ich hatte zwei Lieblingslehrer aus unterschiedlichen Gründen. Zum einen Herrn Oetter in Mathe. Dazu muss man wissen, dass ich Mathe gehasst habe. Wie die Pest. Wie der Teufel das Weihwasser. Wie der Texter die Klischeemetapher :-) Ich hab nie verstanden, wozu ich alles, was über die Grundrechenarten, Bruch- und Prozentrechnung hinaus ging, jemals brauchen sollte – Stichwort Kurvendiskussion. What the hell ... aber egal.
Herr Oetter war der einzige Mathelehrer, den ich jemals hatte, der nicht ausschließlich die nackten Noten, die unter den Klassenarbeiten standen, bewertet hat, sondern auch die Mühe, die man sich als Schüler gegeben hat. Es war von Anfang an klar, dass ich überhaupt keine Ahnung von irgendwas hatte, was er an die Tafel geschrieben hat. Aber anstatt Männchen zu malen oder Geschichten zu schreiben, habe ich trotzdem versucht, es zu verstehen. Ich habe an zwei Mathehausaufgaben länger gesessen als an der kompletten Interpretation von Faust. Und das hat er gewürdigt. Er hat gewürdigt, dass ich immer aufgepasst habe, auch wenn ich wahrscheinlich die ganze Zeit geguckt habe wie ein Auto. Er hat es gewürdigt, dass ich gefragt habe, wenn ich irgendwas nicht verstanden habe. Und nochmal gefragt habe. Und nochmal. Er hat meine absolut unterirdischen Klausurleistungen mit einer absolut überbewerteten mündlichen Leisung gleichgesetzt und mir so zu grandiosen neun (neun, Baby!) Punkten in der 13. Klasse verholfen. Soviel hab ich nie in irgendeiner Naturwissenschaft jemals gekriegt.
Und nebenbei auch nie verdient – in Chemie, Physik und Biologie habe ich nämlich Männchen gemalt oder Geschichten gechrieben. Oder den Müll abgewählt, sobald sich eine Gelegenheit geboten hat.

Mein zweiter Lieblingslehrer war Herr Zorn, den ich in Latein hatte. Was mich an ihm so fasziniert hat, war seine absolute, uneingeschränkte Begeisterung für sein Fach. Er war streng und manchmal ziemlich hart in seiner Benotung, aber immer gerecht. Wer einen guten Job gemacht hat, hat auch gute Noten gekriegt. Ganz einfach. Und auch bei ihm galt das Prinzip: Wer Interesse zeigt, hat meine Sympathie.
Herr Zorn hat die tote Sprache Latein für mich mit Leben erfüllt. Ich erinnere mich immer wieder gerne daran, wie er das Gastmahl des Trimalchio mit verteilten Rollen gelesen, nein, deklamiert hat. Und obwohl keiner von uns doofen Achtklässlern ein Wort von dem verstanden hat, was uns da gerade vorgetanzt wurde, haben wir alle die Freude, die Frivolität, die Üppigkeit dieses Gastmahls gespürt.
In der Oberstufe haben wir dann Ovids Metamorphosen übersetzt. Und als besonderes Schmankerl haben wir die Lyrik von Ovid nicht in deutsche Prosatexte übersetzt, sondern die Zusatzaufgabe war, auch im deutschen eine Versform zu finden. Es klingt völlig bescheuert und wie ein doppelter Schmerz im Arsch, aber der Moment, in dem ich es geschafft hatte, uraltes Latein in eine lyrische deutsche Fassung zu kriegen – der Moment war einfach großartig. Ich habe mich fast selbst wie ein Dichter gefühlt. Sprache hat mich schon immer glücklich gemacht, und einen Lehrer gehabt zu haben, der diese Faszination, diese Liebe zu Worten teilte und förderte, das tat einfach gut.

3. What is your favorite memory of school?
Der Ovid-Moment. Ganz ehrlich. Der war großartig.

4. What was your favorite recess game?
Ich kann mich kaum daran erinnern, in den Pausen irgendwelche Spiele gemacht zu haben. In der fünften und sechsten Klasse war Gummitwist total angesagt, aber ich krieg nicht mal mehr den Grundgedanken dieses Spiels zusammen.
In der Mittelstufe haben wir des öfteren Skat gespielt. Ach ja, und in der Grundschule gab es noch Schangeln. Mit Schangelmünzen. Das waren einfache, runde, ganz flache Metallkreise (wo kamen die bloß her? Mit welchem Sondermüll haben wir unsere kindlichen Hände beschmutzt?), und diese Münzen musste man möglichst nah an eine Hauswand werfen. Wessen Münze am nächsten zur Wand lag, dem gehörte der ganze Pott. Ich nix mehr wissen Regeln.
Im Gymnasium waren Spiele ja total uncool. Da stand man nur noch mit seiner Clique, so man denn eine hatte, in der Gegend rum, zuzzelte an seinem Kakao oder schrieb noch schnell Hausaufgaben ab. (Ja, Kakao. Wie gesagt, ich war niemals cool.)

5. What did you hate most about school?
Dass ich nie zu irgendwelchen In-Cliquen gehört hab. Dass ich nie eins der tollen Mädels war, die alle gern mochten, ich war immer nur die mit den Klamotten von ihrer Cousine.
Später war ich dann wenigstens eine von den Rebellen, die Kaos rausgebracht haben, das Untergrund-Schülermagazin. Meine drei Mitstreiter und ich hatten sogar mal einen Termin beim niedersächischen Kultusministerium, weil wir es gewagt hatten, der Zeitung jeweils ein Kondom beizulegen. Das war, als die AIDS-Hysterie allmählich anfing. Und da wir gerade zu der Zeit eine 13-jährige an der Schule hatten, die schwanger war, dachten wir uns, hey, das ist doch mal ein guter Plan.
Der Elternrat war allerdings not amused. Es gab eine Lehrerversammlung, wir mussten uns solchen Stuss anhören wie: „Das fordert doch geradezu zum Geschlechtsverkehr heraus“ oder, noch besser: „Die meisten wissen doch gar nicht, was das ist.“ Seitdem ist mir schmerzlich bewusst, dass keine Elterngeneration jemals wissen wird, was ihre Kinder eigentlich machen.
Jedenfalls waren wir danach verboten, was den Verkauf der nächsten Ausgabe natürlich mächtig ankurbelte, die wir direkt gegenüber von der Schlue, auf neutralem Boden sozusagen, verkauft haben.
Wir haben ganze vier Ausgaben durchgehalten, bevor wir uns zerstritten haben. Aber ehrlich gesagt, waren das vier verdammt gute Zeitungen. Die lese ich heute noch.



Nebenbei: Herr Smail, Sie sprechen da ein großes Wort („Niemals erhalten Sie eine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu machen!!!“) sehr gelassen aus.




Samstag, 14. September 2002

Morgens, halb zehn beim Bagelholen: Ich habe es gewagt, für 40 Sekunden auf dem Radweg zu parken, weil man wieder alles andere im Umkreis von drei Kilometern zugeparkt war. Als ich aus dem Laden kam, fuhr gerade ein Alm-Ötzi auf seinem rostigen Klapprad haarscharf an meinem Auto vorbei, und ich WUSSTE, ich krieg jetzt einen Spruch. Der ging dann so: „Wo hast du bloß deinen Führerschein gemacht?“ worauf mir einmal – einmal! – sofort eine Erwiderung eingefallen ist und nicht erst ne halbe Stunde später: „Ich hab wenigstens einen.“ Das „... du Blödmann, der sich lieber um seinen eigenen Dreck kümmern und nicht meinen Morgen versauen sollte“ hab ich mir verkniffen. War aber trotzdem Ruhe. I rule.




Sonntag, 15. September 2002

Zwei meiner besten Freunde sind gerade dabei, sich zu trennen. Nach knapp drei Jahren Ehe war's das dann wohl. Und ich erlebe zum ersten Mal, wie es sich anfühlt, komplett zwischen zwei Stühlen zu sitzen, bei dem einem nicht den Namen des anderen erwähnen zu dürfen, bloß nichts weitersagen zu dürfen, was mir einer der beiden erzählt hat, den einen zu fragen, ob es okay ist, wenn man mit dem anderen einen Kaffee trinken geht und so weiter.
Ich kenne dieses Verhalten bis jetzt nur aus Filmen und ich dachte mir immer, ach, da kann man doch drüberstehen, man hat sich doch mal geliebt, da kann man doch immer noch erwachsen miteinander umgehen. Aber das ist wahrscheinlich genau das Problem: Man hat sich mal geliebt. Und jetzt liebt man sich nicht mehr. Und plötzlich ist auch der Respekt ein bisschen weg, dem man dem anderen mal entgegengebracht hat. Man ist verletzt, wütend, stinkig und will einfach nicht erwachsen miteinander umgehen. Man möchte viel lieber die Plattensammlung des anderen aus dem Fenster werfen oder sich ganz schnell einen neuen Partner zulegen, nur um den anderen zu ärgern.
Ich kenne diese ganzen Aktionen ja von mir selber oder von Freunden/Freundinnen, aber bei deren Lebensabschnittsgefährten ging es eben immer um Leute, die nicht zu unserer Kernclique, wie ich sie mal nennen möchte, gehörten. Die beiden, zwischen denen ich jetzt etwas hilflos hin- und herpendele, sind eben zwei meiner besten Freunde. Und ich hab immer das Gefühl, ich müsste ihnen erklären, dass sie auch mal beste Freunde waren. Und dann sogar Geliebte. Und dass es doch schön wäre, wenn man irgendwie friedlich zum Freund-Sein zurückkehren könnte, wenn das mit der Liebe eben nicht hingehauen hat. Aber das ist, glaube ich, die naivste Hoffnung, der ich mich im Moment hingeben kann.
Ach, ist eben alles schade. Ich mag die beiden blöden Dickköpfe mit all ihren Macken eben so, wie sie sind, und es ist irgendwie komisch, mitansehen zu müssen, dass genau diese Macken es sind, die ein Zusammenleben nicht mehr zulassen.
Keine Ahnung. Wie sagt Sebastian, die Krabbe aus The Little Mermaid, immer so schön mit verächtlichem Unterton und hochgezogenen Augenbrauen: MENSCHEN!




Montag, 16. September 2002

Diese Woche lese ich: The Corrections von Jonathan Franzen
Diese Woche höre ich: bloß Radio, glaub ich


Ideenklau oheeee – mit Dank an Martin vom spoom:blog. Ein kleines Literaturquiz. Ich sach euch ein Zitat, und ihr sacht mir Buch und Autor. Und gegoogelt wird nicht.
Ein bisschen schwerer als bei Martin wird's wahrscheinlich schon, weil meine Lieblingsbücher fast alle amerikanischer Natur sind und ich sie daher auch im Original gelesen habe. Immerhin habt ihr jetzt schon einen dicken Ansatzpunkt: Es geht um a-me-ri-ka-nische Werke. Viel Spaß.

