Was schön war, Mittwoch, 10. Mai 2017 – „Lohengrin“-Vorspiel

F. und ich sahen uns Insgeheim Lohengrin im Residenztheater an bzw. in einer seiner Außenstellen, dem Cuvilliés-Theater. Das alleine ist ja schon schön, denn wenn’s langweilig ist, kann man sich immerhin viel barocke Pracht angucken. (Was ich öfter gemacht habe.) Das Stück folgt der Idee des Neobanalismus – den Begriff habe ich auf der Website gelernt und werde ihn jetzt dauernd benutzen, FÃœR ALLES.

Was mir gefallen hat: dass ich wenigstens den Anfang des Lohengrin-Vorspiels hören durfte und zwar nicht aus den schraddeligen MacBook-Lautsprechern, sondern in einem anständigen Theater, denn es gehört zu meinen Lieblingen und ist wunderschön und nicht mal die Tatsache, dass danach noch drei Stunden NEOBANALES Geplapper folgte, konnte mir die fünf Minuten madig machen. Die ersten zwanzig Minuten war ich dem Stück sogar sehr zugetan. Fünf Wagner-Fans treffen sich in einer Airbnb-Wohnung, um Wagner zu hören und darüber zu sprechen. Sie lesen sich Wagners manchmal seltsame Regieanweisungen aus ihren Reclams vor und diskutieren, sie erzählen sich, welche Farbe für sie welche Oper hat und protzen mit angelesenem Wagner-Wissen (genau mein Ding). Dann allerdings beginnen die persönlichen Erzählungen, die nun nichts mehr mit Wagner zu tun haben, und ab da hatte mich das Stück verloren. Vermutlich weil ich gerade wieder durch Anselm Kiefer und Friedrich Nietzsche in der Masterarbeit an Wagner rumgrabe, stellte mein Hirn trotzdem alle möglichen Verbindungen her, die vermutlich gar nicht vorgesehen waren. Die Story über das frierende Kind nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs? Eindeutig ein Hinweis auf den Missbrauch Wagners im „Dritten Reich“. Die Geschichte über die betrunkene Frau, die ihrem älteren Freund nicht gestehen will, dass sie Jungfrau ist und sich daher volltrunken irgendwen in der Kneipe schnappt, um den Job zu erledigen? Eindeutig ein Hinweis auf die eigensinnigen Frauenfiguren, die sich für Dinge opfern, die es nicht wert sind wie Senta im Holländer. Oder auch auf dusselige Damen wie Elsa im Lohengrin, die ihre Klappe nicht halten kann und ihren Ritter unbedingt nach seinem Namen fragen muss anstatt sich dem anonymen Kerl hinzugeben. Close your eyes and think of Brabant.

Das Stück schafft es, in seinen drei Akten die zunehmende Intimität zwischen den Figuren zu verdeutlichen, was aber überhaupt keinen Sinn ergibt, denn angeblich haben sie sich schon oft genug getroffen, um alle Opern Wagners durchzuhören (okay, so viele sind das ja nicht), und Lohengrin ist jetzt die letzte. Danach legen alle ihre Schlüssel auf den Tisch und gehen. Ernsthaft: Wer den Ring miteinander durchgestanden hat, der ist sich vermutlich schon näher gekommen. Außerdem hat schon die Prämisse des Stücks genervt: Man muss sich im heutigen München nicht konspirativ treffen, um Wagner zu hören. (Gerade nicht in München.) Wagner gehört mit Mozart zu den meistgespielten Komponisten weltweit, außer in Israel, aus Gründen. Alleine deswegen waren wir in der Pause sehr mit Augenrollen beschäftigt. Aber was dann auch schön war: Ich konnte diesen einzigartigen F.-Blick genießen, den der Mann über Jahre perfektioniert hat, den „Ich verachte schlechtes Theater“-Blick. Ganz großartig. So eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Genervtheit. Die brauche ich auch noch. Ich gucke immer bloß schlecht gelaunt. (Pausensekt half.)

PS: Die Nachtkritik fand’s auch eher banal, während der wütende FAZ-Kritiker anscheinend ein Bruder im Geiste von F. ist. (Nach unten scrollen.)