Montag, 30. Juni 2003

Erkenntnisse vom Wochenende:
– Schön, dass mein Supermarkt jetzt samstags bis 20 Uhr auf hat. Schön, dass ich nur fünf Minuten für die Hinfahrt um halb 7 gebraucht habe. Weniger schön, wenn die Hamburger Polizei sich spontan überlegt, ein paar Straßen für den Halbmarathon zu sperren und ich für den Rückweg 40 Minuten brauche.
– Merken: keine Tiefkühlkost kaufen, wenn die Hamburger Polizei sich spontan überlegt, ein paar Straßen für den Halbmarathon zu sperren und ich für den Rückweg 40 Minuten brauche.
– Auch merken: Tiefkühlkost immer in die Plastiktüte. Nie in den Rucksack. Vor allem, wenn es Himbeeren sind.
– Haare fönen in einer Wohnung, die eh schon überheizt ist, macht im Sommer gar keinen Spaß.
– Eis in Beuteln an der Tanke zu kaufen, ist billiger als ich gedacht habe.
– Wenn man den ganzen Tag nur einen Jogurt gegessen hat, sollte man eine Party nicht mit einem White Russian beginnen.
– Das Mood-Light schlägt die Lava-Lampe um Längen. Und kostet leider auch zehnmal so viel.
– Auch andere Menschen können lecker Mousse au Chocolat machen.
– Manchmal läuft einfach gar nichts im Kino.
– Wenn man barfuß durch Strandsand gestapft ist, sollte man Socken und Schuhe auf dem Balkon ausschütteln, anstatt sie im Bad auszuziehen.
– Ich muss Harry Potter 3 und 4 nochmal lesen, bevor ich 5 verstehe. Wer zum Teufel sind die ganzen Typen, die die Seiten bevölkern? Ich hab alles vergessen.
– Nicht alle Gospel-Chöre können kein Englisch.
– Sport ist dann richtig klasse, wenn selbst das Haarband komplett durchgeschwitzt ist.
– Manchmal muss man nein sagen.
– Nicht jede E-Mail muss beantwortet werden: Wenn du ganz, ganz dringend eine Zusammenfassung der ersten zehn Kapitel von About A Boy brauchst, dann frag nicht mich, lieber anonymer Schreiber. Streng einfach deinen kleinen dummen Schädel an.




Katherine Hepburn, 12.05.1907–29.06.2003




Sonntag, 29. Juni 2003

Friday Five:
1. How are you planning to spend the summer?
< Ich werde arbeiten. Ich bin nicht wirklich ein Sommerfan, was bedeutet, dass ich keine Probleme damit habe, in der Agentur zu sitzen anstatt auf Malle am Strand zu braten. Ich nehme meinen Urlaub lieber in so schönen Monaten wie Oktober, wo ich dann in Ruhe mit einem Berg Bücher im Bett liegen und in den verregneten Hamburger Himmel gucken kann.

2. What was your first summer job?
Ich habe in einer Spedition Ablage gemacht, Rechungen geschrieben, eingetütet und frankiert. Dabei habe ich meine Liebe zu blauen Rollerball-Stiften entdeckt, mit denen meine Unterschwünge extrem sexy aussehen.

3. If you could go anywhere this summer, where would you go? Amerika. Irgendwo Amerika. Hauptsache Amerika. Oder auf einen Kurztrip nach London. Oder eine Studienreise nach Rom. Oder meine drei Spanisch-Vokabeln in Mexiko ausprobieren. Oder endlich mal Stockholm angucken.

4. What was your worst vacation ever?
Dänemark mit ein paar Freunden, schon Jahre her. Die Gruppe war eher aus finanzieller Not denn aus tiefer Freundschaft zusammengewürfelt, so nach dem Motto: „Wir wollen ne Woche nach Dänemark nen Haus mieten und brauchen noch drei Leute – haste Bock?“ Ein Mädel fand Gesellschaftsspiele scheiße und war deshalb konstant gelangweilt, ein anderes mochte nichts, aber auch gar nichts von dem, was wir gekocht haben, ein drittes musste unbedingt ihren Hund mitnehmen, das Wetter war konstant schlecht (ich fand's nett, aber alle anderen haben einen Lagerkoller gekriegt), zwei Leute sind beim Radeln zusammengestoßen und haben die ganze Woche lang schmerzverzerrt ihre Blutergüsse verglichen, und mein damaliger Freund und ich waren gerade dabei, uns zu trennen. War ne großartige Woche.

5. What was your best vacation ever?
Eine Studienreise nach Ägypten, leider auch schon Jahre her. Seit ich als kleines Kind das Buch „So lebten die alten Ägypter“ bekommen habe, wollte ich dieses Land und seine Bauwerke sehen. Und als es endlich soweit war, konnte ich es kaum glauben. Als ich vor den Pyramiden stand, habe ich angefangen zu heulen, so ergriffen war ich von der Imposanz, Größe und Erhabenheit dieser Monumente. Auf einmal hat das Wort „Ewigkeit“ eine Bedeutung bekommen.
Das Tal der Könige, die Tempel, die Ausgrabungsstätten, Abu Simbel, der Nil – alles war wie ein Traum für mich; mit eigenen Augen zu sehen, worüber ich soviel gelesen hatte, war einfach überwältigend. Und am liebsten hätte ich im Museum von Kairo übernachtet, weil ich mich einfach nicht von den Exponaten trennen konnte. Ich blättere heute noch in den Ausstellungskatalogen und gucke mir fast ungläubig die Fotos an, weil es eine so surreale Welt war, die ich sehen durfte. Nach Ägypten möchte ich auf alle Fälle nochmal fahren.
(Und nach Dänemark auch – der Kuchen war verdammt lecker.)




Samstag, 28. Juni 2003

Feiner Freitag: eine nette Stimme am Telefon genossen, einen guten Job fast fertiggekriegt, mit der ganzen Agentur am Elbstrand gewesen, vom Cateringservice verwöhnt worden, barfuß in der Elbe rumgeplatscht, ebenso barfuß und ganz alleine und ohne Händchenhalten und ohne gestützt zu werden über den tiefen Sand ans Wasser gegangen, ohne hinzufallen, ohne panisch zu werden – es hat sich fast alles wie früher angefühlt –, alte Kollegen wiedergetroffen und gemerkt, wie gern man sie hatte und hat und wie sehr einem ihre kleinen (oder lauten) Eigenarten fehlen, in den Sonnenuntergang geguckt, durch den Wald spazierengegangen, Bäume und Gras und Wasser und Sonne gerochen, ne Menge gelacht, ne Menge gelächelt, ne Menge versonnen vor sich hingeguckt und sich gedacht: Passt schon. Wird schon. Heute fühlt sich's jedenfalls gut an. Darauf noch ne Weißweinschorle. Ober?



Und nebenbei ist das Return of the King-Teaserposter raus.
Da kann ich natürlich sowas von gar nicht dran vorbeigehen.





Freitag, 27. Juni 2003

„So now it was all over, he thought. So now he would never have a chance to finish it. So this was the way it ended, in a bickering over a drink. Since the gangrene started in his right leg he had no pain and with the pain the horror had gone and all he felt now was a great tiredness and anger that this was the end of it. For this, that now was coming, he had very little curiosity. For years it had obsessed him; but now it meant nothing in itself. It was strange how easy being tired enough made it.
Now he would never write the things that he had saved to write until he know enough to write them well. Well, he would not have to fail at trying to write them either. Maybe you could never write them, and that was why you put them off and delayed the starting. Well he would never know why.“

The Snows of Kilimanjaro, Ernest Hemingway

Was lernen wir daraus? Immer schön schreiben. Selbst wenn es spät ist und man keine Zeit hat und nicht mal ins Kino gekommen ist (nach der Präse ist vor der Präse). Immer schön weiter schreiben. Gegen die Wut. Gegen den Schmerz. Für den Kopf. Für die Seele. Für mich. Für die anderen. Weil's Spaß macht. Weil's gut tut. Weil's weh tut. Weil's weh tun muss. Weil es besser wird. Weil es nur dadurch besser wird. The pen is mightier than the sword. Mein iBook kann zaubern. Take me away.




Donnerstag, 26. Juni 2003

Da hat Elke ja richtig gelegen mit ihrer Nominierung für Matrix: Reloaded zur schlechtesten Sexszene aller Zeiten (Kommentare zum Eintrag am 18. Juni). Die Leser des Guardian sehen es ähnlich. Hier die Top 5 – und ich bemerke erstaunt, dass eine meiner liebsten Szenen es auf den dritten Platz geschafft hat.