1. That old saying, about how you always kill the thing you love, well, it works both ways.
And it does work both ways.
This morning I went to work and there were police barricades between the building and the parking lot with the police at the front doors, taking statements form the people I work with. Everybody milling around.
I didn't even get off the bus.
I am Joe's Cold Sweat.
From the bus, I can see the floor-to-ceiling windows on the third floor of my office building are blown out, and inside a fireman in a dirty yellow slicker is whacking at a burnt panel in the suspended ceiling. A smoldering desk inches out the broken window, pushed by two firemen, then the disk tilts and slides and falls the quick three stories to the sidewalk and lands with more of a feeling than a sound.
Breaks open and it's still smoking.
I am the Pit of Joe's Stomach.
It's my desk.
I know my boss is dead.


2. I have no patience for revelations, for new beginnings, for events that take place beyond the realm of my immediate vision. A young girl, a freshman, I met in a bar in Cambridge my junior year at Harvard told me early one fall that "Life is full of endless possibilities." I tried valiantly not to choke on the beer nuts I was chewing while she gushed this kidney stone of wisdom, and I calmly washed them down with the rest of a Heineken, smiled and concentrated on the dart game that was going on in the corner. Needless to say, she did not live to see her sophomore year. That winter, her body was found floating in the Charles River, decapitated, her head hung from a tree on the bank, her hair knotted around a low-hanging branch, three miles away. My rages at Harvard were less violent that the ones now and it's useless to hope that my disgust will vanish – there is just no way.


3. Many geeks don't really have a sexuality – they just have work. I think the sequence is that they get jobs at Microsoft or wherever right out of school, and they're so excited to have this "real" job and money that they just figure that relationships will naturally happen, but then they wake up and they're thirty and they haven't had sex in eight years. There are always these flings at conferences and trade shows, and everyone brags about them, but nothing seems to emerge from them and life goes back to the primary relationship: Geek and Machine.
It's like male geeks don't know how to deal with real live women, so they just assume it's a user interface problem. Not their fault. They'll just wait for the next version to come out – something more "user friendly".

Na? Na? Naaaa?



Und nochmals ein gut gelauntes Danke an Frank, der mir gestern ein Foto seiner Füße gemailt hat (siehe Eintrag vom 12. September bzw. die Kommentare dazu). Das heißt nicht, dass ich jetzt Fotos von all euren Füßen haben will. Wirklich nicht.
(Und der Mann hat auch noch meinen neuen Lieblingslink auf seiner Seite :-)



Unser aller Lieblinge, die Emoticons, sind heute 20 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch sagen Spiegel Online und Titanic:

Der :-) Smiley wird zwanzig!
Heute vor zwanzig Jahren erfand ihn Scott Fahlman, seitdem ist er aus keinem Forum und keinem Chat mehr wegzudenken: der ASCII-Smiley :-) Die entsprechenden Glückwünsche lesen Sie bitte bei Telepolis oder Spiegel online – welche „Emoticons“ es noch gibt, steht natürlich nur bei TITANIC:
? – „Mir fehlt eine Information / Ich bin neugierig“
! – „Ich habe etwas wichtiges zu sagen und will, daß alle es wissen“
; – „Ich habe einen Hauptsatz geschrieben und noch einen, die zwar für sich bestehen könnten, aber inhaltlich so viel miteinander zu tun haben, daß ich sie irgendwie verbinden möchte“
: – „Da stehen schon ein paar Worte, aber jetzt kommt gleich noch was“
% – „Die Zahl, die ich gerade geschrieben habe, ist keine absolute Zahl, sondern bezieht sich anteilig auf hundert“



Heute ist Jom Kippur, der Versöhnungstag, der höchste jüdische Feiertag, an dem in Israel das gesamte öffentliche Leben ruht. Einige Gebote dieses Tages sind zum Bespiel, nicht zu arbeiten, in die Synagoge zu gehen, zu fasten und sich bußfertig und demütig zu verhalten.
Ich fühle mich doch noch sehr als Anfänger in der jüdischen Religion, der ein wenig unsicher durch die ganzen Gebräuche stolpert. Ich bemühe mich seit einiger Zeit, die Gebote einzuhalten, die ich für mich als sinnvoll ansehe. Ich gehe noch nicht in die Synagoge, weil ich noch das Gefühl habe, überhaupt keine Ahnung zu haben. Ich möchte erstmal mehr wissen und mehr verstehen, bevor ich diesen für mich doch großen Schritt tue und in eine Gemeinde gehe, um einen Gottesdienst zu begehen.
Ich habe heute gefastet. Ich habe seit gestern abend nach Sonnenuntergang nichts gegessen und getrunken. Eigentlich hatte ich es mir schwieriger vorgestellt. Ich hatte damit gerechnet, dass ich ziemlich nölig werden würde, dass mein Magen die ganze Zeit knurrt und dass mein Kreislauf rumzicken würde. Aber nichts dergleichen ist passiert. Ich habe mich sehr leicht gefühlt – und sehr wohl.
Ich habe noch nie gefastet. Daher hat es diesen Tag zu etwas Besonderem gemacht. Es war kein blöder Montag, kein normaler Wochenanfang, nein, es war ein ganz spezieller Tag. Ich war mir den ganzen Tag bewusst, dass ich gerade etwas zum allerersten Mal tue. Und das hat sich gut angefühlt.



Radio-Interview mit Chuck Palahniuk, dem Autor von Fight Club und weiteren Büchern, deren Namen ich schon wieder vergessen habe, weil ich sie nicht mehr so gut fand. Trotzdem nettes Interview, das anscheinend nach dreizehn Bieren in einer gut besuchten Kneipe stattgefunden hat.
(via Monoklon)




Dienstag, 17. September 2002

Jetzt hab ich's gestern doch verpasst, mir die Live-Übertragung aus der Cheops-Pyramide anzugucken. Als ich es heute morgen in den Nachrichten gesehen habe, ist sofort die Erinnerung hochgekommen, wie ich in Ägypten zum ersten Mal vor den Pyramiden stand.

Meine Schwester und ich haben von meinen Eltern zur Konfirmation kein Geld geschenkt bekommen, sondern – viel besser – eine Reise mit der ganzen Familie, wohin wir wollen. Seit ich mit sieben oder acht Jahren ein Kinderbuch über Ägypten bekommen hatte, war ich völlig fasziniert von der Kultur, den Bauwerken – und wahrscheinlich von den ganzen Goldschätzen. Ich erinnere mich noch daran, dass ich mit ungefähr zehn Jahren in einer Ausstellung im Hannoveraner Kestner-Museum war: „Die Goldschätze des Tut ench Amun“. Ich habe mindestens eine Viertelstunde vor der Goldmaske gestanden, bis meine Eltern mich von ihr wegziehen konnten: „Anke, ist gut jetzt. Der Typ wacht nicht mehr auf, und wir stehen im Parkverbot.“ Ich konnte es überhaupt nicht begreifen, wie ein Mensch, so jung, unsterblich werden konnte. Ich habe mir immer vorgestellt, was er den ganzen Tag so macht. Während wir kleinen Zivilisationskinder spielen und Nena hören, sitzt er irgendwo auf einem Thron und regiert ein Weltreich. Und dann wird er schnöde von irgendwelchen Konkurrenten ermordert, kriegt immerhin noch ein ziemlich üppiges Begräbnis und wird in einem Grab verscharrt, das erst 5000 Jahre später wiederentdeckt wird. Und jetzt hängt seine Totenmaske in einem Museum, und kleine Ankes stehen davor und schauen ihm in die starren Lapislazuli-Augen. Wow.
Mein Reiseziel war also klar: Ägypten.
1992 sind wir endlich dahingekommen, Jahre nach meiner Konfirmatiom. Ich erinnere mich daran, als ich zum ersten Mal die Pyramiden gesehen habe. Unser Hotel lag ziemlich am Stadtrand von Kairo, genau wie die drei großen Pyramiden eben (in zehn Jahren liegen sie wahrscheinlich in der Innenstadt), und gleich am ersten Morgen unserer Studienreise saßen wir im Bus auf dem Weg zur Sphinx. Ich guckte so versonnen aus dem Busfenster, schaute mir die für mich völlig neue und sehr ungewohnte Umgebung an, da sah ich plötzlich zwischen einigen Häusern ganz kurz die Spitze einer Pyramide. Ich riß meine Augen auf und wartete, bis der Bus wieder an einer Lücke zwischen den Häusern vorbeifuhr, und da! da war sie wieder. Ich habe meinen Atem angehalten und einfach nur wie paralysiert auf die Spitze geguckt, bis der Bus schließlich um eine Kurve fuhr und sie alle drei vor uns lagen. Unter einem strahlend blauen Himmel, hinter ihnen nur Sand, standen da ganz selbstverständlich die drei größten Pyramiden auf diesem Planeten. Und ich war nur wenige Meter von ihnen entfernt.
Ich hab schon im Bus angefangen zu heulen, weil ich es einfach nicht fassen konnte, wirklich hier zu sein, sie wirklich zu sehen und wirklich anfassen zu können.
Nachdem wir uns durch den üblichen Tourischeiß aus Kamelreitern und Souvenierspacken durchgewühlt hatten, standen wir schließlich direkt vor der Cheops-Pyramide. Ich hab gar nichts mehr gesagt und einfach nur gestaunt. Wenn man sich direkt an die Mauer der Pyramide stellt und den Kopf in den Nacken legt, kann man den Himmel nicht mehr sehen, so hoch und gewaltig ist sie. Der Stein fühlt sich warm und porös an. Und die einzelnen Blöcke sind riesig. Auf Fotos sehen die Pyramiden immer so nett und unschuldig aus, aber wenn man direkt vor ihnen steht, ahnt man, welche übermenschlichen Anstrengungen vonnöten waren, um sie zu errichten.
Ich war, glaube ich, selten so ergriffen wie in dem Moment, als ich die Pyramiden zum ersten Mal gesehen habe. Ich habe die Große Mauer in China gesehen, die Klagemauer, den Felsendom, die Grabeskirche in Jerusalem, den Kölner Dom – monumentale Bauwerke, kaum fassbar, wenn man sie nicht berührt oder gesehen hat. Aber als ich an den Pyramiden stand, hatte ich einen dieser wenigen Augenblicke von Ehrfurcht vor menschlicher Leistung.

(Meine Schwester wollte übrigens nach Disneyland, aber mit einem entsprechenden Maß an Familiendiktatur haben wir sie überzeugt, dass sie doch viel lieber schon immer nach China wollte. Aber das ist eine andere Geschichte.)



Und wenn eine Firma einen so schönen Claim hat, hat sie es verdient, hier einen Link zu kriegen. Ich liebäugele wirklich mit diesem Shirt ...




Mittwoch, 18. September 2002

Baby, life's what you make it
Can't escape it
Baby, yesterday's favorite
Don't you hate it
Baby, life's what you make it
Don't backdate it
Baby, life's what you make it
Beauty is naked
Baby, life's what you make it
Celebrate it
Anticipate it
Yesterday's faded
Nothing can change it
Baby, life's what you make it

Life's what you make it, Talk Talk



Olli hat sich grad beschwert, dass im Moment so wenig von mir selber auf der Site steht. Hröm, sorry, dass ich grad ein BISSCHEN zu tun hab. Und als billige Retourkutsche hier noch ein Text, der auch nicht von mir ist, sondern von Mark Twain (der kann eh besser schreiben, auch wenn ich manche der Grammatik-Regeln, von denen er im folgenden spricht, noch gar nicht kannte):

I went often to look at the collection of curiosities in Heidelberg Castle, and one day I surprised the keeper of it with my German. I spoke entirely in that language. He was greatly interested; and after I had talked a while he said my German was very rare, possibly a "unique"; and wanted to add it to his museum.

