Tagebuchbloggen 12.01.2010

Bei FarmVille abends alles so auf Kante gesät, dass ich morgens zu lange zum Ernten gebraucht habe. Fünf Minuten zu spät zur Arbeit gekommen.

Den Vormittag in meiner „alten“ Agentur verbracht. Mein derzeitiger Arbeitgeber verteilt sich auf mehrere Gebäude in Hamburg, und im alten Gemeindehaus der Friedenskirche habe ich als Juniortexter schon gearbeitet. Jedesmal wenn ich da bin, kriege ich fiese Flashbacks in die Zeit, in der meine damalige Arterin und ich stundenlang die Lounge vollgeraucht und stapelweise Magazine durchgeblättert haben, um auf neue Ideen zu kommen. Ich weiß noch, wie stolz ich auf meinen ersten gedruckten Audi-Katalog war – und wie lange ich für den Text gebraucht habe. Daran muss ich mich immer selbst erinnern, wenn ich wieder innerlich über Junioren nöle, bei denen es gefühlt JAHRELANG dauert, bis eine gute Copy da ist. Bis ich mich eben selbst wieder im Großraum sehe, wie ich Wochenende um Wochenende an Sätzen gefeilt habe, die dem Senior, dem CD und dann irgendwann mal dem Kunden gefallen. (Soviel zum Thema „Ach, wär ich doch nochmal jung“. Bloß nicht.)

Wenn man an der Haltestelle Feldstraße aussteigt und von da zur Agentur geht, kam man jahrelang an einer fiesen Kneipe vorbei: Zum Goldenen Anker. Die wurde dem Geruch nach zu urteilen in den 50er Jahren eröffnet, und seitdem hat da niemand mehr durchgelüftet oder mal das Bier aufgewischt. Man musste nicht mal reingehen; es reichte, außen an der geöffneten Tür vorbeizukommen, und man hatte für drei Sekunden einen olfaktorischen Ausblick auf die Zeit, wenn man zu nichts mehr fähig ist außer seine Tage zu versaufen. Als ich gestern an der Ecke vorbeikam, musste ich feststellen, dass der Anker nicht mehr da war. Stattdessen entsteht dort jetzt ein Wohnhaus. Und so schön ich das finde, dass Wohnungen gebaut werden – mir hat der Geruch doch ein bisschen gefehlt.

Mit dem Taxi zu anderen Agenturlocation gefahren (die noch mehr im Nahverkehrsniemandsland liegt). Ich weiß, es ist doof, aber ich fühle mich immer irgendwie hintergangen, wenn Taxifahrer das Navi anwerfen. Der gestrige meinte dann auch: „Das Navi sagt links, aber ich würd rechts fahren.“ Ich auch. Also rechts. Auf den zwei Kilometern Fahrt haben wir dann das Navi gemeinschaftlich bei vier Gelegenheiten überstimmt. Gut, dass ich wusste, wo ich hinwollte.

Autos betextet.

In meinen bisherigen Kundenklamotten zur Arbeit gegangen. Also so die Ecke „schicker Pullover oder Bluse oder womöglich Weste und ein Jäckchen drüber, Kettchen dazu und so“. Ist immer noch ungewohnt, gefällt mir aber. Habe allerdings Angst, auszusehen wie meine Mutter. Ich werde daher demnächst mit einer Werberkollegin einkaufen gehen, die mich etwas einnordet, was so die crazy young posse heute trägt. Hätte ich vielleicht schon letzten Samstag machen sollen, aber ich finde, ab einem gewissen Alter kann man sich auch mal ein Twinset kaufen. In Himbeere. („Hätte ich gar nicht gedacht, dass mir Rosa steht.“ – „Himbeere! Rosa sieht ganz anders aus.“)

E-Mail von Christine, der Kuratorin der Tagebuch-Ausstellung. Opas Holzklötze sollen jetzt in einem Schulbuch abgebildet werden, genauer gesagt, in einem Deutschbuch für die siebte Klasse Gymnasium, in dem anscheinend was über die Ausstellung steht. Ich habe mich sehr gefreut – und war gleichzeitig traurig, dass Opa nicht mehr mitkriegt, wieviele Leute von seinen Notizen begeistert sind.

Abends komme ich später als der Kerl nach Hause und hoffe, dass er schon gekocht hat. Hat er nicht – aber dafür seinen Bambiaugenaufschlag geübt.

„Dir ist schon klar, dass deine Bambiaugen nur bei mir funktionieren und nicht bei deinen Kunden?“

„Von denen will ich ja auch nicht bekocht werden.“

Im Laufe des Tages verspeist: Müsli mit Birne, Milchkaffee, Vollkornbrot mit Käse und Senf, Tomaten, Gurkenstücke, Möhren, ein paar Scheibchen Knoblauchsalami, Bio-Kirschjogurt, Couscous mit Huhn, Kichererbsen, Zucchini, Paprika, Zwiebeln und Knoblauch. Nach dem dritten Versuch kann ich jetzt feststellen: Nein, ich mag wirklich keine Kichererbsen.