Schöner Artikel über die Kollaboration zwischen dem Regisseur und dem Komponisten der Filmmusik – wie kann man eine visuelle und eine akustische Herangehensweise an einen Film überhaupt unter einen Hut bekommen? Elfman masters a monster: Score one for "The Hulk" beleuchtet die Zusammenarbeit von meinem persönlichen Liebling Danny Elfman und Ang Lee:
„No relationship on a film is as complicated as the collaboration between a composer and a director. When a director works with a cinematographer or an editor, they are speaking essentially the same cinematic language. A director can tell an editor how to cut a scene or tell a cinematographer where to put a camera, but writing a film score is the one thing a director – with rare exceptions – has no idea how to accomplish.
"It's really difficult communicating with a composer because I don't speak their language," says Tim Burton, who has worked with Elfman on nearly all his films, including Pee-wee's Big Adventure, Edward Scissorhands and Sleepy Hollow. "I end up telling Danny certain broad strokes, and then he'll say, 'Maybe we should go for Gypsy violins here,' and we'll get a mix of our different ideas. It's one of the hardest things to put into words. We end up having conversations that are pretty telepathic." “



Commercial Break: Die Löwen in Cannes sind vergeben worden. Der Grand Prix in der Kategorie Film ging an den Tearjerker Lamp von Spike Jonze. Ich persönlich hasse ja die Pointe, denn jeder, der Toy Story gesehen hat, weiß, dass Stofftiere und Spielzeug eine Seele haben. Wieso nicht auch eine Lampe?
Aber ein guter Film ist es natürlich trotzdem geworden.




Heute abend um 23.35 Uhr auf arte: The Celluloid Closet – eine Dokumentation über Homosexualität im Film. Guckst du. Oder liest du.
Der Film läuft im Rahmen des Themenabend „Ein Bild von einem Mann“. Unter anderem gibt's um 20.45 Uhr Fatale (Verhängnis), der Film mit der im ersten Eintrag angesprochenen Sexszene. Schöner Zufall.




Mittwoch, 25. Juni 2003

Okay, ich hab von Musik-Kritik nicht wirklich Ahnung, aber wenn ich noch einmal die Begriffe Pop-Lolita oder französisches Nymphchen über Alizée höre, erneuere ich mein Emma-Abonnement.



Video-Piraterie auf Russisch: Warum der liebe Frodo ein Gangster wird und Gandalf die ganze Zeit Karl Marx zitiert: Russia's cult video pirate rescripts "Lord of the Rings" as gangster film.
„They call him the Goblin. He is the new toast of Russia's massive pirate video industry, his films sought all over Moscow. The trick of his silver screen success is that the Goblin redubs Hollywood movies, using his own 'better' Russian alternative to the script.
A former senior police investigator from St Petersburg, Dmitri Puchkov began by making fresh translations to replace the appalling subtitles on pirated films. But now his cult following has found pan-Russian appeal, with a ground-breaking rewrite of the first two parts of The Lord of the Rings.“



the frank wundert sich darüber, dass Citizen Kane immer und immer und immer die Nummer 1 in allen Filmhitlisten ist und bleibt.

Ich hab Citizen Kane schon länger nicht mehr gesehen, aber ich erinnere mich daran, dass ich ihn atmosphärisch sehr dicht und die Geschichte sehr gelungen fand. Trotzdem habe ich mich auch des öfteren gefragt, was an ihm denn nun so wahnsinnig gut sein soll. Aber ich verstehe ja auch bis heute nicht, warum The Godfather ein Meisterwerk ist. Ja klar war er nett, aber mal ehrlich: Er war auch verdammt lang.
(In diesem Zusammenhang sei nochmal auf die Diskussion über dasselbe Thema beim Fernsehratgeber verwiesen, der hoffentlich bald sein Diplom in der Tasche hat, damit er wieder was Vernünftiges machen kann. Bloggen, zum Beispiel.)



Wenn man auf einmal einen Job auf dem Tisch hat, den man schon immer machen wollte, merkt man plötzlich, wie wenig man die anderen machen will. (10.000 spoons when all you need is a knife.)




Dienstag, 24. Juni 2003



Guter Tipp, Herr Dahlmann. Den Herrn Depp hatte ich noch nie auf meiner Seite. Wie konnte ich ihn nur vergessen, wo doch Edward Scissorhands zu meinen erklären Lieblingen gehört?
(Obwohl mir der Vorschlag von Ralf per Mail – Viggo in einer Badewanne voller Eiswürfel – auch nicht schlecht gefällt.)



Ich habe mich nun, ach, mit meiner Seele und meinem Kopf beschäftigt. Ausführlichst. Mit professioneller Hilfe. Und im Moment habe ich auch das Gefühl, das ich die beiden kleinen Nervensägen ganz gut im Griff habe.
Worauf ich allerdings überhaupt nicht vorbereitet bin, ist, dass auf einmal das Herz rumquengelt und wahrgenommen werden will. Unter dieses ganze Thema hatte ich doch schon längst einen dicken, fetten Strich gemacht. Mit Häkchen. Und den Zettel, auf dem ich Strich und Häkchen gemacht habe, hatte ich verbrannt und die Asche verstreut. Wo kommst du also wieder her? Geh weg. Lass mich in Ruhe. Mein Leben mag ereignisloser sein ohne dich, aber auch weniger schmerzhaft. Out! Out!




Montag, 23. Juni 2003

Ich hätte nicht gedacht, dass ein Wochenende mit so viel Arbeit gleichzeitig so viel Spaß machen kann. Gruß nach München.
(Du findest den Weg auf meine Site doch eh nicht :-)



Nee, schon klar, Museet for Fotokunst, schick mir einfach keine Eintrittskarte für Viggo. Lass mich ruhig diese Woche noch über weiße Klamotten nachdenken, um am Samstag korrekt gekleidet auf eine Mottoparty zu gehen. Schade, ich fand meine Ausrede ziemlich stilvoll: „Du, ich kann leider nicht kommen, ich muss auf ne Dichterlesung nach Dänemark.“



Wenn meine Freunde bei Amazon den neuen Harry Potter am Freitag um 4 Uhr morgens losgeschickt haben – WIESO IST ER DANN NOCH NICHT HIER?



Ich bin versucht, hier noch ein Schnuckelbild hinzuposten, damit die Seite nicht so leer aussieht, aber ich kann mich gerade nicht entscheiden, von wem. Wünsche und Anregungen bitte in den Kommentaren. (Mein zweiter Vorname ist Entschlusskraft.)




Sonntag, 22. Juni 2003

Die L.A. Times behauptet, dass der intelligente Mainstream-Film eher vom Aussterben bedroht ist als der überkandidelte Arthouse-Grütz, der bei Filmfestivals, namentlich Cannes, Preise bekommt: Where Hollywod remains unforgiven.
„Of course it's always possible that the jury, chaired by French director Patrice Chéreau, simply didn't think much of the Eastwood film (Mystic River), but I don't believe that was the case. It's more probable that the jurors preferred the likes of Gus Van Sant's Palme d'Or-winning Elephant because they confuse artful vacuousness with genuine art, but I think there was a third – and much more disturbing – possibility at work here as well.
My guess is that despite the presence of Americans Steven Soderbergh and Meg Ryan, the jury was inclined to dismiss Mystic River, as L.A. Confidential had been dismissed before it, as contaminated by the stink of Hollywood. Films produced in the maw of the studio system couldn't possibly be art, and even if they were, they surely didn't require the kind of help or recognition a major film festival award can provide.“



Speaking of art films: Ich habe gestern einen total klischeehaften Kinoabend gehabt. Ich war mit Super-Ingo in 2 Fast 2 Furious . Und es hat verdammt viel Spaß gemacht. Der perfekte Film zum Hirn-Auslüften. Cars, hardbodies, Florida, Hip Hop – what's not to love?