If he had known what it had cost me to acquire my art, he would also have known that it would break any collector to buy it. Harris and I had been hard at work on our German during several weeks at that time, and although we had made good progress, it had been accomplished under great difficulty and annoyance, for three of our teachers had died in the mean time. A person who has not studied German can form no idea of what a perplexing language it is.

Surely there is not another language that is so slipshod and systemless, and so slippery and elusive to the grasp. One is washed about in it, hither and thither, in the most helpless way; and when at last he thinks he has captured a rule which offers firm ground to take a rest on amid the general rage and turmoil of the ten parts of speech, he turns over the page and reads, "Let the pupil make careful note of the following exceptions." He runs his eye down and finds that there are more exceptions to the rule than instances of it. So overboard he goes again, to hunt for another Ararat and find another quicksand. Such has been, and continues to be, my experience.

Every time I think I have got one of these four confusing "cases" where I am master of it, a seemingly insignificant preposition intrudes itself into my sentence, clothed with an awful and unsuspected power, and crumbles the ground from under me. For instance, my book inquires after a certain bird -- (it is always inquiring after things which are of no sort of consequence to anybody): "Where is the bird?" Now the answer to this question -- according to the book --- is that the bird is waiting in the blacksmith shop on account of the rain. Of course no bird would do that, but then you must stick to the book. Very well, I begin to cipher out the German for that answer. I begin at the wrong end, necessarily, for that is the German idea. I say to myself, "Regen (rain) is masculine -- or maybe it is feminine -- or possibly neuter -- it is too much trouble to look now. Therefore, it is either der (the) Regen, or die (the) Regen, or das (the) Regen, according to which gender it may turn out to be when I look. In the interest of science, I will cipher it out on the hypothesis that it is masculine. Very well -- then the rain is der Regen, if it is simply in the quiescent state of being mentioned, without enlargement or discussion -- Nominative case; but if this rain is lying around, in a kind of a general way on the ground, it is then definitely located, it is doing something -- that is, resting (which is one of the German grammar's ideas of doing something), and this throws the rain into the Dative case, and makes it dem Regen. However, this rain is not resting, but is doing something actively, -- it is falling -- to interfere with the bird, likely -- and this indicates movement, which has the effect of sliding it into the Accusative case and changing dem Regen into den Regen." Having completed the grammatical horoscope of this matter, I answer up confidently and state in German that the bird is staying in the blacksmith shop "wegen (on account of) den Regen." Then the teacher lets me softly down with the remark that whenever the word "wegen" drops into a sentence, it always throws that subject into the Genitive case, regardless of consequences -- and that therefore this bird stayed in the blacksmith shop "wegen des Regens."

N. B. -- I was informed, later, by a higher authority, that there was an "exception" which permits one to say "wegen den Regen" in certain peculiar and complex circumstances, but that this exception is not extended to anything but rain.

There are ten parts of speech, and they are all troublesome. An average sentence, in a German newspaper, is a sublime and impressive curiosity; it occupies a quarter of a column; it contains all the ten parts of speech -- not in regular order, but mixed; it is built mainly of compound words constructed by the writer on the spot, and not to be found in any dictionary -- six or seven words compacted into one, without joint or seam -- that is, without hyphens; it treats of fourteen or fifteen different subjects, each inclosed in a parenthesis of its own, with here and there extra parentheses which reinclose three or four of the minor parentheses, making pens within pens: finally, all the parentheses and reparentheses are massed together between a couple of king-parentheses, one of which is placed in the first line of the majestic sentence and the other in the middle of the last line of it -- after which comes the VERB, and you find out for the first time what the man has been talking about; and after the verb -- merely by way of ornament, as far as I can make out -- the writer shovels in "haben sind gewesen gehabt haben geworden sein," or words to that effect, and the monument is finished. I suppose that this closing hurrah is in the nature of the flourish to a man's signature -- not necessary, but pretty. German books are easy enough to read when you hold them before the looking-glass or stand on your head -- so as to reverse the construction -- but I think that to learn to read and understand a German newspaper is a thing which must always remain an impossibility to a foreigner.



Mal wieder herzhaft bei der Lektüre von Bovs Blog gelacht.




Donnerstag, 19. September 2002

Ich muss gestehen, dass ich im Moment die Tage bis zu meinem Urlaub zähle. Ab dem Tag der Deutschen Einheit bin ich gnadenlose zweieinhalb Wochen nicht da. Zumindest nicht in der Agentur. Ich habe ein Drehbuchseminar belegt, mich schon bei ein paar Freunden außerhalb Hamburgs angekündigt, um sie heimzusuchen und will ansonsten einfach nur im Bett liegen und 100 Bücher lesen.

Es ist ja nicht so, dass ich den ganzen Tag unglaublich gestresst bin. Natürlich gibt es Tage (so wie gestern), wo ich zwischendurch gern mal geatmet hätte. Aber die finde ich normalerweise ab und zu mal ganz wohltuend. Man kommt nach Hause und hat wirklich das Gefühl, was getan zu haben. So ungefähr wie das Gefühl, das ich hatte, als ich noch gekellnert habe. Man fällt morgens um sieben endlich ins Bett, nachdem man elf Stunden lang Teller geschleppt oder Bier gezapft, die Theke geputzt und die Kasse abgerechnet hat, und man danach noch kurz mit seinen Kollegen sein Feierabendgetränk hatte, um schließlich bei Sonnenaufgang total müde, erledigt und verschwitzt den Heimweg anzutreten. Man kommt nach Hause und weiß, man hat gerade verdammt hart gearbeitet.

Beim Texten komme ich eindeutig weniger ins Schwitzen, aber es ist genauso anstrengend. Und im Moment mache ich leider gerade eine Phase durch, in der ich das Gefühl habe, nur noch Müll zu schreiben, nur noch die dümmsten Headlines aller Zeiten zu texten, nur noch Ideen zu haben, die schon von CDs vor zehn Jahren abgeschossen wurden. Mein Kopf fühlt sich an, als ob er zugeklebt wäre. Ich quäle mich durch jede blöde Zeile, die ich schreibe, und habe das Gefühl, überhaupt nicht vorwärts zu kommen. Während meine Kollegen natürlich alle kein Problem haben, ihren Job zu machen. Dass dem auch nicht so ist, sehe ich zwar an den Meetings oder wenn wir zusammen ausdenken – jeder hat mal eine Zeit, in der weniger kommt als sonst. Aber ich neige nun mal zum Großen Zweifel. Wenn bei mir nicht sofort eine Copy rauskommt, die mindestens Gold ist, denke ich sofort: Ich bin blöd. Ich hab alles vergessen, was ich je gelernt hab. Jeder Prakti kann das besser.

Und daher freue ich mich so sehr auf den Urlaub, weil ich einfach mal diesen Zweifel loswerden will. Ich will wieder für mich schreiben. Oder Bücher lesen, die ich lesen will, und nicht die, von denen ich meine, sie lesen zu müssen. Ich will mal wieder mit meiner Freundin Katja in Köln um die Häuser ziehen und ne ganze Nacht lang über gar nichts reden, ohne das Gefühl zu haben, ich hätte jetzt meine Zeit verschwendet – schließlich liegen noch 1000 Jobs auf meinem Schreibtisch. Ich glaube, ich möchte einfach mal dieses selbstauferlegte schlechte Gewissen loswerden, das mir im Nacken sitzt.
Dumm nur, dass ich gerade vorgestern noch den Riesenjob auf den Tisch gekriegt hab, mit dem ich eigentlich erst frisch und ausgeruht nach dem Urlaub beginnen wollte. Hmm. Egal. Zwei weitere Wochen ohne Luft zu holen, werd ich wohl auch noch hinkriegen.



Ich glaub, ich brauch mal ne Aufheiterung:





Ich weiß ja nicht, wie es in anderen Bundesländern aussieht, aber hier in Hamburg ist es auf einmal Winter geworden:

Stopping By Woods On A Snowy Evening

Whose woods these are I think I know.
His house is in the village though;
He will not see me stopping here
To watch his woods fill up with snow.

My little horse must think it queer
To stop without a farmhouse near
Between the woods and frozen lake
The darkest evening of the year.

He gives his harness bells a shake
To ask if there is some mistake.
The only other sound's the sweep
Of easy wind and downy flake.

The woods are lovely, dark and deep.
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.

Robert Frost (sic :-)



Als regelmäßiger und begeisterter Leser von Salon.com freue ich mich jedesmal am meisten auf die Kolumne Since you asked von Cary Tennis. Keine Ratgeber-Kolumne wie jede andere, denn Tennis ist kein Psychologe oder Therapeut, sondern Schriftsteller und beantwortet daher die Anfragen seiner Klientel, die sich grundsätzlich um Sex, Liebesdinge und den ganzen Grütz, der dranhängt, drehen, auch eher mit gesundem Menschenverstand oder Lebenserfahrung als mit dem üblichen Gutmenschenschmu (hier ein kleines Beispiel). Tennis ist nicht mehr der Jüngste, und vor kurzem fragte er sich und seine Leser, wie denn unsere Generation mit Sex, Liebesdingen und dem ganzen Grütz, der dranhängt, umgeht. Ob die Sichtweise eine andere sei. In dieser Woche veröffentlichte Salon die weisesten, lustigsten, schönsten, rührendsten Einsendungen. Hier eine meiner nach recht gelungene Einschätzung:

Dating

I'm 28. Hope that's youthful enough for you.

Being in a relationship today is like walking into a hail of gunfire with no bulletproof vest. You take your life in your hands every day.

Condoms, condoms, condoms. Of course. Always.

You try to date guys your own age, but they really only want anonymous fuck bunnies. Fuck and run, fuck and run, fuck and run. I'm tired.

So you decide one day, "I'm only going to date rich older men. To hell with my neo-feminist ideals; bring on the sugar daddy! But every man over 40 who's single with cash always says right before you have sex, "We need to talk." Then he tells you he has herpes. (Thanks to the carefree '60s, '70s and '80s, I guess.)

Plus the old guys always act like they are so much smarter than you. Well, genius, if you're that fucking smart how come you didn't know your wife was fucking the guy who built your patio? How's that alimony treating you, asshole? Why can't you keep it up? Why am I here?

If you let a guy pay your way, he will treat you like a prostitute and you will eventually feel like one.

So you date younger guys. Or at least you try. At least they want to have sex all the time. So that's a bonus. Sort of. They have enthusiasm if anything, but it's sort of like an all-you-can-eat buffet at Denny's. It wasn't great, but at least the portions were large.

You find a long-term guy. Or so he says. He's 31 and Jewish and his parents would give you both their kidneys if they could just marry this sucker off. He's the last of his friends to be single. He wants to be in love with you. He tries. Only you don't know it's all an act. You take the conversion classes. You pick out your new Hebrew name. You wonder if you'll have a boy or a girl first. You never see the signs that he's a classic narcissist -- an obsessive-compulsive anal-retentive control freak. You never stop to ask yourself why, despite everyone's best efforts, he's single at 31 and has been for ages. You never ask that question until he disappears for two days and then calls the police on you when you show up at his apartment to find out what's going on.

Right, sorry. I didn't realize that you couldn't fit me in among your alphabetized CDs and color-coded slacks. Sorry for disturbing the order of your sad, lonely life with my new sheets, pillows and gifts. I didn't mean to mess your life up by adding love to it. Motherfucker.

You eventually decide to stop calling severe psychological disorders "charming personality quirks" and take out an Internet personal ad. You remind yourself that you were the prom queen for christ's sake; surely someone will want to date you. People used to like you, right? You like your work. You're a size 2-4 depending on the time of the month. You get asked out lots, just not by people who aren't alcoholics or drug addicts. You're really excited when your in box fills up. Then it tops 100 in less than five days and it's too much. You realize half these yahoos didn't read your profile. They just looked at the picture. You just delete everything.

Then you adopt a dog and stow the gross of condoms behind the waffle iron you never use. You just give up. It's not worth it. You'll never be able to afford a house anyway. You'll never be able to afford kids. You'll certainly never see a Social Security check. You just pray that you die in your sleep sooner rather than later.

Wait!!!! Is that the phone? Maybe it's him! My guy, my dream, my hope, my salvation ... Nah, it's probably just someone I owe money to.

Ah, youth. Wasted on the young, my ass.

-- Katy Medders

Mehr davon hier. Und morgen gibt's die letzte Folge. Check it out.




Freitag, 20. September 2002

Letztes Wochenende habe ich mein Patenkind Paul besucht. Ich habe meinen Uterus noch nie so laut schreien gehört.

Normalerweise bin ich überhaupt kein Kinderfreund. Klar gibt es wirklich niedliche Kinder, aber eigentlich bin ich immer froh, wenn sie mich in Ruhe lassen. Ich finde nichts nerviger, als im Café von Kiddies angeglotzt zu werden, weil ihre blöden alleinerziehenden Mütter lieber miteinander Urlaubsfotos angucken als sich um ihre Brut zu kümmern. Ich hasse es, wenn Kinder mich irgendwas fragen, weil ich nie weiß, ob ich jetzt in alberner Babysprache antworten muss oder so, wie ich eben normalerweise rede. Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass die Perlen meiner Ironie komplett an die Zwerge verschwendet sind. Ich kann schreienden Blagen nichts abgewinnen, ich finde es nicht niedlich, wenn sie sich besabbern, und ich will auch nicht hören, dass er/sie/es heute „dada“ gesagt hat.
Normalerweise.

Und dann ist da Paul.

Paul, bei dem ich einfach glücklich bin, dass es ihn gibt und dass er gesund ist, denn Pauls Mutter hat ihr erstes Kind knapp sechs Wochen vor der Geburt verloren. Paul, der sich freut, wenn er mich sieht. Okay, eigentlich freut er sich über jeden, den er sieht, aber dazu gehöre ich eben auch. Paul, bei dem ich von ganz alleine nachfrage, wie es ihm geht, ob er schon Zähne hat, ob er schon laufen kann oder krabbeln oder ... irgendwas halt, was Babys so machen. Paul, für den ich eine horrende Summe für Schuhe ausgegeben habe, die er genau vier Wochen tragen kann, ohne mit der Wimper zu zucken. Paul, bei dem es mir überhaupt nichts ausmacht, mich total zum Klops zu machen und gluckernd und piepsend um ihn rumzuwuseln, damit er nochmal aus vollem Halse lacht und mich dabei anstrahlt. Paul – das erste Baby, das ich freiwillig auf den Arm genommen und ihn abgeknutscht und geknuddelt habe. Paul eben.

Und jetzt bin ich wieder zuhause, und der Uterus hält gefälligst seine Klappe. Ich weigere mich, die Theorie von der biologischen Uhr zu akzeptieren. Aber es fällt langsam schwerer, wie ich leider zugeben muss. Oh Mann.




Samstag, 21. September 2002

Die Samstags-Siebenundzwanzig-minus-zweiundzwanzig:

1. Would you say that you're good at keeping in touch with people?

Kommt immer darauf an, mit wem ich in Kontakt bleiben will. Wenn mir jemand am Herzen liegt, bin ich sehr gut darin, anzurufen, Mails zu schreiben oder sogar Briefe. (Auch komisch, dass Briefe heute schon was besonderes sind.) Aber manchmal trifft man Menschen, die kurzzeitig sehr wichtig sind, dann weniger wichtig, und plötzlich merkt man, dass man sich schon drei Monate nicht mehr gesehen oder gesprochen hat. Wenn es erst so weit ist, habe ich keine Probleme zu sagen, okay, das war's dann. Ich fühle keine moralische Verpflichtung, mit jedem Menschen, mit dem mich einmal was verbunden hat, in Kontakt zu bleiben. Wenn unsere gemeinsame Zeit vorbei ist, ist sie vorbei. So what?
Andererseits gibt es in meinem Leben auch mehrere Menschen, die mir sehr am Herzen liegen, die sich aber eher in der Peripherie meines Freundeskreises rumtreiben. Ich sehe sie manchmal ein ganzes Jahr nicht, telefoniere vielleicht dreimal im Jahr mit ihnen – und trotzdem sind sie mir sehr wichtig. Wenn man sich dann sieht oder miteinander redet, ist es so, als ob man gerade gestern zusammen was gemacht hat. Die Verbindung reißt nie ab, sie verliert nicht mal an Stärke, obwohl man sich nicht alle drei Tage anruft.

2. Which communication method do you usually prefer/use: e-mail, telephone, snail mail, blog comments, or meeting in person? Why?
Blog comments fällt schon mal raus, weil ich in meinem Freundeskreis die einzige bin, die bloggt.
E-Mails schreibe ich gerne. Ich finde es schön, sich seine Gedanken ein paar Tag später nochmal durchlesen zu können, genau wie bei Briefen, die ich als Kind des 20. Jahrhunderts natürlich auf dem Computer schreibe und nicht per Hand. Wenn also meine Biografen später einmal meinen Briefwechsel veröffentlichen wollen, haben sie es sehr einfach.
Telefonieren macht nur mit Mädels Spaß. Wenn ich Katja oder Uta anrufe, liege ich meistens im Bett und habe einen Kaffee griffbereit, weil unsere Gespräche selten kürzer sind als eine Stunde. Es gibt ja schließlich immer irgendwas oder irgendwen, über das oder den man reden kann. Ich finde es schön, dass diese Gespräche immer noch so lange dauern, selbst wenn man inzwischen völlig unterschiedliche Leben führt. Früher war es die Schule, dann die Uni und in allen Lebenszeiten natürlich die Kerle, über die man geredet hat. Jetzt ist Uta Tierärztin und Mutter, Katja ist Hauptschullehrerin und gerade mit ihrem Freund zusammengezogen und ich texte halt alleine so vor mich hin – drei völlig verschiedene Welten, und trotzdem haben wir so viel Gemeinsames, dass man ewig miteinander reden kann. Das geht natürlich am besten am Telefon, denn sich persönlich zu treffen, fällt inzwischen etwas schwerer, wenn man in drei veschiedenen Städten lebt.

3. Do you have an instant messenger program? How many? Why/why not? How often do you use it?
Zu AOL-Zeiten hatte ich natürlich den AIM, als ich noch bei einer Multimedia-Firma gearbeitet habe, hatte ich ICQ, und jetzt habe ich keinen Messenger mehr und bin auch der Meinung, keinen zu brauchen. Ich habe im Moment keine Online-Freunde mehr (also Menschen, die ich nur über Chaträume kenne), so dass ich im Moment online nicht reden will, sondern nur schreiben und lesen. Das kann sich wieder ändern, und dann kann ich auch meinen ICQ-Account wieder aufwärmen.

4. Do most of your close friends live nearby or far away?
Hmmm ... zwei hier in Hamburg, vier in Hannover oder drumherum, zwei in Köln, einer in Lübeck. Also nicht wirklich weit weg. Höchstens vier Stunden mit dem Zug. Kein Thema.

5. Are you an "out of sight, out of mind" person, or do you believe that "distance makes the heart grow fonder"?
„Distance“ ist natürlich sehr interpretationsfähig. Hannover ist keine Distanz – wenn ich Sehnsucht nach meinen Hasis habe, dann setz ich mich ins Auto und bin in gut einer Stunde da, meistens pünktlich zum Essen.
Amerika ist da schon was ganz anderes. Als Karl noch lebte, fand ich es sehr, sehr widerlich, dass er so weit weg war, dass Telefonieren horrend teuer und ein Brief scheißlangsam war. Da fand ich distance einfach nur doof. Aber er wäre meinem Herzen nicht näher oder ferner gewesen, wenn er um die Ecke gewohnt hätte. Ich denke, wenn man jemanden sehr mag oder liebt, ist es dem Herzen egal, wo sich derjenige befindet. Ich glaube nicht, dass er mir wertvoller war, weil er so weit weg war. Genauso wenig glaube ich, dass ich ihn weniger mochte, je seltener ich ihn gesehen habe. Ich finde beide Theorien nicht wirklich überzeugend. Wenn jemand sich in mein Herz geschlichten hat, dann gehört es ihm oder ihr, ganz egal, wo er oder sie ist.



Und damit endet für mich dieser Shabbat, denn in der Agentur wartet ein Berg Arbeit auf meinem Schreibtisch. Also, frisch ans Werk, denn acti iucundi labores, wie wir Lateiner wissen.




Sonntag, 22. September 2002

Ächz, mit einem verpflasterten Mittelfinger (ich sag nur Brotmesser) zu tippen, ist ziemlich lästig. Das lass ich einfach mal sein. Gibt im Moment eh nix interessantes. Eigentlich warte ich nur ziemlich gespannt darauf, dass es 18 Uhr wird. Daumen sind gedrückt, denn: Die haben kein Pflaster.




Montag, 23. September 2002

D
iese Woche lese ich: das 1. Buch Mose
Diese Woche höre ich: Mensch von Herbert Grönemeyer (jedenfalls auf meinem schrottigen CD-Player. Mein iBook darf deine CD ja nicht abspielen, stimmt's, Herbert, du Kopierparanoiker?)


I have studied many times
The marble which was chiseled for me –
A boat with a furled sail at rest in a harbor.
In truth it pictures not my destination
But my life.
For love was offered me and I shrank from its disillusionment;
Sorrow knocked at my door, but I was afraid;
Ambition called to me, but I dreaded the chances.
Yet all the while I hungered for meaning in my life.
And now I know that we must lift the sail
And catch the winds of destiny
Wherever they drive the boat.
To put meaning in one's life may end in madness,
But life without meaning is the torture
Of restlessness and vague desire--
It is a boat longing for the sea and yet afraid.