Samstag, 21. Juni 2003

Die FridayFive von dieser Woche gehen gar nicht. Daher:

If I were..., I would be...
a month: März
a day of the week: Dienstag
a time of day: im Sommer 23 Uhr, im Winter 21
a planet: Saturn
a sea animal: Seepferdchen
a direction: Nordost
a piece of furniture: der komische Huckelteppich von ligne roset
a sin: Völlerei
a historical figure: Shakespeare
a liquid: zählt Quecksilber als Flüssigkeit?
a stone: Diamant
a tree: Trauerweide
a bird: Eisvogel
a tool: Wasserwaage
a flower/plant: weiße Lilie
a kind of weather: Herbststurm
a mythical creature: Tantalus
a musical instrument: Geige
an animal: Pinguin
a color: hellblau
a vegetable: Artischocke
a sound: ein dunkles, warmes Hmmmmm
an element: Wasser
a car: gestern gerade erwähnt: der 66er Ford Thunderbird
a song: What's another year von Johnny Logan
a movie, directed by: Steven Soderbergh
a book, written by: Douglas Coupland
a religion: Christentum
a word: was?
a body part: Nase
a facial expression: ein erstaunter Blick
a subject in school: Deutsch
a cartoon character: Hobbes
(via Jens)




Freitag, 20. Juni 2003

Gestern ist der bestimmt wundervolle Popcorn-Streifen 2 Fast 2 Furious angelaufen. Ich hab ihn leider noch nicht gesehen, aber das werde ich selbstredend nachholen. Zur Feier des Tages hat der Guardian ein schönes Autofilmquiz, bei dem ich 9 von 10 Antworten richtig hatte. Nutzloses Wissen rules.



Die Zeit befasst sich auch mit dem Thema Auto, allerdings auf eine Weise, die den Jungs in 2 Fast 2 Furious sicher nicht gefällt – Georg Seeßlen schreibt über Stau-Filme: Wenn die Freiheit Schlange steht.
„An verstopfte Straßen müssen wir uns auch in der Zukunft gewöhnen: In Luc Bessons The Fifth Element stauen sich die fliegenden Automobile in den Häuserschluchten. In David Cronenbergs Crash sind Staus Situationen allerhöchster Ausgeliefertheit. Crash-Junkies machen Jagd aufeinander und auf unschuldige Opfer, und die Kunst dieser Zeit besteht im Nachspielen der berühmtesten Autounfälle der Geschichte. Der endlose Stau ist dem Menschen zur neuen Heimat geworden.Im Stau-Film geht es um die Grenzen, die dem Einzelnen und seinem Selbstausdruck durch das Automobil gesetzt werden. Er erzählt vom grotesken oder blutigen Ende der Freiheit. Und, wer weiß, vielleicht vom Beginn einer neuen. Denn von einem Stau kann man viel Schlechtes sagen. Aber wenn man ihn durch das Auge einer Kamera ansieht, muss man zugeben, dass er verdammt schön ist.“



Schönstes Filmauto ever ist natürlich immer noch der 66er Ford Thunderbird, mit dem Thelma & Louise durch die Gegend gefahren sind. Davon habe ich leider kein einziges anständiges Bild gefunden, daher muss es dieser T-Bird in der falschen Farbe tun. Sieht aber immer noch klasse aus, wie ich finde.






Donnerstag, 19. Juni 2003

Geschmacksflashback: Ich war gestern abend mit ein paar Kollegen chinesisch essen. Einer der besagten Kollegen ist Chinese und hat uns erst gar nicht in die Karte gucken lassen, damit wir ja nicht Schweinefleisch süßsauer ordern. Wir haben also brav gegessen, was er bestellt hat und uns dabei durch ungefähr 100 verschiedene Vorspeisen gearbeitet, bevor dann als Hauptgang chinesischer Kohl, Rindfleisch mit Nudeln, Ente auf Schweinebauch und noch irgendein grünes Gemüse aufgetischt wurde. Das Gemüse hieß auf Chinesisch Leeres Herz, und weder mein Kollege noch der Kellner wussten, wie es auf Deutsch heißt. Ich hatte es auch noch nie gesehen.
Sobald ich den ersten Bissen Rindfleisch im Mund hatte, habe ich mich wie im Urlaub gefühlt. Denn den Geschmack hatte ich in Deutschland noch nie wieder so gegessen wie damals in China.

Vor ein paar Jahren waren meine Familie und ich drei Wochen lang auf Studienreise in China. Studienreise hieß: morgens um 7 Uhr Frühstück und dann Programm bis gegen 23 Uhr. Jeden Tag. Was meistens dadurch zustande kam, dass China eben ein verdammt großes Land ist mit verdammt langen Wegen zwischen den Städten. Wir sind geflogen oder mit dem Bus oder der Bahn gefahren – wobei im Flugzeug auch auf einmal das T-Shirt Sinn machte, das wir schon des öfteren an Touris gesehen hatten: Die chinesische Fluggesellschaft heißt CAAC – böse übersetzt mit „China Airlines always crash“. Wir sind einmal in einer Tupolew geflogen, bei der sämtliche Scheiben beschlagen waren und die Sitze lose. Da nimmt man doch gerne noch einen Reisschnaps von der unfreundlichen Stewardess und erneuert sein Gottvertrauen.

Das Land hat mich unglaublich beeindruckt, was sicher auch daran lag, dass wir eine fantastische Reiseleiterin hatten. Das Mädel war noch keine 30, hatte einige Zeit in China studiert und war absolut wild darauf, uns alles zu erzählen, was sie wusste. Und ich meine: alles. Ich habe auf anderen Studienreisen auch schon Reiseleiter erlebt, die auf Busfahrten einfach ein Buch gelesen haben. Nicht so unser Guide: Sie hat sich das Mikrofon geschnappt und mal zwei Stunden lang frei erzählt, während wir gemütlich in Richtung chinesische Mauer schaukelten. Selbst als sie eigentlich Feierabend hatte (also nach dem gemeinschaftlichen Abendessen), hat sie immer noch angeboten, sich mit uns zusammenzusetzen und über bestimmte Themen zu plaudern. Das waren dann meistens die Themen, die sie tagsüber nicht ansprechen konnte, denn natürlich war die ganze Zeit ein Wachhund der Partei dabei, der die jeweiligen local guides in den verschiedenen Städten überwacht hat.

Ich habe alles, was sie erzählt hat, mitgeschrieben. Die Kladde lese ich heute noch. Oder ich benutze sie als Grundlage für meinen gnadenlosen Diavortrag, durch den alle meine Freunde durch mussten. Sie konnten wählen zwischen der kurzen Fassung (vier Stunden) und der langen (sechs Stunden). Ich habe den Vortrag auch schon mehrmals an Volkshochschulen oder vor irgendwelchen Vereinen gehalten. Danach wusste wirklich jeder, wann die Ming-Dynastie war. Wir sind ja nicht zum Spaß hier.

Was ich aber eigentlich erzählen wollte: Bevor wir losgefahren sind, haben wir uns seelisch darauf vorbereitet, nach drei Tagen kein chinesisches Essen mehr sehen zu können. Was natürlich völliger Blödsinn war: Ich habe nie wieder so unglaublich gut, lecker, abwechslungsreich und frisch gegessen wie in China. Selbst die speckigen Garküchen auf den Straßen haben besseres Zeug serviert als hier das beste Restaurant am Platz. Und irgendwann habe ich eben Rindfleisch gegessen, das genauso geschmeckt hat wie das gestern. Schön, wenn man innerhalb einer Millisekunde von Hamburg nach Guangzhou reisen kann. Zumindest mit der Zunge.




Mittwoch, 18. Juni 2003

Die englische Premiere und der Playboy haben die ihrer Meinung nach besten Sexszenen im Film zusammengestellt. Logischerweise sind die Listen nicht identisch. Der Guardian ruft daher zum Gegenwettbewerb aus: Was ist die schlechteste Sexszene?

Ich persönlich würde die peinlichen Basic Instinct-Szenen mit Wabbelarsch Michael Douglas und Pseudo-Vixen Sharon Stone ziemlich weit nach oben auf meine Liste packen – auch wenn der Playboy sie auf Rang 5 sieht.
Das ist leider im Moment die einzige, die mir spontan einfällt. Wie immer bei schlechten Filmen oder schlechten Szenen aus Filmen – ich merk sie mir meistens nicht. Als Daumenregel würd ich aber sagen: Jede Szene, die mit leiser Musik beginnt und schließlich im Stoßrhythmus des männlichen Hauptdarstellers anschwillt, bis sie den Orgasmus mit einem Paukenschlag untermalt, ist daneben. Genau wie die Szenen, in denen die Darsteller eher schmerzverzerrt gucken, so nach dem Motto: dramatisch, dramatisch. Oder das Gegenteil: sowas von nicht mehr im Hier und Jetzt, dass man auch schon eher grinst als sich erotisch angesprochen fühlt.