George Gray, Edgar Lee Masters



Filme vom Wochenende: Was tun, wenn's brennt? Seeehr nett, auch wegen Til Schweiger unter der Dusche. Mal was anderes aus deutschen Landen als doofe Komödien. Mir hat's gefallen.
K-PAX: Kevin Spacey und Jeff Bridges können eh nix falsch machen, aber ich hab den Film eigentlich nicht verstanden. Isser jetzt ein Außerirdischer oder nicht? Ich glaub ja nicht, aber dann machen ein paar Szenen rückblickend nicht mehr viel Sinn. Wenigstens haben sich die Filmemacher die übliche Klapsmühlen-Litanei „Die Irren sind viel vernünftiger als die Normalos“ erspart.
Riding in Cars With Boys (Unterwegs mit Jungs): Och ... hätte besser sein können. So sehr ich Drew Barrymore mag – für 15 geht sie einfach nicht mehr durch. Aber die Quintessenz des Films: „Die Dinge, von denen wir immer glauben, sie würden uns daran hindern, anders, besser zu leben, SIND unser Leben“ fand ich ganz reizvoll.
Und zu guter Letzt nochmal Kate & Leopold: Nee, war auf Englisch auch nicht besser als damals auf Deutsch im Kino.



Und hier noch eine kleine persönliche Mitteilung an alle, die Stoiber gewählt haben.



Andy Foulds wunderbare Website voller lustiger und völlig sinnfreier Flash-Experimente. Eins davon via Wohnzimmer: die sich immer wieder generierende Blisterfolie. Oder, wie ich sie gerne nenne: Knackefolie.



Eine Durchsage für alle Abonnenten meiner Kinokritiken: Eine ausführliche zu Road to Perdition werdet ihr hier nicht finden, denn den Film habe ich eben nach einer Stunde, die mir unendlich schien, verlassen. Meine Fresse, ist der schlecht.

In American Beauty fand ich die absolute Zurückhaltung von Regisseur Sam Mendes ja okay, sogar notwendig, um die Charaktere zur Geltung kommen zu lassen, um ihre Einsamkeit noch zu verstärken. Aber American Beauty hatte auch ein grandioses Script, in dem jeder Satz einen Punkt gemacht hat, das mir die Personen näher gebracht hat, das eben einen Sinn für den Fortgang der Handlung hatte. In Road to Perdition habe ich nicht mal eine Handlung erkennen können. Und wenn da eine war, war sie so langsam und uninspiriert gefilmt, dass sie mir bereits nach zehn Minuten egal war.
Eine der ersten Regeln des Drehbuchschreibens ist: Sorg dafür, dass das Publikum sich für deine Charaktere interessiert. Denn wenn sie dem Publikum egal sind, wird es sich auch einen Scheiß darum kümmern, was für schreckliche Dinge den Figuren gerade zustoßen. Und genau das war mein Problem mit Road to Perdition: Ich habe einen eiskalten Tom Hanks gesehen, zwei Jungs, die mir völlig sinnfrei erscheinende Dialoge hatten und Jennifer Jason Leigh, die auch nur vier Sätze sagen durfte, bevor sie umgebracht wurde. Und das war mir dann auch schon ziemlich egal.
Es ist schon schwierig genug, mich dazu zu bringen, irgendeinen Charakter auf der Leinwand zu mögen. Um mich dazu zu bringen, einen Auftragskiller sympathisch zu finden, muss man schon mehr Aufwand betreiben, als Tom Hanks mit Schnauzbart zu filmen.

Mann, bin ich schlecht gelaunt. Merk's dir, Sam: Episch heißt nicht langweilig.



Ich habe über einen Eintrag bei Malorama noch länger nachgedacht: „und wie immer im kino weint man nicht wegen des films, sondern wegen des parallelfilms, der im seelenvernarbten köpfchen etwas regielos vor sich hin rattert. der was-wäre-wenn-film.“

Eine passende Ergänzung stand vor längerer Zeit (März 2001) mal im Spiegel Reporter, den es leider nicht mehr gibt. Den Reporter, meine ich. Und auch vom Artikel habe ich mir nur einen Fetzen in mein undigitales Tagebuch geklebt. Aber weil es grad so schön passt, tippe ich es mal flugs ab:

„Holly wood hat wieder Geschichten entdeckt, die die Leute lachen und auch weinen lassen. Es sind Geschichten, die Herz haben, und die das Leben der Zuschauer größer machen und nicht kleirn – so ähnlich, wie aus einem 35 Millimeter schmalen Filmstreifen ein riesiges Bild auf der Leinwand entsteht. „Larger than life“, sagen sie in Hollywood, soll Kino sein, aber das ist falsch ausgedrückt: Großes Kino ist immer so groß, wie das Leben eigentlich sein müsste.

Großes Kino verführt den Zuschauer mit seiner Poesie. Wer dem Glücksversprechen eines Hollywood-Films einmal geglaubt hat, der wird sich mit den Zwängen der Wirklichkeit nur noch schwer abfinden. Wer einmal in Lauren Bacall verliebt war, blickt anders auf die Frauen und die Welt. Großes Kino zeigt uns die Möglichkeiten, die das Leben bietet, jenseits von Bausparvertrag und Reihenhaus. Und trotzdem wird jemand, der Jack Lemmon als verlorenen Angestellten in Das Appartement gesehen hat, niemals herabschauen auf Leute, die ein kleines Leben führen, von einem Flirt träumen und abends allein nach Hause gehen. Großes Kino schenkt uns Großzügigkeit und neue Lust auf Wirklichkeit.

Großes Kino ist Geena Davis als verzweifelte Draufgängerin in Thelma & Louise; Marlon Brando als ein um Menschlichkeit ringender Mafia-Boss in Der Pate; Audrey Hepburn als seelenvoll dahererzählendes Glamourgirl in Frühstück bei Tiffany; Eddie Murphy als auf alle Regelnd pfeifender Witzbold in Beverly Hills Cop. Großes Kino ist es, wenn der Zuschauer nach einem großen Film über den schmutzigen Teppichboden am Popcornstand vorbeischleicht und auf einmal geht wie der Gladiator oder spricht wie Erin Brockovich. Großes Kino ist immer wie ein Tagtraum, so, als habe man sich für ein paar Minuten hingelegt, und das Leben beginnt noch einmal von vorn. Großes Kino ist immer eine ziemlich romantische Angelegenheit.“




Dienstag, 24. September 2002







Ha! Durch den Babelfish gejagt, klinge ich ziemlich bescheuert. Oder, wie der Fisch sagen würde: Hectar! By the Babelfish hunted, I sound rather crazy.



Hab ich schon erzählt, dass Gott mir am Sonntag ein Zeichen gegeben hat? Also, das war so (Mein schönstes Ferienerlebnis):

1. Zuerst war ich wählen. Dabei entspann sich in der Gewerbeschule Altona folgender Dialog: Anke zeigt ihr Wahlkärtchen, kriegt ihren Stimmzettel, macht die richtigen Kreuzchen, geht zielstrebig zur Urne (vulgo: Plastiktonne) und will ihren Zettel einwerfen. Vor ihr an der Station, an der die Wahlbenachrichtigungen abgegeben werden und jeder Name in der Liste ein Häkchen kriegt, stand noch ein Kerl, der gerade seine Benachrichtigung suchte. Sein Stimmzettel lag gefaltet vor ihm auf dem Tisch. Die Urnenwächterin zog das Blatt Papier über dem Schlitz der Urne weg und – statt des Typen, der immer noch in seinen Taschen kramte, warf Anke ihren Stimmzettel in die Urne.
Urnenwächterin: NEIN!
Anke: WAS?!?
Urnenwächterin: NOCH NICHT!
Anke (atmen. Atmen. Und nochmal atmen): Ist das nicht egal, ob ich den Zettel jetzt oder in 20 Sekunden da rein werfe? Soll ich ihn vielleicht nochmal rausholen? Ich erkenne meine Art, Kreuzchen zu machen, sofort.
Urnenwächterin (guckt sehr, sehr böse, weil Anke ihr Amt nicht respektiert, nimmt vorwurfsvoll Ankes Wahlbenachrichtigung, macht Häkchen hinter Ankes Namen): Tschüss.
Anke (murmelnd): Jeeez ... I ruined the game. I spoilt the fun. I'm gonna burn in hell.

2. Dann war ich in der Agentur und hab getextet. Zumindest eine Stunde lang, bis mir klar wurde, dass da heute nur Müll bei rumkommt. Und weil ich eh schon genervt war, dachte ich mir, ach, dachte ich mir, scheiß auf die guten Vorsätze, scheiß auf kein Zucker, kein Fett, scheiß auf Uwes vorwurfsvollen Trainer-Blick, ich fahr jetzt zu Burger King und gönne mir einen Chicken Surpreme.

3. Also machte ich mich auf den Weg zu Burger King. Auf der Stresemannstraße war ich schon am Fluchen über die Türkin vor mir im alten Audi 80, die mit 30 vor mir herschlich. Ich überholte schwungvoll, ordnete mich zentimetergenau hinter einem Toyota ein, als plötzlich ein helles Licht aufblitzte. Ich dachte mir noch, hey, wer fotografiert denn hier, als es nochmals blitzte und mir langsam wieder einfiel, dass die verf***te Stresemannstraße eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h hatte. Das nahm ich als ein Zeichen, umzukehren und zuhause einen viel billigeren, viel gesünderen Bagel mit Putenbrust zu essen.

Was lernen wir daraus?
zu 1) keine deutschen Amtspersonen ärgern
zu 2) Sonntags nicht arbeiten
zu 3) kein Zucker, kein Fett.
Kleine Sünden straft der liebe Gott also sofort. Aber früher wäre ich mit zwei Rosenkränzen davongekommen. Heute kostet das 35 Euro. Verdammt. (Ups. Tschuldigung.)




Mittwoch, 25. September 2002

Hab ich jetzt schon in fünfhundert Ami-Blogs gefunden. Jetzt füll' ich's auch aus (da brauch man sich morgens wenigstens noch keinen Kopf um sinnvolle Inhalte zu machen):

Ten movies you'd watch over and over:
1. When Harry met Sally
2. Flatliners
3. One, Two, Three
4. A Few Good Men
5. Se7en
6. Kalifornia
7. Dave
8. Toy Story
9. Swimming With Sharks
10. The Little Mermaid
(ich hätte da noch 50 weitere, die ich immer wieder gucke. Und, ja, da ist auch Titanic dabei.)

Nine people you enjoy the company of:
1. Olli
2. Anja
3. Uta
4. Katja
5. Frîa
6. Volker
7. Kai
8. Ute
9. Martin


Eight things you're wearing:
(jetzt gerade?)
1. Brille (ha!)
2. weiße Socken
3. Hard Rock Café Hong Kong-Shirt
4. Holzfällerschlafanzugjacke
5. Holzfällerschlafanzughose
6. hellblauer Nasenring
7. ein Lächeln
8. Allure von Chanel (hallt noch von gestern nach. Gleich isses eher Duschdas.)

Seven Things on your Mind:
1. diese Liste
2. dass ich bald Urlaub hab
3. dass ich vorher noch einen Berg wegtexten muss
4. dass nächste Woche Minority Report anläuft
5. Sean Patrick Flanery
6. ob ich mich bald mal in eine Synagoge traue
7. dass ich mich auf das Drehbuchseminar freue


Six objects you touch everyday:
1. mein iBook
2. das jeweilige Buch auf meinem Nachtisch
3. meine Espresso-Maschine
4. meinen Kühlschrank
5. Klopapier
6. meine Kuscheldecke

Five things you do everyday:
1. Schreiben
2. mit mir selber reden
3. Fernsehen
4. Lesen
5. Kaffee trinken


Four bands (etc) that you couldn't live without:
1. The Who
2. Moby
3. Billy Joel
4. Madonna

Three of your favorite songs at this moment:
1. Lache, wenn's nicht zum Weinen reicht – Herbert Grönemeyer
2. She (fucking) hates me – Puddle of Mudd
3. Still in love with you – No Angels (jajaJA, ist ja gut. Ich hätte fast den Ketchup-Song genommen, okay? Meine Ohren sind nicht so elitär wie meine Augen.)

Two people who have influenced your life the most:
1. Olli
2. Karl

One person who you love more than anyone in the world:
That'd be me, actually.



Donnerstag, 26. September 2002

Mmmpfff ... alkoholunterstützter Schlaf sorgt für noch wirrere Träume als sonst. Ich frag mich nur, warum ich in dieser Parallelwelt immer den Kerlen die Zunge in den Hals stecke, die ich in der Realität nicht mal mit ner Feuerzange anfassen würde. Und wieso lassen sich alle tätowieren? Ach, und Alexandra – ich wusste gar nicht, dass du Geige spielst. Ich hab meine auch gleich mal rausgeholt, und die Wirbel knirschen immer noch so, wenn man sie stimmen will.

Dazu gibt's eigentlich nichts zu sagen außer:

I am linus
Which Peanuts Character Are You Quiz




Surreality: Gerade ein wenig in Rounders' Welt gewesen, jetzt texte ich einen Autokatalog und höre irgendein Klavierkonzert über iTunes. Ich fühle mich, als ob ich ständig irgendwo auftauche, wieder untergehe und woanders wieder hochkomme. Und immer hat sich die Welt um mich herum verändert. Ich springe in Dimensionen umher, in Räumen von Klängen und Worten, die nicht zusammenpassen, die aber alle zu mir gehören. Ich bin die Summe aller Klänge und Wörter, denen ich begegne. Ich nehme sie in mich auf, werfe sie durcheinander und treibe weiter.



Eigentlich wollte ich hier ein paar Zeilen über den Artikel im heutigen Stern über „Liebhaber, aus denen Freunde wurden“ schreiben, aber irgendwie hab ich zu dem Thema gar nichts zu sagen außer:
Olli – bin froh, dass es dir jibt, wa?



„Blogging und die neue Medienkultur des Netzes: Sechs Weblog-ProduzentInnen berichten von ihrem Zugang zu dem wohl wichtigsten Medienphänomen der Gegenwart.“ Via Malorama, der auch nicht ganz unschuldig an einem der Artikel ist.

Nachtrag: Ich trau mich grad kaum zu tippen, dass ich den Artikel von Herrn Herczeg sehr, sehr schön fand (schön im Sinne von „Verdammt, hätt ich auch gern geschrieben“). Wo er doch in eben diesem davor gewarnt hat, sich an andere Blogger ranzuschleimen. Hmm. Da muss er dann jetzt wohl durch, der Kleine.



Ich löse hiermit offiziell meine Zitat-Seite auf. Die schönen Worte und Wendungen gehen in der Rubrik Ich bin's nur eh unter. Also packe ich sie zur letzten Würdigung noch mal hierhin. Enjoy.

Every time a friend succeeds, I die a little.
Gore Vidal


The dumber people think you are, the more surprised they're going to be when you kill them.
William Clayton



God invented the giraffe, the elephant, the cat ...
He has no real style. He j
ust goes on trying things.
Pablo Picasso


Art is what you can get away with.
Marshall McLuhan


Some people say there's something in it, that old platitude: amor vincit omnia. But if I've learned one thing in my short, sad life it is that love does not conquer all. And whoever thinks it does is a fool.
Donna Tartt, The Secret History


You can build a mansion but you can't live in it
You're the fastest runner but you're not allowed to win
Some break the rules and live to count the cost
The insecurity is the thing that won't get lost
And you want her and she wants you
We want everyone
And you want her and she wants you
No one, no one, no one ever is to blame
Howard Jones, No one is to blame


What you are shouts so loudly in my ears, I cannot hear what you say.
Ralph Waldo Emerson


(On advertising:) It's like washing a pig. It's messy, it has no rules, no clear beginning, middle, or end; it's kind of a pain in the ass, and
when you're done, you're not sure if the pig is clean oder even why you were washing a pig in the first place. Welcome to the creative department.
Luke Sullivan, Hey, Whipple, Squeeze This: A Guide to Creating Great Ads


Erst wenn die letzte Tankstelle geschlossen und die letzte Ölplattform versenkt wird, werdet ihr merken, dass Greenpeace nachts kein Bier verkauft.
Aus dem SMS-Crawl auf Viva Plus


I expect someday to open the newspaper and discover the government had used that campus (of my university) as part of a perverse experiment to study the effects of continuous, high-decibel Pink Floyd albums on the minds of students who could manufacture a bong out of any given object but could not comprehend that it is simply not possible to drive a van to Europe.
David Sedaris, Naked


All teenagers are clumsy. That's because we don't know where our bodies end and the world begins.
Paul Auster, Drehbuch zu Smoke


Work like you don't need the money, love like you've never been hurt, and dance like nobody's watching.
jetzt-magazin, nicht mehr jeden Montag in der Süddeutschen Zeitung


The person you love is 72,8% water.
Alan Fletcher, The Art of Looking Sideways


Von Kind an hatte ich das Gefühl gehabt, ich könne nur dank meines Nonkonformismus leben. Glück bedeutete Schwachsinn. Ich erkärte ihr, als Kind hätte ich nicht anders gekonnt als meine Lieblingsspielzeuge kaputtzumachen, immer, wenn ich spürte, dass sie für mich unentbehrlich wurden, dass ich am nächsten Tag nicht würde aufstehen können, ohne sie um mich zu haben, da zertrampelte ich sie, warf sie zum Fenster hinaus, ertrug die Vorstellung nicht, eines Tages würden sie von selbst kaputtgehen, verschwinden. Ich war der Meinung, ich müsse Herr über mein eigenes Unglück sein. Das Glück war ein Ort, wo man unbedingt hinreisen musste, wo anzukommen aber nicht ratsam war.
David Trueba, Vier Freunde




Freitag, 27. September 2002

Das Gefühl, sich beim Zähneputzen über das Waschbecken zu beugen; das Gefühl, sich die Schuhe zuzubinden; das Gefühl, einfach etwas vom Fußboden aufzuheben, das runtergefallen ist; das Gefühl, ins Auto einzusteigen, zu schalten, zu kuppeln; das Gefühl, sich auf einen Stuhl zu setzen; das Gefühl, sich im Bett umzudrehen – all diese Gefühle, ohne auf den bösartigen Schmerz im Rücken zu warten. All das einfach machen zu können. Großartig. Immer wieder.

Nachtrag: Und zehn Minuten nach diesem Eintrag sich in den Kabeln zu verheddern, die vor dem Bett liegen, weil ich noch kein Gefühl im rechten Fuß habe und daher nicht gemerkt habe, dass ich in den Kabeln hänge, auf die Knie und Ellenbogen zu fallen, weil ich nicht mehr genug Gleichgewichtssinn habe, um meinen Sturz irgendwie abzufangen, dabei eine Lampe umzureißen und noch dankbar zu sein, dass das iBook wenigstens heil geblieben ist – scheiße. Immer wieder.



Mein neuer Lieblingsanwärter auf den Siegerpokal in der Kategorie „Dinge, ich ich ganz eventuell vielleicht in zehn Jahren einen Hauch bereuen könnte“.



Freitachfünfe:

1. What are your favorite ways to relax and unwind?
Ins Bett legen, an die Decke gucken und tagträumen. Ins Bett legen und im Netz surfen. Ins Bett legen und über iTunes Musik hören. In meine Lavalampe glotzen. Und, was ich hier in Hamburg vermisse, ich aber in Hannover in meiner Traumwohnung gerne gemacht hab: mich auf die breite Fensterbank setzen, das Licht ausmachen, Fenster auf, leise Musik an, am besten Klassik, ein Glas Weißwein und eine Zigarette und dann einfach in die Nacht gucken. Hier in Hamburg fehlt die Fensterbank, ich kann nur in unseren blöden Innenhof gucken und nicht mehr auf eine Straße, und außerdem rauche ich nicht mehr. Manchmal vermisse ich es ein bisschen. Aber nur manchmal.

2. What do you do the moment you get home from work/school/errands?
Händewaschen, in die Wohlfühlklamotten schlüpfen, abschminken.

3. What are your favorite aromatherapeutic smells?
Öhm ... das ist doch ne blöde Esoterik-Frage ... ich hab Duftkerzen mit 14 das letzte Mal etwas abgewinnen können. Aber wenn's um Klosteine geht, da finde ich Ocean Breeze ganz toll.

4. Do you feel more relaxed with a group of friends or hanging out by yourself?
Kommt drauf an. Ich finde es sehr schön, mit Freunden richtig fett essen zu gehen, also mit Aperitif, Vorspeise, einem Dessert, das so viel kostet wie der Hauptgang, einem richtig ordentlichen Wein ... ein Menü halt, bei dem die Kohle völlig egal ist. Ich habe festgestellt, dass die Tischgespräche hochklassiger sind, je besser das Essen ist. Daher bin ich an solchen Abenden sehr entspannt, weil ich intelligente Konversation eben sehr entspannend finde.
Mit Freunden einfach einen saufen zu gehen, finde ich nicht mehr ganz so lustig. Eigentlich fand ich es noch nie wirklich lustig. Daher bevorzuge ich eher die Einsamkeit meiner eigenen vier Wände als mit meinen Hasis auf dem Kiez zu versacken.

5. What is something that you feel is relaxing but most people don't?
Techno. Will ich selten zu tanzen. Kann ich aber prima bei denken.



So. Ich hab's getan. Ich war in einer Synagoge, beim Shabbat-Gottesdienst, um genau zu sein. Und ich hab mich selten so dämlich gefühlt.

Es ist eben doch ein riesiger Unterschied, ob man ein paar Gebote für sich selber einhält, sich bemüht, nach bestimmten Regeln zu leben, einfach versucht, sich dieser Religion in seiner ganz eigenen Weise zu nähern oder ob man das in aller Öffentlichkeit macht. Ich weiß nicht, ob der Schritt zu früh war, denn natürlich hat mich die Liturgie ganz fürchterlich eingeschüchtert. Aber gleichzeitig habe ich mich sehr friedlich und komischerweise irgendwie zugehörig gefühlt, auch wenn ich überhaupt keine Ahnung hatte, was da eigentlich passiert ist.