Über gute Sexszenen hatte ich ja schonmal geschrieben. Meine liebste ist immer noch die aus Farinelli, in der man überhaupt keine nackte Haut sieht, sondern nur Bewegungen unter einem weißen Laken. Und ich mochte auch Juliette Binoche und Jeremy Irons in Damage. Über die Szene hat ein Kritiker mal geschrieben: "Watch this movie. They do it from a hanging curtain. That alone is reason enough." Ich fand's ziemlich gut, dass fast alle Sexszenen ohne Musik ablaufen.
Auch schön – nee, schön ist das falsche Wort. Interessant? Sehr gut? Egal. Mir haben sämtliche Sexszenen in Crash gefallen. Und natürlich Jennifer Tilly und Gina Gershon in Bound. Genauso Holly Hunter und Harvey Keitel in The Piano – obwohl ich mir habe sagen lassen, dass das nur Mädchen irgendwie erotisch fanden. Ich mochte auch die realistischen Szenen mit Kerry Fox und Mark Rylance in Intimacy. Außerdem die völlig unrealistische Szene in Meet Joe Black, in der Claire Forlani Brad Pitt verführt und die Kamera dabei ziemlich konsequent auf ihm bleibt. Ist mal was anderes als ständig den Mädels beim Kommen zuzugucken.
Und auch wenn ich völlig voreingenommen bin: Diane Lane und Viggo Mortensen sehen in A Walk on the Moon verdammt gut aus. Diane Lane durfte ja auch noch mit Olivier Martinez in Unfaithful zwischen die Laken. Den Film fand ich eher naja, aber wie sie nach dem spontanen und ehebrecherischen Koitus in der U-Bahn auf dem Weg nach Hause sitzt und sich in ihrem Gesicht alles widerspiegelt, was sie gerade empfindet – Schuld, Genuss, Überraschung – das war schon klasse. Eher eine Post-Sexszene. Sehr schön.





Dienstag, 17. Juni 2003

Habe gestern erfreut festgestellt, dass es doch was gebracht hat, seit Jahren ein ums andere Buch übers Drehbuchschreiben gelesen zu haben.
Ach, nur so.





Ja, ich weiß, ich bin zu spät. Just for the record:
Gregory Peck, 05.04.1916–12.06.2003



Es gibt genug Studien, die beweisen, dass Fernsehen schlecht ist. Es gibt aber auch genug, die das Gegenteil beweisen: Television is good for you.
„In 1997, the U.S. government offered networks and some production companies subsidies if they inserted "anti-drug" messages into various shows. It was controversial. But it reflected television's unmatched power to influence as it entertains. (Please don't e-mail me to say that last sentence proves the critics' case.)
A 1999 survey, carried out by the marketing firm Porter Novelli, found that 48 per cent of viewers who watched daytime soaps at least twice a week actually learned something about diseases and how to prevent them.
Who knew? General Hospital may keep you out of one.
(...)
But these are all grown-up issues. And when it comes to criticizing television, the lobbyists, professional letter-writers, family-values advocates and gaggle of conservative prigs often say the nefarious boob tube is most damaging to children.
The hot-button issue remains "violence."
It would be folly to dismiss the rich and substantial body of research that links violent media images with violent behaviour as bunk. But, from this couch, most of these studies are outstanding examples of bunk.
I've watched hundreds of violent images over the past 25 years, ditto for most of my family and friends. So far none of us has decided to AK-47 a mall food court or bomb Los Angeles.“

Ich persönlich finde Fernsehen meist gut und spannend und lustig und basta. Es ist ein Medium, das wir kennenlernen müssen wie jedes andere auch und dann einschätzen, wie sehr oder oft wir es nutzen. Und zur wahrscheinlich ewig gültigen Gewaltdiskussion: Ich behaupte mal, wenn ein Amokläufer den Finger schon am Abzug hat, braucht er keine Gewaltdarstellung im Tatort, um seinen Plan wahrzumachen. Dann reicht auch die Tatsache, dass sein Mülleimer voll oder heute Dienstag ist.

Nebenbei: Meine Mutter erzählt noch heute gerne die Geschichte, wie meine Schwester und ich als Kinder Sesamstraße geguckt haben und direkt hinter uns ein Blumentopf mit einem Höllenlärm von der Fensterbank gefallen ist. Wir haben angeblich nicht mal gezuckt, sondern weiter mit offenem Mund in Richtung Grobi geguckt.
Ich wusste schon immer, welche Prioritäten die richtigen sind.




Montag, 16. Juni 2003

Mir ist gestern ein Filmzitat aus Marvin’s Room (Marvins Töchter) eingefallen. In dem Film geht es um zwei Schwestern, von denen die eine (Diane Keaton) sich jahrelang um den geliebten todkranken Vater kümmert, der sie nicht einmal mehr erkennt. Sie ist trotzdem stets glücklich gewesen und erzählt ihrer Schwester (Meryl Streep), wie dankbar sie für dieses Leben sei. Diese wirft ihr vor, ihr Leben vergeudet zu haben: Sie habe nie geheiratet, habe keine Kinder, niemand würde sie lieben. Was, bitteschön, fände sie an ihrem Leben so lebenswert? Wofür sei sie denn so dankbar? Worauf Diane Keaton völlig selbstverständlich sagt: Ich bin dankbar dafür, lieben zu dürfen.

Dieses Zitat ist mir gestern im Gottesdienst eingefallen. Seit einiger Zeit gehe ich jeden Sonntag wieder in die Kirche. Ich mag den Pastor und seine Art zu predigen sehr gerne, denn er ist keiner von den salbungsvollen Schwafelnasen, die mir was von Erbsünde und ewigem Höllenfeuer erzählen, sondern er interpretiert die Bibel sehr zeitgemäß. Ich mag die Art, wie er spricht, und ich mag die Art, wie er den Segen verteilt, denn das ist für mich der schönste Moment: der Augenblick, in dem man in die nächste Woche entlassen wird, mit dem Wissen, nicht alleine zu sein.

Mir kommt es im Moment so vor, als seien meine regelmäßigen Kirchenbesuche eine logische Fortsetzung der Therapie. Dort habe ich den Grundstein gelegt: Ich beginne, mich selber zu mögen und zu respektieren. Ich beginne, meine Grenzen zu akzeptieren, anstatt mir dauernd vorzuwerfen, was ich alles nicht kann. Ich beginne, nicht meine Arbeit, meine Beziehungen, meine Nicht-Beziehungen als den Mittelpunkt meines Lebens zu sehen, sondern mich. Denn ich bin das Wichtigste und Kostbarste, was ich habe. Alles andere ist schönes Beiwerk, denn selbst der dickste Gehaltsscheck und der tollste Kerl könnten mich nicht glücklich machen, wenn ich nicht selber dazu bereit bin, glücklich zu sein.

Es gibt so vieles, das ich schätze: Ich fühle mich zum Beispiel im Kino aufgehoben, denn dort werden mir wundervolle Geschichten erzählt. Es ist für mich so, als ob ich im Bett liege und mir jemand Geliebtes ein Buch vorliest; ich fühle mich einfach wohl. Genauso wohl habe ich mich nach den Therapiestunden gefühlt, in denen ich gemerkt habe, wieviel Seele in mir steckt, wie gerne ich mich eigentlich habe und wie sehr ich schätze, wer und was ich bin. Und dieses Gefühl findet eine Fortsetzung in der Kirche. Ich genieße es, zu singen. Ich genieße die Stille eines Gebets. Ich fühle mich sehr aufgehoben in der Gemeinschaft, die zusammengekommen ist, um eben zusammenzusein. Ich fühle mich nicht alleine. Ich öffne jeden Sonntag mein Herz und singe und lache und liebe. Und das fühlt sich großartig an.

Ich liebe. Und wenn es nur Kinofilme sind, die mich beschützen, und Musik, die mich berührt, und die Sonne, die lächelt, und meine Füße, die sich lebendig anfühlen, wenn sie auf dem Parkett ihren Weg finden. Ich liebe. Und dafür bin ich sehr dankbar. Wem auch immer.





Sonntag, 15. Juni 2003

Mein schönster Ferientag

Bin wieder aus Berlin zurück. Der Workshop, auf dem ich mit meiner Art Direktorin Katrin und unserer Personaltante Soosoo war, war eine Veranstaltung im Rahmen des Werbekongresses, der von Studenten der UdK organisiert wird und an dem Agenturen aus ganz Deutschland teilnehmen können. Ziel und Zweck ist es, Studenten das Arbeiten in der Werbung nahezubringen und natürlich auch ein wenig Talentscouting zu betreiben. Deswegen hat Soosoo auch ne Menge Visitenkarten verteilt.

Die 250 Studenten, die sich per Copytest beworben hatten und ausgewählt wurden, sind in Gruppen aufgeteilt und einer der 20 teilnehmenden Agenturen zugeteilt worden. Wir als Agenturvertreter haben um 9 Uhr am Freitag ein Briefing bekommen und hatten dann bis Punkt 17.30 Uhr Zeit, mit unserer Gruppe zusammen eine Kampagne zu entwickeln.

Das diesjährige Thema: eine Imagekampagne für Pfandhäuser. Gefordert waren eine zweiseitige strategische Herleitung, Plakate (3–6 Motive), ein 15-sekündiger Funkspot und flankierende Maßnahmen, also Below-the-line-Kram wie Events, Mailings, Give-aways und so weiter.

Was ich persönlich spannend fand, war die Art des Denkens von Leuten, die noch kein Praktikum in einer Agentur gemacht hatten. Alle unsere Schäfchen waren vom normalen Arbeitsalltag einer (ich sag's jetzt mal ganz widerlich) Kreativschmiede gänzlich unbeleckt. Während Katrin und ich 20 Sekunden nach Erhalt des Briefings schon anfingen, in Positionierungssätzen und Visuals zu reden, waren unsere Studenten noch damit beschäftigt, sich überhaupt über die Aufgabe klar zu werden.

Wir haben dann gemeinsam im Schnelldurchlauf eine Positionierung entwickelt, die Aufgabe auf einen Satz eingedampft und uns dann aufgeteilt. Die Studenten, die eher in Richtung Kontakt oder Text wollten, haben mit mir zusammen die Strategie formuliert, während die anderen, die eher in Richtung Grafik gehen wollten, mit Katrin schon angefangen haben, Motive zu entwickeln. Wir haben das dann kurz zusammengeworfen, Schlechtes aussortiert, Gutes verbessert und uns dann wieder getrennt. Allmählich kristallisierte sich eine Kampagnenrichtung heraus; Katrins Team hat weiter eher in Bildern gedacht, während in meinem Team naturgemäß eher an Claims und Headlines gefeilt wurde. Gegen 15 Uhr hatten wir dann vier Motive, die wir alle gut fanden, und einen Claim, der alles zusammenhielt. Im absoluten Schnellverfahren haben wir dann noch Below-the-line-Kram ersonnen, wobei der Umgangston allmählich etwas hektischer wurde, weil uns die Zeit davon lief.

Morgens beim Stategiedenken haben wir die Studenten meist alles sagen lassen bzw. haben sie nicht unterbrochen, wenn sie sich gegenseitig ihre Ideen abgeschossen haben. Aber im Brainstorming haben wir ihnen schon erklärt, dass nichts tödlicher ist, als ständig jede Idee auf ihre Machbarkeit/Sinnhaftigkeit/Kreativität/
Positionierung abzuklopfen. Sinn des Brainstormings ist es schließlich, einfach alles rauszukotzen, was gerade im Kopf rumschwirrt. Wir hatten netterweise auch nur eine Nervensäge, die alles hinterfragt hat, was kam. Die war aber relativ schnell ruhigzustellen mit dem Argument: Quatsch nicht rum, mach's besser; was er nicht konnte, und deshalb war es dann auch etwas entspannter.

Mit dem Denken, das wir nicht mehr drin haben, meine ich dieses eher naive Rangehen an ein Problem, dieses: Wir wollen den Leuten sagen, dass es in Pfandhäusern Kohle gibt, also machen wir Headlines wie „Schnelles Geld für helle Köpfe“. Dass sich bei solchen Sätzen Katrin und mir der Mageninhalt löst, haben wir hoffentlich geschickt überspielt, denn natürlich kann man einfach kein Gold erwarten, wenn man mit Studenten arbeitet. Kein Thema. Aber ich hoffe, dass wir ihnen ein wenig erklären konnten, dass gute Werbung natürlich sagt, was man eben sagen will, dass es aber auch eindeutig elegantere Wege dazu gibt als den direkten (und den auch noch scheiße formuliert).

Ich fand unser Team sehr motiviert und sehr wissbegierig, auch wenn wir natürlich nicht allzuviel erklären konnten – dafür fehlte leider die Zeit. Jemandem in drei Minuten Funkspotschreiben beizubringen, geht einfach nicht. Aber ich glaube schon, dass sie mitbekommen haben, wie generell kreative Arbeit funktioniert. Ich hab jedenfalls sehr über die Frage geschmunzelt, die ganz zum Schluss kam: Und so hektisch läuft bei euch jeder Tag ab? worauf Katrin und ich nur grinsen konnten, denn wir kamen total abgehetzt nach Berlin – gerade der Tag vor dem Workshop war wieder einer dieser „Alles jetzt, alles schnell, alles muss Gold werden“-Tage.

Wie immer nach solchen Hektiktagen ist der Abend dann umso entspannter. Hätte ich nicht gedacht, denn Berlin ist für mich seit Karls Tod immer eine Stadt non grata gewesen. Auch diesmal hat mich das Heulen kurz erwischt, aber nicht so schlimm wie das letzte Mal.

Nach dem Workshop waren wir noch was Kleines essen und was Großes trinken; dabei habe ich die Geschichte von Karl und mir nochmal erzählt, weil Soosoo die Story noch nicht kannte. Da flossen natürlich auch die Tränen, aber es hat nicht mehr so weh getan wie sonst. Es war eher eine seltsame Mischung aus Freude, über ihn reden zu können und Trauer darüber, dass die Geschichte keine Fortsetzung mehr hat. Und gleichzeitig habe ich gemerkt, dass die Stadt mich nicht mehr so runterzieht. Das lag natürlich auch daran, dass ich mit zwei meiner liebsten Menschen aus der Agentur da war, dass der Workshop gut gelaufen ist und viel mehr Spaß gemacht hat als ich vorher gedacht hätte, dass das Essen lecker, die Luft weich, der Abendhimmel klar und die Erdbeer-Daiquiris unendlich waren. Ich habe mich jedenfalls mehrmals dabei erwischt, wie ich einfach nur gelöst in die Nacht geguckt und dabei keine Schmerzen empfunden habe, sondern nur ein wundervoll tröstliches Gefühl von Zufriedenheit.

Das machen wir mal wieder.




Donnerstag, 12. Juni 2003

„Our invention can be exploited for a certain time as a scientific curiosity, but apart from that, it has no commercial future whatsoever.“

Da hat der olle Auguste Lumière aber ziemlich danebengelegen. Alleine ich sorge für die kommmerzielle Zukunft des Cinematografen. Und auf der hübschen Seite (mit dem überlangen Titel) The Complete History of the Discovery of Cinematography erfährt man eine Menge interessanter Details, wie aus Schattenspielen das moderne Kino wurde.
(via Koewi)



Nur noch zehn Tage, bis der neue Harry Potter erscheint. Und natürlich habe ich als braver Konsument schon längst mein Exemplar bei Amazon geordert. Aber kann der fünfte Band die Erwartungen erfüllen, fragt sich der Telegraph:
„Rowling has increased the dangers of disappointment by leaving a three-year gap before getting Harry's latest adventure into the shops. When the first four volumes appeared, like clockwork, at yearly intervals, she seemed to have come up with a magic formula.
The seven-book sequence would cover each year of Harry's life at Hogwarts. His readers, aged ideally from nine to 11, would grow up with him, holding his hand through the doubts and trials of adolescence, following him to the cusp of manhood. But children who discovered Harry when they were 10 are now 17. They are ahead of him for the first time, and his transfixing spell may be broken.“



Charlotte Roche schreibt in Neon über den neuen Allianz-Spot und wie er sie dazu gebracht hat, über Versicherungen nachzudenken. Ha! Werbung funktioniert doch.
Neon ist übrigens der Versuch des Stern, das jetzt-Magazin wiederzubeleben. Ich finde den Titel zwar etwas daneben, und auch die bisherigen Beiträge haben noch nicht die Qualität, die ich bei jetzt so geschätzt habe, aber schau'n mer mal. Ich werde mir die erste Ausgabe auf jeden Fall gönnen.



Wo wir gerade bei Werbung sind: Ich bin für die nächsten Tage in Berlin, wo meine Art Direktorin und ich ein paar willigen Studenten erzählen, wie man sich hübsche Kampagnen aus dem Schädel klopft. Wir sehen uns Sonntag wieder mit Tales of the City.




Mittwoch, 11. Juni 2003

Okay, Magen, du dämliches Organ. Wenn du nicht mal mehr simples Putenfleisch, Salat und einen italienischen Weißwein verträgst, dann sag mir das doch einfach VORHER. Und nicht erst morgens um eins. Und dann auch nicht so unfreundlich mit Bauchschmerzen und nicht mehr wissen, wie man überhaupt liegen soll, wo alles weh tut und selbst sitzen geht nicht und auch der Finger will nicht in den Hals und eigentlich möchte man über sowas ja auch gar nicht nachdenken, morgens um eins. Und eigentlich hätte man in der Agentur auch genug zu tun gehabt, danke der Nachfrage. Aber du musstest hier ja mal wieder die Diva machen. Zur Strafe gibt's 24 Stunden lang nur Pfefferminztee. War's das, was du wolltest?
Dann ist's ja gut.