Ich habe mir natürlich vorher in unzähligen Büchern und im Netz eine Menge angelesen, um wenigstens halbwegs zu verstehen, was im Gottesdienst passiert. Aber ohne ein Wort Hebräisch zu können, war ich eben doch komplett aufgeschmissen.

Eine ältere Dame hat mich netterweise in ihrem Sidur, ihrem Gebetbuch, mitlesen lassen, damit ich wenigstens ungefähr wusste, was der Vorbeter gerade singt. Aber wenn man nur auf den deutschen Text guckt und nicht weiß, wo man eigentlich gerade im Hebräischen ist, ist das auch nicht wirklich hilfreich.

Hmm. Ich habe mich noch etwas mit der Frau unterhalten, die gerade kurz davor ist zu konvertieren. Sie hätte mir auch gerne ihre Telefonnummer gegeben, um mir weitere Informationen zu geben, aber es ist ja schon Shabbat, und daher durfte sie nicht mehr schreiben. Und da geht es bei mir schon los: Wie integriere ich die Religion in meinen Alltag? Oder muss ich nicht meinen Alltag in die Religion integrieren? Nehme ich die ganze Sache vielleicht nicht ernst, wenn ich sage: Schreiben ist für mich etwas sehr Wichtiges, das möchte ich auch am Samstag, am Shabbat, tun? Versteht Gott diese Argumentation oder argumentiert man mit Gott einfach nicht?

Die jüdische Gemeinde in Hamburg ist eine orthodoxe Gemeinde, daher ahne ich schon, wie die Antwort des Rabbis ausfallen würde. Und da bin ich jetzt etwas ratlos: Kann ich von vornherein für mich sagen, diese und jene Gebote machen für mich keinen Sinn und daher befolge ich sie nicht oder erweitere sie in meinem Sinne – wie z.B. Shabbat-Kerzen auch nach Einbruch der Dunkelheit anzuzünden, weil ich eben erst nach Einbruch der Dunkelheit Feierabend habe und nicht in unserer Agentur auf dem Klo ein paar Kerzen anzünden und einen Segen sprechen will? Oder ist das schon nicht mehr die wahre Gottesfürchtigkeit (schon das Wort nervt)?

Noch ein Hmm. Ich denke, der Schritt, in die Synagoge zu gehen, war gut, denn die Liturgie hat mir gefallen. Gleichzeitig bin ich jetzt aber schon am Zweifeln, ob ich mich gerade auf einen bequemen Anke-Weg zurückziehe, nach dem Motto, ach, ich praktiziere ein bisschen Judentum für den Hausgebraucht, eben das, was mir passt, und den Rest lass' ich sein. Das kann's ja eigentlich auch nicht sein.
Ach manno, ich hab doch schon genug Schwierigkeiten damit, mir überhaupt einzugestehen, dass da plötzlich religiöse Gefühle in mir sind, die jahrelang ne Auszeit genommen haben. Hätte ich nicht einfach beim gemütlichen, schnarchigen Christentum bleiben können? Hmmm. ich fühle mich irgendwie heimatlos, auf der Reise, ein bisschen suchend ... und nicht genau wissend, wo mein Ziel ist. Ich muss noch ein bisschen weitersuchen, glaube ich. Ich könnte jetzt eins von den viel beschworenen göttlichen Zeichen brauchen.




Samstag, 28. September 2002

Eine Nacht über meinen Abend in der Synagoge geschlafen. Einen Morgen lang darüber nachgedacht. Einen Kommentar von Dietrich gelesen, daraufhin die Seite von Jamie besucht. Gelesen, überlegt.

Ich habe gerade aufgegeben. Ich habe meinen Widerstand aufgegeben, religiös zu werden. Ich habe mich nach zähem Ringen dazu entschlossen, diese Gefühle, die in mir rumwuseln, einfach mal so hinzunehmen und sie mich leiten zu lassen. Ich glaube, der Gottesdienst hat mir ein Ziel gezeigt. Und er hat mir klar gemacht, dass der Weg lang sein wird und anstrengend. Aber der Weg hat ein Ende, und das Ende klingt sehr verlockend.

Ich geh dann mal los.



We've only just begun to live
White lace and promises
A kiss for luck and we're on our way
We've only just begun

Before the rising sun we fly
So many roads to choose
We start our walking
And learn to run

And yes! We've only just begun

Sharin' horizons that are new to us
Watchin' the signs along the way
Talkin' it over just the two of us
Workin' together day to day, together

And when the evening comes we smile
So much of life ahead
We'll find a place where there's room to grow
And yes! We've only just begun

We've only just begun, The Carpenters




Sonntag, 29. September 2002

Die Welt ist ein Dorf, und ich liebe es. LimeWire hat mir gerade den Season's Opener von Friends brav runtergeladen, ohne abzustürzen. Gerade in Amiland gelaufen, schon hier in Deutschland auf meinem iBook. Life tastes good.



Elke hat in ihrem Kommentar gefragt, warum ich mich zum Judentum hingezogen fühle und nicht zum Christentum, dem Islam, dem Buddhismus. Die Frage habe ich von meinen Freunden auch schon gekriegt. Dann wollen wir mal:

Ich bin christlich erzogen worden, ich bin getauft und konfirmiert worden. Ich bin gerne zum Komfirmandenunterricht gegangen, denn ich habe an das geglaubt, was mir dort erzählt worden ist. Ich war sehr stolz darauf, konfirmiert zu werden, weil ich mich einer Gemeinschaft zugehörig fühlen konnte. Danach habe ich mich noch mehrere Jahre im CVJM engagiert, auch wenn sich dieses Engagement eher auf ein Einfach-Dabei-Sein beschränkte, wenn es um eine wöchentliche Jugendgruppe ging, um Kirchenfeste usw.

Was mich aber nie wirklich begeistert hat, waren die Gottesdienste. Vielleicht lag es an unserern schnarchigen Pastoren, dass ich mich wirklich zusammenreißen musste, um nicht ständig wegzudösen. Ich fand die Lieder und Choräle mit ihrer schmisssigen Orgelbegleitung eher nervig als erbauend, und die Tatsache, dass mir jemand anders die Bibel erklären will anstatt sie mich einfach selber entdecken zu lassen, empfand ich als Bevormundung. Als langweilig vorgetragene, sowieso.
Das, was sich vom Christentum mitbekommen habe, ist: Gottesfurcht. Körperfeindlichkeit. Demut.

Ich will mich nicht vor Gott fürchten. Ich will mit ihm reden können, er soll mir zuhören und mir im besten Falle helfen. Und das ist manchmal durch Zuhören schon getan. Ich will nicht, dass er jede falsche Geste sofort bestraft. Ich will, dass er Verständnis hat, zumindest in einem gewissen Rahmen. Dass ich nicht töten soll, ist für mich ein völllig logisches Gebot, und jeder, der dem zuwiderhandelt, hat Strafe verdient. Wenn ich aber, ich formuliere es jetzt mal altmodisch „unkeusche Gedanken hege“, dann ist mein Problem und findet in meinem Kopf statt. Und der gehört immer noch mir. Das geht Gott gar nichts an.
Ich will keinen Gott, der von seinen Anhängern verlangt, zölibatär zu leben. Soweit ich mich in der katholischen Kirche auskenne, steht dieses „Gebot“ auch nirgends in der Bibel. Warum wird diese völlig sinnfreie Beschränkung dann eigentlich noch weiter betrieben?
Ich will keinen Gott, der von mir absolute Unterwerfung fordert. Ich will einen Gott, der mich leben lässt, wie ich es für richtig halte – in einem Rahmen, den er festgelegt hat. Aber auch der sollte sich erweitern lassen (da sind wir wieder beim Problem des „Shabbat-Kerzen nach Einbruch der Dunkelheit anzünden“).
vielleicht erwarte ich zu viel, ich weiß es nicht. Aber im Christentum glaube ich diesen Gott nicht zu finden. Außerdem geht mir diese übertriebene Gutmenschlichkeit und der ständige Missionierungsdrang der Christen ziemlich gegen den Strich. Ich weiß, dass es eigentlich albern ist, Dinge nach Vergangenem zu beurteilen und dass jeder eine zweite Chance verdient hat, aber was im Zeitalter der Inquisition und der Kreuzzüge abgegangen ist, vergleiche ich sehr gerne mit den Taliban, die genauso durchgeknallt waren.

Was uns zum Islam bringt. Ich muss gestehen, dass ich mich nicht so gut mit dieser Religion auskenne, um ein wirklich fundiertes Urteil abgeben zu können. Das liegt zum einen daran, dass sie mich noch nie wirklich interessiert hat und zum anderen daran, dass ich aus den Nachrichten oder auch von Reisen (z.B. nach Ägypten) eher negative Eindrücke mitgenommen habe. Ich will gar nicht vom Schleierzwang anfangen und der generellen Zweitrangigkeit der Frau (die, meines bescheidenen Wissens nach, auch so nicht im Koran definiert wurde), ich will einfach nur sagen, dass mich diese Religion in ihrer heutigen Ausprägung eher einschüchtert als fasziniert und damit als eine für mich lebbare Spiritualität ganz einfach nicht in Frage kommt.

Mit Buddhismus geht es mir ähnlich. Er ist mir einfach sehr fremd. Als ich auf Studienreise in China war, haben wir natürlich Tempel über Tempel besichtigt, und ich habe mich in allen sehr wohl gefühlt. Aber eher auf eine kindliche, erstaunte Weise: die goldenen Buddhas, das teilweise sehr klösterlich-karge, teilweise überbordend bunte Leben, der sehr eindrucksvolle Mischmasch aus Räucherstäbchen, Glocken, Blumen und den wunderschönen Gewändern – das hat mich sehr begeistert, aber eher auf eine Art, wie ich über eine üppige Filmausstattung begeistert bin und nicht auf eine spirituelle Weise. Ich fand es sehr schön, und das, was ich über den Buddhismus weiß, scheint mir auch sehr friedfertig und richtig zu sein, aber diese Religion ist mir – mir fällt kein besseres Wort ein – einfach zu fremd, zu anders.

Mit den ganzen Sekten brauchen wir uns, glaube ich, nicht wirklich auseinanderzusetzen. Bhagwan ist für mich einfach indiskutabel und lächerlich, genau wie die Scientology für mich nur eine sehr clevere Geldmaschine ist und keine Religion. Für mehr habe ich mich noch nie interessiert, aber beides ist einfach keine Alternative, sondern Spinnerei. Sorry.

Und da bleibt dann einfach nicht mehr viel Auswahl :-) Nein, Blödsinn.

Als ich anfing, diese nach Jahren wieder sehr ungewohnten religiösen Gefühle in mir zu spüren, habe ich mich natürlich erstmal wieder an meine christliche Erziehung erinnert. Aber ich habe mich auch daran erinnert, aus welchen Gründen ich mit 18 aus der Kirche ausgetreten bin. Ich habe das Christentum als eher verlogen angesehen denn als Stütze, wahrscheinlich auch durch die geschichtlichen Hintergründe. Ich wollte einfach nicht mehr zu diesen Kreisen gehören; das Kapitel ist einfach durch. Das heißt aber nicht, dass ich die Bibel als ein schwachsinniges Buch bezeichnen würde. Ich finde immer noch, dass in ihr sehr viele interessante Geschichten und Parabeln zu finden sind und dass die Grundzüge der christlichen Lehre, die ja auf der jüdischen Religion beruht, sehr gute sind. Gebote wie das oben schon angesprochene „Du sollst nicht töten“ brauchen, glaube ich, nicht mehr kommentiert zu werden. Generell finde ich, sind die zehn Gebote schon ein sehr guter Leitfaden, nach dem man sein Leben ausrichten kann.