Dienstag, 10. Juni 2003

Pfingst-Filme:
Death to Smoochy (Tötet Smoochy): Edward Norton kann fast alles, aber er ist nicht komisch. Und deswegen klappt der Film auch nicht; da kann Robin Williams sich noch so sehr anstrengen. Die Story von einem Kinderfernseh-Moderator, der nicht ganz so nett ist, wie er sich im TV gibt, kennt man aus der Realität ja von Pee Wee Herman, und daher wirkt der Film auch eher wie eine müde Kopie denn wie eine gute Idee. Leider können auch Danny de Vito (der Regie geführt hat) und Catherine Keener der zähen Story nicht mehr Speed verleihen.

Amen. (Der Stellvertreter): Die Szene, die mich in diesem Film am meisten beeindruckt hat, war die, in der der katholische Priester sich einen gelben Stern an die Soutane gesteckt und sich offenen Auges nach Auschwitz hat deportieren lassen. Auf die Frage, warum er das tue, antwortete er, er wolle verstehen, warum Gott dieses Unrecht zulasse.
Ein großartiger Ulrich Tukur, ein sehr guter Ulrich Mühe, ein eindrucksvoller Mathieu Kassovitz. Schönes, bewegendes europäisches Kino. Geht doch.

The Animatrix: Pflichtschuldig ausgeliehen, aber keine Lust gehabt, die DVD richtig anzugucken. Wenn mich der „reale“ Film schon nicht erwischt hat, dann erst recht nicht die Tittenmäuschen und Sixpacks in der animierten Fassung.




Montag, 9. Juni 2003

Ein kleines deprimierendes Essay aus dem Guardian: Death in the snow geht der Geschichte einer jungen Frau nach, die angeblich die vergrabene Million Dollar aus Fargo in Fargo finden wollte und dabei ums Leben kam:
„And while we are allowed – encouraged – to believe that a fiction film is real while we're watching it, the moment the lights go up it's a different story. Fargo, the dream, is over. Sometimes it's not easy. But there's no choice; we know it's time to go home. But it seemed that for some unknown reason, by the time she was first spotted in Bismarck in November 2001, a 28-year-old Japanese girl named Takako Konishi no longer could.
It was late February and I was in Bismarck on the trail of Takako Konishi's last days. The Coens memorably describe this part of America – they grew up nearby – as "Siberia with family restaurants". The story had stayed with me ever since I first read about her. What was it that made me want to know more? Like her, I loved the movies, and especially Fargo. And because I did I couldn't quite laugh at her apparent desire – however irrational – to burst through the screen and make Fargo real. It's a common fantasy among movie lovers. The difference is, she did it.“

Auch wenn die Geschichte sich nicht als die herausstellte, die sie zu sein schien, hat sie mich nachdenklich gemacht. Wünsche ich mir, dass die Filme, die ich so sehr liebe, Wirklichkeit werden? Oder die Heldinnen, die ich bewundere; die Helden, die ich begehre? Will ich wirklich, dass sie Teil meines realen Lebens werden?

In einem gewissen Sinn sind sie das bereits. Ins Kino zu gehen oder DVDs zu gucken, nimmt einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch. Aber ich habe nie das Gefühl, meine reale Zeit an etwas Irreales zu verschwenden. Ganz im Gegenteil: Die Zeit, die ich dabei verbringe, einer fiktiven Handlung zuzusehen, schwappt über in die Zeit danach, in der die Realität mich wieder hat. Denn gute Filme hallen nach, beschäftigen mich noch, wenn der Abspann längst vorbei ist. Und richtig gute Filme verändern meine Welt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist, während ich im Kino war. Oder – das genaue Gegenteil – dass sich plötzlich die ganze Welt verändert hat, während ich nichts ahnend im dunklen Saal saß. Manchmal verlasse ich das Kino und mir kommt das Licht anders vor, weicher, greller, staubiger. Manchmal gehen die Menschen langsamer, manchmal schneller. Manchmal fallen mir Dinge auf, die vorher nicht wichtig waren; aber durch das eben Gesehene haben sie auf einmal eine Bedeutung: die Art, wie mich jemand anschaut, die Art, wie der Verkehr fließt, die Art, wie mein Telefon klingelt.

Filme sind für mich in soweit Teil meiner Realität, dass ich ihnen einen großen Einfluss auf meine tägliche Gefühlslage zugestehe. Nach schlechten Filmen bin ich genervt, nach schnulzigen fürchterlich sentimental und redselig, nach hoffnungsvollen mit mir im Reinen und nach traurigen sehr einsam und ängstlich. Und komischerweise will ich das gar nicht ändern. Ich lasse es zu, dass bewegte Bilder auf einer Leinwand mich verändern, sowohl zum Positiven als auch zum Negativen.

Vielleicht sind Filme einfach ein Ersatz für Menschen, die einen ja auch durch ihren Einfluss verändern. Wo andere sich durch Partys amüsieren, durch Streitereien ärgern oder sich mit ihren Liebsten freuen, übernehmen bei mir Filme diese Rolle. Ich komme mit Bildern aus Zelluloid scheinbar besser klar als mit Lebensformen, die auf Kohlenstoff basieren. Und im Moment finde ich das nicht einmal bedauerlich oder seltsam. Es ist im Moment einfach so. Vielleicht ändert sich das noch und ich glaube wieder daran, dass auch Menschen mir das geben können, was das Kino kann. Aber so ganz mag ich mich darauf noch nicht verlassen.




Sonntag, 8. Juni 2003

Endlich mal wieder bei Herrn Tutscheks Personenrätseln richtig gelegen. Aber bei den Filmzitaten komme ich entweder zu spät oder hab's noch nie gehört. Ich arbeite dran.



Seit Freitag schmückt mich übrigens ein sehr kleidsames Geekshirt:



Das habe ich über einen schönen Bestelllink in diesem kleinen, seltsamen Weblog gefunden.

Und da ich eh schon beim Shoppen war: Zwei neue Parfums gehörten nach der Mittagspause auch mir. Für den Tag 212 von Carolina Herrera – ein fast neutraler Duft, sehr zart, kaum wahrnehmbar; nicht zu blumig, nicht modisch-sportlich, sondern subtil frisch. Genau das richtige für meinen Sommer (ich kann ihm ja wohl nicht mehr entrinnen.)
Und für den Abend Presence d'une femme von Montblanc. Sehr viel Körper, sehr intensiv, aber nicht aufdringlich und vor allem nicht süß. Ich fand, der Duft erzählt eine ganze Geschichte. Wundervoll.
Aber wie mein Kollege treffend bemerkte: Typisches Texterparfum. Wer kauft schon einen Duft von einem Schreibgeräte-Hersteller? Touche.

(Und wenn alle Stricke reißen, werde ich Parfumbeschreiber. Da kann ich endlich mit all den Adjektiven um mich werfen, die ich mir sonst den ganzen Tag verkneife.)




Samstag, 7. Juni 2003

EinJahrTanz

Er sah mich an, als ob ich seine Welt verändern könne. Ich habe ihm geglaubt, zurückgeblickt und mich verloren. Wir tanzten umeinander, dann miteinander, dann ineinander. Die Nacht wurde zum Tag, der Tag zur Woche, die Woche zum Jahr. Der Tanz fiel schwerer, die Kür wurde zur Pflicht. Sein Blick war längst wieder auf der Suche. Der meine fand ihn nicht mehr. Ich versuchte, meine Welt wieder unzuverändern. Er wollte die seine wiederhaben. Ich gab alles, was ich hatte; er nahm alles, was er erblickte. Tanz weiter, sagten seine Augen. Schau weg, brüllte ich ihn an.

Mein Beitrag zum Ultra-Short-Stories-Wettbewerb bei jimmiz.
(97. Und der Titel ist nicht gemogelt.)



FridayFive:
1. How many times have you truly been in love?
Zweimal.

2. What was/is so great about the person you love(d) the most?
Ich wusste, ich kann ihm vertrauen. Ich wusste, er ist da, wann immer ich ihn brauche. Er hat eine unglaubliche Ruhe auf mich ausgestrahlt. Und er hat mir das Gefühl gegeben, etwas ganz Besonderes zu sein.

3. What qualities should a significant other have?
Er muss mich zum Lachen bringen bzw. meine Art von Humor teilen. Er sollte netterweise genauso kinovernarrt sein wie ich, denn nichts ist nerviger, jemand davon zu überzeugen, wie waaaahnsinnig wichtig bewegte Bilder sind, dem das eigentlich egal ist. Und wenn das nicht hinhaut, sollte er wenigstens auch eine Sache haben, die ihn begeistert und von der er genauso stundenlang schwärmen kann wie ich von Kino (und ich hoffe für mich, dass das nicht unbedingt Reptilien oder Ü-Eier sind).

Er muss auf jeden Fall intelligent und gebildet sein. Mit Idioten kann ich nicht reden – und „dumm f*ckt gut“ ist ein ziemlich deppertes Vorurteil. Er sollte kultiviert sein und den Knigge halbwegs kennen; ich mag diese alte Schule, dieses Gentlemangehabe mit Tür aufhalten und in die Jacke helfen wahnsinnig gerne. Mein Traum ist ja immer noch der Mann, der seinen Mantel in eine Pfütze wirft, damit ich trockenen Fußes über die Straße gehen kann. (Ich betonte: mein Traum. Wenn das wirklich mal passieren sollte, würde ich den Kerl wahrscheinlich peinlichst berührt verleugnen.)

Er sollte wissen, wer er ist und wo er hin will im Leben, denn das weiß ich leider nicht, und wenn wir uns schon zusammentun, wär's toll, wenn wenigstens einer einen Plan hat.
Und was ich am meisten schätze, ist das Gefühl, dass da jemand ist, der die ganze Welt von mir fernhält; jemand, der mich in den Arm nimmt, mir über den Nacken streicht und mir sagt, dass mir niemand wehtut und mir nichts passieren kann. Mein eigener Fels in der Brandung eben.

4. Have you ever broken someone's heart?
Nicht, dass ich wüsste.

5. If there was one thing you could teach people about love, what would it be?
Enjoy it while it lasts. Don't ruin it by presuming it will end.



Vielleicht habe ich mich in den letzten Tagen etwas unklar ausgedrückt: Die Kritiken zu The Quiet American und Hero sind natürlich in der Kino-Ecke zu finden. So sprachlos war ich dann doch nicht.




Freitag, 6. Juni 2003

Im Kino: Hero.
Für heute bin ich sprachlos.




Donnerstag, 5. Juni 2003

Neue Lieblingsbeschäftigung meines Lieblingstexterkollegen: Handyklingeltöne nachsingen.
Liegt das an der Hitze oder generell an unserem Job?





Gestern vor 50 Jahren wurde ein klassischer amerikanischer Western uraufgeführt: Shane (Mein großer Freund Shane). Die L.A. Times würdigt den Film, an den nie jemand recht geglaubt hatte: Happy ending for an underdog.
„Paramount studio head Freeman, worried about the film's escalating budget, made a deal with Howard Hughes (who was then running RKO Studios) to take Shane off Paramount's hands. From the beginning, no one at the studio had much faith in the film's commercial possibilities, let alone any idea it would become a classic. The deal, which would grant Hughes ownership of Shane in return for reimbursement of Paramount's costs, left the studio heads feeling they had dumped a loser.
However, the deal ultimately fell apart, which was a stroke of luck for Paramount. As it turned out, Shane proved to be a huge moneymaker (by the standards of the time), taking in more than $7 million in 1953. The reviews were enthusiastic: Time magazine noted, "The way Stevens has put it together, Shane adds up to something more than the sum of its individual parts. It almost rises above its stock material to become a sort of celluloid symphony of six-shooters and the wide open spaces."“

Ich habe an Shane eine schöne Erinnerung, denn ich habe zu meinen Universitätszeiten (Gott hab sie selig) mal ein term paper über den Film geschrieben.
An der hannoverschen Uni konnte man leider nur Anglistik studieren; also habe ich jeden, aber auch wirklich jeden Kurs belegt, der ein Hauch amerikanisch war. Der Kurs, in dem wir Shane durchgenommen haben, war natürlich pure Glücksseligkeit für mich: The Western Film in American Culture. Wir haben ein ganzes Semester lang einen Western nach dem anderen geguckt . Der Kurs an sich war schon toll, aber das, was ihn besonders gemacht hat, war der Lehrer: Mr James Deutsch (guter Name) aus Arizona. Der Mann hat erstens mal englisch bzw. amerikanisch mit uns gesprochen – eher eine Ausnahme; die meisten Lehrer haben uns zwar mit Shakespeare im Original gequält, aber drüber diskutieren durften wir dann auf Deutsch – Schwachsinn, wie ich finde.
Zu der Originalsprachlichkeit kam noch seine absolute Filmbegeisterung. Wir haben jeden Film mindestens zwanzigmal unterbrochen, weil Mr Deutsch uns auf irgendein Detail, einen besonderen Schnitt, ein tolles Setting aufmerksam machen wollte oder weil er eine Geschichte zu einem obskuren Nebendarsteller hatte oder weil er einfach eine Szene so gut fand, dass er uns das mal eben mitteilen wollte. Großartig. Ich habe nie wieder einen Lehrer gehabt, der eine solche Begeisterung für sein Sujet mitgebracht hat. Ich persönlich hab an seinen Lippen gehangen und alles mitgeschrieben, was ging. Selbstverständlich habe ich auch seine Vorlesung besucht: Movie-made America, in der er uns von den Anfängen des Kinos in den USA erzählt hat und wo wir u.a. Klassiker wie D.W. Griffiths Birth of a nation geguckt haben.
In diesem Zusammenhang empfehle ich euch mal die Bücher, die ich mir damals gekauft habe und in die ich auch heute noch gerne reinschaue: Movie-made America und Showdown.
Wenn ich heute allerdings die Seiten durchblättere, werde ich ganz widerlich sentimental und sehne mich nach der Zeit, in der ich 25 war, nach der großen Freiheit, die ich als Student immer hatte und auch nach einem solch klasse Lehrer, der einen derartigen Eindruck auf mich gemacht hat, dass ich noch heute, zehn Jahre später, an ihn denke. So if you read this, Mr. Deutsch – I never told you how much I enjoyed your class. I know this comes a little bit late, but I just wanted to let you know.




Mittwoch, 4. Juni 2003

Gestern habe ich wieder Spanisch gehabt.

Ich finde es gerade sehr spannend, mal wieder eine Sprache zu lernen. Mein recht ordentliches Englisch (oder besser: Amerikanisch) weiß ich immer mehr zu schätzen, je länger ich mich wieder wie ein Idiot in einer neuen Sprache fühle. Ich stolpere über die einfachsten Fragen, weil ich ganz simple Dinge wie Präpositionen oder Zeiten noch nicht weiß. Wer, was, warum, meins, deins, seins, Präsens, Imperfekt, Futur ... die Grundausstattung eben. Auf einmal fällt einem auf, wie locker man auf Englisch daherquatscht, während man auf Spanisch gerade mal einen Kaffee bestellen kann. Bei Milch oder Zucker kommt dann schon die erste Hürde.

Das Schöne am Spanischen ist allerdings, dass man irgendwie schon ein Gefühl für die Sprache hat. Viele Phrasen kommen einem bekannt vor, das no me gusta nada geht einem schon ziemlich locker über die Lippen ... aber dafür braucht man zehn Minuten, um der Lehrerin die Uhrzeit zu nennen. Ich lerne eigentlich zum ersten Mal bewusst eine neue Sprache bzw wundere mich darüber, wie ich jemals Englisch gelernt habe. Wie fängt man da eigentlich an? Welche Worte braucht man am ehesten? Und wieso kommt es mir so vor, als ob wir in jeder Stunde nur unregelmäßige Verben lernen?

Ich stelle aber auch erfreut fest, dass sich meine Entscheidung, damals in der 7. Klasse Latein statt Französisch zu lernen, auch nach 20 Jahren als richtig erweist. Jede Sprache wirkt logischer, wenn man sich einmal durch die lateinische Grammatik gekämpft hat. Ich erinnere mich daran, wie simpel damals auf einmal die deutsche Grammatik wurde und wie schön man sich plötzlich englische Vokabeln merken konnte, weil man die gleichen Worte gerade auf Latein rauf- und runterkonjugiert hatte.

Ich glaube, man lernt die eigene Sprache auch mehr zu schätzen, wenn man sie vergleichen kann. Oder man lernt Eigenarten anderer Sprachen zu schätzen. Wir haben gestern im Unterricht einen Song von Manu Chao gehört, in dem er singt Me gusta la mar (Ich mag das Meer). Das wort mar ist eigentlich männlich, aber wenn man es in einem Gedicht oder einem Lied einsetzt, wird es weiblich. Ist das nicht wunderschön? Hach ...