Ich weiß noch gar nicht, ob ich in der jüdischen Religion das finde, was sich suche. Ich weiß ja noch nicht einmal, nach was ich eigentlich suche (neben dem Offensichtlichen wie Frieden, Geborgenheit und einem Platz, an dem ich meine Unruhe loswerden und mein Leid klagen kann). Ich will mich einfach mehr mit dem Judentum auseinandersetzen, um zu sehen, ob das vielleicht meine „neue Heimat“ werden kann. Vielleicht merke ich während meiner Studien, dass sich das Judentum in den für mich entscheidenen Punkten nicht großartig vom Christentum unterscheidet. Und dann kann ich mir immer noch die Frage stellen, wohin ich mich dann wenden werde. Vielleicht ende ich damit, dass ich mir zuhause einen kleinen Altar baue und eine Büste von Goethe anbete, keine Ahnung. Ich bin noch ganz am Anfang des Weges, und im Moment möchte ich den in Richtung Judentum wählen und einfach mal gucken, wo es mich hinführt.
Macht das Sinn?

Oh, und noch eine kleine Anmerkung zum leidigen Thema „Deutsche und Juden und das ständige schlechte Gewissen“. Das war nämlich auch eine Meinung meiner Freunde: Das machst du doch nur, um dein schlechtes Gewissen zu beruhigen.
Nein, mache ich nicht. Ich gebe zu, dass ich vor Jahren mal diese Anwandlung hatte, dieses „Ich kann niemanden wieder lebendig machen, aber ich kann dafür sorgen, dass es einen Juden mehr auf der Welt gibt, nämlich mich“.

Und dann war ich in Israel im Urlaub.

Wir waren gerade in Tiberias am See Genezareth in einem schicken Hotel, und ich war zu spät auf dem Weg zum Frühstück. Der Fahrstuhl in meiner Etage schloss sich gerade, als ich auf ihn zusprintete, und ich rief: „Hold it! Hold it!“ Der freundliche ältere Herr, der im Fahrstuhl war, hielt für mich die Tür auf, ich stürmte herein, bedankte mich auf Englisch und wünschte einen Guten Morgen. Er sah mich an und fragte: „American?“ Und ich sagte fröhlich: „No, German“, worauf er den Blick verächtlich von mir abwandte, bis an die Wand des Fahrstuhls zurückwich und mich nicht mehr beachtete. Ich habe noch den Krachersatz „Hey, don't be afraid“ von mir gegeben, bevor ich im Erdboden versunken bin.

An dem Tag ist mir klar geworden, dass, egal, was wir als Deutsche tun, es keinen Unterschied mehr macht. Das, was geschehen ist, kann nicht wiedergutgemacht werden. Punkt. Ich kann nichts mehr ändern. Und ich muss auch nichts mehr ändern, denn ich bin 1969 geboren worden und trage keine Schuld. Ich trage eine gewisse Verantwortung, dass so etwas nie wieder passiert. Aber ich habe nichts falsches getan – das heißt, ich kann auch durch richtige Taten nichts mehr ändern. Für die Menschen einer Generation sind wir Deutsche als Gesamtvolk einfach nicht mehr existent. Und ich kann es niemandem vorwerfen, der so denkt. Und selbst, wenn ich der Superjude werden würde, würden sie mich mit Verachtung strafen.

Daher bin ich mir sicher, dass diese kruden Gedanken, die irgendwo in meiner Kopfsuppe rumschwimmen, keinen Einfluss auf meine jetzige Entscheidung haben. Meine Entscheidung ist ja auch noch keine, sondern erst einmal ein Interesse. Und ich frage mich gerade, wieso ich mich vor meinen Freunden dafür rechtfertigen muss.

Und über diesen ganzen Sermon ist mein Kaffee kalt geworden, und ich muss gleich zu Arbeit. Blärgh. Vielleicht bin ich einfach nur urlaubsreif und muss meinen Kopf mal zum Lüften raushängen. Was weiß denn ich.



„Derartig viel Spaß gibt es wohl sonst nur mit Clowns und taubstummen Plattenhändlern.“
Sehr schöner Satz aus einem sehr schönen Posting in einem sehr schönen Blog. Schon länger auf meiner Favoritenliste, aber auch schon länger nicht mehr erwähnt. Darf ruhig mal wieder sein.



Passend zu meinem ganzen Gottesgeseiere weiter oben habe ich einen sehr schönen Artikel bei Salon gefunden: Eine kleine Abrechnung mit der seltsamen Angewohnheit von amerikanischen Footballspielern, bei jedem Touchdown in Gebete zu verfallen:
„Athletes often have what might be considered a kindergartner's mentality about religion, treating God as a good-luck charm. 'I think that very often athletes seem to have a very simplistic and self-serving view of what God is and does,' sportscaster Bob Costas said in an interview with the San Diego Union-Tribune. 'It makes no sense that a God who, for all human understanding, can appear indifferent to major pain and suffering on a large scale or the illness of a child, would intercede to help get a first down.'“



Soso, ich bin also Daisy Toadfoot of Frogmorton. What's your Hobbit name? (via Andreas/Dekaf, der auch diese interessante Frage aufgeworfen hat: Does life currently suck despite the good things that happen or is life good besides all the bullshit i have to endure?)




Montag, 30. September 2002

Es ist Nacht. Tiefste Nacht. Anke schläft den Schlaf der Gerechten. Plötzlich schrickt sie hoch – ein tiefes Grummeln entfährt ihren Eingeweiden. Sie braucht nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu wissen: Jetzt ist Koordination gefragt. Eine Hand geht zum Mund, die andere schlägt die Bettdecke weg. Dank modernster chirurgischer Methoden ist Anke fit genug, sich blitzschnell aus dem Bett zu rollen, durchs Zimmer zu sprinten und zum Bad zu gelangen. Auch hier kommt der eben erprobte Zwei-Hände-Trick zum Einsatz: Die eine bleibt vor dem Mund, die andere reißt den Klodeckel hoch. Gerade noch rechtzeitig. Die nächsten Momente verschwimmen in Ankes Erinnerung. Übrig bleibt nur ein übler Geschmack im Mund. Anke kriecht zum Waschbecken und trinkt einen Schluck Wasser. Ein Fehler, dessen Auswirkungen sofort spürbar werden. Gut, dass der Klodeckel noch offen ist. Anke umklammert die Kloschüssel und ist sehr, sehr froh, alleine zu leben, denn die Geräusche, die gerade aus tiefstem Herzen oder wo auch immer her ihren Weg nach draußen suchen, töten jeden Anflug von Weiblichkeit, der Anke innewohnt.

Anke kriecht zurück zum Bett, nicht ohne vorher eine Schüssel aus der Küche geholt zu haben, die nun strategisch klug in Spuckrichtung vor dem Bett platziert wird. Sie wird im Laufe der Nacht noch zu mehreren Einsätzen kommen.

Der Morgen dämmert. Anke liegt mit Bauchschmerzen im Bett und verflucht jedes Mahl, das sie je in ihrem Leben zu sich genommen hat. Das dauert seine Zeit, und so wird es Tag. Im Tran schickt Anke eine E-Mail an die liebste Werbeagentur der Welt, dass sie noch ein Pudelmützchen voll Schlaf nachholen wird und sich daher leicht verspätet. Sie sinkt in einen traumlosen, aber erholsamen Schlaf, der um kurz vor 10 jäh unterbrochen wird. Es klingelt an der Tür.

Durch die Gegensprechanlage tönen die nicht unfreundlichen, aber komplett unvermuteten Worte: „Guten Morgen, hier spricht die Polizei.“ Anke ist wach. „Wenn Sie Ihren Wagen jetzt noch wegfahren, müssen wir ihn nicht abschleppen.“ Anke ist hellwach. Sie murmelt etwas von gleichrunterkommennichtabschleppen und wirft sich in die nächstbesten Klamotten, die ihr in die Finger kommen. Mit uralten Nikes, viel zu großer Jeans und einem peinlichen grauen T-Shirt, das sonst nur zum Schwitzen benutzt wird, taucht Anke ungeduscht und ungekämmt in der Hamburger Realität auf. Sie bedankt sich staatsbürgerlich brav bei der Polizistin, dass ihr die Chance gegeben wurde, ihr Allerheiligstes zehn Meter weiter ins Nicht-Parkverbot zu fahren, tut dieses und schlumpft wieder in den zweiten Stock.

Oben angekommen, stellt Anke fest, dass sie die gesamte Strecke komplett beschwerdefrei war. Und relativ wach ist sie nun auch. Seufzend wird geduscht, kurz das Netz gecheckt, noch kürzer gefrühstückt und sich auf den Weg gemacht, in die liebste Agentur der Welt mit den liebsten Kunden der Welt, die alle Texte, die Anke heute schreiben wird, deshalb noch mehr als sonst zu würdigen wissen, weil sie ziemlich übermüdet und völlig dehydriert ist. Beste Ausrede ever. Das machen wa ma wieder.



Kino am Wochenende: Kein Kino am Wochenende. DVDs am Wochenende:
666 – Trau keinem, mit dem du schläfst: Überraschenderweise sehr, sehr unterhaltsam. Habe mich dabei erwischt, wie ich mehrere Male lauthals lachen musste – über eine deutsche Komödie, wohlgemerkt. Jan Josef Liefers ist eh ein Schnuckel, und die ganzen Gastauftritte der Promis (darunter eine recht unterhaltsame Claudia Schiffer, eine wie immer unüberzeugende Verona Feldbusch, der Jan-Josef aber immerhin an die Titten darf und ein komplett unbegabter, aber sehr kleidsamer Boris Becker) waren schon schön.
The Royal Tenenbaums: Kannte ich schon, wollte eigentlich nur die ganzen DVD-Leckerli abgreifen, weil die Website schon so vollgestopft damit war. Stellt euch meine Überraschung vor, als ich entdecken musste, dass die DVD zwar finnische Untertitel, aber nicht mal ein Making of hatte. Geschenkt.
What Women Want: Kannte ich auch schon, fand ich aber wieder anspruchslos lustig. Ich mag Mel Gibson, egal, was er macht.
A Beautiful Mind: Hatte ich damals im Kino völlig verrissen (check out my Kinokritik) und wollte mich nochmal vergewissern, dass ich Recht hatte, denn für keinen anderen Verriss habe ich soviel Prügel bezogen. Ich habe ihn mir also brav noch einmal angeguckt und kann nun zufrieden sagen: ER IST SCHEISSE. Basta. (Leider.)

Vielleicht schaffe ich es diese Woche ja doch noch in The Bourne Identity und endlich in Nackt. I'll keep you posted.