Überhaupt: Sprache. Ist es nicht unglaublich faszinierend, wieviele verschiedene Sprachen es gibt? Wieviele Dialekte? Und um wieviel größer unser eigener geistiger Horizont wird, wenn man mehr als nur seine Muttersprache spricht? Plötzlich bekommt man ein ganz anderes Gefühl – für sich, für sein eigenes Land und für das Land, dessen Sprache man gerade lernt.

Manchmal bin ich sehr glücklich darüber, dass so etwas Wunderbares wie Sprache mein Handwerkszeug ist.
(Und noch glücklicher bin ich darüber, dass ich in einer Branche arbeite, in der ich locker auf Englisch ausweichen kann, wenn mir auf Deutsch nichts mehr einfällt.)



Wo wir grad bei Sprache sind: Die Aufschrift „mit Massageperlen“ auf dem neuen Fa Wellness ist nur Werberdeutsch für „fühlt sich an wie mit Schmirgelpapier duschen“. Finger weg, Dünnhäute. Ist eklig.




Dienstag, 3. Juni 2003

Auch auf die Gefahr, mich zu wiederholen: It's – too – damn – HOT!



Bücherberg abarbeiten:
Twelve von Nick McDonell fand ich nett, aber nicht ganz so grandios wie die ganzen Lobeshymnen mich haben glauben machen wollen. Wie ich bereits vermutet hatte, ist es Less than zero mit weniger F*ckszenen, aber ähnlich viel Drogen und Selbstfindungsproblemen. Es geht um eine Gruppe Jugendlicher in New York, die den Jahreswechsel auf einer riesigen Party feiern wollen. Wir lernen sie einzeln kennen und, man ahnt es schon, ihre Wege werden sich alle auf der Party kreuzen.
Den Stil von McDonell fand ich für einen Siebzehnjährigen schon ziemlich ausgereift. Auch die Figuren, deren Lebenserfahrung er noch nicht haben kann, klingen genauso durchdacht wie die Kids, die er beschreibt. Aber gerade diese Randfiguren haben mich manchmal etwas ratlos zurückgelassen – wozu habe ich mir gerade eine dreiseitige Beschreibung über einen Obdachlosen durchgelesen, der weder noch einmal vorkommt noch irgendeine Bedeutung hat und auch die Figur, die er trifft, nicht nachhaltig verändert? Ich hatte meist das Gefühl, eine wilde Sammlung Polaroids zu betrachten, anstatt eine durchgehende Fotostory. Trotzdem hat es mich gereizt, das Buch bis zum Schluss durchzulesen. Ich hab mich nicht gelangweilt, aber wahnsinnig aufregend war Twelve dann auch nicht.

On directing film von David Mamet: Hm. Vielleicht hab ich zuviel McKee, Field oder Seger gelesen, aber die Theorien von Herrn Mamet zu Film kamen mir manchmal ein wenig zu verkopft vor. Immerhin habe ich ein paar spannende Ideen kennengelernt (z.B. „The cut tells the story“), aber ich fand es doch sehr theoretisch. Gerade sein ewiges Rumreiten auf „bloß keine Backstory“ finde ich etwas fragwürdig. Wenn ich über einen Charakter gar keine Infos geliefert kriegt, wie kann ich dann einordnen, was er tut? Wie soll ich von einer – mal als Beispiel – tragischen Liebesgeschichte ergriffen sein, wenn mir die Figuren egal sind, weil ich sie nicht kennengelernt habe?

Im Moment auf dem Nachttisch: The Complete Short Stories von Ernest Hemingway. Kann man gar nicht oft genug lesen und passt zum Sommer.

„The boy Paco had never known about any of this nor about what all these people would be doing in the next day and in other days to come. He had no idea how they really lived nor how they ended. He did not even realize they ended. He died, as the Spanish phrase has it, full of illusions. He had not had time in his life to lose any of them, nor even, at the end, to complete an act of contrition. He had not even had time to be disappointed in the Garbo picture which disappointed all Madrid for a week.“

The Capital of the World, Ernest Hemingway





Schönes Robbiiiiiiieee-Porträt aus dem SZ-Magazin: Ich ist ein Anderer.
„Von seinem breiten Bett mitten im Schlafzimmer aus kann er meilenweit sehen. In der ersten Zeit wachte er auf, zog die Gardinen zurück, streckte sich und dann meldete sich sofort die innere Stimme: „Das hast du nicht verdient. Irgendwann werden sie dir alles wieder wegnehmen.“ Dann schaute er hinaus und sah den Mann, der das Laub aus dem Pool fischte (die innere Stimme: „Wie viel verdient der Mann?“), und die Frau, die seine Wäsche besorgte („Wie viel verdient sie?“), und dann setzte Panik ein. „Wenn es mein Schicksal ist, dass mir das alles wieder weggenommen wird, muss ich daraus etwas lernen“, sagt er. „Wenn ich es bis an mein Lebensende behalte, muss ich auch etwas daraus lernen.“
(via Just another weblog)

Übrigens läuft auf Robbies Website gerade eine kleine Competition: Wer Lust hat, in seinem neuen Video Something beautiful mitzuspielen, kann sich noch bewerben. Der Dreh findet diesen Samstag in London statt.
(Ach nee, ich hab da grad was anderes vor. Macht ihr mal.)




Montag, 2. Juni 2003

Im iPod: Pet Sounds von den Beach Boys. Der einzige Grund, sich mit diesem beknackten Sommer anzufreunden.
(Wozu zieh ich, bitteschön, nach Hamburg? Muss ich wirklich erst nach London oder Seattle, um Regen zu kriegen?)

Im Kino: The Quiet American.

Im DVD-Player:
Girl, Interrupted (Durchgeknallt): Ja, hatte ich noch nie gesehen. Und als er bestimmt zum 100sten Mal auf RTL kam, dachte ich mir, holst du ihn dir mal im Original und guckst ihn endlich. Hm. Ein bisschen zu lang, ein bisschen zu dramatisch, sobald Angelina Jolie im Bild war (dafür gab's einen Oscar?), ansonsten aber eine recht ruhige Erzählweise, und ausnahmsweise fand ich sogar Winona Ryder nicht nervig, sondern ziemlich gut.

28 Days Later: Ich hasse das Gefühl, was sich bei mir manchmal einstellt – dieses: Du, eigentlich ist es mir ganz füchterlich egal, wie dieser Film weitergeht. Aber man hat ja schließlich Geld bezahlt, also guckt man den Film weiter und weiter und weiter, obwohl man schon nach zehn Minuten keine Lust mehr hatte, und wenn man dann endlich nach einer Stunde den Ausknopf findet, fühlt man sich einerseits erleichtert (weg mit dem langweiligen Zombiekram), und andererseits ist man betrübt (wieso schafft Danny Boyle ständig tolle Bilder zu dämlichen Geschichten, und wieso schreibt Alex Garland nur noch Quatsch?).

Cube: Peinlich, aber den kannte ich auch noch nicht. Gestern war's auch irgendwie zu heiß, um über die ganzen philosophischen Feinheiten des Films nachzudenken. Es kam mir wie abgefilmtes absurdes Theater vor, was aber nicht heißt, dass ich ihn nicht gut fand. Ich guck ihn mir im Winter nochmal an.




Sonntag, 1. Juni 2003

Mond

Sie redet mit dem Bürgersteig, den sie langsam entlanggeht. Was sie wohl auf dem Mond solle. Sie sei dort doch ganz alleine. Das sei zwar nicht viel anders als hier, aber wenn alle anderen auf dem Mars seien, was solle sie dann alleine auf den Mond? Hm? Ob sie da vielleicht mal eine Antwort bekommen könne?

Ihre Stimme wird schriller, je länger sie mit jemand Unsichtbarem diskutiert. Sie zieht ihre Krücke hinter sich her, anstatt sie zu benutzen; sie humpelt ein wenig, aber sie scheint keine Schmerzen zu haben. Vielleicht vergisst sie diese auch gerade nur für ein paar Momente. Schließlich muss sie wissen, wo sie denn nun hin soll – Mond oder Mars? Ihre grauen Haare wirken gepflegt, ihre grüne Strickjacke sauber. Hat sie sich für die Reise schön gemacht?

Ich überlege, ob ich ihr beim Kofferpacken helfen soll, steige dann aber doch nur mutlos in mein Auto und fahre zu Arbeit.